DOKUMENTATION | Ausstellungen: 1648 - Krieg und Frieden in Europa | |
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KARL SCHÜTZ Die Sammlung Erzherzog Leopold Wilhelms |
Erzherzog Leopold Wilhelm wurde am 6. Januar 1614 in Graz als jüngerer Sohn Erzherzog Ferdinands (1578-1637),
damals der Regent Innerösterreichs, seit 1619 als Kaiser Ferdinand II., und
seiner Gemahlin Maria Anna von Bayern (1574-1616) geboren. [1] Leopold
Wilhelm war durch die 1621 von Ferdinand II. in seinem Testament als Hausgesetz
festgelegte Primogenitur von einer zukünftigen Herrschaft ausgeschlossen
und wurde schon in früher Kindheit zum geistlichen Stand bestimmt, wodurch
er, ein Glücksfall für seine spätere Laufbahn, die dafür
nötige sorgfältige Bildung erhielt. [2]
Sehr früh erlangte er eine ganze Reihe
geistlicher Würden, bereits 1625, also mit elf Jahren, wurde er als
Nachfolger seines in den Laienstand zurückversetzten Onkels Erzherzog
Leopolds V. [3] Bischof von Passau und Straßburg. In beiden
Diözesen wurden die unter Erzherzog Leopold begonnenen
gegenreformatorischen Maßnahmen fortgesetzt, der Jesuitenorden, etwa durch
den Ausbau des 1612 gestifteten Jesuitenkollegs in Passau, gefördert und
die Priesterausbildung durch die Gründung eines Priesterseminars (1638)
verstärkt. Ab 1627 war Leopold Wilhelm Titularbischof von Halberstadt, bis
das Bistum durch die Bestimmungen des Westfälischen Friedens an
Kurbrandenburg fiel, der Erzherzog jedoch bis zu seinem Tod den Bischofstitel
nominell weiterführte. Aufgrund des kaiserlichen Restitutionsedikts, das
die Rückführung der reformierten Bistümer und Stifte zum
Katholizismus vorsah, betroffen war davon vor allem der Norden Deutschlands,
wurde Leopold Wilhelm 1629 darüber hinaus nominell zum Erzbischof von
Magdeburg erhoben. Diese Bistumskumulierung widersprach zwar den Bestimmungen
des Tridentinums, wurde im Rahmen des Dreißigjährigen Krieges aber
von der Kurie als notwendige Unterstützung der katholischen Seite
gefördert. Innerhalb des katholischen Lagers in Deutschland bildete sie ein
Konfliktpotential, weil die Reichsstände, allen voran Maximilian von
Bayern, der allerdings selbst die Anhäufung wittelsbachisch besetzter
Bischofssitze im Rheinland zu verantworten hatte, darin eine gefährliche
Verstärkung der kaiserlichen Machtstellung sahen. Schon 1635 mußte
Leopold Wilhelm durch den Prager Frieden das Erzbistum Magdeburg an den
sächsischen Kurfürsten abtreten, erhielt aber bereits 1637 das in den
Erblanden gelegene sehr reiche Bistum Olmütz, 1655 schließlich noch
das Bistum Breslau.
1639 erhielt Leopold Wilhelm
als Koadjutor die Anwartschaft auf das Meisteramt des Deutschen Ordens, am 4.
Mai 1642 wurde er ein halbes Jahr nach dem Tod seines Vorgängers, Johann
Caspar von Stadion als Hoch- und Deutschmeister inthronisiert, einer aus der
Tradition des Ordens militanten Würde. Ebenfalls 1639 ernannte ihn sein
älterer Bruder, der neue Kaiser Ferdinand III. (1608 - 1657), zum
Gouverneur von Böhmen und anstelle des glücklosen Grafen Matthias
Gallas zum Oberbefehlshaber der kaiserlichen Armee. Im Frühling 1640 gelang
es ihm und seinem General Octavio Piccolomini die Schweden bei Kolin und
Königgrätz zu schlagen und nach Norden bis an die Weser
zurückzudrängen, 1641 das belagerte Regensburg zu entsetzen. Trotz
dieser anfänglichen Erfolge war das Oberkommando der kaiserlichen Armee
angesichts der unvorteilhaften militärischen Ausgangslage eine undankbare
Aufgabe, die dem Erzherzog keinen Kriegsruhm eintrug, wenn es auch keineswegs an
seinem persönlichen Einsatz fehlte. Im Sommer 1641 verloren die
verbündeten kaiserlichen und bayerischen Truppen unter Leopold Wilhelm und
Piccolomini bzw. unter General Wahl gegen die Schweden und Franzosen bei
Wolfenbüttel. Der bayerische General schrieb damals an Kurfürst
Maximilian über den jungen Erzherzog: "Mit reinem Gewissen kann ich sagen,
daß, wenn seine erzherzogliche Durchlaucht noch ein wenig den Krieg
practicirn, dieselben ein solcher Kriegsheld werden, als in langer Zeit nit
gewesen; dann Sie die Stuckkugeln ebensowenig achten als wenn eine Mucken
vorüberfliegen thät. Ich vermein, wann wir deutsche Häupter
hätten, es sollt alles wohl abgehen". [4] Nach anfänglichen
Erfolgen, der Verdrängung der Schweden aus Mähren und Schlesien, wagte
der Erzherzog am 2. 11. 1642 gegen den Rat Piccolominis die Schlacht von
Breitenfeld bei Leipzig und verlor gegen das zahlenmäßig unterlegene
schwedische Heer unter Lennart Torstenson. Die schwedischen Truppen besetzten
große Teile Mährens und Schlesiens, Leopold Wilhelm legte daraufhin
das Oberkommando nieder und zog sich auf seinen Bischofssitz Passau zurück.
Piccolomini trat in spanische Dienste, und Kaiser Ferdinand III. berief 1643
wieder Gallas als Generalleutnant. Nach dessen Niederlagen im Herbst 1644 und
Winter 1644/45 wurde er von Hatzfeld als Oberkommandierender abgelöst, der
im März 1645 die entscheidende Schlacht von Jankau in Südböhmen
gegen die Schweden unter Torstenson verlor. Die schwedischen Truppen
rückten durch das nördliche Niederösterreich bis nahe Wien vor
und drohten sich mit dem siebenbürgischen Fürsten Georg Rakoczy zu
vereinigen. In dieser höchsten Notlage wurde Erzherzog Leopold Wilhelm
erneut zum Oberkommandierenden der kaiserlichen Armee berufen [5],
Gallas, seit 1646 Hatzfeld, wurde ihm als General zur Seite gestellt,
darüber hinaus erhielt er eine Machtfülle, wie sie seit Wallenstein
kein kaiserlicher Befehlshaber besessen hatte. Nach den Plänen des
Hofkriegsrates sollte das kaiserliche Heer unter Leopold Wilhelm gegen die
Schweden, die Armee der Liga gegen die Franzosen im Südwesten Deutschlands
kämpfen. Leopold Wilhelm zwang die gegnerischen Truppen zum Rückzug
aus Franken und zog die Armee an die Donau zurück, um die Truppen zu
schonen und jede verlustreiche Aktion zu vermeiden. Er erkannte, daß gegen
Schweden und Frankreich kein militärischer Erfolg zu erzielen war und
unterstützte in der Folge die einem Friedensschluß zugeneigte Partei
am Wiener Hof und Graf Johann Adolf Schwarzenberg am Westfälischen
Friedenskongreß. Im Spätherbst 1646 legte Leopold Wilhelm das
Oberkommando erneut zurück und wurde von seinem Cousin und
Schwager [6] König Philipp IV. von Spanien zum Statthalter der
spanischen Niederlande ernannt. Die Berufung von Mitgliedern der
österreichischen Linie zu Statthaltern der Niederlande stellte bereits eine
längere Tradition dar; bekanntestes und zugleich erfolgreichstes Beispiel
war Erzherzog Albrecht VII., der von 1598 bis 1621 zusammen mit seiner Gemahlin
Isabella Clara Eugenia als Souverän regierte und durch den
zwölfjährigen Waffenstillstand (1609-1621) den nördlichen
Provinzen den Niederlanden eine Periode relativen Friedens
brachte.
Die Berufung Leopold Wilhelms zum
Statthalter erfolgte nicht zuletzt im Hinblick auf die damit verbundenen
militärischen Aufgaben. Spanien hatte im Rahmen des Westfälischen
Friedens zwar einen Sonderfrieden mit den nördlichen Niederlanden
geschlossen und sie damit nicht nur de facto, wie schon im
zwölfjährigen Waffenstillstand, sondern auch de jure als
selbständiges Staatsgebilde anerkannt, blieb aber mit Frankreich weiterhin
im Kriegszustand, der bis zum Abschluß des Pyrenäenfriedens von 1659
andauerte. Leopold Wilhelm führte 1647/48 mit Unterstützung des
Herzogs von Lothringen von den Niederlanden aus erfolgreich Krieg gegen
Frankreich mit Gefechten bei Armentières, Landrecy und Dixmuiden, der
Eroberung von Furnes und Estaires und schließlich der Schlacht von Lens am
20. August 1648.
Die große Bedeutung
Erzherzog Leopold Wilhelms liegt aber weder auf politischem, noch
militärischem, sondern auf kulturhistorischem Gebiet. Durch die
historischen Umstände, die der Erzherzog beim Antritt seiner
Statthalterschaft in den Niederlanden vorfand, begünstigt, legte er in den
nächsten Jahren eine der größten und bedeutendsten
Bildergalerien des 17. Jahrhunderts an, von der etwa die Hälfte bis heute
als Sammlung erhalten blieb und einen wichtigen Teil der Gemäldegalerie des
Kunsthistorischen Museums in Wien bildet. [7]
Leopold Wilhelm begann offenbar erst in
Brüssel in großem Ausmaß Bilder zu sammeln, vorher besaß
er dafür weder die finanziellen Möglichkeiten, noch in einem durch den
langen Krieg erschöpften Land entsprechende Gelegenheit, wenn er auch durch
das Vorbild seiner berühmten älteren Vorgänger, Erzherzog
Ferdinand II. und Kaiser Rudolf II., von der Bedeutung des Sammelns für das
fürstliche Dekorum überzeugt war. Entscheidender noch könnte das
Vorbild seines königlichen Verwandten Philipps IV. gewesen sein, der an
Umfang der Sammeltätigkeit wie an persönlicher Kennerschaft alle
Fürsten seiner Zeit weit übertraf. Das der Malereikunst seit je
besonders zugetane künstlerische Klima der Niederlande mag ihn, der aus
einem an bedeutender Malerei armen Land kam, in seinen Neigungen besonders
unterstützt haben.
Als der Erzherzog 1636 in
Wien den Besuch des berühmten englischen Sammlers Arundel empfing, hielt
einer der Begleiter die sparsame Ausstattung des erzherzoglichen Quartiers und
das Fehlen von Bildern fest. [8] 1647 besaß Leopold Wilhelm eine
Kunstkammer, eine Reihe von Bildern und eine Bibliothek, wie das
anläßlich der Abreise des Erzherzogs in die Niederlande - Leopold
Wilhelm traf am 11. April 1647 in Brüssel ein - angelegte
Inventar [9] beweist, er vergab Aufträge an seine
niederländischen Hofmaler Jan van den Hoecke und Frans van Luyckx, die ihm
in die Niederlande folgten. 1651 setzte er in Brüssel ein Testament
auf [10], in dem er seine Bilder in Brüssel und in Wien samt
Kunstkammer seinem Bruder Ferdinand III. vermachte, die Tapisserien hingegen
dessen Sohn Leopold, dem späteren Kaiser. In einem Kodizill werden
weiterhin Bilder in Passau und in Königstetten
erwähnt.
Als künstlerische Berater, die
bei den Erwerbungen aktiv teilnahmen und selbst als Käufer von Bildern
auftraten, fungierten die Hofmaler, zuerst Jan van den Hoecke [11], der
eine typische Karriere hinter sich hatte - Ausbildung in den Niederlanden,
Aufenthalt in Italien, Tätigkeit am kaiserlichen Hof - und dem Erzherzog
aus Wien in die Niederlande gefolgt war, später David Teniers d.J. und Jan
Anton van der Baren. Anläßlich der ersten Reise des Statthalters nach
Antwerpen 1648 korrespondierte Hoecke mit seinem Verwandten, dem
Kunsthändler Matthys Musson, ob das offizielle Geschenk der Stadt Antwerpen
in Form von Bargeld oder in Kunstwerken gegeben werden sollte. Hoecke schrieb,
daß dem Erzherzog Geld lieber wäre, um für diese Summe
Kunstwerke nach seinem eigenen Geschmack zu wählen, denn er möchte in
Antwerpen die schönsten Gemälde sehen und jene Dinge kaufen, die ihm
am besten gefallen. [12]
Um die Mitte des
17. Jahrhunderts wurden als Folge des englischen Bürgerkriegs große
Sammlungen aufgelöst, und so wechselten große Mengen an Kunstwerken
ihren Besitzer wie nie zuvor. Die militärischen und politischen Erfolge des
neuen Statthalters Leopold Wilhelms machten ihn zu einem interessanten
potentiellen Käufer. So wurde die aus England nach Amsterdam gerettete
Sammlung des Herzogs von Buckingham nach Antwerpen gebracht, weil hier für
einen möglichen Verkauf der geeignetere Ort zu sein schien als die
niederländische Republik: "without exception Antwerpe will afford many
chapmen and the Archduke's good success in Flandre will make him prodigal in
these curiosities" schrieb Stephen Goffe, ein englischer Royalist, im Juni 1648
aus Den Haag an Aylesbury, den finanziellen Berater des jungen Herzogs von
Buckingham und Erben der Sammlung. [13]
Die Sammlung war etwa 30 Jahre zuvor von George
Villiers, erster Herzog von Buckingham (1592 - 1628) angelegt worden, dem am Hof
König Jakobs I. als königlicher Favorit seit 1614 ein rascher Aufstieg
gelungen war. Er begann seine Kunstsammlung weniger aus innerer Neigung, Liebe
zur Kunst oder Kennerschaft aufzubauen, als vielmehr aus der Überzeugung,
daß das Sammeln von Kunst als Teil fürstlichen Splendors unabdingbar
sei. [14] Unterstützt wurde er von Balthasar Gerbier, einem
holländischen Maler und Kunsthändler, den er 1619 in seine Dienste
nahm und der mit unglaublicher Geschwindigkeit innerhalb der nächsten Jahre
in Italien, Frankreich, Spanien und den Niederlanden mehr als vierhundert
Gemälde sowie antike Skulpturen kaufte, wobei auch der finanzielle Aspekt
des Wertzuwachses der Kunstsammlung nicht außer acht blieb: "Our pictures,
if they were sold a century after our death, would sell for good cash, and for
three times more than they cost". [15] Zu den ersten Erwerbungen
gehörte eine Serie von zehn biblischen Szenen von Paolo Veronese und seiner
Werkstatt aus der Sammlung des Charles von Croy, Herzogs von
Aerschot [16], zu den größten der Kauf der Antikensammlung
des Peter Paul Rubens. [17] Das Leben von George Villiers nahm ein
abruptes und unerwartetes Ende, er wurde 1628 ermordet. Zumindest ein Teil
seiner Sammlung, Bilder, Skulpturen und geschnittenen Steine, wurde in einem
1635 unmittelbar nach der Wiederverheiratung seiner Witwe angelegten Inventar
verzeichnet, das als Teil eines Erbvertrags dem minderjährigen Sohn des
Herzogs, George Villiers, zweiter Herzog von Buckingham (1628 - 1687) den Besitz
der Sammlung sichern sollte. [18] Ein zweites Verzeichnis [19],
1648 entstanden und aus vier Teilen bestehend, italienischen,
niederländischen und anonymen Bildern und schließlich Skulpturen,
enthält jene Werke, die aus London in die Niederlande gebracht wurden, um
sie der drohenden Beschlagnahme durch das englische Parlament zu
entziehen [20], über die seit 1644 verhandelt wurde. Im Februar
1648 wurden diese Kunstwerke, die qualitätvolleren zwei Drittel der im
Inventar von 1635 genannten Objekte, nach Amsterdam verschifft, um sie damit in
Sicherheit zu bringen, und dann, wie schon erwähnt, mit der Absicht, sie
Leopold Wilhelm anzubieten, nach Antwerpen gebracht. Die Sammlung wurde aber
offenbar nicht sofort vom Erzherzog gekauft, sondern erst bei dem Maler Frans
Wouters, Dekan der Antwerpener Malergilde und dem Kaufmann Lionel Corham
verpfändet; erst als Ende 1649 die Pfandsumme von 30.000 Gulden
aufgebraucht war und neue Schulden zu begleichen waren, blieb der Verkauf
unausweichlich. Einige Gemälde wurden nach Brüssel geschickt, damit
sie Erzherzog Leopold Wilhelm besichtigen könne, andere wurden in Antwerpen
im Auftrag des Erzherzogs von Gerard Seghers und Cornelis Schut
begutachtet. [21] Ende Mai 1650 war der Großteil der Gemälde
für 70.000 Gulden oder 7.000 Pfund verkauft, als Hauptkäufer trat
Erzherzog Leopold Wilhelm auf, der im Auftrag und auf Rechnung seines Bruders
Kaiser Ferdinand III. handelte und Bilder für 5.000 Pfund erwarb: "The
bargain is now concluded for 70,000 glds for the Paintings [...] This 7,000' is
to bee paid thus 5,000' by the ArchDuke for the Emperour, 1,000' by one
Cassiopine a Marchant for those pictures which the Emperour shall refuse of the
collection now in Antwerp engaged, and 1,000' by Frizwell and his partners for
those pictures wch ly in Zealand". [22]
Joachim von Sandrart nannte in der "Teutschen
Academie" [23] als erster den Grund des Bilderkaufs durch den Kaiser:
"es sind aber solche meist von kayserlichen Majestät, Ferdinandi dem
Dritten [...] zur Ersatzung derer auf Einnehmung der Stadt Prag von General
Königsmarck nach Schweden abgeführten in die neuerbauten kayserlichen
Zimmer erkauffet worden nun auch daselbst aufgerichtet zu sehen". [24]
Vielleicht wollte Ferdinand III. aber auch ehemaligen kaiserlichen Besitz
zurückkaufen, jenen Teil der 115 Gemälde aus dem Besitz Kaiser Rudolfs
II., die nach dessen Tod sein Bruder Albrecht VII. geerbt hatte und die,
vielleicht über die Sammlung von Rubens, in den Besitz des Herzogs von
Buckingham gekommen waren. [25] Auch in anderen Fällen mußte
Leopold Wilhelm für den kaiserlichen Hof Kunstwerke in den Niederlanden
besorgen, 1652 etwa eine Anzahl Tapisserien. [26]
Bald nach diesem ersten großen Auftritt
Leopold Wilhelms als potenter Käufer in der Welt des niederländischen
Kunsthandels, bei dem er allerdings nur im Namen seines kaiserlichen Bruders
agierte, erwarb er für sich selbst die Gemälde des Herzogs von
Hamilton und legte damit den Grundstock für seine eigene Sammlung vor allem
italienischer Bilder des 16. Jahrhunderts.
James,
3rd Marquess, seit 1643 erster Herzog von Hamilton (1606 - 1649) entstammte
einer der führenden schottischen Adelsfamilien. [27] Seit
frühester Jugend Vertrauter Karls I. - er hatte 1623 den von kleinem
Gefolge umgebenen König auf seiner abenteuerlichen Brautwerbungsreise nach
Spanien begleitet - teilte er anfänglich nicht dessen Begeisterung für
Malerei, obwohl schon sein Vater eine bedeutende Sammlung nicht nur
venezianischer Malerei, sondern auch Bilder von Caravaggio, Rubens und Reni
besessen hatte. 1631/32 kämpfte Hamilton auf seiten König Gustav
Adolfs in Deutschland, nach seiner Rückkehr begann sein rascher politischer
Aufstieg als engster Vertrauter König Karls I. in schottischen
Angelegenheiten. Er erwarb wie George Villiers vor ihm seine Bildersammlung als
äußeres Zeichen fürstlicher Prachtentfaltung, aber auch als
Instrument, um in der Gunst des Königs zu steigen, dem er Bilder schenkte
und von dem er Werke erhielt. [28]
Im
besonderen zog er seinen Schwager Basil Viscount Feilding, den englischen
Geschäftsträger in Venedig, für seine Bilderkäufe heran, mit
dem er von 1635 bis 1638 eine umfangreiche Korrespondenz [29]
führte, was die Verhandlungen mit mehrern venezianischen Sammlern über
den Ankauf ihrer Bilder, von denen vor allem die mit den Erben des Bartolomeo
della Nave, Prokurator Michiel Priuli und dem Maler und Kunsthändler
Nicolas Régnier zum Erfolg führten, zu den am besten dokumentierten
Transaktionen des 17. Jahrhunderts macht.
Der
erste Erfolg der Zusammenarbeit mit Basil Feilding betraf den Ankauf von 18
Bildern von Nicolas Régnier (1591 - 1667), einem flämischen Maler,
der in Venedig mit Gemälden handelte, die im April 1637 nach London
geschickt wurden. [30] Unter diesen Werken befanden sich sowohl
venezianische Gemälde des 16. Jahrhunderts, wie auch Bilder
zeitgenössischer Maler. [31] Wesentlich umfangreicher und
bedeutender war der Kauf der Sammlung Bartolomeo della Nave, aus dem an die 200
Bilder bis zu Erzherzog Leopold Wilhelms verfolgt werden können. Sie wurde
schon von den Zeitgenossen als die wichtigste Sammlung venezianischer Malerei
des 16. Jahrhunderts in Venedig selbst gerühmt. [32] König
Karl I. interessierte sich für ihren Kauf und war seit Juli 1636 mit drei
anderen Sammlern an einem Käuferkonsortium beteiligt; der Earl of Arundel,
sonst als Sammler sein schärfster Konkurrent, schien damals einer der
Partner gewesen zu sein, denn Karl I. beauftragte William Petty, den für
seine gerissenen Geschäftspraktiken bekannten Agenten Arundels, über
den Kauf der Sammlung zu verhandeln, was jedoch ergebnislos blieb. Erst Hamilton
blieb im darauffolgenden Jahr 1637 durch die Vermittlung Basil Feildings
erfolgreich; aus einem Brief Hamiltons an Feilding [33] geht hervor,
daß er mit dem Kauf der Sammlung um 15.000 Dukaten dem König, der
daran auch finanziell beteiligt war, einen Gefallen erweisen wollte; dennoch
blieben die Bilder im Eigentum Hamiltons.
Beim
Kauf der Sammlung des venezianischen Senators Priuli, die vor allem ein
hervorragendes Bild, eine Hl. Margarete von Raffael [34] enthielt,
begegneten sich die gleichen Konkurrenten, Basil Feilding für den Marquess
of Hamilton, William Petty für den Earl Arundel, der den Preis für die
Sammlung von 3.500 auf 5.000 Dukaten in die Höhe trieb, um damit die
Konkurrenz auszuschalten. [35] Kurz nachdem Priuli endlich seine Bilder
verkauft hatte, stürzte er über eine Treppe zu Tode, worauf der
venezianische Klatsch behauptete, er hätte eben ohne seine Heilige nicht
weiterleben können. [36] Gleichzeitig erwarb Feilding auch Bilder
aus anderen Quellen, etwa drei mythologische Szenen von Domenico Fetti um 350
Dukaten. [37]
Hamilton wurde 1643, als der
englische Bürgerkrieg bereits begonnen hatte, von Karl I. als Dank für
seine politischen Dienste zum Herzog erhoben. In den folgenden Jahren
kämpfte er vor allem in Schottland, verlor aber die entscheidende Schlacht
von Preston (17. -19. 8. 1648) gegen Oliver Cromwell; er wurde gefangengenommen,
zum Tod verurteilt und am 9. 3. 1649 hingerichtet. Seinem Bruder und
Universalerben gelang die Flucht nach Holland, wobei er die Kunstsammlung
mitnahm. Schon wenige Wochen später besaß Erzherzog Leopold Wilhelm
einen Teil dieser Bilder, den Rest kaufte er im Lauf der nächsten
Monate. [38]
Entgegen einer oft
geäußerten Vermutung erwarb Leopold Wilhelm keine Werke aus dem
Eigentum König Karls I. von England, das ab Herbst 1649 im sogenannten
Commonwealth Sale verkauft wurde. [39] Nur zwei Bilder Leopold Wilhelms
befanden sich vorher in der Sammlung Karls
I. [40]
Neben den italienischen Bildern
und ihrer glanzvollen Herkunft aus prominenten Sammlungen tritt der
zahlenmäßig viel umfangreichere Bestand an niederländischen
Werken in der Sammlung Leopold Wilhelms ein wenig in den Hintergrund. Hier
finden sich sowohl Bilder vom 15. bis zum frühen 17. Jahrhundert, wie auch
Werke zeitgenössischer niederländischer
Maler.
Eine kleine, aber erlesene Gruppe
altniederländischer Bilder des 15. Jahrhunderts hat Leopold Wilhelm im
Antwerpener Kunsthandel erworben, wie etwa das Bildnis des Kardinals Albergati
von Jan van Eyck bei dem Händler und Sammler Peeter Stevens, der
darüber in sein Exemplar von van Manders Schilder-Boeck eine Randnotiz
machte mit dem Vermerk, daß Leopold Wilhelm das Bild am 5. April 1648
gekauft hätte. [41] Die bedeutende Gruppe von Bildern Pieter
Bruegels d.Ä. stammt aus der ehemaligen Sammlung Kaiser Rudolfs II. und
wurde offenbar erst in Wien mit der Galerie des Erzherzogs vereinigt, wie aus
dem Einleitungstext des "Theatrum Pictorium" hervorzugehen scheint. Teniers gibt
hier den Auszug eines Briefes wieder, den ihm ein ungenannter Freund aus Wien
geschrieben hat - am ehesten wohl Kanonikus Anton van der Baren, der Leopold
Wilhelm nach Wien begleitet hat -, und worin die erzherzogliche Galerie in der
Stallburg beschrieben wird. Es werden dabei auch andere Bilder erwähnt, die
dem Teniers unbekannt seien, darunter Monatsbilder von Bruegel
d.Ä. [42]
Von den 880 im Inventar von
1659 genannten Bildern niederländischer und deutscher Maler stammen etwa
330 von zeitgenössischen Künstlern, die zur Zeit der Statthalterschaft
Leopold Wilhelms in den Niederlanden aktiv tätig waren, Zeugnisse der
Kunstförderung und des Mäzenatentums des Erzherzogs. Der
größte Teil davon, an die 260 Bilder, sind Werke
südniederländischer, vor allem Antwerpener Maler, von denen 70 im
Inventar der Sammlung namentlich genannt werden. Sie sind etwa zwischen 1580 und
1635 geboren und gehören damit drei aufeinanderfolgenden Generationen an,
Künstler, die um die Jahrhundertmitte am Ende ihrer künstlerischen
Laufbahn standen, wie Frans Snyders (1579 - 1657) oder Gaspar de Crayer (1584 -
1669) und solchen, die zur jüngsten Generation zählen, wie der
Holländer Frans Mieris d.Ä. (1635 - 1681). Die Sammlung des Erzherzogs
liefert dennoch kein genaues Abbild der malerischen Produktion der spanischen
Niederlande, weil einerseits die persönlichen Vorlieben Leopold Wilhelms
spürbar sind, andererseits die für die Öffentlichkeit bestimmte
religiöse Malerei, wie Altarbilder, fehlt. Sie legt aber beredtes Zeugnis
ab für die Fülle und Vielfalt der malerischen Produktion in den
südlichen Niederlanden trotz dem seit vielen Jahren andauernden Kriegs mit
Frankreich.
Die 70 Bilder holländischer, bzw.
aus den nördlichen Niederlanden stammender Maler nehmen sich dagegen
bescheidener aus; sie stammen von 22 Künstlern, etwa 10 Bilder sind von
unbekannten Malern. Der Verfasser des Inventars war in der Bestimmung der
Künstlernamen weniger sicher als bei den Flamen, außerdem unterliefen
ihm Fehler durch die offensichtlich falsche Lesung von Signaturen. Die Namen der
großen und bekannten holländischen Maler fehlen, es gibt kein Bild
von Frans Hals, keine Landschaften van Goyens oder Ruisdaels, nur ein
Gemälde von Rembrandt, das allerdings nicht erhalten ist, im übrigen
hauptsächlich Genremalerei, z.B. sieben Bilder von
Ostade.
Nach den vielen kleinformatigen Bildern zu
schließen, unter denen eine ganze nicht erhaltene Gruppe von
Wasserfarbenmalereien auf Pergament mit kleinen Stilleben, Naturstudien mit
Blumen, Früchten und Insekten von Joris und Jakob Hoefnagel oder Jan van
Kessel auffällt, gehörte die Vorliebe des Erzherzogs dem kleinen,
malerisch perfekten Kabinettbild, worin man einen etwas retrospektiven, an den
Kunstkammern des frühen 17. Jahrhunderts orientierten Geschmack herauslesen
könnte. Eine weitere geschlossene Gruppe bilden die geistlichen
Blumenbilder von Daniel Seghers, Jan van den Hecke, Jan Anton van der Baren,
eine spezifische Leistung des Antwerpener
Jesuitenordens. [43]
Im Gegensatz zu
anderen fürstlichen Sammlungen der Zeit kennen wir den Umfang und die
Zusammensetzung der Galerie Leopold Wilhelms recht gut; außer den
sporadischen schriftlichen Dokumenten informieren uns die Galeriebilder und das
"Theatrum Pictorium" von David Teniers d.J. (1610 - 1690) sowie das 1659
angelegte Inventar. Während das Inventar seiner Aufgabe entsprechend den
Gesamtbestand festhält und damit von unschätzbarem dokumentarischen
Wert ist, zeigen sowohl die Galeriebilder, wie auch das "Theatrum Pictorium" nur
einen Teil des Sammlungsbestands.
Das Galeriebild,
eine lokal auf Antwerpen begrenzte, am Anfang des 17. Jahrhunderts als
Schöpfung der Kabinettmalerei entstandene Bildgattung [44] stellte
ursprünglich überwiegend fiktive Sammlungen dar. Die Galeriebilder,
die David Teniers von der Sammlung Leopold Wilhelms malte, sind im Gegensatz
dazu Galerieportraits. Er bringt mit diesen Bildern die Entwicklung dieses
Bildtyps zum Höhepunkt und gleichzeitig zum Abschluß. Es sind
ausschließlich wirklich existierende Bilder aus der Sammlung des
Erzherzogs abgebildet, der selbst mit verschiedenen Mitgliedern seines Hofstaats
dargestellt ist, was den dokumentarischen Charakter dieser Galeriebilder noch
erhöht. Abgesehen von den zahlreichen Wiederholungen und Kopien sind heute
elf Galeriebilder erhalten, die Datierungen zwischen 1651 und 1653 tragen. Sie
zeigen verschiedene Räume der Residenz des Statthalters in Brüssel mit
jeweils unterschiedlichen Ausschnitten aus der Sammlung, wobei sich Teniers
gewisse Freiheiten in der Anordnung der Bilder
nahm.
Die in dem großen Wiener Galeriebild
gezeigte Raumdisposition wiederholt sich in ähnlicher Form in anderen
Galeriebildern [45], so daß die Vermutung naheliegt, daß
vielleicht eine tatsächlich existierende Galerie im Palast am Coudenbergh
in Brüssel dargestellt sei. Drei weitere Galeriebilder, in Brüssel, im
Prado und ein anderes in München [46], zeigen eine gänzlich
verschiedene, untereinander aber wieder so ähnliche Raumanordnung,
daß man vermuten könnte, auch hier sei jedesmal ein und derselbe Saal
der Galerie des Erzherzogs abgebildet.
Insgesamt
sind etwa 150 Gemälde der Sammlung Erzherzog Leopold Wilhelms auf den
verschiedenen Galeriebildern wiedergegeben, dabei überwiegen die
italienischen Bilder der Sammlung, einige Galeriebilder zeigen
ausschließlich Gemälde italienischer Herkunft, zum größten
Teil aus der Sammlung Hamilton, wie zum Beispiel das große Galeriebild der
Wiener Gemäldegalerie [47], das unmittelbar nach dem Kauf der
Hamilton-Bilder und wahrscheinlich aus diesem Anlaß entstanden sein
dürfte, wie eine bis auf wenige Details übereinstimmende, 1651
datierte Replik [48] nahelegt. Das Bild stellt den Einblick in einen
hohen, links von zwei Fenstern belichteten Raum dar, mit einer Personengruppe
links vorne, bestehend aus dem Erzherzog, dem Maler des Bildes Teniers, dem
zwergenhaften Kanonikus van der Baren und ganz links Graf Johann Adolf von
Schwarzenberg, der Obersthofmeister des Erzherzogs. [49] Die rechts
davon am Boden stehenden, gegen Stühle gelehnten und solcherart für
den Betrachter arrangierten Bilder heben Hauptstücke der Sammlung hervor,
wie die "Hl. Margarete" von Raffael aus der Sammlung des Prokurators Priuli,
"Esther vor Ahasver" von Veronese, aus unbekannter Quelle in die Sammlung
Hamilton gelangt, heute in den Uffizien und Tizians "Bravo" aus der Sammlung
Bartolomeo della Naves; sie kehren auch auf anderen Galeriebildern an
prominenter Stelle wieder. Weitere Bilder hängen an der Seitenwand eines
hohen, zwischen den Fenstern vorspringenden Türverbaus. Im Gegensatz zu
dieser, wie zufällig und regellos scheinenden Anordnung der Bilder am Boden
und an der Wand links, die ganz realistische Züge trägt, zeigt die
Rückwand in streng bildparalleler Anordnung fünf Reihen von Bildern
dicht vom Fußboden bis zur Decke. Keinerlei räumliche Illusion wird
dabei angestrebt, die Bilderrahmen schließen dicht aneinander, ohne auch
nur einen Fingerbreit Platz zu lassen. Nicht wie ein Teil des Innenraums,
sondern wie ein Katalog wirkt diese Wand, wozu vor allem die Anordnung der
Bilder in mehreren gleich hohen Reihen beiträgt. Teniers wechselt dazu von
Bild zu Bild den Maßstab: da die meisten der dargestellten Gemälde
erhalten sind, können die wahren Größenverhältnisse der
Bilder leicht verglichen werden. So hängen etwa in der zweiten Reihe der
"Brudermord Kains" von Palma Giovane [50] und die "Erweckung des
Jünglings von Nain" von Paolo Veronese [51], zwei etwa ein Meter
hohe Bilder, neben der "Erweckung des Lazarus" von Pordenone [52], einem
annähernd doppelt so großen Bild, das auf einem der Galeriebilder in
München [53] in seiner tatsächlichen Größe zu sehen
ist.
Neben den Gemälden sind aber auch
Skulpturen und Kleinplastiken der Sammlung dargestellt; auf insgesamt sieben
Galeriebildern erscheint ein aus dem Besitz Kaiser Rudolfs II. stammender Pietra
Dura-Tisch, der von einer Plastik Adriaen de Vries', Ganymed darstellend,
getragen wird. [54]
Die meisten
Galeriebilder tragen Beschriftungen mit Künstlernamen auf den Rahmen,
einige Nummern, die mit dem späteren Inventar der Sammlung korrespondieren
und den Schluß zulassen, daß das Inventar von 1659 auf einem
Vorgängerinventar basiert, das im Jahr 1651 etwa 300 Gemälde
enthielt [55] und vielleicht im Zusammenhang mit dem Testament des
Erzherzogs aus dem Jahr 1651 [56] verfaßt
wurde.
Einige Jahre nach der Anfertigung der
Galeriebilder war David Teniers mit einer zweiten großen Aufgabe im Dienst
Erzherzog Leopold Wilhelms beschäftigt, der Herausgabe des "Theatrum
Pictorium", einem Bildkatalog der Galerie, dessen erster Teil mit 244
Radierungen der italienischen Bilder 1660 in Brüssel erschien, als sich die
Galerie bereits in Wien befand. Auf das 1658 datierte Widmungsblatt mit dem
Bildnis des Erzherzogs folgen Titel und Vorrede in Französisch, Lateinisch,
Spanisch und Flämisch. Teniers, der sich als ayuda de cámara
am Hof Leopold Wilhelms stolz mit dem Kämmererschlüssel portraitieren
ließ, verlegte, wie er in seiner Vorrede vermerkt, die Publikation auf
eigene Kosten. [57] Die Beschreibung der Aufstellung der Galerie in
Wien, die auf der brieflichen Schilderung eines ungenannten Gewährsmannes
beruht, wird durch eine am Ende des Buches angeordnete Radierung von F. van der
Steen nach einer Zeichnung von Nikolaus van Hoy mit einem Einblick in die
Stallburggalerie - und nicht, wie oft angenommen, in die Galerie im Palast in
Brüssel - ergänzt.
Die Radierungen
wurden von einer ganzen Reihe von Künstlern geschaffen. Alle Tafeln tragen
am unteren Plattenrand den Namen des Malers, die Größe des Originals,
sowie den Namen des Stechers. Die führenden Künstler waren mit jeweils
mehr als 50 Platten vertreten: Jan van Troyen, der vor allem mehrfigurige
Kompositionen radierte, Lucas Vorsterman d.J., von dem überwiegend
Portraits und Halbfiguren stammen und Pieter van Liesebetten. Theodor van Kessel
fertigte 27 Radierungen mit starken Hell-Dunkel-Kontrasten, bei ihm wie bei den
29 Blättern von Quirin Bol überwiegen Landschaften. Eine Reihe
weiterer Stecher, wie Nikolaus van Hoy, der dem Erzherzog aus den Niederlanden
nach Wien folgte und 1660 zum kaiserlichen Kammermaler ernannt wurde, oder
Wenzel Hollar ist mit einzelnen Blättern
beteiligt.
Die Reihenfolge der Tafeln folgt einer
gewissen kunsthistorischen Ordnung. Am Anfang stehen zwei Werke Raffaels, es
folgen sechs, zum größeren Teil vermeintliche, Werke Bellinis, dann
Michelangelo, Giorgione, Leonardo, Correggio, Mantegna, Barocci. Dann kommen die
großen Bildgruppen der venezianischen Maler des 16. Jahrhunderts, die den
Hauptteil des Werks ausmachen, allein 47 Bilder von Tizian, gefolgt von
Tintoretto, Veronese, Schiavone, Bassano, Palma Vecchio und Palma Giovine und
schließlich Fetti. Am Schluß des Werkes stehen Lotto sowie
italienische Maler des 17. Jahrhunderts wie Reni, Manfredi, Varotari,
Valentin.
Auffallend sind die Unterschiede der
Zuschreibungen zu dem annähernd gleichzeitig abgefaßten Inventar. Die
meisten Zuschreibungen im Inventar verraten eine kritischere Distanz zu den
Objekten als die Bildunterschriften im "Theatrum pictorium", die vielleicht, dem
Charakter dieser Publikation angemessen, in lobrednerischer Absicht
möglichst viele Bilder berühmten Künstlern zuschreiben
möchten. So sind etwa von den dreizehn Giorgiones, die im "Theatrum
pictorium" abgebildet sind, im Inventar nur sieben uneingeschränkt als
Originale genannt, zwei weitere mit Vorsicht "man halt es von Giorgione
Original" ihm zugeschrieben.
Als Vorlage für
die Radierer fertigte Teniers bereits in die genaue Größe der
Radierungen verkleinerte gemalte Kopien [58], denen er durch die
flüssige und rasch hingesetzte Malerei seinen persönlichen Charakter
verlieh. 120 dieser Pastiches wurden von John, Herzog von Marlborough
(1650 - 1722) erworben und befanden sich bis 1886 in Schloß
Blenheim. [59] Heute sind sie auf viele Sammlungen verstreut,
größere Gruppen befinden sich in der Princes Gate Collection, London,
in der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums in Wien, in der Wallace
Collection, London, im Chicago Art Institute, in der Johnson Collection,
Philadelphia und in anderen Museen sowie im
Kunsthandel.
Nachdem sich die militärischen
Erfolge Leopold Wilhelms der Jahre 1647 bis 1653 nicht halten ließen -
1654 gingen alle Eroberungen der vergangenen Jahre wieder verloren -, legte der
Erzherzog die Statthalterschaft der Niederlande nieder und verließ am 9.
Mai 1656 seine Residenz Brüssel in Richtung Erblande. Noch war nicht
sicher, wo er in Zukunft residieren würde, seine Bilder, Tapisserien,
Kunstkammerstücke und Möbel wurden vorerst nach Passau gesandt, wo sie
am 2. Juli 1656 eintrafen. [60] Erst im darauffolgenden Jahr wurde die
Sammlung nach Wien gebracht und die zukünftige Aufstellung in der Stallburg
vorbereitet.
Erzherzog Leopold Wilhelm trat 1657
nach dem Tod seines Bruders, Kaiser Ferdinands III., noch einmal in die
Öffentlichkeit der internationalen Politik, als er eine Zeitlang als
Kaiserkandidat im Gespräch war. Vor allem die reichsständische
Opposition gegen den legitimen Nachfolger Leopold I. unter der Führung des
Mainzer Erzbischofs Johann Philipp von Schönborn bevorzugte Leopold
Wilhelm, was in erster Linie den französischen Interessen einer
Schwächung der habsburgischen Position entgegengekommen
wäre.
Als sich die Sammlung Leopold Wilhelms
bereits längere Zeit in Wien befand, wurde 1659, vielleicht aus Anlaß
der Vollendung der Aufstellung in der Stallburg, ein ausführliches und
gründliches Inventar angelegt, das unsere wichtigste Quelle über
genauen Umfang und Zusammensetzung der Sammlung bildet. [61] Das
Inventar wurde von vier Mitgliedern der erzherzoglichen Hofhaltung
unterzeichnet, von Schatzmeister Christian Wasserfass, der bereits das Inventar
der Kunstkammer und Bibliothek von 1647 [62] verfaßt hatte, seinem
Stellvertreter Hans Jacob Weinzerle sowie vom Hofmaler und zugleich Hofkaplan
des Erzherzogs, Kanonikus Jan Anton van der Baren und Matthias Henndt. Aufgrund
der engen Vertrautheit des aus den Niederlanden mit Leopold Wilhelm nach Wien
gekommenen van der Baren mit der Sammlung des Erzherzogs wie auch mit der
Malerei, im besonderen der zeitgenössischen flämischen, hat man in ihm
wohl zu Recht den eigentlichen Autor des Inventars gesehen. Er hat es aber nicht
selbst verfaßt, denn es ist in deutsch mit deutlich österreichischer
Sprachfärbung geschrieben. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit
können wir vermuten, daß die Niederschrift von Schatzmeister
Christian Wasserfass stammt. Berger stellte bei der Edition der Handschrift zwei
verschiedene Schreiberhände fest.
Das
Inventar besteht aus vier Teilen, die Gemälde sind in zwei Gruppen mit
getrennter Numerierung geteilt, einem "Verzaichnuss der italienischen stuckh"
mit 517 Nummern folgt die "Mahlerey von teutsch unndt niderländischen
Mahlern" mit 880 Nummern. Den dritten Teil bilden die Zeichnungen, den vierten
Steine, Statuen, andere Antiquitäten und Figuren. Bei aller Kürze der
Eintragungen sind die einer gleichbleibenden Anordnung folgenden Informationen
präzis und zuverlässig. Auf die Angabe von Maltechnik und Material
folgt eine Beschreibung des Bildgegenstands, die über eine bloße
Titelangabe hinausgeht und die wesentlichen Darstellungselemente benennt.
Darüber hinaus wird der Rahmen des Bildes beschrieben und die
Größe des Bildes - leider mit Rahmen gemessen - in Spann und Finger
gegeben. Die Inventarverfasser hatten dabei sogar die nach Ort und Zeit
wechselnden Maßeinheiten im Auge und brachten am Anfang des Inventars eine
zehnfach unterteilte Strecke an, nach der 1 Spann zu 10 Fingern 20,8 cm
mißt. Die Nennung des Künstlers bildet den Abschluß der
Eintragung. Die Angaben zu den Malern des 15. und 16. Jahrhunderts sind von
kennerschaftlicher Kritik gekennzeichnet und unterscheiden zwischen signierten
Werken, gesicherten und fraglichen Zuschreibungen, die Eintragungen zur
zeitgenössischen niederländischen, insbesondere flämischen
Malerei können den Anspruch einer Primärquelle erfüllen. Es wird
die Zusammenarbeit mehrerer Künstler an einem Bild genau
festgehalten [63], es wird zwischen den Trägern der Invention und
der Ausführung
unterschieden. [64]
Der Nachtrag des
Inventars wurde nach 1659 weitergeführt, vielleicht sogar bis zum Tod des
Erzherzogs 1662. Zwei Bilder von Frans Mieris d.Ä. [65] beweisen,
daß Leopold Wilhelm auch nach seiner Rückkehr nach Wien das
niederländische Kunstgeschehen genau beobachtete und die neuesten Werke
auch ganz junger Künstler kaufte. Bezeichnenderweise handelt sich dabei um
einen "Fijnschilder", der mit seiner minuziösen Malerei im Kleinformat den
fürstlichen Geschmack in besonderer Weise
traf.
Zunehmend kränklich, ordnete Leopold
Wilhelm seinen Nachlaß. Er setzte in seinem Testament von
1662 [66] (das das ältere von 1651 damit außer Kraft setzte)
den jungen Kaiser Leopold I. zum Erben seiner Kunstsammlung ein, im übrigen
zum Universalerben dessen jüngeren Bruder, den dreizehnjährigen
Erzherzog Karl Joseph (1649 - 1664), der durch die Wahl zum Koadjutor auf dem
Generalkapitel von 1662 als Nachfolger im Meisteramt des Deutschen Orden
vorgesehen war und auch in den Diözesen Passau und Olmütz nominell die
Nachfolge antrat. Erzherzog Leopold Wilhelm starb am 20. November
1662.
Seine Galerie ging in der kaiserlichen
Sammlung auf, deren Hauptbestandteil sie fortan bildete [67] und die,
wenn auch durch die Jahrhunderte etwa auf die Hälfte reduziert, bis heute
in der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums in Wien
weiterlebt.