DOKUMENTATION | Ausstellungen: 1648 - Krieg und Frieden in Europa | |
Textbände > Bd. II: Kunst und Kultur |
DENIS LAVALLE Der Dreißigjährige Krieg, die Künstler und die religiöse Historienmalerei |
Die religiöse Malerei erlebte im Europa des 17. Jahrhunderts einen der Höhepunkte ihrer Entwicklung. Die
berühmten Studien von Emile Mâle, Hermann Voss oder Roberto Longhi,
die neueren Arbeiten von Francesco Zeri oder Jacques Thuillier haben
nachdrücklich auf diese bemerkenswerte Blüte der sakralen Kunst
hingewiesen. Wahr ist, daß es von den letzten Leinwandbildern Caravaggios
bis zu den riesigen Altarblättern von Rubens, von den monastischen
Gemälden der spanischen Schule bis zur Welt verinnerlichter Bilder eines
Rembrandt oder eines Georges de La Tour nicht an Beispielen für ein
"Goldenes Zeitalter" der religiösen Malerei
mangelt.
Allerdings ist es, wenn man einmal zu
dieser Feststellung gelangt ist, gar nicht so einfach, den schöpferischen
Prozeß der Maler bei der Darstellung religiöser Themen genau zu
beschreiben. Gewiß sind in den letzten vierzig Jahren zahlreiche
Künstlermonographien erschienen, zahlreiche Ausstellungen erlaubten
anregende Gegenüberstellungen, und es dürften mehrere hundert
religiöse Gemälde wieder aufgetaucht sein. Gleichwohl konnten die
Spezialisten für Nicolas Poussin unser Wissen darüber, wie er
innerlich zu den christlichen Dogmen stand, kaum erweitern. Und genauso
schwierig ist es, die Einstellung von Rembrandt zur mennonitischen Position oder
die von Velázquez zu den glaubensstrengen Kreisen in Sevilla, mit denen
er in Berührung kam, genauer anzugeben. Auch die neueren Forschungen zu
Stoskopff konnten nicht klären, ob er der libertinistischen Bewegung
zuneigte oder nicht. [1] Zu einem der Hauptvertreter der
Stillebenmalerei des 17. Jahrhunderts, einer Gattung, die mit religiösen
und moralischen Konnotationen arbeitete, fehlen damit wichtige Informationen.
Eine Ungewißheit, die es uns schwer macht zu verstehen, welche Haltung
für ihn mit der stillen, kontemplativen Betrachtung der Gegenstände
verbunden war. Diese Schwierigkeit, ja oft Unmöglichkeit, in die
spirituelle Gedankenwelt der Künstler vergangener Zeiten einzudringen,
setzt dem Historiker enge Grenzen. Zumal das 17. Jahrhundert, um es bei diesem
bewenden zu lassen, "Bekenntnisse" der Seele nicht besonders schätzte.
Gerade die besten Maler wahrten immer eine gewisse Distanz zwischen den
darzustellenden Themen, vor allem wenn es sich um sakrale Themen handelte, und
ihren eigenen Empfindungen.
Das hat für uns
aber zur Folge, daß wir letztlich immer im Bereich des Ungewissen bleiben,
wenn wir untersuchen wollen, wie die Maler auf die grausamen Ereignisse des
Dreißigjährigen Krieges reagierten und welche Konsequenzen sie daraus
in einer "intellektuellen" Malerei wie der religiösen zogen. Man muß
übrigens zugeben, daß nur eine sehr kleine Zahl der erhaltenen
religiösen Bilder die Ereignisse offen anspricht, von denen die alten
Strukturen Europas erschüttert wurden. Nun ist möglicherweise schon
bei den damaligen Zerstörungen und Plünderungen ein großer Teil
der Produktion verlorengegangen. Doch ändert das nichts an der Tatsache,
daß es den Malern gar nicht darum ging, ihre von solchen Umbrüchen
angeregten Betrachtungen allzu unmittelbar zum Ausdruck zu bringen. Das hinderte
sie andererseits nicht daran, bedeutende Aufträge für Bilder
anzunehmen, in denen wichtige Phasen dieses Krieges gefeiert wurden. Man denke
an die "Übergabe von Breda", die schließlich eines der Hauptwerke von
Velázquez bleibt. Aber hier haben wir es eher mit einer Gattung zu tun,
die im Bereich der Allegorien und der glorifizierenden Geschichtsschreibung
angesiedelt ist. Die Aufgabe des Malers war es, eine künstlerisch
anspruchsvolle Sprache zu finden, in der die Größe der gewonnenen
Schlachten und die Tugend der Sieger verherrlicht werden konnten. Von seinen
eigenen Reflexionen hatte er nicht zu berichten. So weiß man in Wahrheit
nicht, welchen Eindruck Velázquez von den Geschehnissen in Breda hatte,
selbst wenn er sich möglicherweise als eine der teilnehmenden Personen
selbst dargestellt
hat. [2]