DOKUMENTATION | Ausstellungen: 1648 - Krieg und Frieden in Europa | |
Textbände > Bd. I: Politik, Religion, Recht und Gesellschaft |
LARS ERICSON Die schwedische Armee und Marine während des Dreißigjährigen Krieges - Von einer nationalen zu einer paneuropäischen Streitmacht |
Während die Friedensverhandlungen
in Münster und Osnabrück ihrem Ende zu gingen, fand eines der
spektakulärsten Ereignisse des ganzen Kriegs statt, der schwedische Angriff
auf die sogenannte Prager Kleinseite und ihre Eroberung. Am 24. Oktober 1648
wurde in Osnabrück der Friedensvertrag von den schwedischen Gesandten
unterzeichnet. Aber Neuigkeiten verbreiteten sich im 17. Jahrhundert relativ
langsam. Daher begann in Böhmen die schwedische Armee ihre Aktionen, ohne
zu wissen, was in Westfalen geschehen war. Am nächsten Tag, oder nach dem
alten Kalender am 15. Oktober, versuchten schwedische, finnische und deutsche
Soldaten die Mauern der Stadt Prag zu erstürmen, jedoch ohne Erfolg. Den
gut erhaltenen Musterrollen und anderen Dokumenten im Militärarchiv und im
Nationalarchiv Stockholm ist es zu danken, daß wir heute diese und andere
Teile der schwedischen Armee während der 18 Jahre, in denen Schweden am
Dreißigjährigen Krieg teilnahm, untersuchen
können.
Der Krieg war vorbei. Der
aufsehenerregende Kampf um Prag bezeichnete das militärische Ende eines
Kampfes, der 1618 - für Schweden, wie auch für sein östliches
Herrschaftsgebiet, Finnland, erst 1630 - begonnen hatte. Soldaten aus allen
Teilen Europas kämpften auf den Schlachtfeldern des Heiligen Römischen
Reiches. Dies war auch bei der schwedischen Armee der
Fall. [1]
Die große multinationale
schwedische Armee in Deutschland von 1648 war seit 1630 sehr gewachsen, aber
ihre Geschichte begann zwei Jahrzehnte
früher.
Bereits nachdem Gustav Adolf 1611 den
schwedischen Thron bestiegen hatte, begann man, die Streitkräfte zu
modernisieren. Dies führte in den 1620er Jahren zur Bildung sogenannter
Provinzregimenter, die aus jeweils einer bestimmten Provinz rekrutiert wurden.
1634 wurde beschlossen, die Armee in acht Kavallerie- und 23
Infanterieregimenter zu unterteilen.
Während
für die Artillerie und die Kavallerie größtenteils Freiwillige
rekrutiert werden konnten, wurde, um die Infanterieregimenter zu füllen,
von einer Art Wehrpflicht Gebrauch gemacht. Diese Wehrpflicht war fast die ganz
Regierungszeit Gustav Adolfs hindurch für die meisten schwedischen
Männer ab einem Alter von 15 Jahren obligatorisch. So wurde ein neues
System eingeführt, daß dem Staat bzw. der Krone das Recht gab, die
ganze Bevölkerung zur Kriegsführung heranzuziehen. Ein gutes Beispiel
für diesen Blick auf die Bewohner von Schwedens Städten und
Dörfern kann man in Gustav Adolfs Kriegsvolksordnung (schwedisch:
Krigsfolksordning) nachlesen, das 1619 veröffentlicht wurde. In diesem
Gesetz wurde den Pfarrern jeder Gemeinde befohlen, Buch zu führen
"über das Alter der Heranwachsenden. Damit, wenn sie ihr fünfzehntes
Jahr erreichen," sie in die Liste aller Männer, die verpflichtet sind, in
der Armee oder der Marine zu dienen, wenn die Krone dies fordert, eingetragen
werden können. Diese Listen aller 15jährigen und älteren Schweden
geben heutigen Historikern gute Möglichkeiten, die demographischen Folgen
des Krieges für die schwedische Bevölkerung zu studieren. Irgendwelche
Skrupel, Teenager in den Krieg zu schicken, wird man dort schwerlich finden.
Statt dessen lesen wir in dem oben genannten Gesetz: "Je jünger sie den
Soldatenberuf ergreifen, desto besser werden sie lernen und sich an das
gewöhnen, das zum Beruf eines Militärs
gehört". [2]
Während einer
Aushebung - die zunächst vom Parlament, nicht vom König, beschlossen
wurde - wurden alle von den Pfarrern aufgelisteten Männer zusammengeholt
und dann in Gruppen zu zehn geteilt. Aus jeder dieser Gruppen wurde einer
ausgewählt, Soldat zu werden.
Die Wehrpflicht
und die großen Verluste hatten starke Auswirkungen auf die schwedische
Bevölkerung, besonders auf die 90 bis 95 Prozent, die als Bauern lebten.
Jüngere Schätzungen von Historikern zeigen, daß jeder dritte
Mann in Schweden (eingeschlossen Finnland) - an die 500.000 - während der
schwedischen Großmachtszeit zwischen 1620 und 1721 starb, die meisten an
Seuchen, Kälte und Hunger, nicht an Kampfeswunden. [3] Viele der
wehrpflichtigen Soldaten desertierten von der Armee, bevor sie zu einer der
Fronten auf der anderen Seite der Ostsee verschifft werden konnten, während
einige Provinzen mit weiterentwickelter Landwirtschaft und Handelsleben Geld
aufbringen konnten, um Freiwillige zu bezahlen, die den Platz der
Wehrpflichtigen einnahmen. [4]
Der
gebräuchlichste Weg, die schwedischen (und entsprechend auch die
finnischen) Einheiten zu komplettieren, war, ausländische Söldner
einzukaufen. Während der Kriege seit den 1540er Jahren waren
ausländische Soldaten in unterschiedlichen Größenordnungen
für die schwedische Armee rekrutiert worden, nie jedoch war ihre Zahl so
groß wie während des Dreißigjährigen Krieges. 1621, als
die Schweden die von den Polen gehaltene Stadt Riga eroberten, bestand die Armee
zu 85 Prozent aus Schweden. Als Schweden im Laufe des Sommers 1630 in den
deutschen Krieg eintrat, stellten die Schweden immer noch etwas mehr als die
Hälfte der gesamten Truppenstärke. Die Entwicklung ging dahin,
daß der schwedische Anteil der Truppen bei der Schlacht von Breitenfeld im
September 1631 unter 28 Prozent lag. In vielen Schlachten des
Dreißigjährigen Krieges waren nur 10 bis 15 Prozent Soldaten in der
schwedischen Armee schwedischer Herkunft. Dies war auch zum Beispiel bei der
Schlacht von Lützen am 6. September 1632 der Fall, als Gustav Adolf
getötet wurde.
Wenn Schweden Söldner
einkaufen wollte, begab es sich auf den internationalen Markt für Soldaten.
Auf diesem Markt waren alle vertreten, von kleinen Händlern, die nur ihre
eigenen Dienste anbieten konnten, bis zu Großlieferanten (wie Albrecht von
Wallenstein, der größte aller Condottieri), die ganze Regimenter und
Armeen verkauften. Schweden zahlte mit Geldern, die aus Zolleinkünften (vor
allem der eroberten Häfen an der Ostseeküste) und aus den Exporten der
reichen Kupferminen in Zentralschweden (die in Amsterdam zu Geld gemacht wurden)
stammten, und wurde finanziell von Verbündeten, besonders von Frankreich,
unterstützt. [5]
Auf diese Weise
füllte sich die schwedische Armee mit Soldaten aus vielen Ländern,
auch wenn die Deutschen dominierten. Eine andere große Gruppe stammte aus
Schottland. Zwischen 13.000 und 14.000 Soldaten, hauptsächlich aus dem
östlichen Hochland um Inverness, Aberdeen und Edinburgh, kamen, um in der
Armee unter Gustav Adolf zu dienen. Die Entwicklung in Deutschland um 1627/28
schnitt Schweden von den verfügbaren Söldnern in großen Teilen
des Kontinents ab. Daher wandte sich Schweden nach England und Schottland, um
Soldaten zu rekrutieren, Söldner, die schnell für ihre
ungewöhnliche Loyalität berühmt wurden. Wie Kanzler Axel
Oxenstierna 1630 schrieb: "Sie sind gute Gesellen, einfacher im Umgang als
andere." Auch wenn englische und schottische Söldner schon in der 1580er
Jahren von der schwedischen Armee für den Krieg gegen Rußland im
Osten gekauft wurden, diente die größte Zahl während der 1620er
und 1630er Jahre für Schweden. Während des ersten schwedischen
Feldzugs in Deutschland spielten schottische und englische Einheiten seit 1630
eine große Rolle, aber ihre Zahl sank zwischen 1636 und 1640 rapide, als
viele wegen der Unruhen, die in den 1640er Jahren zum englischen
Bürgerkrieg führten, heimkehrten. Viele hochrangige Briten blieben
jedoch in schwedischen Diensten und wanderten nach Schweden aus. Auf diese Weise
wurden viele schwedische Adelsgeschlechter begründet. Zwischen 1624 und
1639 lassen sich insgesamt 21 englische und schottische Regimenter
identifizieren. Alle gehörten zur Infanterie, denn der Export von Pferden
von den britischen Inseln war
verboten. [6]
Die Deutschen aber stellten
die Mehrheit der Infanterie-Söldner, und dies traf sogar in noch
größerem Maße auf die Kavallerie zu. Zwischen 1630 und 1633
schickte Schweden sechs einheimische Kavallerieregimenter nach Deutschland,
hinzu kamen fünf deutsche, ein livländisches und ein
kurländisches Regiment. Die ausländischen Einheiten wurden
ursprünglich zwischen 1626 und 1629 auf den Schlachtfeldern in
Ostpreußen gegen die Polen eingesetzt. In Deutschland wurden 14 weitere
Kavallerieregimenter aufgestellt, hinzu kam ein gemischt
böhmisch-schlesisches Regiment, wie auch eine Anzahl anderer
Einheiten. [7]
Das schwedische Engagement
in Deutschland begann, als 1628 einige hundert Soldaten von Preußen aus
entsandt wurden, die belagerte Stadt Stralsund zu unterstützen.
Im Herbst 1629 - nach ca. 40.000 Toten
während des Krieges in den 1620ern gegen Polen [8] - schätzte
die schwedische Regierung, daß das geplante Eingreifen in Deutschland
zumindest 30.000 Mann erforderte, während die übrigen Armeekräfte
45.000 Mann zählen sollten. Um diese 75.000 Mann zusammenbringen zu
können, mußte Schweden alle seine Ressourcen bis zum
äußersten mobilisieren, nicht zuletzt durch neue Aushebungen, aber
auch durch eine große Bereitschaft, neue Söldner zu rekrutieren. Im
Frühjahr 1630 forderte Gustav Adolf für die aufzustellende Armee in
Deutschland 46.000 Mann. Im Frühsommer waren diese Truppen organisiert, zur
Hälfte bestanden sie aus Söldnern. Viele von ihnen waren Veteranen der
Feldzüge in Livland und Preußen und hatten noch Ansprüche an die
Krone auf Sold. Sie hielten es für klüger, zu bleiben und sich zu
bemühen, daß sie ihr Geld nach der Kampagne in Deutschland
bekämen. Andere Soldaten waren mit Kreditgeldern neuangeworbene
Söldner, die man mit dem Versprechen gelockt hatte, ihnen Sold zu zahlen,
sobald die Aktionen (und die erhofften Einkünfte) in Deutschland beginnen
würden. [9]
Im Sommer 1630 landete
Gustav Adolf mit 13.000 Soldaten bei Peenemünde. In den folgenden Wochen
kam Verstärkung sowohl aus Schweden als auch von der Armee in
Preußen, so daß die schwedische Armee in Deutschland Anfang August
fast 26.000 Mann zählte. [10]
Die
schwedischen Kräfte und vor allem die Söldner wurden zu einem
großen Teil aus deutschen Quellen unterhalten. Feinde wie Verbündete
oder neutrale Dritte hatten der Armee Kontributionen in bar oder Naturalien zu
zahlen. Die Geschichte der schwedischen Beteiligung am
Dreißigjährigen Krieg war zu einem großen Teil die Geschichte
endloser Verhandlungen - nicht selten begleitet von mehr oder weniger deutlichen
militärischen Drohungen - über die Kontributionen der verbündeten
Städte und Provinzen. Zur gleichen Zeit preßte die Armee aus dem
eroberten Feindesland, was sie
konnte. [11]
Eine der ersten deutschen
Städte, die für die schwedischen Truppen bezahlen mußte, war
Stettin, das bereits im Sommer 1630 durch die Schweden eingenommen worden war.
Trotz der Versuche der Stadt, die finanzielle Bürde zu verringern,
erreichte Schweden, daß Stettin ab Herbst 1630 eine Garnison von 4.000
schwedischen Soldaten unterhielt, den größten Teil der schwedischen
Armee an der Oder.
Während der Jahre 1630 und
1631 gelang es Schweden, ein System aufzubauen, das, vor allem durch
Kontributionen aus Pommern, etwas mehr als die Hälfte der Kriegskosten in
Deutschland garantierte. Der Rest wurde von Schweden bezahlt. Auf diese Weise
wurde ein - wenn auch nicht besonders stabiles - Fundament zur Expansion der
Armee gelegt, auf Kosten der Verbündeten und des
Feindeslandes. [12] Dies war nicht nur bei den Einheiten aus
ausländischen Söldnern der Fall. Die deutschen Gebiete hatten zwischen
80 und 83 Prozent der Soldkosten der finnischen Infanterieregimenter
aufzubringen, während für die finnische Kavallerie 60 Prozent
übernommen werden
mußten. [13]
Das Europa des 17.
Jahrhunderts erlebte ein dramatisches Wachstum der Armeen der verschiedenen
Länder, was nicht zuletzt ein Ergebnis der Fortentwicklung der Kriegskunst
war, die nach mehr Soldaten verlangte. Diese Entwicklung ist spätestens
seit dem Ende des 15. Jahrhunderts zu beobachten. [14] Offensichtlich
wurde dies in Frankreich, wo die Armee Mitte des 16. Jahrhunderts 36.000 Mann
zählte, bis 1630 auf 150.000 Soldaten anwuchs und während der
Regierung Ludwigs XIV. Ende des Jahrhunderts auf 400.000 Mann angestiegen
war. [15] In entsprechender Relation wuchsen die kaiserlichen,
bayerischen, niederländischen und spanischen Truppen. Die nationale
Herkunft der Soldaten war bei den meisten Heeren mehr oder weniger
gemischt. [16]
Da nur kleinere Truppen
außerhalb der reichen Agrarregionen Europas, der Poebene und Flandern,
unterhalten werden konnten, mußten alle Länder und Heerführer
ihre Armeen verteilen, um die verschiedenen Regionen für die weitere
Versorgung mit Nahrung und anderen notwendigen Dingen zu sichern. Nicht mehr als
20.000, maximal 30.000 Soldaten konnten in einem Areal für eine Schlacht
zusammengeführt werden, egal wie groß die Streitkräfte eines
Landes oder eines Heerführers auch waren. Die Logistik entschied
darüber, wie groß eine Armee sein
durfte.
Eine solche Expansion fand auch im Falle
Schwedens statt, dessen Armee direkt nach dem Eintritt in den Krieg zu wachsen
begann. Die Notwendigkeit, die Häfen entlang der Ostseeküste - der bei
weitem wichtigste Versorgungsweg zwischen Heimatland und Armee - sowie eine
Reihe von wichtigen Städten, Festungen und auch bedeutsamen Gebieten
für Logistik und Kontribution zu kontrollieren, war der Grund dafür,
daß Gustav Adolfs Armee rapide wuchs. [17]
Anfang November 1630 zählte die schwedische
Armee 29.000 Mann (von denen mehr als 9.000 krank waren), während 13.000 in
neun großen Garnisonen in Pommern lagen. Kurz nach Neujahr kommandierte
der König, der sein Quartier in Neumark bezogen hatte, mehr als 20.0000
Mann (von denen nur 14.000 nicht krank waren), während weitere 18.000 in
verschiedenen Garnisonen lagen. Die Armee schrumpfte zu einer Zeit, als jeder
dritte Soldat krank darnieder lag. [18] Aber die Entwicklung sollte
schon bald einen anderen anderen Verlauf nehmen.
Im Oktober 1630 kann man zum ersten Mal eine
strategische Aufteilung der schwedischen Armee beobachten, die während der
kommenden Kriegsjahre immer weiter entwickelt wurde. Die Truppen waren bereits
so groß, daß eine zentrale Versorgung unmöglich war. Der
Kanzler Axel Oxenstierna schlug von seinem Hauptquartier Elbing in Preußen
aus vor, Gustav Adolf solle dafür sorgen, daß die "Garnisonen in
Ordnung sind und wohlversorgt", und danach die Hauptkräfte zu einer Armee
unter der Führung des Königs sammeln, um die Hauptarmee des Kaisers zu
suchen und zu bekämpfen. Daneben sollte eine zweite Armee entlang der
Oderlinie aufgestellt werden, um die Flanke für den Fall zu sichern,
daß Polen in den Krieg
eingreife. [19]
Ein Jahr später war
diese Struktur weiter verfeinert worden. Zum Jahreswechsel 1631/32 führte
Gustav Adolf die 19.000 Mann starke sogenannte Rheinarmee, während eine
Armee in Franken wenig mehr als 8.000 Mann, eine Armee in Magdeburg mehr als
16.000, die Armee in Niedersachsen 13.000 und die Armee in Mecklenburg knapp
4.000 zählte. Die Feldstreitkräfte waren also in fünf Armeen
geteilt, die unabhängig voneinander operierten. Im folgenden Jahr war diese
Organisation nochmals weiter fortgeschritten. Gustav Adolf hatte auch das
Kommando über einige alliierte Truppen und darüber hinaus 10.000 Mann
in verschiedenen Garnisonen. Insgesamt bestand die schwedische Armee aus 83.000
Mann, bis Februar/März 1632 war sie noch weiter auf 108.000 Mann
gewachsen. [20] Von diesen waren nur 13.000 Schweden oder Finnen, die
anderen waren Söldner. Wenn man die Verbündeten aus Mecklenburg,
Bremen und Sachsen hinzurechnet, mit denen zusammen die Truppen, die Gustav
Adolf kommandierte, 140.000 Mann stark waren, war das Verhältnis sogar noch
extremer. [21] Schwedens Krieg in Deutschland wurde weitestgehend durch
deutsche Truppen ausgefochten, bezahlt von deutschem Geld. Mit diesen
großen Truppen schuf Schweden ein zentrales Basisgebiet, das von Pommern
im Norden durch Zentraldeutschland zwischen Weser und Oder bis zur
böhmischen Grenze im Süden reichte. Der schwedische Einfluß
erweiterte sich nach Südwesten und in Richtung Würzburg, Frankfurt am
Main, Straßburg und Mainz. In einigen Städten wurden für die
Truppenversorgung große Lebensmittellager
angelegt.
Nach der Schlacht bei Lützen im
November 1632 aber befahl Axel Oxenstierna ein vorsichtigeres schwedisches
Vorgehen. Anfang 1633 begannen die schwedischen und finnischen Einheiten die
Feldarmeen zu verlassen und sammelten sich bei den pommerschen
Hafenstädten. Diese wichtigen Basisregionen wurden durch die
vertrauenswürdigsten Regimenter verteidigt, während die Söldner
in einem noch größeren Maße als bisher die Feldarmeen
füllten. Die Drohung Dänemarks und Polens gegen Pommern wurde von Axel
Oxenstierna sehr ernst genommen. Schweden konnte nicht riskieren, daß
seine Truppen auf dem Kontinent von Schweden abgeschnitten würden. Daher
war Pommern die wichtigste
Bastion. [22]
Nicht nur schwedische
Einheiten wurden bei Stralsund, Stettin und anderen Häfen konzentriert,
sondern auch verläßliche Söldnerregimente, hauptsächlich
britische, wurden in diese Garnisonen geschickt. Der Rückzug nach Pommern
und an die Ostsee war nach dem Desaster von Nördlingen 1634 noch
offensichtlicher, und 1637 waren auch die schwedischen Stellungen in
Norddeutschland durch kaiserliche Truppen bedroht.
Je länger der Krieg dauerte, desto
schwieriger wurde es, die Truppen in den schwer verwüsteten Gebieten
Deutschlands zu unterhalten. Dies führte dazu, daß die
Größe der Armeen schwand. Man kann einen großen Unterschied zu
der Situation von 1631/32 feststellen, wenn man die Pläne für den
Feldzug von 1636 studiert. Axel Oxenstierna plante drei Feldarmeen mit insgesamt
53.000 Mann entlang Elbe (bei Magdeburg), Oder und Weser aufzustellen. Zu
Jahresbeginn waren jedoch erst 45.000 verfügbar, so daß die
Rekrutierung neuer Söldner befohlen wurde. Die Schweden hatten auch
ungefähr 9.000 Mann in Garnisonen in Pommern und Mecklenburg
stationiert. [23] In dieser Situation wuchsen die schwedischen und
finnischen Einheiten wieder an, und Aushebungen ergaben regelmäßig
Verstärkungstruppen, die nach Deutschland geschickt wurden. Im Jahr 1640
waren 13.700 schwedische und finnische Soldaten in Deutschland, weniger als die
Hälfte der gesamten nationalen Truppe von 34.000 Mann. Der
größte Teil war immer noch in Reserve in Schweden, Finnland und den
Ostseeprovinzen. [24]
Während die
Armee enorm an Größe zugenommen hatte und verschiedenste
Nationalitäten unterschiedlichste Ränge bekleideten, war die Situation
in der schwedischen Marine gänzlich anders. Da die polnische Marine in den
späten 1620er Jahren aufgehört hatte zu existieren und die kaiserliche
Aufrüstung der Marine in der Ostsee ein frühes Ende fand, blieben
lediglich zwei Flotten im Ostseeraum übrig: die dänische und die
schwedische, seit Jahrhunderten Rivalen. Als der Dreißigjährige Krieg
endete, war die dänische Position durch den Verlust der Stellungen auf den
Inseln Ösel und Gotland an Schweden im Jahre 1645 und vor allem durch die
Niederlage gegen die schwedische Flotte in der Schlacht bei Fehmarn 1644
dauerhaft geschwächt. Im Januar 1646 berichtete Kanzler Axel Oxenstierna
dem Rat im Stockholmer Schloß, daß "der König von Dänemark
aus der Ostsee vertrieben ist und Ihre Majestät es nun für sich allein
hat", eine korrekte Analyse der strategischen Situation. [25]
Die Niederlande hätten aufgrund ihrer
kommerziellen Interessen der schwedischen Position gefährlich werden
können, aber, da sich die Niederlande im Krieg mit Spanien befanden, war
ein Eingreifen ihrer Flotte in der Ostsee nicht zu
befürchten. [26]
In dieser Situation
wurde die schwedische Flotte durch den Verkauf von vier großen
Kriegsschiffen an die französischen Verbündeten - freiwillig -
geschwächt. Es gab viele Diskussionen im königlichen Rat, ob dieser
Schritt nicht zu gewagt sei, die Schiffe wurden aber dennoch verkauft.
Außerdem wurden einige andere Kriegsschiffe privaten Unternehmern
übergeben, die der Krone große Geldsummen für den Krieg geliehen
hatten. Auf diese Weise verlor die schwedische Flotte 1646 20 Schiffe und erwarb
lediglich sieben neue. Zu Beginn des Krieges in Deutschland waren die
Seestreitkräfte Dänemarks wesentlich stärker als die
schwedischen: 1630 standen in der Ostsee 42 dänische Schiffe gegen nur 31
schwedische. Die schwedische Flotte aber wuchs seit Anfang der 1620er Jahre
stetig, auch wenn das große Schiff Vasa im Hafen Stockholms während
des Auslaufens zur preußischen Front 1628 gesunken war. Schon 1635 war die
schwedische Flotte nach einem großen Ankaufsprogramm auf 53 Schiffe
angewachsen. 1645, als die schwedische Marine ihren Zenit erreicht hatte,
standen 58 schwedische Schiffe gegen 35 dänische. Der Verkauf einiger
Schiffe führte aber dazu, daß sich die Positionen 1650 einander
angeglichen hatten: 42 schwedische gegen 43 dänische Schiffe. [27]
Diese große Flotte erforderte eine
wachsende Zahl an Offizieren und Seeleuten. 1645, als die Flotte am
größten war, waren 6.152 Offiziere und Seeleute gemustert, dazu kamen
noch 3.256 Soldaten, die auf den Schiffen stationiert waren, insgesamt also
9.408 Mann. Zum Vergleich: 1630 lag diese Zahl bei knapp über 5.000 Mann.
Seeleute und Soldaten stammten fast alle aus Schweden oder Finnland. Schon in
den späten 1620er Jahren kam es zu einer Vereinbarung zwischen der Krone
und den Bürgern der schwedischen Städte, in der festgelegt war, wie
viele Seeleute jede Stadt zur Marine zu entsenden hatte. Eine große Zahl
Seeleute wurde auch auf dem Land rekrutiert, auf ähnliche Weise, wie die
Armee zu ihren schwedischen und finnischen Soldaten kam. [28] Es waren
offensichtlich praktische Gründe, die dazu führten, daß nur
Schweden und Finnen angeworben wurden. An Land konnten Deutsche und Schotten in
eigenen Formationen kämpfen, aber auf einem Schiff mußten alle eng
zusammenarbeiten und daher dieselbe Sprache verstehen. Auf den Schiffen war kein
Platz für Söldner, die Schwedisch weder sprechen noch verstehen
konnten. Es gibt zwar Beispiele von niederländischen und englischen
Seeleuten, die in den 1640er Jahren auf schwedischen Schiffen zur schwedischen
Kolonie in Nordamerika, Neu Schweden, fuhren [29], entscheidender Faktor
aber war hier die Erfahrung der Männer, daß sie das Reisen auf dem
Atlantik gewohnt waren. Aus diesem Grunde war die schwedische Marine
während des ganzen Dreißigjährigen Krieges eine nationale
Streitmacht - nicht paneuropäisch wie die
Armee.
Hauptaufgabe der Flotte war es, die
Transportwege zwischen Schweden und den Armeen in Deutschland zu sichern.
Truppen- und Ausrüstungstransporte aus schwedischen Häfen wurden nach
Stralsund, Lübeck, Wismar und Rostock eskortiert. Spezielle Stege für
Pferde wurden bei Schloß Dalrö im Stockholmer Inselmeer, in Helsinki
und bei Schloß Älvsborg nahe bei Göteborg angelegt. Im Sommer
1648 nahm die Flotte in den Häfen von Narva, Helsinki, Stockholm,
Nyköping, Norrköping, Kalmar und Göteborg 7.000 Männer,
Infanterie und Kavallerie, auf. Insgesamt wurden 20 Marineschiffe und zehn
zusätzlich angeheuerte Schiffe für diese Transporte
gebraucht. [30] Daß dies, abgesehen vom Wetter, ohne jegliche
Bedrohung möglich war, belegt, wie recht Axel Oxenstierna mit seiner
Annahme von 1636 hatte: "Wenn wir Meister der Schiffahrt sind, sind wir die
Meister der Ostsee." [31]
Als das letzte
Jahr des Dreißigjährigen Krieges begann, zählte die Armee in
Deutschland 9.000 schwedische Soldaten und 28.000 Söldner. In den
zahlreichen Garnisonen lagen weitere 9.000 schwedische und 17.000
ausländische Soldaten. [32] Die schwedische Armee war - wie die
kaiserlichen und bayerischen Streitkräfte - seit den frühen 1640er
Jahren stetig gewachsen, erreichte aber nicht die Größe der
frühen 1630er. Statt dessen wuchs der Anteil der schwedischen
Streitkräfte.
Die größte Frage
aller am Krieg beteiligten Parteien war die nach Satisfaktionen, d.h.
Kompensationen für die Kriegskosten im allgemeinen und für die
Söldner im besonderen, damit nicht Massen von unbezahlten Söldnern
unkontrollierbare Anarchie über ganz Deutschland
brächten.
In dieser Situation war Schweden
nicht geneigt, sich aus Gebieten zurückzuziehen, aus denen die Truppen
versorgt werden konnten, zugleich wurde auf diese Weise für den Fall
Vorsorge getroffen, daß es zu Feindseligkeiten kommen sollte. Der
kaiserliche General Ottavio Piccolomini begriff dies und schrieb am 23. November
1648 dem kaiserlichen Hofrat und Vizekanzler Graf Kurz, daß die Schweden
Schritt für Schritt ihre besetzten Gebiete um Prag erweitern würden.
Voll Zorn schrieb er, daß die schwedischen Soldaten dabei seien, "das Land
arm zu essen", wenn sie sich von der böhmischen Bevölkerung versorgen
ließen. [33]
Nach langen
Verhandlungen in Osnabrück akzeptierte Johan Oxenstierna im Juni 1648
für Schweden die Summe von 5.000.000 Reichstalern vom Reichstag als
Kompensation für die Demobilisierung der schwedischen Armee, auch wenn die
Armeeführung zunächst 7.000.000 für das absolute Minimum
erklärt hatte. Schweden konnte sich die Demobilisierung seiner immer noch
großen Armee nicht leisten. Für die Landesfinanzen hätte eine
solche Belastung eine ernsthafte Bedrohung bedeutet, oder, wie es der
königliche Rat formulierte, es wäre, als ob einem "die ganze Armee an
der Kehle" säße, eine Situation, die Schweden bis ins Mark
erschüttern hätte können. Sowohl der Kaiser und Bayern als auch
Frankreich mußten bereits mehrfach Söldnerrevolten niederschlagen.
Schwedische Truppen revoltierten in Überlingen, Neumarkt, Langenach,
Meinau, Eger and Schweinfurt. Am schwersten waren die Revolten in Anhalt, wo die
Söldner umzingelt und erschossen wurden.
Die
Möglichkeit, den Dienst in der schwedischen Armee fortzusetzen, war
ebenfalls keine gute Perspektive. Im Herbst 1649, als die schwedische Armee sich
Schritt für Schritt in Richtung Pommern zurückzog und die Söldner
fürchten mußten, nach Pommern oder Schweden, an weit entfernte, wenig
attraktive Orte, entsandt zu werden, wuchs die Anzahl der
Deserteure. [34]
Außerdem war die
Größe der schwedischen Armee an sich schon ein Problem. Axel
Oxenstierna stellte im August 1648 fest, daß große Einheiten
über ein großes Territorium verstreut waren: "Die Armee steht an den
Alpen und in Bremen, Garnisonen sind über ganz Deutschland verteilt. Denke
nur wieviel Zeit es erfordert, zuerst eine Vereinbarung [zur Demobilisierung,
Anm. des Autors] zu treffen und dann diese angemessen und sicher
durchzuführen." Für Schweden war es Karl Gustav (1648 Hauptkommandeur
und seit 1654 König Karl X. von Schweden), der verantwortlich für die
Umsetzung der Friedensvereinbarungen war, während Piccolomini dieselbe
Aufgabe auf kaiserlicher Seite hatte.
Am Ende der
Krieges zählte die schwedische Armee 70.000 Mann, von denen 40.000 bei den
Streitkräften waren und der Rest in Garnisonen lag. Das verbündete
Hessen-Kassel brachte 11.000 Mann auf, die Franzosen 21.000. Der Kaiser hatte
immer noch 25.000 Mann unter Waffen und Bayern 18.000. [35] Die
französischen Truppen gingen zurück nach Frankreich, um die Fronde zu
bekämpfen. [36] Einige kaiserliche Einheiten wurden nach Ungarn
geschickt, wo die Türkengefahr wieder
wuchs. [37]
Die schwedische Armee zahlte
jedem entlassenen Infanteriesöldner 12 schwedische Reichstaler,
während ein Kavallerist 33 Reichstaler erhielt. Jeder bekam seinen Anteil.
Am besten wurde der Leiter der Demobilisierung, Karl Gustav, bezahlt, der 80.000
Reichstaler erhielt, während Karl Gustav Wrangel mit 60.000 und Axel
Oxenstierna mit 30.000 abgefunden wurden. Viele Soldaten nahmen auch Waffen und
andere Ausrüstungsstücke mit, als sie die Armee verließen.
Gleichzeitig wurden in einigen norddeutschen Häfen große Waffenlager
eingerichtet. Einige hochrangige Offiziere erhielten ihre Zahlung nicht in
Bargeld, sondern in Form von Kanonen (sic!) ausgezahlt, während der
größte Teil der Artillerie zurück nach Schweden geschickt
wurde.
Die ersten Pläne zur Demobilisierung
wurden bereits im April 1647 in Stockholm gefaßt, und die Strategie war
offensichtlich. Schritt für Schritt sollte die Armee nach Pommern
zurückgezogen werden, einer Provinz, die durch den Friedensvertrag formell
in schwedische Hände gelangte, ein Prozeß, der sorgfältig mit
der Demobilisierung der kaiserlichen Truppen koordiniert wurde. Es war auch
wichtig, genug Truppen zur Sicherung der versprochenen Kompensationen zu haben.
Der erste Schritt war, "die gesamte fremde Kavallerie" zu demobilisieren, "denn
der Sold der deutschen Reiter ist relativ hoch und belastet den Staat in
unerträglicher Weise."
Am 28. Juli 1649
trafen Karl Gustav und Piccolomini in Nürnberg zusammen und schlossen eine
Vereinbarung über den Ablauf der Demobilisierung und die Evakuierung
einiger Städte. Da neue Probleme auftauchten, stockte der Prozeß,
aber Anfang Oktober 1649 trafen die beiden neue Absprachen. Zu diesem Zeitpunkt
waren bereits 130 schwedische und 163 kaiserliche Kavalleriekompanien
demobilisiert, ebenso wie einige bayerische Einheiten. Im Oktober begannen die
Schweden mit dem Rückzug ihrer Truppen aus
Kursachsen.
Ende 1649 waren bereits 9.000
schwedische und finnische Soldaten über die Ostsee nach Hause gezogen. Nur
144 Artilleristen blieben in Deutschland. Die Leibgarde mit ihren 1.900 Mann
wurde nach Stockholm und Riga geschickt. Der schwedische Truppentransport wurde
zum Teil mit Sondersteuern aus den neuen schwedischen Provinzen in Deutschland
finanziert. [38]
Anfang 1650 stockte die
Demobilisierung nochmals aufgrund von Befürchtungen, der Kaiser könnte
versucht sein, die geschwächten schwedischen Positionen anzugreifen. Am 16.
Juli 1650 einigten sich Karl Gustav und Piccolomini auf eine Fortsetzung der
Demobilisierung. Während des Sommers 1650 war dieser Prozeß beendet,
und Ende August waren die in Deutschland verbleibenden Einheiten nach Pommern
zurückgezogen. Einzige Ausnahme war Hinterpommern und eine schwedische
Garnison in der Festung Vechta in Niedersachsen, das die Schweden bis 1654 als
Pfand für die unbezahlten Kompensationen hielten. Ende 1650 hatten auch die
französischen Truppen Deutschland verlassen, und die Demobilisierung der
Kaiserlichen war beendet. Zwei Jahre nach dem Westfälischen Frieden waren
in Deutschland nur noch 4.100 Söldner in schwedischen Diensten stationiert,
und zwar in Pommern. Die schwedischen und finnischen Einheiten in den neuen
deutschen Provinzen zählten 4.500 Mann, während 7.000 in den
Ostseeprovinzen stationiert waren und nur 2.000 in schwedischen
Garnisonen. [39]
1648 waren die
schwedischen Truppen nur noch wenig größer als die Armee, mit der
Gustav Adolf in den deutschen Krieg eingegriffen hatte. Das Verhältnis von
schwedischen und finnischen Soldaten und fremden Söldnern entsprach nun
ebenfalls wieder dem von 1630. Der Kreis hatte sich gewissermaßen
geschlossen. Aber die Soldaten gehörten jetzt zu einer anderen Armee als
der, die damals mit unsicherer Zukunft und enggesteckten Zielen in
Peenemünde ihren Fuß auf Reichsboden gesetzt hatte. Jetzt, 1650, war
es die Armee eines Staates, der Provinzen in Norddeutschland und einen Sitz im
Reichstag erworben hatte. Hierfür hatten Zehntausende Schweden und Finnen
mit dem Leben gezahlt, aber auch Soldaten aus Deutschland, England, Schottland,
Estland, Livland, den Niederlanden, Irland und Frankreich sowie anderer
europäischer Staaten ließen ihr Leben, als sie in der
größten paneuropäischen Armee dienten, die die Zeit vor Napoleon
je gesehen hatte.