DOKUMENTATION | Ausstellungen: 1648 - Krieg und Frieden in Europa | |
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JACQUES THUILLIER Krieg und Frieden - Der Dreißigjährige Krieg und die Künste |
Der Friede ist die Mutter der
Künste, der Krieg ist ihr schlimmster Feind. So sagen es die Volksweisheit
und alle Dichter. Aber muß man es unreflektiert wiederholen? Es ist stets
gefährlich, vorgegebene Gedanken zu akzeptieren, und dieser Spruch bildet
keine Ausnahme. Darüber hinaus läßt er sich schlecht mit den
zeitgenössischen Vorstellungen von Kunst
vereinbaren.
Unsere Epoche hat mit Leidenschaft
die Theorie entwickelt, daß der Künstler Zeuge seiner Zeit sei. Kann
diese Zeugenschaft bewegender sein, als wenn sie das schreckliche Drama des
Krieges in sich trägt? Hat Goya selbst nichts hinterlassen, was
"Die
Erschießungen vom dritten Mai 1808 in
Madrid"
übertrifft? Und betont man nicht immer wieder, daß
"Guernica"
alles aussticht, was der wechselhafte Picasso geschaffen hat? Der Friede
läßt den Künstler seine Begabung verschwenden, bald an
liebliche, dekorative Werke, bald an intellektuelle Übungen, die, von
Verfeinerungen zu Verfälschungen, damit enden, nur noch die Langeweile zu
inspirieren. Wir kennen heute genug solcher Beispiele. Hingegen konfrontiert der
Krieg den Künstler mit den grundlegenden Realitäten, die immer brutal
sind: das physische und moralische Leiden, der Tod und der Aufbruch des
Heroismus. Die Tragödie zwingt ihn, laut und stark zu
sprechen.
Man bilde sich nicht ein, daß ich,
indem ich diese Zeilen schreibe, den Krieg preise. Ich habe ihn persönlich
erlebt. Oder daß das Gefallen am Paradox mich zum Trugschluß
führe. War es nicht Hegel selbst, der, weit davon entfernt, den Krieg zu
verdammen, nicht zögerte, in ihm einen notwendigen Hebel der Dialektik der
Geschichte und sogar ein entscheidendes Moment des moralischen Fortschritts zu
sehen? Dies führt zurück zu einer historischen Reflexion, die durch
moderne Tabus zu schnell verboten wird. Für meinen Teil glaube ich einfach,
daß es angemessen ist, an der Schwelle eines solchen Jubiläums wie
des aktuellen jede vorgefaßte Meinung abzulegen, ob sie von Hegel oder von
Greenpeace kommt.
Stellen wir also die Probleme in
präzisen Begriffen dar. Krieg und Frieden berühren direkt oder
indirekt einerseits die Denkweise und andererseits die Wirtschaft. Das
künstlerische Schaffen wird dadurch notwendigerweise und tiefgehend
erschüttert, reagiert aber - unvorhersehbar - auf sehr unterschiedliche
Weise. Dieses Phänomen ist niemals eingehend untersucht worden. Der letzte
Weltkrieg ist noch zu nahe, um eine die Künste betreffende Bilanz zu
ziehen, die komplett und unparteiisch wäre. Die wenigen Studien über
den Krieg von 1914-1918 und seiner Folgen für das künstlerische
Schaffen sind fragmentarisch geblieben. Für die Jahrhunderte davor besitzt
man nichts, was sich vergleichen ließe mit der berühmten Studie von
Millard Meiss
"Painting
in Florence and Siena after the Black
Death"
(1951), die einen perfekten Fall eines ökonomischen, demographischen und
moralischen Bruches analysiert. Daher stellen der Dreißigjährige
Krieg und der Westfälische Friede für die Studie ein herausragendes
Beispiel und zeitlich und geographisch ein derart weites Untersuchungsfeld dar,
daß der Blick auf die Pest von Florenz nur eine Art Labor-Erfahrung zu
bieten scheint. Man müßte hier den Mechanismus in seiner konkreten
Realität und zugleich das dichte und fortlaufende Gefüge des
künstlerischen Schaffens fassen können, mit der Objektivität und
Klarheit, die dreieinhalb Jahrhunderte Distanz
erlauben.
Eine komplexe
Fragestellung
Hoffen wir dennoch nicht auf eine
einfache und schnelle Untersuchung. Von internationaler Bedeutung, zieht der
Dreißigjährige Krieg die meisten Länder Europas mit ein und
folglich auch zahlreiche Kunstzentren von unterschiedlicher Bedeutung und
Stilrichtung. Da dieser Krieg mehrere Jahrzehnte dauert, muß auch der
Wechsel von Generationen einschließlich dessen, was sich unter normalen
Umständen an Gattungsentwicklungen und Revolutionen des Geschmacks
vollzieht, in Betracht gezogen werden. Vor allem muß man sich davor
hüten, diese Epoche willkürlich zu unterteilen, um sie
"in
vitro" zu
untersuchen. Man würde dabei vergessen, daß der Ablauf der Fakten
durch andere Gründe bestimmt sein kann, die oft dazu zwingen, die Auslegung
zu mäßigen oder abzuändern. Erinnern wir zumindest an drei
Umstände, die man in diesem Zusammenhang nicht unterschätzen kann: das
Erbe der Religionskriege, die Furcht vor dem Islam und die Rivalität
zwischen Spanien und Frankreich. Es wäre gefährlich, die Kunst in der
Zeit des Dreißigjährigen Krieges und die Wirkungen des
Westfälischen Friedens zu untersuchen, wenn man sich nicht diese
Umstände vergegenwärtigen würde, die den eigentlichen Zeitraum
dieser beiden Ereignisse deutlich
überschreiten.
Der Dreißigjährige
Krieg ist von religiöser Natur, aber er entfaltet sich in einem Europa, das
bereits tiefgehend durch die Religionskriege erschüttert ist. In
zahlreichen Regionen waren diese Kriege von einer unerhörten Gewalt
gewesen. Nehmen wir das Beispiel Frankreich. Mit Ausnahme der östlichen
Gebiete in direktem Kontakt mit dem Heiligen Römischen Reich Deutscher
Nation blieb Frankreich von den Katastrophen des Dreißigjährigen
Krieges unberührt, vermutlich deshalb, weil es gleichartige, wenn nicht
sogar weitaus schlimmere bereits erlebt hatte. Zwischen 1559 und 1598 hatte ein
grausamer Bürgerkrieg, genährt durch die religiösen
Leidenschaften, fast das ganze Land verwüstet. Eine stete Sorge um
Befriedung hat es vom 17. Jahrhundert bis in unsere Tage geschafft, dieses Drama
bis zu dem Punkt zu verschleiern, da man glauben könnte, alles ließe
sich auf das Massaker der Bartholomäusnacht und einige Schlachten des
zukünftigen Heinrich IV. reduzieren, der ausrief:
"Sammelt
Euch unter meinem weißen
Federbusch"
- eine bequeme Legende. Die Wahrheit ist eine andere: Ein von Ruinen bedecktes
Land (selbst wenn Paris, dank einer bis zur äußersten Grenze des
Widerstandes ausgehaltenen Belagerung, den Plünderungen und
Zerstörungen entkommen konnte), die Bevölkerung niedergemetzelt mit
jeder nur vorstellbaren Barbarei, ein aufgeriebener Adel, eine zerstörte
Wirtschaft, viele vom Wohlstand unwiderruflich ins Elend geratene Familien. Die
Bilanz ist erschreckend, denn wenigstens zwei Drittel der Kunst, die das
Mittelalter und die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts hinterlassen hatten,
wurden unwiederbringlich durch die ikonoklastische Wut zerstört. 1562 wurde
das
"schrecklichste
Jahr" der
französischen Kunst, schrieb Jean Lafond, und Louis Réau
erklärte, daß es
"unheilvoller
als 1793 unter revolutionärem
Terror"
gewesen sei. Das Wesentliche der französischen mittelalterlichen Malerei
verschwand praktisch ebenso wie auch ein unschätzbarer Teil der Glasmalerei
und der Skulptur. Die säkulare Kunst, von Portraits bis zu mythologischen
Darstellungen, litt in gleichem Maße. Calvin selbst war erschrocken und
versuchte von Genf aus, die Leidenschaften zu beruhigen. Der größte
Teil der regionalen Kunstzentren wurde ruiniert, und nur wenige konnten im
Verlauf des 17. Jahrhunderts zu neuem Leben erweckt werden. Die Tradition war
erloschen, die Vorbilder selbst waren verschwunden. Aus dieser Zeit stammt der
große Unterschied zwischen Frankreich und Italien: die Konzentration des
künstlerischen Schaffens in Paris, das zuvor oft brillanter in den
Provinzen als in der Hauptstadt war - man denke nur an die Kathedralen von Laon
oder Bourges, an die Schlösser der Loire, an Fouquet oder an den Meister
von Moulins.
Etienne Pasquier konnte schreiben:
"Wer
vierzig Jahre geschlafen hätte, könnte meinen, nicht Frankreich,
sondern eine Leiche Frankreichs zu
sehen".
Nach der Rückeroberung des Königreiches durch Heinrich IV. beginnt ein
intelligent und relativ schnell geführter Wiederaufbau. Aber erst ab 1625
läßt die Wirtschaft des Königreiches deutliche Zeichen der
Gesundung erkennen. Frankreich tritt erst um 1633 mit der Besetzung Nancys in
den Dreißigjährigen Krieg ein, weil es zuvor noch furchtbare Wunden
zu heilen hatte.
Nun hatte nicht allein Frankreich
an diesen Religionskriegen zu leiden. Es genügt, an die Katastrophen zu
erinnern, die die Niederlande erlebten, die Verwüstungen im August 1566. In
vielen Staaten mußten die Protestanten vor der katholischen Intoleranz
fliehen, in anderen wiederum mußten sich die Katholiken der
protestantischen Gewalt entziehen. Das Spiel der Auswanderungen hatte mit seinen
Folgen für das wirtschaftliche und künstlerische Leben lange vor dem
Dreißigjährigen Krieg begonnen.
Ein
anderer Punkt sollte nicht außer acht gelassen werden. In dem Augenblick,
in dem der Kampf zwischen Protestanten und Katholiken am heftigsten ist, plagt
eine Bedrohung die gesamte Christenheit: der Islam. Das osmanische Reich ist auf
dem Höhepunkt seiner Macht. Die Niederlage, die ihm in der Seeschlacht von
Lepanto zugefügt worden war, tausendfach als eines der wichtigsten
Ereignisse zur See aller Jahrhunderte gefeiert, hatte in keiner Weise seine
Macht im Mittelmeer gemindert, und es war dem Sultan noch immer möglich,
seine Truppen bis nach Wien vorstoßen zu lassen. Der Kaiser schien
offensichtlich Vorteile daraus zu ziehen, wenn er daran erinnerte, daß der
wahre Feind aller Christen der
"Große
Türke"
sei. Ähnlich reagierte der König von Spanien, den die revoltierenden
Mauren auf seinem Territorium bedrohten, während den von ihm
abhängigen Gebieten Neapel und Sizilien Gefahr von der
türkisch-berberischen Präsenz an der Nordküste Afrikas drohte.
Der Papst sah in der Idee eines Kreuzzuges die Möglichkeit, die Kirchen
wieder zu vereinigen. Das große epische Gedicht von Tassos
"Gerusalemme
Liberata"
hatte diesem Traum eine poetische Präsenz verliehen, die nicht zu
unterschätzen ist. In allen katholischen Ländern, selbst in den
Spanien feindlich gesonnenen, erhoffte zumindest ein Teil der Bevölkerung,
daß man den inneren Konflikten ein Ende machen und die Religionskriege
zugunsten des Heiligen Krieges aufgeben
könnte.
Seien wir also vorsichtig. Ein Bild,
das eine Schlacht, die Belagerung einer Stadt, das Duell von Reitern oder die
auf dem Boden liegenden Leichen zur Schau stellt, kann das Unglück einer
Zeit brandmarken, in der die Felder nicht mehr mit Korn besät, sondern von
Toten bedeckt sind. Das gleiche Bild, auch wenn der türkische Halbmond nur
selten auf einem Schild erscheint oder nur zwei bis drei Reiter den Turban
tragen, zeigt in der Gegensicht den Heroismus der Christen, die ihr Vaterland
und ihren Glauben gegen eine Horde von Mördern und Plünderern
verteidigen. Derart ist die Zweideutigkeit des Bildes: Ein Detail genügt,
um den Sinn umzukehren, und die Erfahrung zeigt, daß mehr als ein
aufmerksamer Beobachter sich davon verwirren
läßt.
Fügen wir eine dritte
Bemerkung hinzu: Die offensichtliche Ursache des Dreißigjährigen
Kriegs war die Teilung des Reiches zwischen Protestanten und Katholiken. Aber
das politische Spiel ist von der Art, daß die Rivalität zwischen dem
"allerchristlichsten"
französischen König und dem
"allerkatholischsten"
spanischen König nicht mehr von religiöser Art ist - es geht vielmehr
darum, zu erfahren, ob es Spanien endlich gelingt, in Europa ein
Übergewicht zu erzwingen, dem sich Frankreich seit mehr als einem
Jahrhundert entgegenstemmt. Der Tag, an dem Kardinal Richelieu sich
entschloß, die protestantischen Aufstände von Montpellier und von La
Rochelle zu unterdrücken, und sich offen mit den Schweden verbündete,
zeigt, daß die französisch-spanische Rivalität zu einem
entscheidenden Element geworden ist. Als der allgemeine Friede durch den
Kongreß von Münster und Osnabrück wiederhergestellt ist, werden
die militärischen Auseinandersetzungen zwischen Frankreich und Spanien noch
mehr als ein Jahrzehnt fortgesetzt. Zu diesem Zeitpunkt, da der Kampf gegen die
spanische Vorherrschaft bedeutend wird, konzentriert man sich auf Bündelung
und Steigerung des französischen Nationalgefühls, dieses
Bewußtseins einer Einheit, die wichtiger ist als die individuellen
Meinungen oder die lokalen Partikularismen - eines Bewußtseins, das die
anderen Länder Europas immer mißverstanden haben. Aber bei vielen
gerät dieses Nationalgefühl in Widerspruch zu den
Gewissensängsten des Glaubens und den Interessen der katholischen
Kirche.
Daraus ergibt sich für denjenigen,
der den Dreißigjährigen Krieg und den Westfälischen Frieden
untersucht, eine schiefe Perspektive. Die ideologischen Umrisse sind nicht klar.
Zwischen den religiösen Überzeugungen, den wirtschaftlichen Interessen
und den politischen Beweggründen erscheint das Spiel je nach den Akteuren
und der Reihenfolge komplex, unentschlossen und wechselhaft. Die Folgen der
Propaganda werden spürbar. Deshalb ist die Rolle des Künstlers schwer
zu bestimmen, sie kann also nicht so einfach mit den modernen Begriffen
"Engagement"
oder
"Elfenbeinturm"
untersucht werden.
Die Künstler im
Sturm
Vergessen wir für einen Augenblick die
Komplexität dieser Situation. Versetzen wir uns ganz offen in die
augenblickliche Realität. Was erkennt man auf den ersten Blick? Daß
der Dreißigjährige Krieg für die Künstler ein
katastrophales Ereignis war, daß ihr Leben und ihr Werdegang davon tief
erschüttert wurden.
Das Schicksal des
Herzogtums Lothringens z.B. veranschaulicht den Umfang des Unheils. Es handelt
sich bis dahin um ein Land des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation,
selbst wenn Herzog Karl III. seit Ende des 16. Jahrhunderts einige Distanz zum
Reichstag eingenommen hat und ein nicht geringer Teil des Herzogtums, der
"Barrois
mouvant",
in der Abhängigkeit des Königs von Frankreich steht. Trotz einiger
protestantischer Versuche - vor allem in den drei Bistümern, die zu
Frankreich gehörten - hat Lothringen nicht die großen
Verwüstungen der Religionskriege erlitten und entging selbst den
Anfängen des Dreißigjährigen Krieges. Die lange Regierungszeit
des aufgeklärten Herzogs Karl III., genannt der Große, gefolgt von
seinem klugen und geläuterten Sohn Heinrich II., hat aus dieser Gegend ein
reiches, blühendes Land gemacht, dessen Wohlstand und Neigung zu Festen und
Belustigungen, die bis in die tiefste Provinz gegenwärtig ist, von allen
Reisenden bemerkt wurde. Die Künstler haben sich hier dank des herzoglichen
Mäzenatentums glanzvoll entwickelt. Die Malerei und die Graphik wurden
zunächst durch Jacques de Bellange, aktiv von 1595-1616, später durch
eine außerordentliche Gruppe von Künstlern repräsentiert. Dieses
Kunstzentrum kann um 1620-1630 Claude Deruet, Jean Le Clerc, Jacques Callot und
Georges de la Tour ernähren, nicht zu sprechen von dem Bildhauer
Siméon Drouin und einem Dutzend anderer
Künstler.
Die politischen Intrigen des neuen
Herzogs Karls IV., ein gerissener und falscher Geist, werfen Lothringen in den
Jahren 1630-1635 plötzlich mitten in den Dreißigjährigen Krieg.
Von nun an werden sich hier die Truppen kreuzen: Schweden, Spanier, Lothringer,
die dem Herzog im Exil in Luxemburg treu ergeben sind, und Franzosen, die das
Land besetzen, aber zu machtlos sind, um das ganze Territorium zu kontrollieren.
Systematische Zerstörungen, Plünderungen, Brände, große
Pestepidemien, allgemeines Elend, Lähmung des Handels, bis zum
Kannibalismus getriebene Hungersnot, kollektive Sinnestäuschungen - nichts
bleibt Lothringen erspart. Was wird aus den Künstlern inmitten dieses
Sturmes?
Einige haben das Glück, vor den
Ereignissen, die das Land ruinieren, zu sterben - so Jean Le Clerc (Oktober
1633), dann Jacques Callot (März 1635). Claude Deruet, der die Freundschaft
Ludwigs XIII. erringt, wird dank des französischen Hofes überleben
können. Georges de la Tour ergeht es ebenso. Nach dem Brand der befestigten
Stadt Lunéville, wo er wohnte und die sich plötzlich auf einige
Häuser reduzierte, wendet er sich Paris zu und versucht, dort seine Bilder
abzusetzen. Aber er etabliert sich hier nicht endgültig. Er hatte zuvor die
Zeit gehabt, ein bedeutendes Vermögen anzusammeln, und kommt nach
Lothringen zurück, um hier das Leben eines angesehenen Bürgers zu
führen, dank - so scheint es - der Ernte seiner Felder und zugleich des
Erlöses einiger Bilder, von denen der größte Teil zu sehr hohen
Preisen von den Franzosen der Besatzung gekauft oder in die französische
Hauptstadt geschickt wird.
Aber Claude Lorrain,
der um 1625/26 von Italien nach Nancy zurückgekommen war, zweifellos um das
Terrain zu erforschen, gibt die Idee einer Rückkehr auf und entscheidet
sich trotz der engen Bindung an seine Heimat, in Rom Karriere zu machen. Genauso
ergeht es Charles Mellin, der seine Chance in Neapel versucht, während
Nicolas de la Fleur es schafft, sich in Paris zu etablieren. Die nachfolgende
Generation denkt nicht mehr daran, in Nancy zu leben: Collignon (geboren um
1610, um 1631 nach Augsburg gezogen) läßt sich in Rom nieder und lebt
zwischen Italien und Paris. Israël Sylvestre (geboren 1621) flieht ab
1634/36 aus Nancy, wird zu einem der wichtigsten Vertreter der Pariser
Druckgraphik und stirbt schließlich in einer der Künstlerwohnungen in
den Galerien des Louvre. Charles Dauphin (geboren um 1620) wird sich im Atelier
von Simon Vouet wiederfinden und macht seine ganze Karriere am Hof von Turin,
während Nicolas de Bar (geboren um 1632), in Rom verheiratet, nicht danach
trachtet, die ewige Stadt zu verlassen. Die Brüder François und
Claude Spierre (geboren 1639 und 1642) machen ihre Lehrzeit in Paris, da
"es zu
dieser Zeit gar keine Maler in Nancy
gab" und
lassen sich ebenfalls in Rom nieder. Man muß auf das 18. Jahrhundert und
den "guten
König"
Stanislaus warten, bis man in Lothringen Künstler von Rang wieder
antrifft.
Man hätte keine Mühe,
vergleichbare Tragödien in anderen Teilen des Reiches zu beschreiben, in
denen der Krieg gewütet hat. Sicherlich muß man sich davor
hüten, zu verallgemeinern und zu systematisieren. In den 30 Jahren hat sich
der Schauplatz der Kämpfe oft verlagert, Massaker und Pestepidemien haben
nicht immer und überall geherrscht. Ebenso sollte man Anachronismen
vermeiden und sich nicht die geschichtlichen Tatsachen unter dem Eindruck
moderner Kriege mit ihren massiven Zerstörungen und dem raschen
Wiederaufbau vorstellen. Im 17. Jahrhundert sind die Grausamkeiten schlimmer als
die Verwüstungen, und am schwerwiegendsten sind ohne Zweifel Armut, Hunger
und die Epidemien, die sie begleiten. Dort die normalen wirtschaftlichen
Kreisläufe wiederzubeleben, wo das soziale und demographische Gleichgewicht
zu stark zerstört worden ist, verlangt mehrere Jahrzehnte oder
Generationen. Was die Kunst betrifft, weitet sich die Katastrophe selbst auf die
Städte aus, die den Belagerungen widerstehen konnten, sowie auch auf die
Regionen, die mehr oder weniger von den Bränden und Plünderungen
verschont geblieben sind.
Sie gründet sich
zunächst in dem Verschwinden der Kundschaft, die für das Leben des
Künstlers unentbehrlich ist. Die großen Prinzen und der gesamte Adel
haben von nun an größere Sorgen. Truppen zu unterhalten, Pferde und
Waffen zu kaufen ist wichtiger, als Paläste und Residenzen zu
schmücken. Die Mehrzahl ist bei den Bankiers hoch verschuldet, und der
Erlös aus den Ländereien verringert sich, wenn er nicht sogar ganz
entfällt. Die reichen Bürger fliehen aus den Kriegszonen, lassen ihr
Vermögen und ihre Einkünfte zurück, um kläglich in einer
sicheren Gegend zu leben. Vor dem Elend der Flüchtlinge, dem Ruin der
Bauern, der Zunahme der Bettler erscheint die Nächstenliebe dringender als
prächtige Ausgaben. Eher die kleine Kundschaft und Produkte zu sehr
geringen Preisen - fromme Bildchen, Familienportraits, Drucke, sogar Malerei an
Bauwerken - lassen den Künstler überleben. Sebastian Zamet, Erbe eines
der größten Vermögen seiner Zeit, war 1615 zum Bischof von
Langres ernannt worden. Unter anderen Umständen hätte er sicherlich
einen kleinen Hof von Künstlern unterhalten und seine alte Kathedrale
verschönert. Aber Langres sollte als Grenzstadt doppelt unter der
Nachbarschaft der Armeen und der Pest leiden. Dieses enorme Vermögen erwies
sich als ungenügend, um den Flüchtlingen zu helfen, die die Stadt und
ihre Umgebung überfluteten: die Sterbenden, die Behinderten und die
Hungernden. Die Maler der Stadt, Vater und Sohn Tassel, seit langer Zeit in
Langres etabliert, sahen sich gezwungen, einige große Aufträge in der
benachbarten Stadt Dijon zu suchen oder sogar
"Serien"-Produktionen
auf den seltenen, hier und da übrig gebliebenen Märkten zu verkaufen.
Jean Tassel wurde zusammen mit anderen Händlern auf dem Weg von
Nogent-le-Roy von gierigen Truppen des Herzogs von Lothringen entführt, die
sie als Gefangene nach Luxemburg brachten, von wo sie erst nach Zahlung eines
Lösegeldes von 500 Pistolen wieder zurückkamen. Wie sollte man sich da
wundern, daß ein so begabter Maler so viele kleine,
mittelmäßige Bilder hinterlassen
hat?
In dieser Krisensituation verteidigt jeder
sein Brot. Die örtlichen Zünfte belauern sich dort, wo sie
überleben, halten an ihren Privilegien fest und verschließen sich dem
Fremden. Man kommt zur strikten Anwendung mittelalterlicher Statute zurück,
die den lokalen Erwerb von Titeln, mehrere Jahre Gesellenzeit, die
Präsentation eines kostspieligen
"Meisterwerkes"
forderten und die Söhne der Meister bevorzugten. Man brandmarkt die
Fremden, die von überall her kamen und ihre Beziehungen oder ihr Prestige
spielen lassen, um sich Platz zu verschaffen und den Künstlern der Stadt zu
nehmen, was diesen an Kundschaft geblieben ist. Ein Stoskopff zum Beispiel
konnte diesem Phänomen der Verweigerung auch nicht ganz entgehen. Als
gebürtiger Straßburger hatte er es geschafft, seine Lehre in Hanau
bei Daniel Soreau zu machen. 1622 versucht er, sich in Frankfurt am Main
niederzulassen, wo ihm jedoch das Wohnrecht und das Recht, ein Atelier zu
eröffnen, verweigert wird. Er muß sich nach Paris begeben, wo sich
die Zunft der Maler und Bildhauer der Invasion entgegenstemmt, sich aber nicht
der alten Institution der
"privilegierten"
Viertel verweigern kann, die den Künstlern aus den Provinzen und dem
Ausland offen bleiben. Dies ist die große Zeit, in der
Saint-Germain-des-Près zu einer wahren Filiale von Flandern wird. 1641
glaubt Stoskopff, dennoch über genügend Ansehen zu verfügen, um
in seine Geburtsstadt zurückzukehren und sich dort niederzulassen. Es
scheint, daß er von der Herstellung eines Meisterwerkes durch die
örtliche Zunft
"Zur
Steltz"
befreit worden ist, unter der Bedingung, weder ein Atelier zu eröffnen noch
Lehrlinge auszubilden. Seine Unterstützung im Rat der Fünfzehn, der
die Stadt regiert, reicht nicht aus, um die Proteste der lokalen Maler zum
Schweigen zu bringen, die von ihm die Erfüllung aller Bedingungen fordern.
Als der Frieden wiederhergestellt ist und Graf Johannes von Nassau-Idstein auf
seine Güter zurückkehrt, von denen er nach der Niederlage der
Protestanten bei Nördlingen fliehen mußte, seine Finanzen und sein
Schloß wieder in Ordnung gebracht hat, akzeptiert Stoskopff seine
Einladung. Er verläßt Straßburg, läßt sich 1656 bei
dem Grafen nieder und steht fortan zu dessen
Diensten.
Es handelte sich also um einen
anerkannten Künstler, der auf dem Höhepunkt seiner internationalen
Karriere war. Wie war es um die Anfänger bestellt, die sich nur mit ihrem
Ehrgeiz brüsten konnten? Mit Blick auf das Verschwinden der Auftraggeber
und der Abschottung der Zünfte ist die Folge eindeutig: das Exil der jungen
Künstler. Söhne von Künstlern oder ergriffen von der Berufung,
fast alle verlassen, sobald sie können, ein Land, das ihnen keine Zukunft
bietet. Einige gehen nach Paris, das ihnen den juristischen Schutz
privilegierter Viertel bietet und die Perspektive, die Unterstützung dort
seit langen Jahren lebender Landsmänner zu finden. Aber die Mehrheit -
selbst wenn es sich um Protestanten handelt - wird von Italien angezogen. Es ist
sehr schwierig, hier zu beurteilen, was vom Glanz der italienischen Kunst
abhängt, von der steigenden Leichtigkeit der Verbindungen oder vom Elend
Europas. Alles kann nicht dem Krieg zugeschrieben werden. Etablierte Pariser,
wie Vouet oder Blanchard, fühlen das Bedürfnis, in Italien ihre
Ausbildung zu vervollkommnen genauso wie ein Schönfeld oder ein Sandrart.
Aber es ist sicher, daß die Reise über die Berge für die
nördlich der Alpen geborenen Künstler eine besondere Wichtigkeit
gewinnt und daß ihre Zahl im Verlauf des zweiten Drittels des 17.
Jahrhunderts in den italienischen Gemeinden stark ansteigt. Dies trifft nicht
nur für Rom zu, sondern auch für Venedig - obligatorische Etappe der
aus dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation Ankommenden - und
für Neapel, das zu dieser Zeit die meisten Bewohner hat und die reichste
Stadt ist. Die sogenannte
"Bent"
hat von nun an ihr eigenes Leben und ihre genau definierten Gebräuche. Die
Lothringer nehmen in der päpstlichen Stadt einen Platz ohne großen
Bezug zu der Wichtigkeit eines Herzogtums inmitten der Krise ein. Und die
"Bamboccianti"
sind vermutlich die erste römische künstlerische Bewegung, von der
kein wichtiger Akteur - ausgenommen Cerquozzi - Italiener
war.
Man könnte den italienischen Boden als
"melting-pot"
bezeichnen, ein Charakteristikum, das ihn zu allen Zeiten, besonders auf dem
Gebiet der Malerei, auszeichnet. Aber muß man nicht die besonderen
Umstände berücksichtigen? War Rom zu dieser Zeit ein großes
internationales Kunstzentrum nicht zum großen Teil deshalb, weil es in
einem entflammten Europa mehr als jemals zuvor einen Hafen des Friedens
darstellte, den die Künstler brauchten? Für seine große Arbeit
über die Maler der südlichen Niederlande benötigt Didier Bodart
65 Seiten, um die einzelnen flämischen und Lütticher Maler und
Kupferstecher aufzuzählen, die in Rom im 17. Jahrhundert gelebt haben und
deren Spur er wiedergefunden hat. Es wäre vielleicht nicht absurd, sich zu
fragen, ob es nicht eine der wichtigsten Folgen des Dreißigjährigen
Kriegs als internationalen Phänomens war, daß er den internationalen
Aspekt des großen friedlichen Kunstzentrums, wie es das Rom des 17.
Jahrhunderts war, zu seinem Höhepunkt geführt
hat.
Eine unangemessene
Ausdrucksweise
Es ist überraschend, daß
diese Künstler, mehr oder weniger Flüchtlinge und in Sorge um ihre
Familien und ihr Land, die oft nur auf einen Hoffnungsschimmer warteten, um in
ihre Heimat zurückzukehren, so selten ihrer Beunruhigung Ausdruck verliehen
haben und daß diejenigen, die inmitten der Tragödien
zurückblieben und Zeugen von so viel Schrecken wurden, nicht sehr viel mehr
gesagt haben.
Verweigerung von Realität?
Zuflucht in der Fiktion? Derartiges Verhalten ist häufig bei den
Künstlern zu finden. In vielen Fällen ist es sicher, daß der
Instinkt eine Rolle gespielt hat oder eher, daß er es verhindert hat, eine
Ausdrucksweise in Frage zu stellen, die gezwungenermaßen Erbe eines
bezaubernden Jahrhunderts war und die dem künstlerischen Schaffen ein
präzises Feld zuwies, das den Zeitumständen sehr schlecht
angepaßt war.
Die große Malerei ist
gewöhnlich entweder religiös, mythologisch oder allegorisch. Ihre
Ausdrucksweise ermöglicht es, die verschiedensten Gefühle
auszudrücken, von der Freude zur Angst, vom Schönen zum Schrecklichen;
aber dies scheint, durch eine Regel der Dichtung, in der das Prinzip der
Entfernung angewandt wird - die
"Distanz"
Racines, die bald aus der Zeit, bald aus dem Raum hervorgeht - die Bedingung
jeder Poesie zu sein, was den Zeugnischarakter unterdrückt. So muß
von Raphael zu Guido Reni der abscheuliche Skandal des Gemetzels durch das Thema
des
"Bethlehemitischen
Kindermords"
ausgedrückt werden; eine Umsetzung, die die Gedankenwelt des Malers ins
Universelle erhöht, aber zugleich die vertrauliche Mitteilung und die
Zeugenschaft eines Ereignisses verbieten.
Der
"Manierismus"
hatte diese Themen nur verfeinert und ihren Ausdruck verschärft.
Carravaggio hatte sogar versucht, das Problem umzukehren, indem er diese durch
die Wiederholung geschwächten Bilder in die direkteste Gegenwart versetzte.
Die Heiligen Matthäus oder Paulus wie seine Zeitgenossen zu kleiden - oder
fast - oder die Jungfrau Maria wie eine Frau aus Trastevere darzustellen,
erweckte vielleicht den Mythos, unterstrich aber noch dessen Macht auf Kosten
der Gegenwart.
"Die
Erschießungen vom dritten Mai 1808 in
Madridi"
von Goya ist keine antike Episode, die in eine Kostümierung von 1814
übertragen wurde: Es ist ein in seiner historischen Eigentümlichkeit
behandeltes Ereignis von 1808. Diese Gestaltung ist das genaue Gegenteil der
carravagesken Dichtung. Die große Welle dieser Dichtung, seit 1610 aktiv,
wird in keiner Weise dazu beitragen, die Dramen des Krieges zu
veranschaulichen.
Sicherlich hat die Malerei des
17. Jahrhunderts ihren Platz in der Geschichte, oder genauer, im Feiern der
großen Ereignisse. Im allgemeinen werden diese erst mit einiger
Verspätung in Erinnerung gerufen, von Künstlern, die keine Zeitzeugen
gewesen sind. Die Bildsprache gibt hier noch ihre Regeln vor. Man kann sich
für die Darstellung des historischen Ereignisses entscheiden mit dem
Risiko, tausend Kritiken auf sich zu ziehen, vor allem, wenn die Zeugen noch
leben. Als man ihn 1634 bittet, die
"Übergabe
von Breda"
(1625) (Abb. 1) zu malen, bemüht sich Velázquez darum, Informationen
über die Beschaffenheit des Ortes und über das Portrait Spinolas zu
bekommen. Das Ergebnis ist ein Meisterwerk, jedoch ein plastisches Meisterwerk.
Am Ende sieht man in dem Bild nicht mehr als eine schulmeisterliche Variation
über das Thema der fürstlichen Zusammenkunft, deren Schema in diesem
Fall von einer biblischen Darstellung abgeleitet zu sein scheint. Keinerlei
Wahrhaftigkeit und keinerlei Gefühl. Man würde das gleiche von dem
anderen Gemälde des Salon de Reinos des Buen Retiro sagen, der
"Zurückeroberung
von Bahia in Brasilien" (1625). Maino gebührt vielleicht der höchste
Ruhm, aber es handelt sich um eine Montage, die sich den Regeln der alten
Rhetorik nicht entzieht. Eine Montage, die mit ihrer dreiteiligen
Nebeneinanderstellung und durch ihre Offenheit zur Geltung kommt, und die es
vermag, in der Gruppe des Verletzten im Vordergrund eine der ergreifendsten
Szenen zu zeigen, die die Malerei jemals hervorgebracht hat. Man kann dennoch
bezweifeln, daß diese Variationen über den
"Heiligen
Sebastian, gepflegt durch
Irene" oder
über die Kreuzesabnahmen die Brutalität der Seegefechte und die
Stimmung in Brasilien widerspiegeln. Velázquez und Maino blieben von dem
Theater des Krieges vollkommen unberührt - der Krieg hat nichts an ihrer
Poetik verändert.
In den Jahren um 1630
entsteht dennoch in Rom eine Bewegung, die vorgibt, alle Rhetorik
zurückzuweisen, sich auf das Bild des Alltäglichen zu beschränken
und auf den einfachsten Vorstellungen zu beharren. Diese Bewegung entsteht im
Milieu der in Rom lebenden mitteleuropäischen Maler geboren. Man hätte
erwarten können, daß sie sich mehr oder weniger von den
zeitgenössischen Tragödien oder wenigstens von den Katastrophen
Nordeuropas hätten inspirieren lassen. Nichts von dem ist der Fall. Sehr
schnell schließt sich diese Künstlerbewegung in den Konventionen des
Realismus ein: der Alte, die alte Frau, der Soldat und die Prostituierte, die
kleinen Berufe, die Bettler und die Banditen. Kaum kann man in einigen
Gemälden Anspielungen finden auf das, was sich weit entfernt von Rom und
der römischen Landschaft ereignet: Die
"Überfälle"
und
"Angriffe"
sind jene, die die Räuber auf den verlassenen Wegen oder gegen die
abgelegenen Bauernhöfe sogar in den Staaten des Papstes führen.
Einfache diverse Nachrichten. Einzig die Bilder von Cerquozzi, die die
"Revolte
von
Masaniello"
in Neapel darstellen, können, wenn nicht für Dokumente, zumindest
für Zeugnisse gehalten werden, die dem Ereignis nahe genug sind, um es
nicht zu sehr zu verfälschen.
Tiefer, auf der
Ebene, auf der die Kunst am wenigsten kodifiziert ist, muß man nach der
Spur dieser unermeßlichen Tragödien suchen, deren Erinnerungen in den
Texten konserviert sind: die volkstümlichen Bilder, die Ex-Votos, die
Grafiken. Aber die kleinen Bilder wurden kaum gemalt, um zu überdauern, nur
wenige sind bis heute erhalten. Der Druck wiederholt sich sehr leicht: Das Pferd
ist immer hoch aufgebäumt, nur der General, sein Kopf oder die Inschrift am
unteren Rand des Blattes ändern sich. Man darf den Darstellungen von
Schlachten oder Stadtbränden keinen zu großen Glauben schenken,
selbst wenn sie sich als zuverlässig erweisen. Hier gibt es, wir werden
darauf eingehen, einige der authentischsten Zeugnisse: Leider ist die Kunst oft
wenig betroffen.
Die Zurückweisung der
Inspiration
Wenn der Dreißigjährige
Krieg in den Künsten wenige Spuren hinterlassen hat, so muß man sich
die Tatsache vergegenwärtigen, daß das künstlerische Schaffen
sehr häufig losgelöst vom alltäglichen Leben ist. Man würde
vergeblich nach einer Spur der Tragödie von 1914-1918 im dichterischen Werk
von Paul Valéry suchen - seine Kreativität bewegte sich auf einer
anderen Ebene. Diese Tatsache ist noch zutreffender, wenn die großen
Vorbilder, die den Künstler zu inspirieren vermögen, sich in den
Zentren anbieten, die weit entfernt von Tragödien liegen. Und die
Auftraggeber, die zum Überleben des Künstlers beitragen, fühlen
sich wenig betroffen von dem Unglück der
Nachbarn.
Nach der caravaggesken Revolution, einer
im eigentlichen Sinne römischen Revolution, die sich aber schnell in ganz
Europa verbreitet, kommt sehr rasch gegen diese gewichtige, dunkle Kunst, die
das menschliche Herz berührt, eine genauso lebendige wie tiefgehende
Reaktion zum Ausdruck. Selten war die Malerei in Europa lichter, heiterer, mehr
dazu angelegt, die Natur, das Glück und die Schönheit zu feiern. Die
brillantesten Meister im Italien zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges
sind Guido Reni und Pietro da Cortona, im besonderen Sinne die Maler der
weiblichen Anmut. In Paris sind dies Simon Vouet und Jacques Blanchard, die
versuchen, an die elegante Kunst der Renaissance anzuknüpfen und die Welt
nur durch die poetischen Fiktionen sehen. Aber ist es anders mit Rubens und van
Dyck, der eine daran gewöhnt, die Freuden der Sinne darzustellen, der
andere, die Eleganz der Höfe zu malen?
Man
wird sagen, daß alle diese Meister bereits vor den schrecklichen Jahren
ihre Domäne und ihren Stil festgelegt haben und nicht mit voller Wucht
durch die Tragödie getroffen wurden. Aber dies trifft nicht auf die
deutschen Maler zu, die ins Exil gingen. Schönfeld war ohne Zweifel der
brillanteste von allen. Geboren 1609 in einer Familie von Goldschmieden in
Biberach, machte er seine Ausbildung in Memmingen und Stuttgart. Von seiner
Jugend an hatte er die schwedische Besatzung gekannt. Ganz Protestant, der er
war, findet man ihn um 1633 in Italien wieder, und er scheint für lange
Jahre in Rom und Neapel gelebt zu haben. Er wartet bis 1651, um nach Deutschland
zurückzukehren. Es gibt kaum eine sensiblere, kraftvollere Kunst als seine
Malerei, die auch unruhiger ist und dazu neigt, der kleinsten Szene ein fremdes
Aussehen zu geben. Aber ob er den "Tod der
Magdalena"
oder den
"Tod der
Heiligen
Rosalia"
darstellt oder ob er seine
"Schatzsucher
in Ruinen"
kopiert, es ist sehr schwierig, die geringste Beziehung zwischen seiner ganz
persönlichen Inspiration und den Ereignissen des Dreißigjährigen
Krieges herzustellen.
Ein anderes Beipiel: Joachim
Sandrart weiß von den Katastrophen Deutschlands. Geboren 1606 in Frankfurt
am Main, Calvinist, ausgebildet in Hanau in der Werkstatt von Soreau, ist er
viel gereist - von Prag nach Utrecht - und hat schließlich Rom im Jahr
1629 erreicht. Er kommt erst 1635 nach Frankfurt zurück, ohne Zweifel durch
die Gerüchte von Frieden getäuscht, um in der Folge nach Amsterdam zu
gehen, bevor er sein Glück in München sucht. Er hat sicherlich
genügend Dramatik und viel Elend gesehen. Nichts davon hat Eingang in sein
Werk gefunden, so daß kaum die Idee von Unglück oder Mitleid
aufkommt. Das gewaltige Bild
"Kajetans
wunderbares Eingreifen bei der Pest zu
Neapel" in
München ist ein eher überladenes als bewegendes Bild; im übrigen
ist es 1670 entstanden.
Protestanten oder
Katholiken, es scheint, daß alle diese Maler es eilig hatten, sich der
Welt der Dichtung anzuschließen, einer Welt, die der Krankheit, dem Hunger
und dem Unglück entgeht, in der der antike Faltenwurf sich mit dem Traum
der Nacktheit vermischt, in der sich die stechenden Sorgen des nächsten
Tages verflüchtigen. Es gibt keine große Distanz zwischen einem
Sandrart, der den großen Saal des Schlosses von Schleißheim zwischen
1641 und 1643 mit zwölf reich variierten Darstellungen der
"Jahreszeiten"
dekoriert und Pietro da Cortona, der um 1640 die
"Vier
Zeitalter"
in der Stufa des Palazzo Pitti malt. Der letztere schafft dort vielleicht seine
größten Meisterwerke: Aber sowohl das
"Kupferne
Zeitalter"
als auch das
"Eiserne
Zeitalter"
sind schöne Theaterszenen, in denen jeder Schauspieler seine Rolle mit
einer um so größeren Wirkung spielt, je weniger er überzeugt
ist. Die Angst, das Verbrechen, der Mord sind reduziert auf ein poetisches Spiel
eines wunderbaren Theaters. Die Leichtfertigkeit eines Florenz im Schutz vor dem
großen Elend Mitteleuropas? Sandrart für seinen Teil benutzt eine
realistischere Bildsprache. Der alte Bauer mit dem geschmückten Hut des
"Monats
August",
der dickleibige Koch als Spötter inmitten der Lebensmittel des
"Monats
Februar",
sie gehen aus einer anderen Poetik hervor - dennoch sind sie gegenüber den
Ängsten der Zeit genauso
gleichgültig.
Übrigens, selbst wenn die
Künstler dieser Zeit die Schrecken der Kriege und die Verzweiflung
Deutschlands tief empfanden, hätten sie diese dichterische Ader ausbeuten
können? Das Problem der Auftraggeberschaft stellt sich mehr als je zuvor.
Welcher Fürst, welcher Kunstliebhaber hätte gern vor seinen Augen die
Plünderung Frankfurts oder die durch die kroatischen und schwedischen
Banden verwüsteten Landstriche gehabt oder die im Schnee liegengelassenen
Leichen, wie sie eines Tages Gros oder Boissard de Boisdenier malen werden? Wie
gewöhnt man auch an Blut sein mag, wer hätte den düsteren
Gedanken, diese alltäglichen Realitäten auf den Wänden seines
Hauses zu verewigen?
Fügen wir hinzu,
daß die Interessen derart gemischt und die Bündnisse derart wechselnd
sind, daß man zögert, durch die Malerei Ereignisse von zwar
großer Tragweite festzuhalten, von denen aber keines sich mit dem Nimbus
des Ruhmes schmücken kann. Was die Geschichte angeht, so wird der
Künstler eher mit den Bildnissen der Fürsten und der Kriegsherrn
beauftragt. Von diesen Gemälden besitzen die Sammlungen eine große
Zahl, und die Galerie wäre sehr monoton, wenn diese Folge von
Staatsmännern, deformiert von allen möglichen Exzessen, und von
Haudegen mit brutalen Vollmondgesichtern nicht eines dieser
außerordentlichen Zeugnisse bieten würden, die die Realitäten
jener Epoche belegen. Man darf hier nicht nach großen Meisterwerken der
Kunst suchen, ausgenommen das faszinierende Portrait des Christian von
Braunschweig, das Paulus Moreelse zugeschrieben wird (Abb. 2). Aber in ihrer
Monotonie und ihrer zeitweiligen Naivität zeigen diese Portraits, ohne es
zu wollen, eine Mischung aus Fanatismus, Habsucht und Kühnheit, oft auch
von Großzügigkeit, der man nur in Zeiten des Krieges begegnet. Sie
machen durch die Darstellung der Realität eine Psychologie glaubhaft, die
wir heute nur schwer rekonstruieren können und die Grimmelshausen am
deutlichsten zum Ausdruck gebracht hat. In diesem Sinn kann man
schließlich sagen, daß die Malerei Zeugnis abgelegt
hat.
Die Macht der
Ausnahme
Aber es handelt sich in gewisser Weise um
ein unbewußtes Zeugnis. Muß man hier anhalten und folgern, daß
der Krieg, die Blutbäder, die Ruinen den Maler gleichgültig lassen,
wenn sie ihn nicht dazu drängen, sich in einer künstlichen Welt zu
verschanzen? Das hieße sicherlich, an der Oberfläche der Dinge zu
bleiben.
Kehren wir zu Sebastian Stoskopff
zurück. Man kennt kaum mehr als seine Stilleben. Es sind diese Bilder, die
seine allgemeine Bekanntheit begründet haben und die ihm seinen
Lebensunterhalt sicherten. Einige erhaltene Äußerungen legen nahe,
daß er sich vor allem rühmte, die Natur mit genügend Können
wiederzugeben, um den Blick zu täuschen. Trotz aller Kommentare, die heute
in Mode sind, scheint er die Symbolik nicht auf die Spitze getrieben und unter
den einfachen Erscheinungen
"mysteriöse"
Bedeutungen verborgen zu haben. Dennoch muß man zugeben, daß all
diese Bilder von einer Ernsthaftigkeit, von Traurigkeit durchdrungen sind - alte
Bücher, zerbrochene Gläser, tote Fische -, daß seine seltenen
Blumen ohne Heiterkeit und Duft sind und daß sich unter seinem Pinsel
mehrere sogenannte Vanitasmotive begegnen. Das größte, das
imposanteste seiner Gemälde (Abb. 3), das heute noch erhalten ist,
trägt sogar ein kurzes Gedicht, das jegliche Zweideutigkeit
ausschließt:
Kunst, Reichtum, Macht
und Kühnheit stirbet,
Die Welt und all
ihr Thun verdirbet
Ein ewiges kommt nach
dieser Zeit
Ihr thoren, flieht die
Eitelkeit. (1641)
Eine stoische Mahnung?
Erinnerung an die christliche Demut? Halb so wichtig. Jedoch muß man den
enormen Helm und das Schwert auf der Bildseite zur Kenntnis nehmen, die hier an
den Wahnsinn des Krieges erinnern. Weniger explizit und vielleicht heftiger
erscheint das große
"Küchenstilleben
mit dem
Kalbskopf"
(Abb. 4), das ein Jahr zuvor entstand und sich im Saarland-Museum in
Saarbrücken befindet: eine Küchenecke, gut geordnet, mit sauberem
Haushaltsgerät, einer gerupften Ente, toten Fischen, und auf einer Platte
ein gehäuteter, blutiger Kalbskopf mit einem großen offenen Auge,
welches genau im Zentrum des Bildes plaziert ist, tot und dennoch forschend.
Selbst wenn man das alltägliche Leben im 17. Jahrhundert
berücksichtigt, die in jeder Straße gegenwärtigen
Fleischbänke der Metzger, die tiefgehenden Unterschiede der Empfindsamkeit,
muß man hier eine Intention wie bei Goya sehen, die die strenge Geometrie
der Komposition fast unerträglich
macht.
Wollte Stoskopff, ohne die eigentliche
Sprache des Stillebens zu verlassen, etwas von der Verzweiflung seiner Zeit zum
Ausdruck bringen? Er war komplex, hochmütig durch seine Kunst und von einer
eigenartig ehrgeizigen Intelligenz. Aber was soll man von einem Rubens sagen?
Wer hat die Geschäfte seiner Zeit besser gekannt? Ist er nicht vor allem
der Maler der Volksfeste, der üppigen Schönheiten und der
Lebensfreude?
Tatsächlich gefiel sich Rubens
weniger beim Malen der Schlachten Heinrichs IV. als bei den Löwen- und
Tigerjagden, und seine Umsicht als Diplomat riet ihm, die Vergangenheit und die
Gegenwart nur unter dem Schleier der Allegorie darzustellen. Man sieht dies in
seinen Bildern über das
"Leben der
Maria de
Medici", in
denen schließlich alle zu gewalttätigen oder realistischen Szenen
entfernt wurden. Es war schwierig, das gleiche in den Bildern über das
"Leben
Heinrichs
IV." zu
tun, dessen kriegerische Handlungen nicht in die zweite Reihe
zurückversetzt werden konnten. Rubens hielt sich weniger an schriftliche
Vorlagen, sondern glich einige berühmte Pläne von siegreichen
Schlachten dem Leben des Königs an. Es bleibt sein Genie. Man kann das
Gemälde des Palazzo Pitti
"Venus
versucht, Mars
zurückzuhalten"
von 1637/38 nicht geringschätzig auslassen mit dem Vorwand, es handele sich
um eine gelehrt angeordnete Allegorie ohne direkte Beziehung zu den Katastrophen
der Zeit. Sicherlich eine Allegorie, und Rubens hat selbst dafür Sorge
getragen, jede Einzelheit schriftlich zu erklären. Aber es gibt hier soviel
Heftigkeit, eine so unbeschreibliche Entfesselung, umrahmt durch ein sehr
starkes Rot, das soviel Schwärze und gequälte Dunkelheiten zum
Ausdruck bringt, daß es lächerlich wäre, hier nur eine kalte
Konstruktion des Geistes zu sehen. Man vergißt, daß es sich um die
Figuren der Venus, der Europa, der Harmonie, der Architektur oder der Alekto
handelt: Welche Darstellung einer Schlacht würde nicht wie eine
geschwätzige und armselige Anekdote neben diesem grandiosen Wirbel von
Symbolen erscheinen?
Das Paradox besteht darin,
daß mit diesem überraschenden Bild nur die winzigen Drucke von Callot
wetteifern können. Wenn man die Folge der
"Misères
de la
guerre"
durchblättert, beginnt man sich über den Ruhm zu wundern, der sie
stets begleitet hat. Aber das hieße, die Persönlichkeit des
lothringischen Kupferstechers zu vergessen. Henri Focillon bereute es, ihn eines
Tages als
"Fähnlein
der leichten
Kavallerie"
bezeichnet zu haben und versuchte, öffentlich Abbitte zu leisten.
Sicherlich erscheint Callot auf den ersten Blick nur als ein mit Fähigkeit
und Begeisterung ausgestatteter Chronist. Man findet in dem, was er seinem
Stichel anvertraut, nur eine gleichgültige, kalte Beobachtung, die aus
ihrer Genauigkeit das Wesentliche ihrer Wirksamkeit zieht. Man läßt
sich durch dieses Wimmeln in Beschlag nehmen und findet darin
"eines der
erstaunlichsten Repertoires der Menschheit, welches uns die Geschichte der
Künste schenken
konnte".
Die
"Belagerung
von Breda"
(Abb. 5), die
"Belagerung
der Ile de
Ré",
die
"Belagerung
von La
Rochelle"
sind Berichte, die durch ihre Kenntnis verblüffen. Neben diesen
großen Unternehmen können die
"Misères
et les malheurs de la
guerre",
1633 in Paris publiziert, aber in einem Lothringen gestochen, das der Krieg noch
nicht erreicht hatte, wie ein kleines Zwischenspiel erscheinen. Aber noch hier
zeigt sich das Genie. Nichts ist auf die Schnelle aufgenommen worden, und wer
weiß, was Callot, braver, bereits von der Krankheit ermatteter
Bürger, von alldem hat beobachten können? Was ist der Anteil der
Phantasie, der Ahnung? Es bleibt, daß diese Blätter, von denen jedes
einzelne ein Mikrokosmos in sich ist, auf eine unvergeßliche Weise nicht
den Haß gegen den Eindringling festhalten, sondern das Martyrium der
Bevölkerung und deren Rache gegen die undisziplinierten Truppen, die
plündern, vergewaltigen, foltern und töten (Abb. 6). Man versuchte
mehrere Male, davon Repliken anzufertigen. Zwanzig Jahre später, um
1655/56, veröffentlichte Hans Ulrich Franck aus Augsburg eine Serie von
rasch skizzierten Radierungen (Abb. 7), die man für ihre Offenheit nicht
genug rühmen kann. Sie sind realistischer als die Stiche Callots und
entsprechen ohne Zweifel eher den wahren Gegebenheiten. Dennoch ist es Callot
mit seinen gekonnt ausgearbeiteten Darstellungen, der die Referenz und der Zeuge
blieb.
Es sei gestattet, dieser kurzen Liste den
Namen eines anderen Lothringers hinzuzufügen, der die Prüfungen des
Dreißigjährigen Krieges direkt kannte: Georges de La Tour. Soweit wir
wissen, neigte er genausowenig wie Poussin dazu, in sein Werk Bilder
einzufügen, die die aktuelle Realität beschreiben. Aber die Lektionen
der Askese, des Stoizismus, auch der Hoffnung, nehmen nach dem Drama des Jahres
1636, das Lunéville vernichtete, einen zunehmend breiten Raum ein. Hier
verändert die Einwirkung der Katastrophen nicht den Inhalt, aber den Ton
der Inspiration. In dem
"Neugeborenen"
(Vgl. DaCosta Kaufmann Nr. ##) im Musée des Beaux-Arts in Rennes ist die
ernste und eigensinnige Nachdenklichkeit der Mutter nicht ganz von den
Ängsten zu trennen, die die Geburt eines Kindes in einer Zeit von Kriegen
und Hungersnöten umgeben können, von der Sorge um das Schicksal, das
die Zukunft für es bereithält. Aber noch bedeutungsvoller erscheint
"Hiob und
seine Frau"
(Abb. 8). Was macht der Gerechte, wenn Gott ihn niederdrückt? Hiob, fromm,
reich und glücklich, sieht sich plötzlich der Trauer und den
größten Leiden ausgesetzt. Er fährt fort, Gott zu preisen und
reagiert nicht.
"Benedic
deo et
morere",
ruft seine Frau aus, die sich über seine Passivität empört und
ihn ermahnt, nicht vor den Schmerzen zu weichen. Indem sie mit ihrer ganzen
Silhouette das Bild über dem gekrümmten Mann dominiert, würdevoll
mit ihrer gut gebügelten roten Schürze und ihrer Perle am Ohr, fordert
sie Mut und Handlung. Wer im Lothringen dieser Zeit, am tiefsten von der
Hoffnungslosigkeit berührt, hätte nicht diese Betrachtung und ihre
zweideutige Lektion verstanden?
Die Ruinen als
Begründung einer neuen künstlerischen
Ordnung?
Es würden ähnliche Ausnahmen
genügen, um klarzumachen, daß der Dreißigjährige Krieg im
künstlerischen Schaffen mehr als nur Ruinen und Verwüstungen
hinterlassen hat. Aber sie sind zu selten, um so viele Zerstörungen
jeglicher Art, so viele vernichtete Künstlerkarrieren und eine so brutale
Umwälzung in der Hälfte Europas aufwiegen zu können. Trösten
wir uns dennoch mit der langfristigen Perspektive, die wir - vielleicht im
Widerspruch zu zahlreichen Historikern - positiv
beurteilen.
Der Kongreß von Münster und
Osnabrück etablierte eine neue politische Ordnung in Europa, die schnell
genug den Wohlstand zurückbrachte und während 150 Jahren nicht nur
einen relativen Frieden sicherte, sondern einen der herausragendsten Abschnitte
in der Zivilisation des Abendlandes entstehen ließ. Eine neue
künstlerische Ordnung wurde geboren. Man hat oft erklärt, daß
die entstandene Leere die italienische Kunst angezogen und schließlich
Europa der schnellen Verbreitung des französischen Geschmacks geöffnet
habe. Urteilt man hier nicht voreilig? Müßte man nicht eher darauf
hinweisen, daß die Erschütterung die Entstehung einer im eigentlichen
Sinn internationalen Kunst erlauben oder wenigstens beschleunigen
sollte?
Nichts ist zerbrechlicher als die Existenz
eines Kunstzentrums. Man sieht es zum Vorschein kommen und verlöschen wie
durch eine Laune, und die militärische Gegnerschaft ist für die Kunst
schnell tödlich. Der Dreißigjährige Krieg hatte, wie gesagt,
praktisch alle Zentren in Mitteleuropa zerstört. Was blieb von dem, was die
Eigentümlichkeit von Nürnberg oder Köln hätte ausmachen
können? Die nach dem Friedensschluß zurückgekehrten Maler sind
weniger in der lokalen Tradition verwurzelt und den verschiedenen
Einflüssen gegenüber offener. Ein internationaler Geist entsteht.
Zeuge davon ist die 1675 veröffentlichte
"Teutsche
Academie"
von Joachim Sandrart, die einen beachtenswerten Versuch darstellt, eine
Kunstgeschichte ohne Grenzen zu schreiben, selbst wenn sie die richtige Rolle
der deutschen Künstler bestimmt. Man kann den durch den Krieg
verschwundenen
"Germanismus"
der Maler des 15. oder 16. Jahrhunderts und den verlorenen Reichtum der lokalen
Inspirationen bedauern. Aber ist dies nicht eine Art romantischer Nostalgie?
Wenn man die blendenden Erfolge der barocken Kunst in Bayern und Böhmen
betrachtet, kann man sich dann nicht ein wenig trösten und anerkennen,
daß so viele Zerstörungen den Verfall der lokalen Kunstzentren eher
abgekürzt als verursacht und eine neue Blüte vorangetrieben haben, die
fruchtbarste ohne Zweifel, die Deutschland seit dem Mittelalter gekannt
hat?