DOKUMENTATION | Ausstellungen: 1648 - Krieg und Frieden in Europa | |
Textbände > Bd. I: Politik, Religion, Recht und Gesellschaft |
RAINER POSTEL Hamburg zur Zeit des Westfälischen Friedens |
1648, im Jahr des Westfälischen
Friedens, ließ sich der bedeutende und weitgereiste Medailleur Sebastian
Dadler (1586-1657), geboren in Straßburg, für den Rest seines Lebens
in Hamburg nieder. Hamburg hatte den langen Krieg ohne größere
Schäden überstanden und war mit fast 75.000 Einwohnern mittlerweile
die größte Stadt des Reiches. Die Nachricht vom endlich erreichten
Frieden wurde auch hier mit Erleichterung aufgenommen und am 22. Oktober (alten
Stils) mit einem Dankfest gefeiert - mit Festgottesdiensten, mit Kanonendonner
von den Wällen und von den Schiffen im Hafen, mit Gewehrsalven der
Garnison, die mit wehenden Fahnen und klingendem Spiel auf den Plätzen der
Stadt aufgezogen war, mit Glockengeläut und mit Chormusik von allen
Türmen.
Vielerorts wurde des Friedens noch
Jahre später mit Medaillen gedacht, zu denen Dadler für Hamburg und
andere Städte eine stattliche Reihe beitrug. Für die Situation der
Elbmetropole und dafür, wie sie von seinen Hamburger Auftraggebern gesehen
wurde, bieten allerdings zwei andere Werke Dadlers noch anschaulichere
Zeugnisse.
Bereits 1636 hatte er der Stadt eine
seiner prächtigsten und originellsten Schöpfungen gewidmet, mit fast
80 mm Durchmesser zugleich eine der größten
frühneuzeitlichen Städtemedaillen überhaupt. Ihre Vorderseite
zeigt den Handelsgott Merkur als Koloß, von Gottes Hand gesegnet, auf der
Brust Hamburgs Wappen, in den Händen Merkurstab und Lorbeerzweig, gleichsam
amphibisch den rechten Fuß auf einem Schiff, den linken auf dem Land, zu
seinen Seiten Füllhörner mit Fischen und Früchten, Handelswaren
und die Allegorien der Schiffahrt und des Ackerbaus, im Hintergrund Schiffe vor
einer Hafenstadt und alles umgeben von einem Lobspruch auf die göttlichen
Segnungen des Handels. Die Rückseite bietet - etwa nach Südosten - den
reich detaillierten Vogelschauplan Hamburgs, umschlossen vom Kranz seiner neuen
Befestigungswerke, die links die (Binnen-)Alster einfassen und sich rechts zur
schiffreichen Elbe öffnen. Die engbebaute Altstadt in der oberen
Bildhälfte wird vom Dom und den vier Hauptkirchen überragt und nach
Westen durch den älteren Wall ("Neuer Wall") abgegrenzt. Das von der neuen
Festung mit eingefaßte Gelände - kaum kleiner als die gesamte
Altstadt - ist dünner besiedelt, teilweise mit Gartenflächen bedeckt,
über die sich nur die St. Michaeliskapelle nahe der alten Stadtmauer
erhebt, übrigens der erste protestantische Kirchenbau Hamburgs. Die
Darstellung läßt auch deutlich erkennen, daß die gerade zehn
Jahre zuvor fertiggestellten Festungsanlagen mit ihren 22 Bastionen (eine am
Hafen fehlt bei Dadler) nahezu kreisförmig um den Turm der Nikolaikirche
als Mittelpunkt herumgeführt worden waren (Radius ca. 1150 m). Am
oberen Bildrand steht ein formelhafter Friedenswunsch, am unteren der
Freiheitsappell, damals am Millerntor und heute fast wortgleich an der
Rathausfassade zu lesen: "Libertatem quam peperere maiores studeat servare
posteritas" (Die von den Vorvätern erworbene Freiheit mögen die
Nachfahren zu bewahren trachten).
Das zweite Werk
Dadlers ist ein 1653 von der Hamburger Bank herausgebrachter "Portugalöser"
auf die Segnungen des Friedens, ein zehn Dukaten schweres Goldstück, etwa
50 mm breit und auch in Silber ausgeprägt. Sein Avers zeigt die Stadt
von der Elbseite - hinter hohen Mauern die Dächer und die Türme, deren
Eindruck durch ihr Zusammenrücken im Münzrund noch gesteigert wird.
Die Stadt wird beschirmt von einem himmlischen Baldachin mit dem Stadtwappen,
während im Vordergrund zahlreiche Handelsschiffe und Boote der
Hafeneinfahrt zustreben. Die
Umschrift
beschwört Gottes Schutz für die Stadt. Für eine Vielzahl
späterer hamburgischer Medaillen schuf Dadler hiermit das Vorbild. Der
Revers trägt vor dem Hintergrund einer Stadtsilhouette das Bild einer
schiffreichen Elblandschaft, über der die Friedensgöttin aus zwei
Füllhörnern Schiffe, Ähren, Blumen und Früchte
ausschüttet, und beschwört in der Umschrift den Frieden für Meer,
Land und Städte.
Ohne hier auf die
allegorischen und kunstgeschichtlichen Aspekte einzugehen: Wohlstand durch
Handel, Frieden und Sicherheit als dessen notwendige Voraussetzungen - dies sind
die hervorstechenden Merkmale Hamburgs, die Dadler dem Betrachter vor Augen
führte. Sicherheit boten vor allem die mächtigen Festungswälle,
die auf beiden Medaillen das Bild der Stadt
bestimmen.
Angesichts wachsender Bedrohung
städtischer Unabhängigkeit und besonders unter dem Eindruck der
Belagerung Braunschweigs 1605/06 hatten die Hansestädte Hamburg,
Lübeck, Bremen, Magdeburg, Lüneburg und Braunschweig 1607 ein
Verteidigungsbündnis geschlossen. Sie hatten 1608 den Grafen Friedrich von
Solms-Laubach zu ihrem Feldhauptmann bestellt und ihn beauftragt, zur
Verbesserung ihrer Befestigungen einen geeigneten Festungsingenieur zu
engagieren. Die Entwicklung der Waffen-und Belagerungstechnik ließ die
alten Wälle veraltet erscheinen, und der Fall der Reichsstadt
Donauwörth unterstrich die Dringlichkeit der Aufgabe. Sie wurde 1609 dem
niederländischen Ingenieur Johan van Valckenburgh übertragen, der auch
für weitere Hansestädte wirkte, dazu für Emden, Ulm und mehrere
Städte im Westen des Reiches. Noch im gleichen Jahr begannen Valckenburghs
Planungen für Hamburg, wo Rat und Bürgerschaft sich 1615 entschlossen,
seine Entwürfe zu verwirklichen.
Die
Hamburger Bastionsbefestigung wurde "das umfangreichste und bedeutendste Werk
Johan van Valckenburghs in Deutschland" (Weber). Die Fertigstellung, zu der die
Bürger mit zahlreichen Sondersteuern und Handdiensten herangezogen wurden,
beanspruchte zehn Jahre (1616-1626) und stürzte mit ihren Kosten von weit
über 1,5 Millionen Mark die Kämmerei zeitweilig in hohe Schulden. Aber
die modernen und bald mit Geschützen bewehrten Wälle, Bastionen und
Gräben gaben der Stadt den notwendigen Schutz, als sich das Kriegsgeschehen
wenig später nach Norden verlagerte. Daß sie das Stadtgebiet nahezu
verdoppelten, galt allerdings weniger der Sicherheit der bisher schutzlosen und
unerwünschten Anwohner. Vielmehr wurden damit die dortigen Anhöhen,
die möglichen Belagerern das Beschießen der Stadt erleichtert
hätten, in den Festungsring einbezogen. Die neue Befestigung prägte
das Bild Hamburgs bis ins 19. Jahrhundert und wirkt in Straßenführung
und -namen bis heute nach.
1619 war auch die
Bürgerwache reorganisiert worden. Die Bürgerkompanien der vier
Kirchspiele und der nun mit eingefaßten Neustadt, dazu die je nach Bedarf
geworbenen Söldner, zählten über 10.000 Waffenfähige, mit
denen Angreifer zu rechnen hatten. Im übrigen waren Hamburgs Rüstungen
rein defensiv. Der Rat versuchte, seine bewährte Neutralitätspolitik
fortzusetzen, um zwischen der kaiserlich-katholischen Seite und den Aggressionen
und landesherrlichen Ansprüchen Holstein-Dänemarks lavieren zu
können. So richteten die Heere Wallensteins und Tillys, als sie 1627 - ein
Jahr nach der Schlacht bei Lutter am Barenberge - ihren Zug nordwärts nach
Jütland fortsetzten, erhebliche Schäden in Hamburgs Umgebung an,
besonders in den Vierlanden und der Grafschaft Pinneberg. Um die Stadt selbst
machten sie dagegen einen respektvollen Bogen. Mit 5.000 Talern brachten die
Hamburger Tilly auch davon ab, seine Truppen in Bergedorf einzuquartieren; sie
zahlten Wallenstein 20.000 Taler dafür, daß sein Heer das
hamburgische Landgebiet schonte, und erkauften das Wohlwollen beider
Heerführer durch weitere stattliche
Zuwendungen.
Im folgenden Jahr zeigte der Kaiser
noch größeres Entgegenkommen, als er der Stadt in einem neuen
Elbprivileg die seit langem strittige volle Herrschaft über die Niederelbe
gewährte. Es war ein Köder, um Hamburg und weitere Hansestädte
für ein Handelsbündnis mit den habsburgischen Kronen zu gewinnen, das
diesen mit Unterstützung der hansischen Flotte zur Ostseeherrschaft
verhelfen sollte. Der Plan schlug jedoch fehl, denn weder wollten sich die
Hansestädte die protestantischen Seemächte England, die Niederlande
und Dänemark zu Gegnern machen, noch rückte Hamburg von seiner
Neutralität ab.
Daß die Hamburger den
Krieg äußerlich wohlbehalten überstanden und in mancher Hinsicht
auch von ihm profitierten, konnte nicht verdecken, daß er für sie
schwere Belastungen bedeutete. Er forderte Rüstungen und vielfältige
weitere Ausgaben, er trieb zahlreiche Flüchtlinge in ihre Mauern, beschwor
damit die Gefahr von Seuchen und sozialen Spannungen herauf, und er brachte dem
Handel Einbußen und Erschwernisse, zumal der dänische König die
Situation gegen Hamburg nutzte.
Seit Beginn seiner
Selbstregierung hatte Christian IV. Hamburg mit seinen Hoheitsansprüchen
und Pressionen zugesetzt. Nachdem es der Stadt in der Vergangenheit immer wieder
gelungen war, dänische Huldigungsforderungen abzuwehren und ihre
Abhängigkeit statt dessen in "Annehmungen" eher unverbindlich zu lassen,
erzwang er 1603 eine pompöse Erbhuldigung - die einzige, die Hamburg der
dänischen Krone jemals leistete.
Christian
stellte sich auch gegen die Hanse, als er 1601 die Islandfahrt verbot, 1604 die
Sundzollfreiheit und 1615 die Privilegien des Bergener Kontors aufhob, ebenso
mit der Teilnahme an den Belagerungen Braunschweigs. Nachdem er bereits versucht
hatte, die kleine Landstadt Krempe zu einer Konkurrentin Hamburgs zu erheben,
sollte die Gründung Glückstadts 1616 - seit 1620 zur Festung ausgebaut
- den Hamburger Handel um so wirkungsvoller treffen. Es ging ihm also keineswegs
allein um die politische Oberhoheit.
Als das
Reichskammergericht 1617 nach langer Unterbrechung den seit 1548 währenden
Prozeß um die Frage der hamburgischen Reichsunmittelbarkeit - den
insgesamt vierten - wieder aufnahm, in dem Hamburg bislang auf Neutralität
zwischen dem Kaiser und Dänemark-Holstein gesetzt hatte, sah sich der
hamburgische Rat durch die wachsenden dänischen Pressionen auf die Seite
des Reiches gedrängt. Unabhängig davon, aber mit Zustimmung der
Hamburger, erkannte auch das Gericht 1618 auf deren Reichsunmittelbarkeit. Die
Stadt trug fortan alle Lasten und Steuern des Reiches mit, beschickte
später auch die Reichstage, wies ihre Vertreter mit Rücksicht auf
Dänemark aber an, ihren Sitz in der Städtekurie nicht einzunehmen. Rat
und Bürgerschaft bekundeten ihre neue Haltung, indem sie sogleich in den
fünfzehn leeren Nischen der Rathausfassade lebensgroße Statuen jener
deutschen Könige aufstellten, denen Hamburg seine Freiheiten verdankte.
Christian IV. war jedoch nicht bereit, die Entscheidung des Reichskammergerichts
hinzunehmen. Er machte den Hamburgern mit eigenen Kriegsschiffen vor
Glückstadt die Hoheit auf der Niederelbe streitig und zwang sie 1621 mit
einem Truppenaufmarsch - die neue Festung war erst in Bau -, im Steinburger
Vertrag die Frage der hamburgischen Reichsunmittelbarkeit erneut für offen
zu erklären. Sie blieb es, bis Dänemark 1768 im Gottorper Vergleich
Hamburg endgültig die Reichsunmittelbarkeit
zugestand.
Im dänisch-niedersächsischen
Krieg ließ Christian zahlreiche hamburgische Schiffe aufbringen, auf denen
Ladungen für die Gegner vermutet wurden. Ungeachtet hamburgischer Proteste
erhob er seit 1630 bei Glückstadt von jedem passierenden Schiff eine
Abgabe. Eine mehrmonatige Blockade Glückstadts durch Hamburger Schiffe
konnte er mit seiner eigenen Flotte brechen. Kaiser Ferdinand II., dem der
Hamburger Rat den Bruch seines neuen Elbprivilegs klagte, erklärte den
Glückstädter Zoll für unrechtmäßig, sah aber nach dem
Wiederausbruch des Krieges den Streit zwischen zwei evangelischen
Reichsständen auch nicht ungern. Damit Dänemark dem von Schweden
beabsichtigten Bündnis evangelischer Stände fernblieb, billigte er ihm
diesen Zoll 1633 sogar für vier Jahre zu und war, als es ihn danach weiter
erhob, außerstande, dies zu verhindern. Ebenso mußte er hinnehmen,
daß Christian die Grafschaft Pinneberg nach dem Aussterben der
Schauenburger 1640 kurzerhand übernahm und mit seinem Einmarsch auch
kaiserlichen Ansprüchen zuvorkam.
Immerhin
konnte der Hamburger Rat mit der gedruckten "Apologia Hamburgensis" (1641)
seines Syndicus Broder Pauli dem Reichstag seine juristische und politische
Position verdeutlichen und der massiven dänischen Propaganda
entgegenwirken. Paulis Bemühungen und kaiserliche Truppenbewegungen nach
Norddeutschland ließen Christian zeitweilig von weiteren Attacken absehen.
Schon 1643 zwang er jedoch die Hamburger mit einem Truppenaufmarsch, Elb- und
Handelssperren und der Beschlagnahme von Schiffen und Waren zur Anerkennung der
holsteinischen Landesherrschaft, zum Verzicht auf Elbhoheit und -privilegien und
zu einer Entschädigungszahlung von 280.000 Reichstalern - ohne dabei den
Glückstädter Zoll aufzugeben. So setzten diese im nachfolgenden
dänisch-schwedischen Krieg auf Schweden und zahlten ihm - trotz
erklärter Neutralität und obgleich der schwedische Sieg keineswegs zu
erwarten war - heimlich Subsidien.
An den
Friedensverhandlungen in Brömsebro 1645 nahm auch eine Delegation der
Hansestädte Lübeck, Bremen und Hamburg teil und erreichte die Aufnahme
der Hanse in das Vertragswerk. Doch erst in den anschließenden
Verhandlungen in Kopenhagen und Hadersleben konnte Hamburg durchsetzen,
daß Dänemark den Glückstädter Zoll aufhob, den freien
Handelsverkehr auf der Unterelbe wieder zuließ und Hamburgs Elbprivileg
wie die früher selbst gewährten Rechte anerkannte. So blieben
Christians Anstrengungen, Hamburg politisch und wirtschaftlich in die Knie zu
zwingen, vergeblich. Als er im Februar 1648 starb, war die Erleichterung in
Hamburg kaum geringer als nach dem Friedensschluß ein halbes Jahr
darauf.
Hamburg wäre die weitaus
größte Stadt seiner Reiche gewesen. Das Bevölkerungswachstum der
Elbmetropole spiegelte den raschen wirtschaftlichen Aufstieg. Bereits in dem
Jahrhundert zwischen der Reformation und dem Ausbruch des
Dreißigjährigen Krieges hatte sich die Einwohnerzahl von etwa 14.000
auf 40.000 fast verdreifacht und diejenige Lübecks überflügelt.
War Hamburgs Bevölkerung von jeher besonders durch Zuzug aus dem
linkselbischen Niedersachsen gewachsen, so fielen nun die Fluchtwellen des
konfessionellen Zeitalters noch stärker ins
Gewicht.
Zwar hatten Seuchen immer wieder hohe
Verluste gefordert, vor allem die Pest 1564/65, als ein Viertel der Einwohner
starb; die zunehmende Enge innerhalb des seit Jahrhunderten kaum erweiterten
Stadtgebietes begünstigte solche Wirkungen. Doch eben damals änderte
der hamburgische Rat seine Fremdenpolitik und stellte wirtschaftliche
Nutzerwägungen über die restriktiven Grundsätze der Hanse wie
über die Ablehnung der streng lutherischen Geistlichkeit und ihres Anhangs
in der Bevölkerung.
Der Rat bemühte sich
zunächst um die englische Handelskompanie der Merchants Adventurers, die im
englisch-niederländischen Handelskrieg 1563 ihren Sitz von Antwerpen nach
Emden verlegt hatte. 1567 schloß er mit ihr einen zehnjährigen
Kontrakt, der den Engländern mehr Rechte zugestand, als je eine Hansestadt
fremden Kaufleuten - eine eigene Niederlassung mit gesonderter Gerichtsbarkeit,
Erlaubnis zum Grunderwerb und Handelsrechte, die denen hamburgischer Bürger
nahekamen, auch das Recht zum Handel mit anderen Gästen. Überdies
beanspruchten die Merchants Adventurers alsbald das Monopol auf den steigenden
englischen Tuchexport zum Kontinent, während die Schwierigkeiten der Hanse
in England selbst wuchsen.
Proteste des
Hanse-Syndicus, der hamburgischen Geistlichen und aus der Bevölkerung
blieben zunächst vergeblich, bewirkten aber, daß der Vertrag 1577
nicht verlängert wurde, so daß die Kompanie ihren Sitz wieder nach
Emden und später nach Stade verlegte. England, das bereits den
Spanienhandel Hamburgs und Lübecks bekämpfte, reagierte auf
Maßnahmen des Reichstags gegen die Merchants Adventurers 1598 mit der
Schließung des Londoner Hansekontors. Dessen Wiedereröffnung und das
Einlenken des Reiches ermöglichten es dem Hamburger Rat endlich, die
Kompanie 1611 mit attraktiven Angeboten zurückzuholen. Bis zum Beginn des
19. Jahrhunderts führten die Merchants Adventurers in Hamburg ein
abgeschlossenes, aber einträgliches Leben. Mit steigenden Zolleinnahmen und
der Belebung des Tuchhandels und der Schiffahrt erfüllten sie jedenfalls
anfangs die in sie gesetzten Erwartungen. Ihre Zahl blieb dabei gering, ihr
Aufenthalt zumeist befristet. Wichtiger war jedoch die fremdenfreundliche
Grundsatzentscheidung, nicht ohne Zögern getroffen, mit der sich der Rat
den gewandelten Erfordernissen des europäischen Handels anpaßte. Gute
Erfahrungen mit anderen Ausländern hatten sie
begünstigt.
Seit der Reformationszeit,
verstärkt aber seit Beginn des niederländischen Freiheitskrieges,
kamen niederländische Flüchtlinge bis ins 17. Jahrhundert in
großer Zahl nach Hamburg. Obgleich es nach den jüngsten Pestverlusten
zunächst kaum größere Raumprobleme gab, waren die
Widerstände beträchtlich. Stärker als die Einbußen des
hamburgischen Handels durch die Kaperei der Wassergeusen fiel dabei ins Gewicht,
daß viele der Emigranten Calvinisten waren. Denn für sein Festhalten
an der lutherischen Lehre hatte Hamburg hohe Opfer gebracht. Rat und
Kaufmannschaft sahen dagegen mehr auf die Vorteile für Handel und
Gewerbe.
Demgegenüber gingen lutherische
Flüchtlinge rasch in der Bevölkerung auf und erlangten an Wachstum und
Wohlstand der Stadt großen Anteil, oft auch politischen Einfluß. Das
Verhältnis zu den übrigen Flüchtlingen, zumeist Calvinisten,
regelte der Rat 1605 gegen jährliche Abgaben in sogenannten
Fremdenkontrakten. Fremdenkontrakte erhielt 1612 auch die Gemeinde der
sephardischen und bald auch die der askenasischen Juden, die sich in Hamburg
seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert gebildet hatte. Auch hier wurden Fremde den
Bürgern in ihrer Handelsfreiheit fast gleichgestellt und hansischen
Kaufleuten vorgezogen. Selbst Gewissensfreiheit und privater Gottesdienst wurden
den Reformierten zögernd
gewährt.
Machten diese Emigranten bereits um
1600 angeblich ein Viertel der hamburgischen Bevölkerung aus, so suchten
hier seit Beginn des großen Krieges erneut zahlreiche Flüchtlinge
Schutz, zunächst aus Böhmen, dann aus Mecklenburg und weiteren
Nachbargebieten. Obgleich bereits in den Jahren 1626-1628 mehrere tausend
Einwohner an einer eingeschleppten Seuche - möglicherweise Typhus -
starben, hielt das Bevölkerungswachstum während der weiteren
Kriegsjahre an. Die meisten Flüchtlinge ließen sich in der Neustadt
nieder, die bei Kriegsende bereits über 20.000 Einwohner gezählt haben
soll. Besonders die elbnahen Gebiete erreichten rasch städtische
Bebauungsdichte, so daß die bisher dort gelegenen Reeperbahnen vor die
Mauern an die Landstraße nach Altona verlegt werden mußten, der sie
dann den Namen gaben.
Für die zahlreichen
Bewohner der Neustadt, die kirchlich größtenteils nach St. Nikolai
eingepfarrt war, erwies sich die kleine St. Michaeliskirche vor der alten
Stadtmauer - erst 1600 als Friedhofskapelle angelegt und bald erweitert - rasch
als zu klein. Mitte 1647 beschlossen darum Rat und Bürgerschaft den Bau
einer größeren Kirche auf dem neuen Kirchhof der Neustadt, dem
Michaelisfeld.
Der Beschluß hatte für
die Geschichte der Neustadt erhebliche Tragweite: Es war der erste Schritt zur
Bildung eines selbständigen Kirchspiels. Noch 1647 trat das
Kirchenkollegium von St. Nikolai die kleine St. Michaeliskirche mit
Friedhöfen und Gebäuden der Stadt ab, die sie nun der
Michaelisgemeinde überlassen konnte. Der Bau der großen
Michaeliskirche begann im Friedensjahr 1648, ihr Turm wurde 1669 vollendet. Nach
ihrer Zerstörung durch Blitzschlag 1750 wurde sie seit 1751 wiederaufgebaut
und mit dem 1786 eingeweihten Turm zum Wahrzeichen Hamburgs, das nach erneuter
Brandzerstörung 1906 in gleicher Gestalt bis 1912 wiederhergestellt
wurde.
Die Neustadt hatte also um die Mitte des
17. Jahrhunderts den Weg zur kirchlichen Selbständigkeit angetreten. Dem
hatte der in jenen Jahren zunehmend von der Bürgerschaft bedrängte Rat
widerstrebt, und auch die altstädtischen Grundeigentümer
fürchteten um den Wert ihres neustädtischen Besitzes. Erst 1678 wurde
St. Michaelis als fünfte Hauptkirche der Stadt
anerkannt.
Dem bevölkerungsreichsten und
sozial schwächsten Kirchspiel standen nun Sitz und Stimme im Rathaus zu.
Aber noch fehlten seinen Bürgern die politischen Mitspracherechte ihrer
altstädtischen Nachbarn. Erst 1685 wurden sie ihnen durch Rat- und
Bürgerschluß zugestanden und so die rechtliche Gleichstellung der
Neustadt vollzogen.
Kirchspiele - die Sprengel der
Hauptkirchen - waren in Hamburg wie in anderen Städten seit dem Mittelalter
nicht nur kirchliche, sondern auch politisch-kommunale Bezirke, an die sich die
städtische Verwaltungsorganisation anlehnte. Die nach Kirchspielen
gegliederte Bevölkerung bildete so vier Körperschaften (Petri,
Nikolai, Katharinen, Jacobi), in denen die "erbgesessenen" (grundbesitzenden)
Bürger und die Vorsteher der Handwerksämter (Zünfte) - also nur
ein Teil der männlichen Einwohnerschaft - stimmberechtigt waren. Mit der
Reformation hatte die obrigkeitliche Gewalt des Rates, dessen bis zu 24
Mitglieder lebenslang amtierten und sich selbst ergänzten, erhebliche
Einschränkungen erfahren. Die damals gebildeten bürgerlichen
Kollegien, zunächst Träger des reformatorischen Fürsorgewesens,
wurden mit dem "Langen Rezeß" des Jahres 1529 zugleich Organe
bürgerlicher Mitsprache und Kontrolle gegenüber dem
Rat.
Unbeschadet ihrer gesamtstädtischen
Aufgaben rekrutierten sich die Kollegien von Beginn an paritätisch aus den
Kirchspielen. Zunächst hatte 1527 jedes Kirchspiel 12 Armenvorsteher
(Diakone) eingesetzt, zusammen also 48, denen für die politischen
Verhandlungen mit dem Rat 1528 je 24 "Subdiakone" beigegeben wurden, so
daß eine 144köpfige Bürgervertretung entstand. Etwa gleichzeitig
übernahmen es je 3 (= zusammen 12) Diakone, als "Oberalte" die
Fürsorgemittel zu zentralisieren, zu verwalten und gleichmäßig
einzusetzen. Seit 1685 gab es also 15 Oberalte, aus den 48ern wurden die 60er,
aus den 144ern die 180er; sie bestanden bis ins 19. Jahrhundert, wobei sich
stets das kleinere aus dem nächstgrößeren Kollegium
ergänzte.
Mittlerweile hatte die
Bürgerschaft ihre Mitspracherechte noch weiter ausgedehnt, insbesondere
seit ihr 1563 in einer Phase hoher Verschuldung die Kämmerei
überlassen worden war und von acht Bürgern aus den vier Kirchspielen
verwaltet wurde. Seit den zunehmend autoritären und im Ruf der
Bestechlichkeit stehenden Ratsherren 1603 Sporteln und Nebeneinnahmen
gestrichen, statt dessen feste Honorare gezahlt und alle bürgerlichen
Abgaben abverlangt wurden, hatte diese Bastion noch an Bedeutung gewonnen; wegen
der wachsenden Beanspruchung war die bisherige Ehrenamtlichkeit der Ratsherren
nicht aufrechtzuerhalten. Auch an neuen Verwaltungseinrichtungen wurden
Bürger beteiligt, und überall wurde das Michaeliskirchspiel
künftig einbezogen.
Solche Mitsprache, vom
Rat meist nur widerstrebend zugestanden, bedeutete keineswegs einen dauerhaften
Konflikt. Dem Rat blieben ja die meisten städtischen Ämter,
Gerichtshoheit und Strafgewalt vorbehalten. Bürgerliche Partizipation war
für Hamburg, bevor sich seit der Mitte des 17. Jahrhunderts die
innerstädtischen Gegensätze zuspitzten, eher ein Element der
Stabilität. Das lag nicht nur am offenbar weitreichenden Konsens in
städtischen Interessen und Sachfragen, sondern dieser selbst war darin
mitbegründet, daß die Wortführer der Bürgerschaft durchweg
ebenso der kaufmännischen Oberschicht der Stadt entstammten wie
traditionell der Rat. Schon die erforderliche Abkömmlichkeit für
zeitraubende Aufgaben machte dies notwendig, ohne daß bislang Kritik daran
laut geworden wäre.
Anderseits kam es in
Hamburg nie zur strengen Abschließung eines durch Geburt begründeten
Patriziats; auch Zugewanderte hatten bei kaufmännischem Erfolg und
passender Heirat Aufstiegschancen. Als sich allerdings um die Mitte des 17.
Jahrhunderts die Vorwürfe der Bestechlichkeit und Vetternwirtschaft bei
Ratswahlen häuften, verfügte 1663 ein Wahlrezeß strengere
Regeln: Schwiegervater und Schwiegersohn durften nicht (wie zuletzt in fünf
Fällen) gleichzeitig im Rat sitzen, der künftig zur Hälfte aus
graduierten Juristen bestehen sollte, ebenso sollten drei der vier
Bürgermeister Juristen sein. Daß die Spannungen gleichwohl wuchsen,
ist hier nicht weiter zu verfolgen.
Wenn Hamburgs
Wohlstand auch auf seinem Handel beruhte, so war doch nur knapp ein Fünftel
der Einwohner in kaufmännischen Tätigkeiten, gut ein Viertel
allerdings in Fracht- oder entsprechenden Hilfsberufen zu finden, die
Hälfte dagegen im Handwerk oder produzierenden Gewerben. Neuere
Schätzungen geben für das 17. Jahrhundert die sozial und beruflich
breitgefächerte Mittelschicht mit 60 bis 65 Prozent, die besitzlose
Unterschicht mit 30 bis 35 Prozent, die Oberschicht reicher Kaufleute,
Wandschneider und graduierter Akademiker mit etwa 5 Prozent der Bevölkerung
an. Nur diese und die Angehörigen der Mittelschicht brauchten bei Haus- und
Grundbesitz das Bürgerrecht und waren politisch
aktiv.
Hamburgs günstige Handelsentwicklung
hatte mehrere Gründe. Innerhalb der Hanse hatten sich die Gewichte von
Lübeck deutlich nach Hamburg verschoben, das die verkehrsgeographisch weit
günstigere Lage hatte - über die Elbe das größere
Hinterland und den direkten Zugang zur Nordsee. Hamburg hatte ohne
Rücksicht auf hansische Usancen auch modernere Handelsformen wie
Termingeschäfte übernommen. Seit 1482 im Besitz des Stapelrechts,
beanspruchte es rigoros die Elbhoheit, insbesondere gegenüber
Braunschweig-Lüneburg und gegen Holstein und Dänemark. Bereits 1517
hatte sich die Kaufmannschaft eine eigene Organisation gegeben, später eine
rasch aufblühende Tuchfärberei und Wandbereitung eingerichtet und 1558
eine Börse gegründet. Hamburgische Kaufleute stießen seit Ende
des 16. Jahrhunderts durch die Straße von Gibraltar zu italienischen
Häfen vor, andere erreichten trotz spanischer Verbote bereits
Brasilien.
Die Glaubensflüchtlinge der
folgenden Jahrzehnte brachten eine zusätzliche Belebung. Unbeschadet der
politisch-religiösen Gegensätze hielten die niederländischen
Emigranten ihre Handelsverbindungen nach Spanien aufrecht. Sie zogen einen
großen Teil des Antwerpener Marktes nach Hamburg, führten aber auch
neue Handelsformen ein, etwa Kommissions-, Speditions- und
Wechselgeschäfte. Die jüdischen Zuwanderer verhalfen Hamburg zu einer
wichtigen Rolle im europäischen Gewürzhandel. Sie hatten teil an der
Entwicklung des Geld- und Wechselgeschäfts. Die zunehmende Spezialisierung
von Handelsfunktionen und Warenbranchen trieb die Trennung von Groß- und
Einzelhandel voran, wobei die Niederländer besonders bei der
Verselbständigung des Bank- und Maklergewerbes und beim Ausbau des
Seeversicherungswesens hervortraten, aber auch bei der Vermittlung
handwerklicher Fähigkeiten, vor allem im
Textilsektor.
Als 1619 nach dem Vorbild der
Amsterdamer Wisselbank und mit maßgeblicher Beteiligung eingewanderter
Niederländer die Hamburger Bank gegründet wurde, fortan ein starker
Rückhalt für den hamburgischen Waren- und Geldmarkt, zählten nach
ihren ersten Umsatzkonten Niederländer zu den reichsten Kaufleuten der
Stadt.
Mit der Ausweitung des Aktionsradius
wuchsen für den hamburgischen Handel die Gefahren. Auf Betreiben der
Kaufmannschaft wurde darum 1623 die Admiralität errichtet, eine aus
Ratsherren, Kaufleuten und Schiffern gebildete Behörde. Sie sollte die
Schiffahrt besonders gegen das Seeräuberunwesen der "Barbaresken"
schützen, das von der nordafrikanischen Küste immer weiter in den
Atlantik ausgriff. Sie rüstete Konvois aus, bewaffnete Handelsschiffe und
stellte gelegentlich auch bewaffnete Begleitschiffe. Bereits 1624 richtete sie
eine öffentliche "Sklavenkasse" ein, um mit Hilfe einer allgemeinen Fracht-
und Heuerabgabe aller seewärts gehenden Schiffe und Besatzungen Seeleute
auszulösen, die in die Hände der Barbaresken gefallen waren. Wie in
der Seeassekuranz bemaß sich die Abgabenhöhe nach der
Gefährlichkeit der Route. Die Admiralität erhielt Polizeibefugnisse im
Hafen und an Bord. Sie übernahm bald auch die Hafenverwaltung mit ihren
wachsenden Aufgaben, die Kennzeichnung der Elbfahrrinne, die Havariebegutachtung
und die erstinstanzliche Gerichtsbarkeit in Seerechts-, Fracht- und
Seeversicherungsfragen. Ihre Arbeit finanzierte sie durch einen eigenen
Warenzoll.
Allerdings zeigte sich, daß ihre
begrenzten Mittel gegen die Piraterie wenig ausrichten konnten. Nach
empfindlichen Verlusten vor der iberischen Küste beschlossen Rat und
Bürgerschaft 1662, da fremder Schutz nicht zu erhalten war, den Bau eigener
Konvoischiffe, deren Kosten die Kaufmannschaft zur Hälfte übernahm.
Eine eigene Konvoideputation stellte seit 1668 die berühmt gewordenen
Fregatten "Leopoldus Primus" und "Wappen von Hamburg" in Dienst, die in der
Folge hamburgische Schiffsverbände sicher an ihre Ziele geleiteten und auch
andere Schiffe schützten. Solche hamburgischen Konvoischiffe operierten bis
zur Mitte des 18. Jahrhunderts.
Daß es wegen
der Finanzierung der Schiffsbauten mit der Admiralität bald zum Streit kam,
zeigte, daß es der Kaufmannschaft an einer eigenen Interessenvertretung
fehlte. Sie bildete deshalb 1665 eine eigene "Commerzdeputation" - sechs
angesehene Kaufleute und ein Schiffer -, die die Interessen des Handels
koordinieren und gegenüber dem Rat zur Geltung bringen sollte. Sie war in
Deutschland ohne Vorbild (nur in Amsterdam gab es 1663 bis 1665 ein
Commerzkollegium), wurde vom Rat erst nach zehn Jahren akzeptiert und bewies
ihre Nützlichkeit. 1867 wurde daraus die
Handelskammer.
Hamburgs Sicherheit und
Neutralität, seine Bedeutung als Handels-, Finanz- und Informationszentrum
prädestinierten es gerade während des Krieges zum Schauplatz
internationaler Diplomatie, an dessen Unabhängigkeit deutschen und
ausländischen Regierungen lag. Vor allem für Schweden wurde es zum
Mittelpunkt seiner diplomatischen und wirtschaftlichen Aktivitäten. Johann
Adler Salvius, der hier zuerst 1624 Kriegsgüter und Soldaten zu beschaffen
suchte, leitete seit 1630 als Resident von Hamburg aus die schwedische
Diplomatie in Nordwestdeutschland, organisierte die schwedische Kriegswirtschaft
und wickelte Frankreichs Subsidienzahlungen an Schweden größtenteils
über Hamburg ab. Da er diese teilweise direkt zur Heeresversorgung und
-ausrüstung verwandte, kam dies nicht nur Hamburgs Geldmarkt, sondern auch
seinem Warenhandel zugute und nicht zuletzt den politischen Beziehungen zu
Schweden. Zeitweilig wurde Hamburg als Kongreßort ins Auge gefaßt,
und 1641 kam hier zwischen dem Kaiser, Schweden und Frankreich ein
Präliminarvertrag zustande.
Hamburgs
wirtschaftlicher und politischer Bedeutungszuwachs stand im Gegensatz zur
Entwicklung der Hanse, war teilweile in offener Abkehr von deren
Grundsätzen erfolgt, und bereits im 16. Jahrhundert wurden hier
abfällige Urteile über die Hanse laut. Seine Admiralität und
Konvoideputation dokumentierten zudem, daß die Hanse in zentralen
Bereichen ihren alten Ansprüchen nicht mehr genügte. Trotzdem hielt
der Rat an ihr fest.
Offenbar waren es Hamburgs
Stärke und zentrale Lage, die die übrigen Mitglieder während des
Krieges bewogen, ihm zusammen mit Lübeck und Bremen erhöhte
Verantwortung für die handlungsunfähige Gemeinschaft zuzuweisen.
Strukturschwächen, mangelnde Disziplin und Ohnmacht gegenüber den
kriegführenden Mächten hatten die Hanse dazu genötigt. 1629
bevollmächtigte der Hansetag angesichts der Bedrohung Stralsunds die drei
Städte mit stellvertretender Wachsamkeit und Interessenwahrnehmung, ein
Zeichen der Resignation. Lübeck, Bremen und Hamburg schlossen darauf 1630
ein Defensivbündnis zur Erhaltung der Hanse, daß später alle
zehn Jahre verlängert, aber nie auf die Probe gestellt wurde. Sie
vereinbarten auch, den Friedenskongreß gemeinsam zu beschicken, und
bereits Ende 1644 traf ihre gemeinschaftliche Delegation in Osnabrück
ein.
Allerdings lag die Hauptlast der
Verhandlungen bei dem lübeckischen Syndicus Dr. David Gloxin, während
der hamburgische Syndicus Dr. Christoph Meurer nach einem dänischen Protest
seit September 1645 mit Rücksicht auf Hamburgs Handelsinteressen den
Sitzungen des Städterats fernblieb. Bremen konnte dagegen der erstrebten
Reichsstandschaft mit seiner Teilnahme näherkommen. So hatte Hamburg an den
Erfolgen der hansischen Delegation nur mittelbar Anteil. Dem diplomatischen
Geschick Gloxins, der als Vertreter Sachsen-Lauenburgs auch im Fürstenrat
saß, war es wesentlich mit zu verdanken, daß das Reformationsrecht
der Reichsstädte sichergestellt und diese als Reichsstände anerkannt
wurden. Es gelang den Hansestädten, sowohl zu den Niederlanden wie zu
Spanien alte Verbindungen wiederherzustellen und sogar in den
spanisch-niederländischen Friedensvertrag aufgenommen zu werden.
Schließlich wurde die Hanse - gegen anfängliche fürstliche
Widerstände - auch in das Westfälische Friedenswerk selbst
ausdrücklich eingeschlossen.
Anderseits
konnten sich die drei Hansestädte den schwedischen Forderungen nach einer
finanziellen Kriegsentschädigung nicht entziehen. Gegenüber Hamburg
wurden diese mit einer monatelangen Besetzung des Landgebietes erzwungen. Sie
zeigten nicht nur erneut die Eigennützigkeit der schwedischen
Kriegsbeteiligung, sondern auch, wie wenig der diplomatische Erfolg der
Hansestädte ihren politischen Handlungsmöglichkeiten entsprach.
Daß die Hanse nach ihrer letzten Tagfahrt 1669 erlosch, war darum für
Hamburgs weitere Entwicklung ohne
Bedeutung.