DOKUMENTATION | Ausstellungen: 1648 - Krieg und Frieden in Europa | |
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ELISABETH VON HAGENOW Das allegorisch kommentierte Herrscherbildnis - Herrscherpropaganda in den Konfessionskriegen des 16. und 17. Jahrhunderts |
Von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis
zum Ende des Dreißigjährigen Krieges lassen alle europäischen
Herrscher, die in die politisch-religiös bedingten Kriege involviert sind,
gestochene Bildnisse von ihrer Person in Umlauf bringen. Es handelt sich dabei
um Bildnisstiche, die aufgrund ihres Formates von Beginn an für eine
eigenständige Verbreitung gedacht waren. Denn in den Jahren zwischen 1550
und 1650 präsentieren mittels des Vervielfältigungsmediums der
Druckgraphik nahezu alle europäischen Herrscher ihr Bildnis in
architektonisch-allegorischer Einfassung, die über die Darstellung der
Physiognomie und Amtswürde hinaus in propagandistischer Absicht Aussagen
über die Person des Portraitierten macht. Das Portrait des jeweiligen
Herrschers ist hierbei in eine triumphbogengleiche Ädikula gesetzt, deren
Programm mit Personifikationen, Allegorien und Emblemen in der Sockelzone und zu
beiden Seiten des Bildnisses Eigenschaften und Leistungen des Dargestellten in
historischem Kontext kommentiert, die dann in der Giebelzone glorifiziert
werden. [1]
Kaiser Ferdinand II.
läßt 1629, auf dem Höhepunkt seiner Macht, von Aegidius Sadeler
einen solchen Bildnisstich anfertigen, dessen Figurenapparat den
militärischen Sieg des Kaisers über Ketzer, Ungläubige und
Türken feiert. (Abb. 1)
Der mit Lorbeer
bekränzte Kaiser reitet als siegreicher Feldherr durch eine Triumphpforte,
wobei antike Rüstung und Lorbeerkranz sich zugleich an der Einkleidung
antiker Imperatoren orientieren, die in Rom nach einem militärischen Sieg
im Triumph in die Stadt einziehen durften. Auch der Hintergrund dieser
Inszenierung bindet das Geschehen beziehungsreich an die Antike. Die
vorbeimarschierenden Soldaten und Würdenträger sowie die
Palastarchitektur und vor allem das Säulenmonument sind als Allusion auf
das antike Imperium Romanum zu verstehen. Mit dem umlaufenden Reliefband
erinnert diese an die Trajanssäule und reflektiert damit nicht nur die
fiktive, reichstheologisch begründete Genealogie der Habsburger als Kaiser
des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, sondern benennt mit Trajan
darüber hinaus auch das antike Vorbild der gerechten Regierung, mit der die
Herrschaft Ferdinands II. verglichen werden
soll. [2]
Zu beiden Seiten des
Triumphbogens betonen Religio-Pietas und Iustitia-Fortitudo die Tugendhaftigkeit
des Kaisers, die ihn erst zu seinem Herrscheramt befähigt. Putti mit
Lorbeerzweigen und bekränzten Piken vermitteln zu der himmlischen
Sphäre, wo ein olympischer Götterrat über die irdischen Taten des
eifrigen Verfechters der Gegenreformation berät und damit - wiederum in
Anlehnung an die Antike - die Apotheose Kaiser Ferdinands II. vorwegzunehmen
scheint, wie dies auch die Bildunterschrift "Divum Caesarem [...]"
suggeriert.
Verweisen die zu Boden geworfenen
Besiegten auf die erfolgreichen Schlachten von 1620 und 1626 gegen die
Protestanten, lassen sich auch die monumentalen Personifikationen zu beiden
Seiten des Bogens noch eindeutiger auf die historische Situation beziehen. Die
Pietas des Kaisers, eine geflügelte Gestalt in antikisierendem Gewand, das
Flammensymbol des wahren Glaubens auf der Stirn, den Blick gen Himmel gewandt,
steht sicher auf ihrem Podest, das mit der Inschrift Immota zugleich auf den
unerschütterlichen Glauben des Habsburgers verweist. Das Fruchtgebinde in
ihrer Hand verspricht in Anlehnung an die Ikonographie des Füllhorns die
segensreichen Folgen dieser Tugend des Kaisers - Frieden und Wohlstand für
das Land - für die Zeit, wenn die Religionswirren ein Ende gefunden haben
und die Ordnung im Reich unter habsburgischer Führung wiederhergestellt
sein wird. Auch Iustitia mit Waage und Schwert kann auf das propagierte Ende des
Krieges bezogen werden. Denn mit dem erlegten, mehrköpfigen Ungeheuer zu
ihren Füßen erinnert ihre Darstellung zugleich an die Ikonographie
des heiligen Michael, der als Sinnbild für den Sieg des Glaubens gerade
nach dem Dreißigjährigen Krieg von der katholischen Kirche eingesetzt
wurde. [3] Die Inschrift Interrita konzediert der Gerechtigkeit als der
damit personifizierten Eigenschaft des Kaisers unerschrockene
Einsatzbereitschaft im Kampf für den rechten, d.h. den katholischen
Glauben. Somit scheint diese Kompositallegorie das militärische Vorgehen
gegen die protestantischen Reichsfürsten zu rechtfertigen, die zu
Füßen der Iustitia metaphorisch und unter den Hufen des Reiters
realiter besiegt sind.
Eindrücklich wird das
gesamte Bildprogramm im Reiterbild des Kaisers zusammengefaßt. "[...] denn
in einem Königreich ist das Höchste, was man von einem König
sagen kann, dies, daß er gut reitet, ein Wort, das seine Tugend und
Tapferkeit mit einschließt." [4] Das Reiterbildnis zeigt zugleich,
daß der Reiter die Führung seines Amtes so sicher und fest wie das
Pferd zu lenken weiß, so daß dies als Sinnbild für die
fürstliche Souveränität gelten muß. [5]
Demgemäß wird in zeitgenössischen Erziehungstraktaten und
Regentenspiegeln die Reiterikonographie in Anlehnung an die Antike als Metapher
für die gute Regierung gedeutet und von einem Fürsten die Reitkunst
obligatorisch verlangt. [6]
Dieses
Sinnbild der fürstlichen Souveränität, das den Kaiser zugleich
als miles christianus feiert [7], entsprach im Jahre 1629 der
historischen Realität. Denn nach den militärischen Erfolgen über
die Protestanten in der Schlacht am Weißen Berg 1620 sowie 1626 bei Lutter
am Barenberg und Dessau und nicht zuletzt durch das Restitutionsedikt von 1629,
wodurch die Rückgabe aller seit dem Passauer Vertrag von den Protestanten
eingezogenen Güter verfügt worden war, hatte der Kaiser seine eigene
Stellung im Reich und zugleich die Sache der katholischen Seite entscheidend
stärken können.
Aegidius Sadeler, bei
drei Kaisern nacheinander im Dienst [8], hatte auch für die beiden
Vorgänger, Kaiser Rudolf II. und Matthias, allegorisch kommentierte
Bildnisstiche gefertigt und dabei für jeden eine eigene Rahmenvariante
entworfen. Für alle drei Habsburger rezipierte der Künstler ein
Grundschema, das 1550 von Enea Vico für einen Bildnisstich Kaiser Karls V.
entworfen und in den folgenden Jahrzehnten von nahezu allen europäischen
Herrschern übernommen wurde (Abb. 2). Während diese
amtsbefähigenden Eigenschaften bei Ferdinand II. durch Sadeler schon
komprimiert sind, hatte Enea Vico die Herrschertugenden Karls V. noch
ausführlich geschildert. Denn von einem Herrscher der Frühen Neuzeit
wurde ein umfangreicher Tugendkatalog gefordert, dessen Spektrum die Tugenden
Prudentia, Iustitia, Fortitudo, Temperantia, Magnamitas, Liberalitas
und Clementia umfaßte. War dieses Ideal zunächst noch
humanistisch geprägt, gehörte seit der Reformation "die
fürstliche Religiosität zur Grundsubstanz des Amtsideals." [9]
Trotz seines utopischen Charakters wurde die Erfüllung dieses
Tugendkatalogs durch die Fürsten als fester Bestandteil der Macht
verstanden; denn so wurde ein Idealbild entworfen, das auf die Anforderungen,
Hoffnungen und Wünsche antwortete, die von einer relevanten
Öffentlichkeit an den Herrscher gestellt
wurden. [10]
Enea Vico hat die Büste
des Kaisers in ein beschriftetes Portraitoval in den Bogen einer Ädikula
gesetzt, die wie ein Denkmal in einer Landschaft steht, in der links eine
Kampfhandlung und rechts antike Ruinen dargestellt sind. Das Bildnis, das den
Kaiser mit unbedecktem Haupt und in Harnisch mit der Kollane des Ordens vom
Goldenen Vlies zeigt, ist von zwei Säulen flankiert, welche die Devise
Karls V. - "Plus Ultra" - versinnbildlichen. [11] Auf seine kaiserliche
Würde weisen erst im Metopenfries darüber die entsprechenden
Amtsinsignien hin. Clementia mit aufgeschlagenem Buch und Athena als
Personifikation der Tapferkeit und Weisheit zu beiden Seiten des Bildnisses
sowie Pietas und Iustitia in den Giebelschrägen führen die Tugenden
Karls V. vor. Der Aspekt der erfolgreich eingesetzten Tugenden wird im Sockel
durch die gefesselten Landespersonifikationen Germania und Africa dargestellt,
die zugleich die Ausdehnung des Imperiums dieses Herrscher
markieren.
Dabei bezieht sich wie bei dem oben
genannten Beispiel das Figurenprogramm in erster Linie auf die
religionspolitische Situation im Reich nach Ende des Schmalkaldischen Krieges
und damit auf den Konflikt zwischen dem Kaiser und den protestantischen
Reichsfürsten.
Die Kommentarfunktion des
allegorischen Programms wird durch die den Figuren beigegebenen Texttafeln
verstärkt. Denn diese erläutern nicht nur die Relation der einzelnen
Figuren zueinander, sondern beziehen den Kaiser im Sinne einer Huldigung ein.
Darüber hinaus werden die Bedeutung des Figurenprogramms und damit die
Wirkung des Bildnisstichs durch einen im gleichen Jahr veröffentlichten
Text von Antonio Francesco Doni detailliert erklärt, welcher den
Künstler bei der Ausführung beraten
hatte. [12]
Die Allegorien auf der linken
Seite beziehen sich auf die Situation im Hl. Römischen Reich Deutscher
Nation und die Folgen der Schlacht bei Mühlberg, welche auf dem
Sockelrelief neben der Germania dargestellt ist. Germania soll sich über
ihre Untertanenschaft, "servitentium", freuen, denn wie die ihr beigegebenen
Gegenstände anzeigen, bedeutet die Herrschaft dieses Kaisers Frieden und
Wohlstand für das Territorium. Die Freude der besiegten Germania
erklärt sich aber auch durch die über ihr stehende Personifikation der
Clementia, der unüberwindlichen Milde des Kaisers, wie sie von Doni
charakterisiert wird. Denn sie verzeiht die Schmähungen, die - von
protestantischer Seite - gegen den Kaiser vorgebracht wurden. Die Milde
gegenüber seinen Gegnern resultiert wiederum aus der Frömmigkeit Karls
V., für die Religio-Pietas mit ihren Attributen steht; in der linken Hand
hält sie Schlüssel, die Doni als Zeichen der göttlichen
Autorität interpretiert. Auf der podestartigen Attika stehen zwei Putti,
die wie ihre Pendants auf der anderen Seite Wappenkartuschen und Fahnen mit dem
kaiserlichen Adler halten. Sie sollen nach Doni anzeigen, daß Karl V. der
erste Bannerträger der christlichen Religion ist, und die Casa de
Austria immer von Glauben und Wahrheit erfüllt war und
ist.
Auch auf der rechten Seite greifen die
Personifikationen in ihrer Bedeutung argumentativ ineinander. Die gefesselte
Africa und das Sockelrelief spielen auf die Schlacht bei Goleta und die
Eroberung von Tunis 1535 an, wodurch der Kaiser das westliche Mittelmeer vom
Einfluß der Türken freihalten wollte. Zu der melancholisch
zusammengekauerten Africa wird jedoch in einer Inschrift erläutert,
daß sie sich ihrer Unterlegenheit nicht schäme, da sie von einem
Sieger unterworfen sei, der den Tugendkanon eines Herrschers erfülle und
dem deshalb alle unterliegen müßte. Entsprechend werden über ihr
die Tugenden der Fortitudo und Prudentia des Kaisers durch die nackte, nur mit
Helm, Lanze und Speer ausgestattete Athena verkörpert, deren Stärke
nach Doni im Siegen und nicht im Sich-Verteidigen liege. Zu ihren
Füßen sitzt die Eule als Symboltier der Wachsamkeit. Das Bild des
idealen Herrschers wird durch die Tugend der Gerechtigkeit mit Helm und Schwert
vervollständigt. Dieses steckt in der Scheide, denn wie Doni erklärt,
hat eine auf die kanonischen Büchern des Rechts gestütze
Weltherrschaft es nicht nötig, das strafende Schwert der Gerechtigkeit zu
zeigen. Das modifizierte Cäsarzitat "Veni, Vidi, Deus Vicit" auf der Fahne
darüber subsumiert die erfolgreiche, am Tugendkanon eines Herrschers
orientierte Regierung unter Gottes Sieg. [13]
Über dem Haupt des Kaisers bekrönt die
auf einem Adler stehende Gloria mit Schwert und Lorbeerkranz gleichsam das
Tugendprogramm und den Dargestellten. [14] Wie bei antiken
Triumphbögen rühmt die Tafel auf der Attika den Kaiser als Beherrscher
dreier Weltteile, als "Divus" und "Gloriosissimus", und faßt damit den
Zweck der allegorisch-architektonischen Bildniseinfassung in Superlativen
zusammen.
Die Entstehungsumstände des
Bildnisses relativieren allerdings diese Form der triumphalen Selbstdarstellung
und können zugleich die Einsatzmöglichkeiten eines so kommentierten
Bildnisses erklären. Denn Enea Vico hatte zunächst das
allegorisch-architektonisch gerahmte Portrait, auf einer Goldplatte graviert,
dem Kaiser im Auftrag Cosimo de Medicis auf dem Augsburger Reichstag 1548
überreicht. [15] Das zunächst als Huldigung gedachte
Herrscherlob übernimmt dabei Mittel und Formenrepertoire der
Festarchitektur, die als die eigentliche Inspirationsquelle für diesen
Bildnistypus verstanden werden müssen. [16] Im Auftrag der
Städte anläßlich von Krönungen und Inthronisationen sowie
militärischen Erfolgen errichtet, glorifiziert diese den Einziehenden durch
Triumpharchitektur und allegorisches Programm im gleichen Sinne wie die
allegorisch-architektonisch kommentierten
Bildnisse.
Kaiser Karl V. war diese Verherrlichung
seiner Person sehr willkommen. Die Propagandamöglichkeiten erkennend, die
in der Verbreitung eines solchen Bildes seiner Person lagen, erteilte er dem
Künstler den Auftrag, dieses zur Vervielfältigung auf eine
Kupferplatte zu übertragen. So sollte sein politischer
Führungsanspruch, basierend auf seinen persönlichen Tugenden und
Leistungen, vergleichbar mit einem Flugblatt in propagandistischer Absicht
verbreitet werden. [17] Wie diesem muß den graphischen Portraits
"propagandistic ubiquity" zuerkannt werden, die wie Erwin Panofsky formulierte,
"could be circulated as much as the Photographs of statesmen and movieactors
today." [18] Zugleich reflektierte diese Inszenierung des
Führungsanspruchs in Anlehnung an die Idee einer Universalmonarchie die
Erwartungen, die an den Kaiser gestellt wurden. "The symbolism of the empire of
Charles V., which seemed able to include the whole world as then known and to
hold out the promise of return to spiritual unity through a revival of cementing
power of a christianized imperial virtues, was a comforting phantom in the
chaotic world of the sixteenth
century." [19]
Doch half auch diese
Bildkampagne nicht, den Führungsanspruch des Kaisers auf Dauer zu
stützen. Denn trotz der militärischen Erfolge im Reich konnte Karl V.
seine Pläne, die Ordnung im Reich durch die Schaffung eines Bundes aller
Reichsstände unter habsburgischer Führung herzustellen, nicht
durchsetzen.
Dieser exemplarische Bildniseinsatz,
der durch das Vervielfältigungsmedium der Druckgraphik zur
öffentlichen Präsentation und Legitimierung der eigenen politischen
Vorstellungen diente, wurde in den folgenden Jahrzehnten von allen
europäischen Herrschern übernommen. Nicht nur die Kaiser, Kur- und
Reichsfürsten, sondern auch die englische Königin Elisabeth I.,
Heinrich IV. von Frankreich oder die Oranier als Statthalter der Niederlande
präsentieren sich in Anlehnung an die habsburgische Ikonographie in dieser
Weise, um sich so im Kampf um die politische Führung gegen zumeist
andersgläubige Gegner im eigenen Lande zu behaupten. [20] Wird
dabei zunächst das Rahmenkonzept von Enea Vico mit leichten Anpassungen an
die dargestellte Person beibehalten, varierte Aegidius Sadeler dieses Schema bis
hin zu dem anfangs besprochenen Beispiel für Kaiser Ferdinand
II.
Sein Bildnisstich für Kaiser Rudolf II.
aus dem Jahr 1603 propagiert die Regierungsqualitäten und
militärischen Erfolge dieses Habsburgers angesichts der für das Reich
ständig drohenden Türkengefahr und der innerhalb des Reiches
geschwächten Stellung dieses Herrschers (Abb. 3). Laster oder Feinde, hier
die Türken, sind in der Sockelzone des Rahmens besiegt. Zu beiden Seiten
personifizieren die geflügelte Victoria und die Gute Regierung mit Ruder
militärische und politische Durchsetzungskraft des Kaisers. Diese beruht
auf den Tugenden der Fortitudo, angedeutet durch Speer und Medusenschild der
Athena, den Attributen der Victoria sowie der Temperantia, auf die Zügel
und Sporen in den Händen der Guten Regierung in Anlehnung an die
Reiterikonographie anspielen. Sie kommentieren so die Amtsführung des
Dargestellten, welche in der Giebelzone verherrlicht wird. Denn die Pax Augusta
verweist mit Weltkugel und Palmzweig auf den bevorstehenden Weltfrieden unter
Rudolf II., der durch das Sternzeichen Steinbock mit Kaiser Augustus
gleichgesetzt und dessen ranghöchste Stellung durch den Adler, das
Symboltier Jupiters betont wird. Damit hebt das Figurenprogramm zum einen die
wichtigsten Tugenden eines Herrschers heraus und reflektiert zugleich die
Erwartungen, die an Kaiser Rudolf II. angesichts der politischen Krisen im Reich
gestellt wurden. [21]
Kaiser Matthias
hingegen nutzt die Möglichkeiten des allegorisch kommentierten Bildnisses,
um die Situation im Reich unter seiner Amtszeit als segensreich zu
glorifizieren. Zudem soll das Bildprogramm seine kaiserliche Würde und
Macht legitimieren, die er de facto schon sechs Jahre vor seiner Krönung
erhalten hatte (Abb. 4). Denn die politische Schwäche seines Bruders hatte
Matthias genutzt, um 1606/08 weitgehende politische Vollmachten zu erhalten. So
gelang es ihm, mit den Aufständischen in Ungarn und Siebenbürgen
Frieden zu schließen und auch einen Waffenstillstand mit dem Sultan
auszuhandeln; diese Verträge wurden allerdings von Rudolf II. nicht
anerkannt. [22] Die Gestaltung des Portraits durch Sadeler
begründet vor diesem Hintergrund zunächst in genealogischer Weise die
Herrschaft dieses Habsburgers. Indem die Portraitbüste des Kaisers wie eine
Plastik auf einen Sockel gestellt ist, übernimmt der Künstler einen
Denkmaltypus, der, über die Portraitbüste Rudolfs II. von Adriaen de
Vries vermittelt,an diejenige Leone Leonis für Karl V.
erinnert. [23] Darüber hinaus ist sein Bildnis in ein Kranzoval
gefügt, in das die Portraitmedaillons seiner Amtsvorgänger bis zu Karl
dem Großen eingesetzt sind. [24]
Das
von dem Vico-Stich bekannte Schema der Aufteilung einzelner
Argumentationsstränge des Bildniskommentars ist auch hier noch zu erkennen,
obwohl die Rahmenarchitektur durch den arabesken Schwung der einzelnen Figuren
sowie durch die den ganzen Rahmen schmückenden Festons nahezu verdeckt ist.
Wie üblich befinden sich die besiegten Feinde, Protestanten und
Türken, in der Sockelzone, hier zusammen mit den Todsünden des Hasses
und des Neides, wodurch sie zusätzlich moralisch erniedrigt
werden.
Zu beiden Seiten des Bildnisses zeigen
Allegorien aus der Mythologie und der christlichen Ikonographie zwei
mögliche Vorbilder der Tapferkeit auf: Auf der linken Seite hindert
Bellerophon Pegasus durch einen Griff in die Mähne am Aufsteigen, die Lanze
in seiner Hand und die Waffen zu seinen Füßen sind allgemeine
Hinweise auf die kaiserliche Tapferkeit. Deren erfolgreicher Einsatz ist
allerdings nach den Tugendvorstellungen der Zeit erst nach der Bändigung
der ungezügelten Leidenschaften möglich, welche durch das
Zurückhalten des Flügelrosses angedeutet werden. [25] Dagegen
verweist die Figurengruppe auf der rechten Seite auf das erhoffte Ziel der
kaiserlichen Tapferkeit, wenn die siegreiche Fortitudo den mehrköpfigen
Drachen als Symboltier des Unglaubens besiegt hat. Ihre Flügel und der
Lorbeerkranz, den sie dem Portrait des Kaisers entgegenhält, verweisen
stellvertretend auf den Erfolg dieses christlichen Kaisers, dessen Ruhm die
hinter ihr stehende Fama mit der Trompete
verkündet.
Die kämpferischen Tugenden
werden dem Motto armae et litterae entsprechend in der Giebelzone
ergänzt durch Prudentia und Constantia. Deren Attribut, die Säule,
verweist darüber hinaus mit dem umlaufenden Relief in Anlehnung an die
Trajansikonographie auf die Gerechtigkeit. Nochmals heben die beigestellten
Tiermetaphern und Embleme auf den Fahnen die Tugendhaftigkeit des Kaisers
hervor [26], versinnbildlichend, daß unter einer diesem Ideal
verpflichteten Regierung nicht nur Künste und Wissenschaften, sondern auch
Gewerbe und Handwerk blühen können. Die segensreichen Folgen dieser
Herrschaft und damit zugleich die Fürsorge des Kaisers für sein Volk
betonen darüber hinaus die drei Grazien über dem Haupt des Kaisers mit
ihren Kränzen und üppigen
Füllhörnern.
Im Gegensatz zu dem
späteren Bildnisstich für Ferdinand II., wo die göttliche
Absegnung der auf den Tugenden beruhenden Herrschaft durch den olympischen
Götterrat, also mythologisch erfolgt, wird bei Matthias das Gottesgnadentum
christlich begründet. Denn vor der Folie einer lichterfüllten Gloriole
balancieren fünf Putti Krone und Zepter, um den Kaiser in göttlichem
Auftrag zu krönen.
Gerade mit dem
Bildnisstich für Matthias hatte Sadeler ein Formenrepertoire geschaffen,
das in den folgenden Jahren in Auszügen auch für andere Herrscher
übernommen wurde. Ludwig XIII. präsentiert sich 1618 auf einem
Kupferstich von Crispyn de Passe d.Ä., der die gesamte Mittelzone dieses
Bildnisstiches übernimmt. Nicht nur die Allegorien der Tapferkeit des
Rex christianissimus im Kampf für den katholischen Glauben, sondern
zugleich seine Erblegitimität - veranschaulicht durch die
Portraitmedaillons der Könige Karl Martell, Karl der Große und
Chlodwig bis zu Heinrich IV., die in den Kranz eingefügt sind - sollten in
moralischer und genealogischer Hinsicht seinen Machtanspruch
rechtfertigen. [27] Und noch 1660 werden die seitlichen Allegorien sowie
die Putti mit den königlichen Insignien des Sadeler-Stichs von Hendrick
Danckerts für den Krönungsstich des englischen Königs Karl II.
verwendet.
Diese Beispiele deuten auf die
Allgemeingültigkeit solcher Allegorien hin, deren Aussage nicht mehr wie
bei Karl V. individuell auf eine Person zugeschnitten ist, sondern wie eine
Schablone verwendet wurden. Gerade vor dem historischen Hintergrund der
politisch-konfessionell bedingten Kriege wird der anfangs ausführliche
Tugendkanon reduziert auf die fast staatstragenden Eigenschaften der
Frömmigkeit Pietas/Fides und der militärischen Qualifikation, der
Fortitudo im erfolgreichen Kampf gegen die Ungläubigen, seien es die
Türken oder seien es die Protestanten. Doch soll die Entwicklung dieses
Bildnistypus hier nicht weiter verfolgt werden. Bis 1650 wird er in Anlehnung an
die Habsburger als den ranghöchsten Herrschern in Europa übernommen.
Erst unter Ludwig XIV. werden neue Repräsentationsformen
entwickelt [28], die von da an vorbildhaft für alle
europäischen Höfe sind.
Bedeutsam im
Kontext der Religionskriege der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts ist die
Ikonographie der Besiegten. Sadeler setzt sie - die Protestanten und die
Türken - sowohl bei Rudolf II. als auch bei Matthias zusammen mit den
Todsünden des Hasses und des Neides in die gleiche Bildebene. So wird der
Kampf gegen die Gegner religiös begründet und moralisch als Kampf
gegen das Übel schlechthin gerechtfertigt, nach dessen Beseitigung erst
Frieden und Wohlstand über das Land kommen
könne.
In diesem Sinne sind auch die
Gefangenen zu deuten, die 1621 auf einem Bildnisstich von Aegidius Sadeler die
Tapferkeit des kaiserlichen Generals Charles de Longueval, des Grafen von
Buquoy, anläßlich des Sieges über die Protestanten in der
Schlacht am Weißen Berg preisen. (Abb. 5) Diese kauern zwischen
Kriegsgerät vor dem Sockel der Rahmenarchitektur, deren Figurenprogramm nur
noch aus zwei geflügelten Putti besteht, die das mit den Trompeten der Fama
geschmückte Wappen halten. Sein ovales Portrait in Harnisch mit der
Feldherrenbinde über den Schultern ist mit Lorbeer und Palmzweigen
geschmückt. Die Kommentierung wird sinnfällig ergänzt durch den
Blick auf das Schlachtfeld. Kann dieses Blatt eher als Auszeichnung der
strategischen Fähigkeiten des Feldherren gesehen werden, muß dieselbe
Bildniseinfassung für Ludwig XIII. von Balthasar Moncornet sieben Jahre
später auch als Propagierung der fürstlichen Souveränität
verstanden werden, die auf dem strategischen Können, der Fortitudo
anläßlich der Belagerung und Eroberung von La Rochelle und damit dem
Sieg über die Hugenotten beruht. [29]
Der Sieg über die Protestanten ist auch
für den Bayerischen Herzog der Anlaß, sich zunächst als Sieger
im Dienst des Kaisers zu feiern und später auf seine dadurch erlangte
Kurfürstenwürde hinzuweisen. Der Kupferstich, den Wolfgang Kilian nach
Matthias Kager gestochen hatte, wurde in zwei verschiedenen Versionen 1619 und
nach 1621 gedruckt. [30] Maximilian I. präsentiert sich
zunächst noch als Herzog im Harnisch. Abundantia und Architectura in der
Sockelzone nehmen im Sinne des Herrscherlobes auf die Bauleistungen in seiner
Residenzstadt sowie den Wohlstand im Lande Bezug. Die vier weltlichen
Kardinaltugenden, Sapientia und Temperantia auf der linken, sowie
Constantia-Fortitudo und Iustitia auf der rechten Seite preisen den tugendhaften
Herrscher, dessen Ruhm auf seiner Gottesfurcht beruht, wie die Allegorie der
Fama über dem Bildnis verkündet.
Die
Vorteile des Mediums Graphik nutzend, wird nach 1621 dieser Bildnisstich in
einigen wichtigen Details verändert und der veränderten politischen
Lage angepaßt. (Abb.6 ) Dem bayerischen Herzog ist über den Harnisch
die Feldherrenbinde gelegt. Der Grund hierfür wird in der Mitte der
Sockelzone gezeigt, wo anstelle der Wappenkartusche die Schlacht am Weißen
Berg dargestellt ist. Die Auswirkung dieses militärischen Erfolges
über die protestantische Allianz unter Friedrich V., dem pfälzischen
Kurfürsten und ernannten König von Böhmen, zeigt die
Wappenkartusche, die nun über dem Portrait angebracht ist und mit dem
Kurfürstenhut geschmückt ist. Denn nach seinem Erfolg versuchte
Maximilian zunächst in einem Geheimabkommen die pfälzische
Kurwürde zu erhalten, die ihm allerdings erst 1623 offiziell auf dem
Reichstag zu Regensburg von Kaiser Ferdinand II. verliehen werden
konnte.
Diese Beispiele sollen die Verbreitung des
allegorisch kommentierten Bildnisses skizzieren, die in Anlehnung an die
habsburgische Ikonographie nicht nur von den Verbündeten des Kaisers
übernommen wurden. Nahezu alle Territorialfürsten Europas nutzen diese
Möglichkeit, um ihre fürstliche Souveränität aufgrund ihrer
Leistungen zu rechtfertigen sowie ihren Führungsanspruch vor einer
politisch relevanten Öffentlichkeit zu dokumentieren. [31] Ihre
auch auf Tugenden beruhende Macht wird zugleich als Ursache für die
segensreichen Folgen genommen, die nach Beendigung der
bürgerkriegsähnlichen Zustände eben durch den
durchsetzungsfähigen Herrscher erhofft
wurden. [32]
Neben den Herrschern von
Frankreich, England oder Polen übernehmen auch die Generalstatthalter der
Niederlande seit Moritz von Nassau-Oranien diese habsburgische Ikonographie, um
sich als Dynastie ranggleich mit den anderen europäischen Fürsten zu
präsentieren. [33] So läßt Moritz sein Bildnis nach
seinem Triumph über die Spanier um 1600 auf einem Stich von Cornelisz
Dircksz. van Boissens in einem architektonischen Rahmen präsentieren,
dessen allegorisches Programm das Heroentum des Oraniers und seine
Frömmigkeit in aller Ausführlichkeit rühmt. [34] (Abb. 7)
Verweisen die Festungen und Schlachtdarstellungen rechts und links der Rahmung
auf die einzelnen Städte, die er von der spanischen Herrschaft befreit
hatte, wird sein Triumph über die Spanier als Kampf seiner Tugenden gegen
die Laster der katholischen Idolatrie und Tyrannei gedeutet, wie dies auch der
Kampf des belgischen Löwen gegen den spanischen Drachen in der Sockelzone
veranschaulicht.
Dagegen betont ein Kupferstich
von Jan Saenredam um 1600 ausschließlich die strategischen
Fähigkeiten dieses Oraniers. (Abb. 8) Hier ist die Bildniskommentierung an
den Rand des Blattes gedrängt und beschränkt sich auf den Hinweis auf
seine militärischen Fähigkeiten, während der Oranier als Feldherr
in Rüstung auf einer Anhöhe steht, hinter der man über ein
Schlachtfeld blickt. Neben ihm auf ein Podest, verziert mit der Oranierimprese
des abgeschlagenen, aber dennoch sprießenden Baumstumpfs, ist sein Helm
gelegt. Denkmalwürdig ist nicht wie bei dem vorigen Beispiel seine Person,
sondern allein die militärische Leistung im Dienste der Religion und des
Vaterlandes. Daß diese Bildaussage nicht nur um 1600, sondern auch noch
Jahre später Gültigkeit hatte, zeigt die zweite Fassung dieses
Blattes, auf dem nur die Gesichtszüge von Moritz seinem fortgeschrittenen
Alter angepaßt sind.
Für die
protestantischen Reichsfürsten lassen sich dagegen nur wenige Beispiele
anführen, die dann auch eher verhalten und unter Reduktion der rahmenden
Triumpharchitektur ihre Tugenden, Tapferkeit und Frömmigkeit,
präsentieren. [35] Dies mag daran gelegen haben, daß diese
Form der Bildnisrepräsentation, wie gezeigt, ausschließlich mit den
Kaisern und ihrem Einsatz für die katholische Sache verbunden war. Als
Erwiderung auf diese katholisch geprägte Bildnispropaganda bevorzugte die
protestantische Seite eher das Flugblatt mit Bild und ausführlichem
Textkommentar, um die eigene Amtsführung legitimierend zu verherrlichen
sowie die Gegenseite zu desavouieren. [36] Beide Formen der Darstellung
politisch-historischer Inhalte nutzen hierfür die
Verbreitungsmöglichkeiten der Druckgraphik, um gerade während der
Religionskriege in Europa für die eigene Sache zu werben. Zwar
ikonographisch vergleichbar, unterscheidet sich das Flugblatt als
Agitationsmedium von der hier vorgestellten Form der
Herrscherpropaganda [37], denn die antithetische Gegenüberstellung
der eigenen Tugend im Kampf mit den Lastern der Gegner sollte durch die
plakative und im Text ausführlich erläuterte Darstellung den
Betrachter zum aktiven Handeln motivieren. Das kommentierte Bildnis reagiert
dagegen auf diese Agitation, indem es auf eine leichte
Allgemeinverständlichkeit verzichtet. [38] Im Sinne der
Herrscherpropaganda zeigt es die auf dem normativen Tugendkatalog basierende
Amtsbefähigung auf. Die Mittel der Festarchitektur adaptierend und zugleich
die Vervielfältigungsmöglichkeiten der Druckgraphik nutzend, ist
dieser Bildnistypus als mobiles Denkmal zu verstehen: Lokal nicht gebunden, also
"ubiquitär" [39] antwortet es auf die in der ephemeren
Festarchitektur formulierten, als Herrscherlob verkleideten Anforderungen, die
von einer relevanten Öffentlichkeit als den Auftraggebern dieser ephemeren
Denkmäler an den einziehenden Herrscher gestellt
wurden. [40]
Das allegorisch kommentierte
Bildnis wird nach dem Dreißigjährigen Krieg unter anderem
abgelöst von graphischen Reiterbildnissen, die eine ausführliche
Kommentierung des Dargestellten obsolet erscheinen ließ. Denn in diesem
Bild konnte, wie oben gezeigt, die Tugendhaftigkeit des Herrschers an sich
präsentiert werden. Somit kann der hier vorgestellte Bildnistypus als
Vorläufer des real und zu Lebzeiten eines Herrschers aufgestellten Denkmals
verstanden werden, das in Italien, Spanien und Frankreich schon längst
kunstpolitische Realität geworden
war. [41]