DOKUMENTATION | Ausstellungen: 1648 - Krieg und Frieden in Europa | |
Textbände > Bd. II: Kunst und Kultur |
KARIN HELLWIG Kunstpolitik, Kunstproduktion und Künstleralltag in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges in Spanien |
Der Dreißigjährige Krieg ist nur
eine der zahlreichen militärischen Auseinandersetzungen, in die Spanien in
der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts verwickelt war, denn das Land befand
sich damals mit allen europäischen Großmächten im
Konflikt. [1] Der vorliegende Beitrag soll untersuchen, in welcher Form
und inwieweit die spanischen Künstler von den Auswirkungen dieser Kriege
betroffen waren und wie sich dieses in der Kunstproduktion am Madrider Hof und
abseits des Hofes spiegelte.
Ein Blick auf die
Hofkunst dieser Zeit zeigt uns, daß die spanischen Habsburger die Kunst in
einer neuen, nie dagewesenen Weise einsetzten, indem sie anhand einer Reihe von
großangelegten Bau- und Ausstattungsprogrammen die imperiale Macht des
Königshauses und den Herrschaftsanspruch Spaniens als Weltreich sichtbar
machten. Hatten die spanischen Könige bis dahin eher gezögert, sich
nach außen hin mit Programmen zur Selbstdarstellung der Monarchie, ihrer
Siege und Taten zu präsentieren, so ändert sich das unter Philipp IV.
grundlegend. [2] In der Außenpolitik verfolgten der König und
sein Minister Olivares das Ziel, Spaniens Weltmachtstellung, wie sie noch unter
Philipp II. (1561-1598) gegeben war, wiederherzustellen, wenn nicht auszubauen, was zur ständigen
Präsenz Spaniens auf den verschiedenen europäischen
Kriegsschauplätzen führte. Am Madrider Hof sind in den ersten vier
Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts mehrere Initiativen zu beobachten, die von
einer sich herausbildenden Wahrnehmung der Möglichkeiten der Kunstpolitik
zeugen. Zunächst wurde die Hauptstadt in eine barocke Residenz verwandelt.
Die Plaza Mayor gestaltete man in eine monumentale, geschlossene
Platzanlage um. [3] Der Alcázar, der sich nach
jahrhundertelanger Bautätigkeit zu Beginn des 17. Jahrhunderts eher als
mittelalterliche Wehrburg denn als barocke Königsresidenz
präsentierte, erhielt eine Schaufassade. Auch der davor befindlichen
Plaza de Palacio verlieh man erst in den zwanziger Jahren durch die
Vereinheitlichung der auf sie zuführenden Straßenzüge den
Charakter einer repräsentativen Platzanlage. [4] Für die
Schlösser wurden Raumprogramme mit dekorativen Gemäldezyklen
geschaffen, anhand derer die spanische Monarchie ihre Erfolge präsentierte.
So umfaßte die in den Jahren
1634-1635
vorgenommene Ausstattung des Salón de los Reinos im Buen
Retiro ein relativ aufwendiges Programm zur Glorifizierung der Kriegspolitik
des Herrschers. [5] Zwölf monumentale Schlachtenbilder an den
Längswänden des Saales zeigten Siege und Triumphe der spanischen Heere
der jüngsten Vergangenheit, einige davon standen im Zusammenhang mit dem
Dreißigjährigen Krieg. [6] Auch dem Herrschermonument kam
unter Philipp IV. eine neue Funktion zu. Hatte man bislang eher
Zurückhaltung gezeigt, Königsdenkmäler innerhalb der
Schloßanlagen aufzustellen, wurden für den Buen Retiro gleich
mehrere Monumente an hervorgehobener Stelle geplant: Leone Leonis in den Jahren
1550-1555
entstandene Bronzestatue "Karl V. über der Raserei" wurde im Patio del
Emperador, einem der großen Höfe der Anlage,
aufgestellt [7], eine weitere ganzfigurige Marmorstatue Karls V. von
Leone und Pompeo Leoni plazierte man im Garten der Eremita de San
Pablo. [8] Zudem stellte man das monumentale Reiterdenkmal Philipps
IV. von Pietro Tacca, das den Souverän in einem für Spanien neuen
Portraittypus, in Kriegstracht mit Kommandostab auf kurbettierendem Pferd zeigt,
im Jardín de la Reina, einem der Gärten des Buen
Retiro, auf. [9] Von einem Bildnis Philipps IV. ist bekannt,
daß es aus Anlaß eines militärischen Sieges entstanden ist. Es
handelt sich um das 1644 von Velázquez gemalte Bildnis von Fraga, das den
König, der in Begleitung seines Hofmalers zum Kriegsschauplatz gereist war,
im Ornat des obersten Feldherrn zeigt, das er nach dem Sieg über die
Franzosen beim Einzug in Lérida trug. [10] Im Umfeld des Madrider
Hofes entstanden demnach in der ersten Jahrhunderthälfte zahlreiche Werke,
in denen sich eine Auseinandersetzung mit dem Krieg spiegelt, die jedoch
keineswegs kritisch ist.
Künstleralltag
und Kunstproduktion in Kriegszeiten
Abgesehen von
den erwähnten Großaufträgen für den Madrider Hof scheinen
der Dreißigjährige Krieg und auch die anderen Kriege, in die das Land
verwickelt war, die spanischen Künstler kaum beschäftigt zu haben.
Während in der niederländischen, italienischen, französischen und
deutschen Malerei dieser Zeit zahlreiche Sujets entwickelt wurden, die den Krieg
spiegeln -
Schlachtengemälde, Szenen aus dem Soldatenleben, Waffenstilleben, die
Darstellung von Plünderungen und anderen Schrecknissen
-, in den
Werken von Jacques Callot, Peter Paul Rubens, Pieter Snayers, Philips Wouwerman,
Sebastian Vrancx u.a., findet man in der spanischen Kunst kaum Gemälde zu
diesen Themen.
Dafür bieten sich mehrere
Erklärungen an. Zunächst ist zu berücksichtigen, daß die
Maler in Spanien vom Kriegsgeschehen wenig betroffen waren, denn sie lebten und
wirkten weit entfernt von den Kriegsschauplätzen
- die
meisten kriegerischen Auseinandersetzungen spielten sich außerhalb der
iberischen Halbinsel ab. Zwar gab es in den vierziger Jahren in Katalonien und
an der portugiesischen Grenze mehrfach Kämpfe, aber diese fielen
zahlenmäßig gegenüber den vielen Schlachten auf
niederländischem, französischem oder deutschem Boden kaum ins Gewicht.
Auch gingen in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts nur wenige spanische
Künstler ins Ausland, und diese wiederum reisten nicht in unsichere
Gegenden, sondern nach Rom, um sich dort ihren Studien zu widmen. Zudem war die
Regierung bestrebt, das Militär in der Hauptstadt auf das Notwendigste zu
beschränken und vermied im allgemeinen - mit Ausnahme der königlichen
Garde - die
Stationierung von Truppen in Madrid. Wenn es auch gelegentlich zu
Plünderungen, Diebstählen, Morden, anderen Gewalttaten und Betteleien
kam, vor allem durch die Soldaten, die die Armee verlassen hatten und in die
Hauptstadt strömten [11], so hatten die Künstler insgesamt
doch wenig Kontakt zum Soldatenleben, womit ein weiterer Grund für die
Seltenheit der Kriegsthematik
- sei es in
Form von Historien oder Allegorien
- in der
spanischen Malerei angeführt wäre. Betrachtet man die
Schlachtengemälde im Salón de los Reinos im Buen
Retiro, so wird deutlich, daß nur wenige der beteiligten Maler
Erfahrung mit der Darstellung von Schlachten hatten, oft sind diese Gemälde
die einzigen großangelegten Historien im Œuvre des jeweiligen Malers.
Überdies war die Druckgraphik, die von den Künstlern in anderen
europäischen Ländern zur Verbreitung von - auch kritischen -
Darstellungen zum Thema Krieg genutzt wurde, in Spanien kaum
üblich. [12] Sicher wird man die wenigen Darstellungen aus dem
militärischen Bereich auch auf ein fehlendes Publikum
zurückführen dürfen. Kirche und Adel brachten dieser Thematik
kaum Interesse entgegen,und in Spanien war
- anders
als in den beiden Niederlanden
- das
Bürgertum nicht so selbstbewußt, um sich kritisch mit dem Krieg
auseinanderzusetzen.
Künstleralltag und
Krieg
Inwieweit waren die spanischen Künstler
dennoch vom Kriegsgeschehen betroffen, und wie schlägt sich das in ihren
Werken nieder? Aus den zeitgenössischen spanischen Schriften erfahren wir
wenig über die Rolle des Krieges im Künstleralltag oder über eine
Einwirkung des Krieges auf die Künste. Während Joachim von Sandrart in
Deutschland in eindrucksvollen Worten den Verfall der Künste infolge des
großen Krieges beklagt [13], finden sich in den Malereitraktaten
der großen spanischen Theoretiker des 17. Jahrhunderts kaum Hinweise auf
die zahlreichen Kriege der Zeit. Weder Vicente Carducho in den 1633 in Madrid
erschienenen "Diálogos de la pintura", Francisco Pacheco in seinem Werk
"Arte de la pintura", 1649 in Sevilla publiziert, noch Jusepe Martínez in
den 1673 entstandenen "Discursos practicables del nobilissimo arte de la
pintura" gehen in irgendeiner Form darauf ein, inwieweit die
Künstlerschaft, einzelne Künstler oder die Kunst generell durch die
Kriegsereignisse betroffen waren. [14] Auch sind nur einige wenige Maler
bekannt, die am Krieg direkt beteiligt waren. Nachrichten über diese
Künstler vermitteln uns der zeitgenössische Vitenschreiber
Lázaro Díaz del Valle in seinem "Epilogo y nomenclatura de algunos
artífices"
(1656-1662),
von dem wir die authentischsten Berichte über die spanischen Maler der
ersten Jahrhunderthälfte besitzen, und Antonio Palomino im dritten und
letzten Band seines "Museo pictórico y escala óptica", dem
"Parnaso Español pintoresco laureado" (1724). [15] Selten wird
berichtet, daß Künstler hochgestellte Persönlichkeiten auf deren
Reisen zu den Kriegsschauplätzen begleitet
haben.
Es sind bislang auch keine Fälle
überliefert, in denen man in Kriegszeiten spanische Maler für
diplomatische Aufgaben eingesetzt hätte. Daß Künstler im 17.
Jahrhundert durchaus den Status erreicht hatten, gelegentlich als Diplomaten
eingesetzt zu werden, zeigt das Beispiel von Peter Paul Rubens, der in
diplomatischer Mission für Spanien und England tätig war, oder des
Architekten und Malers Balthazar Gerbier, der für die englische Regierung
erfolgreich verhandelte. [16] Dem Spanier Diego Velázquez
hingegen begegnete man bei seiner ersten Italienreise im Jahre 1629 mit gewissem
Mißtrauen und verdächtigte ihn als Spion. [17] Seit 1628 war
Spanien in den Mantuanischen Erbfolgekrieg verwickelt und Velázquez
gehörte damals dem Gefolge des berühmten Generals Ambrogio
Spínola an, den Philipp IV. im Jahre 1629 als Gouverneur von Mailand
eingesetzt hatte. Während Alvise Mocenigo, der venezianische Gesandte in
Madrid, in seinem Empfehlungsschreiben an den Rat der Zehn des Senats von
Venedig betont, daß der Besuch des Malers in Venedig nicht verdächtig
("non puó esser di sospetto") sei [18], vermutet Flavio Atti, der
Gesandte von Parma, in einem Brief an die Herzogin von Neapel, der Maler sei in
Italien, um für den spanischen Hof zu spionieren ("dico io, che viene per
spiare"), und zwar in Zusammenarbeit mit einem anderen bekannten
Spion. [19]
Um Spaniens Präsenz auf
den zahlreichen Kriegsschauplätzen zu ermöglichen, mußten
freilich auch die Künstler ihren Beitrag leisten, nämlich in Form von
Steuern und Militärdienst. Das spanische Heer bestand zwar
hauptsächlich aus Söldnern, die in der Regel im Rahmen freiwilliger
Verpflichtungen rekrutiert wurden und in einer Berufsarmee Dienst
leisteten. [20] Trotzdem hat es infolge des wachsenden Bedarfs an
Soldaten gelegentliche Versuche gegeben, die allgemeine Wehrpflicht
einzuführen, von der auch die Maler betroffen gewesen wären. Diese
wehrten sich wiederholt gegen die Initiativen des Hofes, sie zum
Militärdienst zu verpflichten. [21] Belege hierfür finden sich
für die Jahre 1600, [22] 1625, [23] 1626 [24] und
für die Zeit nach 1636. [25] Allerdings wird nur in einem Fall
konkret auf einen bestimmten Krieg hingewiesen: Der Rechtsanwalt Alonso Carrillo
erwähnt in einer auf Betreiben der Maler Juan Montero y Rojas und Andreas
Schmidt im Jahre 1668 verfaßten Schrift, um diese von Pflichten für
die Bruderschaft zu befreien, daß man nach 1636
- dem Jahr
der Kriegserklärung Spaniens an Frankreich
- versucht
hätte, die Künstler zum Militär einzuziehen. [26] Die
geringe Begeisterung für das Militär ist auch von seiten des Adels
überliefert. Philipp IV. mußte die Adligen im Jahre 1643 durch
Androhung hoher Geldstrafen zur Teilnahme am Feldzug gegen Katalonien
zwingen. [27]
Trotz allen Drucks waren nur
wenige Maler beim Militär und diese wohl auf freiwilliger Basis. Einer von
ihnen ist Juan de Toledo
(1611-1665),
der - so
Palomino -
"El Capitán" genannt wurde und nach Italien ging, wo er im
Vizekönigreich Mailand als capitán de caballos
diente. [28] Diese Erfahrung blieb nicht ohne Einwirkung auf sein Werk,
denn - nach
Madrid zurückgekehrt
-
spezialisierte sich Toledo als Schlachtenmaler. Über den aus Lucena
stammenden Bernabé Jiménez Illescas
(1613-1671)
erfahren wir von Palomino, daß dieser seine Malerlehre zunächst
zugunsten des Militärs unterbrochen habe und sich anwerben
ließ. [29] Dabei sei er viel herumgekommen und habe andere
Völker kennengelernt. Schließlich habe sich Jiménez in Rom
wieder der Malerei zugewandt und dort weitere sechs Jahre mit seiner Ausbildung
verbracht. Seine Zeit beim Militär war jedoch von keiner unmittelbaren
Bedeutung für sein Werk, denn der Maler wandte sich vor allem
religiösen Themen zu. Von dem in Rom wirkenden Schlachtenmaler
französischer Abstammung Jacques Courtois, gen. Il Borgognone
(1621-1675),
hingegen ist bekannt, daß er sich dem spanischen Heer in Mailand
anschloß und im Rahmen seines Dienstes zahlreiche Schlachtenskizzen
anfertigte.
Neben diesen wenigen Nachrichten, die
einzelne Künstlerviten über den Kriegsdienst von Malern geben, sind
zahlreiche Hinweise überliefert, daß wegen der hohen Kriegskosten
auch die Maler mit zusätzlichen Abgaben belegt wurden. Dazu zählt zum
einen die repartimiento de soldados oder repartimiento del vestir de
soldados genannte Steuer, die für "Einkleidung und Unterhalt
eines oder mehrerer Soldaten" vorgesehen war. [30] In mehreren Prozessen
(1597, 1600) und 1677 [31], für den Calderón
Gerichtsgutachten verfaßte, weigerten sich jedoch einzelne Maler, diese
Steuer zu entrichten. Des weiteren werden donativos
- nicht
näher spezifizierte Abgaben
-
erwähnt, die von den Madrider Zünften seit 1636 wiederholt
eingefordert wurden, um die Kriegskosten zu decken. [32] Generell wird
in den zur Verteidigung der Maler entstandenen Schriften behauptet, daß
die Künstler von all diesen Steuern und Abgaben zu befreien seien, weil der
Malerei der Status einer ars liberalis zukäme. Solche Forderungen
seien an einfache Handwerker zu stellen, nicht aber an Maler, die diesen
keineswegs gleichzusetzen seien. [33] Der Malerei käme derselbe
Rang wie der Dichtkunst zu, denn beide seien "trabajo del entendimiento", der
"ingenuidad", der "idea" sowie der "inteligencia" und "teoría". Zur
Verteidigung der Malerei wird allerdings nicht nur auf deren künstlerischen
Rang verwiesen, sondern auch auf die Armut der Maler, für die
zusätzliche Steuerforderungen unzumutbar wären, weil sie kaum in der
Lage seien, ihre Familie zu ernähren. [34] Es kam nicht in jedem
einzelnen Fall der Steuerverweigerung zum Prozeß, doch wenn, dann fielen
die Urteile zumeist zugunsten der Künstler aus. Allerdings waren die Maler
gezwungen, sich die Bestätigung ihrer Tätigkeit als ars
liberalis und mithin ihre Steuerbefreiung immer wieder aufs neue zu
erstreiten.
Wenn sich die Neigung der spanischen
Maler, am Krieg teilzunehmen
- sei es
aktiv oder in Form der Entrichtung von Steuern
- auch in
Grenzen hielt, so wurde der Krieg doch als Argument in ihren Petitionen
bemüht, mit denen sie für ihre Ausbildung staatliche Hilfe zu erlangen
suchten. In einem Antrag der Madrider Maler aus dem Jahre 1624 zur Gründung
einer Akademie unter königlicher Obhut wurde behauptet, daß die
Malerei eine nützliche Kunst sei und unter anderem auch für die
Artillerie und die Herstellung von Waffen hilfreich sein
könne. [35] An der geplanten Akademie sollten die Künste
wissenschaftlich gelehrt, die Beherrschung des Zeichnens verbessert und
insgesamt das Niveau der spanischen Kunst angehoben werden. [36]
Daß die Maler überdies anführten, der Hof müsse aufgrund
einer verbesserten Ausbildung der spanischen Künstler nicht mehr die
überbezahlten ausländischen Meister beschäftigen, zeugt sowohl
von dem Mißtrauen, das man damals in Spanien allem Fremden
entgegenbrachte, als auch von dem Konkurrenzdruck, dem die einheimischen Maler
ausgesetzt waren.
Kunstproduktion und
Krieg
Wie gezeigt, waren die spanischen
Künstler in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts trotz der
zahlreichen Kriege, in die ihr Land verwickelt war, kaum von diesen betroffen,
was möglicherweise auch die geringe Zahl von Darstellungen kriegerischer
Sujets erklärt. Palomino erwähnt als "pintores de batallas" lediglich
den in Madrid tätigen Juan de la Corte (ca. 1597-1660), der flämischer
Abstammung war, Juan de Toledo (1611-1665) aus der Provinz Murcia sowie den
Valencianer Künstler Estebán March (1610-1668). De la Corte, den
Palomino zwar als Hofmaler, allerdings nicht als einen der besten
klassifiziert, [37] hat zahlreiche Land- und Seeschlachten gemalt. Die
meisten zeigen Kämpfe zwischen Spaniern und Türken (Abb.
1) [38], er hat aber auch eine Reihe von siegreichen Feldzügen
Karls V. dargestellt. [39] Auch Juan de Toledo, der in Rom bei dem
Schlachtenmaler Michelangelo Cerquozzi gelernt hatte und danach in Granada,
Murcia und schließlich in Madrid wirkte, schuf zahlreiche "Batallas" und
"Marinas", also vielfigurige Kampfszenen und dramatische Seeschlachten in der
Art de la Cortes. [40] Zudem gehören Gemälde mit kleineren
Gruppen von kämpfenden Soldaten, die im Zentrum auf einem bühnenartig
erhöhten Vordergrund gezeigt werden, zu seinem Œuvre (Abb.
2). [41] Von Estéban March sind sowohl zahlreiche Zeichnungen als
auch Gemälde mit Schlachtenszenen erhalten, die zumeist kein bestimmtes
Ereignis wiedergeben. [42] (Abb. 3) Die Zahl der Bilder, die historische
Schlachten thematisieren, ist wesentlich geringer als diejenigen, die nicht
genauer zu identifizierende Kämpfe darstellen. Insgesamt zeigen sie sich
sowohl Aniello Falcone und Michelangelo Cerquozzi
- den
italienischen Meistern des Kriegsgenres
- als auch
den Stichen von Antonio Tempesta oder auch Rubens
verpflichtet.
Seltener als Schlachten werden in
den Gemälden Kriegsalltag, Lagerleben oder Plünderung und Raub
behandelt. Zu den wenigen Werken mit solchen Themen gehören eine
monumentale Lagerszene von Estéban March (Abb. 4) [43], in der
zahlreiche große Zelte und Offiziere und Soldaten in siegreicher Pose zu
sehen sind, sowie eine lavierte Federzeichnung mit der Darstellung der
"Plünderung eines Dorfes" (Abb. 5). [44] In der erwähnten
Plünderungsszene plaziert March einen Hauptmann, vor dem zwei gefesselte
Bauern -
einer davon kniend
- wohl um
ihr Leben flehen, in die Mitte des Blattes. Im Hintergrund sieht man einen Wagen
mit der Kriegsbeute und eine verwüstete Dorflandschaft mit brennenden
Häusern. Diese in Valencia
- abseits
des Hofes -
entstandene Zeichnung, die von der kritischen Auseinandersetzung des
Künstlers mit den Greueln des Krieges zeugt, bleibt jedoch eine Ausnahme
innerhalb der spanischen Kunst.
Lediglich einige
wenige Portraits von Kriegsteilnehmern sind überliefert. Dazu zählt
die in die vierziger Jahre des 17. Jahrhunderts datierte ganzfigurige
Darstellung eines bislang nicht namentlich identifizierten Artilleriegenerals
des Madrider Malers Francisco Rizi
(1608-1685)
(Abb. 6). [45] Nicht in siegreicher Pose, sondern durch den starken
Kontrapost eher betont lässig, wird der hohe Offizier frontal dem
Betrachter präsentiert. Dem ebenfalls in Madrid tätigen Maler Antonio
Puga
(1602-1648)
werden zwei Darstellungen von namenlosen Soldaten zugeschrieben. [46]
Bei der einen handelt es sich um das "Brustbild eines unbekannten Soldaten"
(Abb. 7), in dem ein selbstbewußter junger Mann in Rüstung
dargestellt ist, der sich mit dem Ausdruck eines siegreichen Kriegers dem
Betrachter zuwendet. [47] Die Kehrseite des Krieges illustriert das
ebenfalls Puga zugeschriebene Gemälde "Der tote Soldat" (Abb. 8), das nicht
nur anhand eines einzelnen Schicksals die Grausamkeit des Kriegs thematisiert,
sondern zugleich mit dem neben der Leiche liegenden Totenkopf und den neben dem
Körper ausgebreiteten Knochen auf die Vergänglichkeit des menschlichen
Daseins hinweist. [48]
Auch in einigen
wenigen Genreszenen, Stilleben und Vanitasgemälden beziehen sich die
spanischen Maler auf die zeitgenössischen Kriege. Abgesehen von den
"Bodegones", die in Sevilla zu Beginn des Jahrhunderts entstanden, sind
Genreszenen im Spanien des 17. Jahrhunderts selten, zumal solche, in denen
Soldaten auftreten. [49] Eines der wenigen Beispiele ist das
Gemälde "Der Schleifer" des bereits erwähnten Antonio
Puga. [50] Es stellt eine Gruppe von mehreren Personen dar, wobei rechts
als dominierende Gestalt ein Soldat auftritt, der sich auf sein Gewehr
stützt und dessen Schwert von dem rechts neben ihm arbeitenden Schleifer
geschärft wird. Eine Szene aus dem Soldatenleben schuf auch der in Madrid
im Umfeld des Hofes tätige Maler Antonio de Pereda (1611-1678), der als der
größte Stillebenmaler seiner Generation gilt und auch die
Vanitasthematik in Spanien eingeführt hat. [51] In seiner
großformatigen "Küchenszene mit Magd und Soldat" (Abb. 9), die auch
als "Allegorie der verlorenen Tugend" betitelt wird, ist eine kniende, mit dem
Abwasch beschäftigte junge Frau zu sehen, die sich in einem Küchenraum
mit einem mit Nahrungsmitteln und Gefäßen reich beladenen Tisch einem
sitzenden Soldaten zuwendet. [52] Eine zerbrochene Platte, mehrere
umgestürzte Gefäße und eine erloschene Kerze, von denen die Magd
umgeben ist, deuten auf das in der Literatur der Zeit stark verbreitete Thema
der verlorenen Tugend hin.
Die zur Zeit des
Dreißigjährigen Krieges in den nördlichen Niederlanden und
Deutschland beliebten Waffenstilleben fehlen in Spanien
völlig. [53] Waffen tauchen allenfalls vereinzelt in
Vanitas-Stilleben auf. Ein Meisterwerk dieser Gattung ist Peredas um 1634
entstandene "Allegorie der Vergänglichkeit". [54] Der Maler
thematisiert hier anhand mehrerer Utensilien die Vergänglichkeit imperialer
Macht. Ein Engel hält dem Betrachter ein Kameo mit dem Bildnis
Karls V. entgegen und zeigt mit der anderen Hand auf einen Globus, der die
Größe des spanischen Weltreichs symbolisiert. Neben der Weltkugel
liegen auf einem Tisch weitere Insignien des Reichtums wie wertvolle
Münzen, Ketten und eine Tischuhr. Auf einem zweiten Tisch in der linken
Hälfte des Bildes verweisen zahlreiche Objekte wie Totenköpfe,
Trophäen, Bücher und Karten auf einen Aspekt der menschlichen Existenz
jenseits der Macht. Eine abgebrannte Kerze sowie eine Sanduhr gemahnen an die
Vergänglichkeit des Irdischen. Als Pereda in den dreißiger Jahren
dieses Gemälde schuf, war die Zeit der Vorherrschaft Spaniens bereits
Vergangenheit, und das Land ging sowohl politisch als auch wirtschaftlich dem
Ruin entgegen.
Abschließend ergibt sich
folgender Befund: Bei den wenigen Künstlern im Umfeld oder abseits des
Hofes, die sich mit dem Krieg auseinandersetzten, handelt es sich vorwiegend um
zweitrangige Maler wie Toledo, de la Corte oder Puga; Pereda und March bilden
eine Ausnahme. Die Schlachtengemälde dieser Meister beziehen sich meist
nicht auf bestimmte Ereignisse, sondern stellen allgemeine Kampfszenen dar.
Gelegentlich finden sich Genreszenen mit Soldaten, ohne jedoch das Soldatenleben
in irgendeiner Weise zu verherrlichen. Die wenigen Darstellungen der Schrecken
des Krieges verbinden sich mit Reflexionen zu Vanitas, Vergänglichkeit und
der Scheinhaftigkeit irdischer Macht.
In der
höfischen Kunst hingegen erscheint der Krieg insgesamt in günstigem
Licht. In den Dekorationsprogrammen der Schlösser und den
Herrrscherportraits wird das erfolgreiche spanische Heer vorgeführt und der
König, sein Erster Minister und die Generäle als unbesiegbare
Heerführer präsentiert. Oft werden auch kriegerische Tugenden wie
Tapferkeit und Mut gepriesen. Nur wenige Beispiele finden sich für die
Darstellung der Großzügigkeit des Siegers gegenüber den
Unterlegenen, der verheerenden Folgen des Krieges, des Leids der Gefangenen und
des physischen Elends der Verwundeten. Ein Bewußtsein für das
wechselhafte Kriegsglück und die Notwendigkeit von Caritas ist bei den
höfischen Malern selten. Anders als in den Niederlanden, Flandern und
Deutschland drücken die Werke der spanischen Maler weder in allegorischer
Form noch direkt Friedenssehnsucht aus, obwohl man sie im allgemeinen wohl auch
in Spanien vermuten darf. Einziges monumentales Gemälde, das als Ausdruck
von Friedenssehnsucht und Kritik an der Kriegspolitik Philipps IV. interpretiert
werden kann, ist
Velázquez'
nach 1640 entstandener "Mars" (Abb. 10). [55] In dem Gemälde zeigt
der Maler den sichtlich erschöpften Kriegsgott in wenig kriegerischer Pose,
wie er, dürftig bekleidet, die Rüstung zu Füßen und des
Krieges müde, auf einer Bettstatt Ruhe sucht. [56] Solcherart die
offizielle Verherrlichung des Krieges in Frage zu stellen, blieb freilich einem
Künstler vom Rang eines Velázquez
vorbehalten.