DOKUMENTATION | Ausstellungen: 1648 - Krieg und Frieden in Europa | |
Textbände > Bd. II: Kunst und Kultur |
OSKAR BÄTSCHMANN Römische Kult- und Kunstmacht |
Padre Domenico in der Schlacht am Weißen Berg
1620 begab sich der
unbeschuhte Karmeliterpater Domenico di Gesù e Maria (1559-1630),
gerüstet mit einem Marienbild vor der Brust und einem Kreuz in der Hand,
auf dem Pferd des Herzogs Maximilian I. von Bayern in die Schlacht zwischen den
kaiserlich-ligistischen Armeen und den Truppen des böhmischen Königs
am Weißen Berg bei Prag. Auf Geheiß des Papstes Paul V. war der
61jährige Padre Domenico 1620 aus Rom zum Heer Maximilians als erster
Feldgeistlicher gestoßen. Das Bild, eine kleine und ungeschickt gemalte
"Anbetung des Kindes" (Abb. 1), hatte Padre Domenico aus dem Schloß
von Strakonitz in Böhmen oder aus dem Mist unter dem Schloß bei
Pilsen gerettet. Für die Auskratzung der Augen aller dargestellten Personen
mit Ausnahme des Jesusknaben wurden Häretiker verantwortlich gemacht. Die
Bilderschändung glorifizierte die zufällige Rettungstat des Paters,
potenzierte die Macht des auf wunderbare Weise geretteten Bildes und steigerte
das Ansehen des Finders. Im Kriegsrat ermahnte Pater Domenico die zögernden
Heerführer zur Schlacht, nicht ohne ihnen im Namen der göttlichen
Vorsehung den Sieg zu prophezeien.
Am folgenden
Tag erwies das Bild seine mirakulöse Kraft, indem es leuchtende Strahlen
aussandte, die das Heer Friedrichs V. von der Pfalz blendeten. Entsprechend
schrieb Padre Domenico, obwohl er gleichzeitig noch ein Kruzifix in die
Höhe gehalten hatte, um wie einst Kaiser Konstantin im Zeichen des Kreuzes
den Sieg zu beschwören, den Sieg der katholischen Armeen allein dem Bild zu
- anders die gedruckten Verherrlichungen der Sieger, Kaiser Ferdinands II. und
Maximilians I., die den Ruhm den tugendreichen Fürsten
zuschlagen. [1] Das Blatt des Kaisers ordnet um die kaiserliche Quadriga
hinter der Fama vier weitere Triumphwagen auf Postamenten unter einem
statuenbesetzten Triumphbogen an: links die päpstliche Kirche, gezogen von
den Evangelisten, gefolgt vom Parnaßwagen der Wissenschaften und der
Künste, rechts ziehen Böhmen, Ungarn, Österreich und Mähren
den fruchtbringenden Frieden, dahinter garantiert der Elephantenwagen die
künftige Sicherheit, während ein Engel mit Schwert und Schriftband
"RESTITVIT REM" - er hat das Recht wiederhergestellt - die Feinde
vertreibt.
Padre Domenicos Auffindung und Rettung
der kleinen "Anbetung des Kindes" und dessen Bewährung im wunderbaren Sieg
über die Feinde entsprachen genau den bekannten Bedingungen eines heiligen
Bildes. In der scheinbar zufälligen Auffindung und der Verwendung gegen die
Feinde aktualisierte Padre Domenicos Bild die alte Rolle der Ikone und ihres
Gebrauchs. In seiner Entdeckung wiederholten sich zwei wesentliche
Auszeichnungen des wundertätigen Bildes: die unerklärbare Anwesenheit
als Ausdruck der übernatürlichen Herkunft und die unvermittelte
Auffindung, die auf eine göttliche Lenkung schließen läßt.
Derart ausgezeichnet wirkte das kleine Täfelchen trotz seiner abweichenden
Ikonographie gegen die Feinde als unüberwindliche Schutzmacht wie ein
byzantinisches Marienbild. Der nachfolgende triumphale Einzug in die Stadt Prag
galt einem Bild, das soeben seine mirakulöse Kraft erwiesen und seine
Heiligkeit bestätigt hatte. [2] Zwei Jahre danach brachte Padre
Domenico das Gnadenbild nach Rom, präsentierte es allen Prinzen und
Kardinälen zur Verehrung und erreichte, daß es am 8. Mai 1622 in
einer feierlichen Prozession von S. Maria Maggiore in die neue Kirche S. Paolo
Apostolo des Karmeliterklosters überführt wurde. Dort erwartete und
begrüßte es Papst Gregor XV., während das Te Deum
laudamus gesungen wurde. Die Prozession führte eine Menge von
Standarten, Fahnen und Waffen mit, die in der Schlacht am Weißen Berg
erbeutet worden waren. Von der triumphalen Überführung in die Kirche
des Reformordens der Karmeliter in Rom, die mehrfach dokumentiert ist,
erzählt noch 1652 der große Romführer "Ritratto di Roma Moderna"
von Filippo de' Rossi ausführlich. [3] Für das päpstliche
Rom, das mit verschiedenen Orden eine kämpferische Religions- und
Bildpolitik betrieb, war das siegreiche Bild aus Böhmen eine willkommene
Unterstützung und Bekräftigung. Selbstverständlich verzeichnete
1655 der Jesuit Wilhelm Gumppenberg in seinem "Atlas Marianus", der 1.200
wundertätige Marienbilder von Mexiko bis zu den Philippinen beschreibend
katalogisierte, auch das wundertätige Bild in S. Maria della
Vittoria. [4]
Das mirakulöse Bild aus
Böhmen verdrängte das Hauptaltarbild von Gerrit van Honthorst "Der hl.
Paulus wird in den dritten Himmel entrückt" auf den provisorischen Altar im
linken Querschiff. Entsprechend mußte die noch nicht vollendete Kirche den
neuen Namen S. Maria della Vittoria annehmen, was 1625 bezeugt
ist. [5] Padre Domenico hatte offenbar aus Prag nicht nur das siegreiche
Bild und die Beutestücke nach Rom gebracht, sondern auch vier
großformatige Schilderungen der vier Phasen der Schlacht am Weißen
Berg und ferner Portraits von Kaiser Ferdinand II. und Maximilian I. Die
Portraits wurden in die Sakristei verbracht, während die Schlachtenbilder
im Audienzsaal aufgehängt wurden. [6] Das wundertätige Bild
aus dem 15. Jahrhundert verbrannte am 29. Juni 1833 und wurde durch einen
kolorierten Stich ersetzt. Fünfzig Jahre nach dem Brand erinnerte Luigi
Serra von Siena mit einem Gemälde in der Apsiskalotte an den triumphalen
Einzug des siegreichen, nunmehr verlorenen Bildes in
Prag.
S. Maria della Vittoria: ein Monument
gegen die Häretiker
Der Reformorden der
unbeschuhten Karmeliter, der Carmelitani scalzi, begann 1607 mit dem Bau
von Kirche und Kloster S. Paolo Apostolo außerhalb des Zentrums von Rom,
an der ehemaligen Via Pia gegenüber dem Mosesbrunnen von Domenico Fontana,
in der Nähe von S. Susanna. [7] Papst Paul V. hatte 1605 mit der
Bulle "Ad Ecclesiæ militantis" den Orden ermächtigt, Klöster zu
gründen mit dem Auftrag, Missionare für die Bekehrung der
Ungläubigen auszubilden. Die Wahl des Apostels Paulus als Titularheiligen
war programmatisch, die Bestimmung früh bekannt. Bereits 1610 schrieb
Pietro Martire Felini in seinem Romführer: "Gleich daneben [neben S.
Susanna] erbaut man mit Opfergaben eine Kirche, die den Titel S. Paolo erhalten
wird [...] an diesem Ort werden die Reformpater der Karmeliter sein, denen
obliegen wird, in die Gebiete der Ungläubigen zu gehen um bei ihrer
Bekehrung mitzuwirken." [8]
Padre Domenico
brachte das Bild aus Prag damit in diejenige Kirche in Rom, die von Anfang an
ausdrücklich zum Monument gegen die Häretiker bestimmt war. Diese
Bestimmung wurde verstärkt durch den Auftrag des zugehörigen Klosters
und durch den Kult der hl. Theresa von Avila (1515-1582), der Mystikerin, einer
bedeutenden Figur der Gegenreformation in Spanien und der Gründerin des
Reformordens der unbeschuhten Karmeliter. Bereits 1612, noch während des
Baues der Kirche S. Paolo und noch vor der Heiligsprechung der Spanierin, setzte
die regelmäßige Verehrung der Theresa von Avila ein. Der Prozeß
ihrer Heiligsprechung, der annähernd vierzig Jahre dauerte, führte
1614 zur Beatifikation und 1622 zur Kanonisierung. Im gleichen Jahr wurden die
ersten Jesuiten, die Spanier Ignatius von Loyola und Franz Xaver, heilig
gesprochen. Das Jahr 1622 für die Ankunft des Padre Domenico mit dem
wundertätigen Bild und den im Kampf gegen die Häretiker erbeuteten
Fahnen und Waffen war außerordentlich gut gewählt. 1622 wurde
außerdem der römische Volksheilige, Ordensgründer und
Wundertäter Filippo Neri heiliggesprochen, und im gleichen Jahr setzte
Papst Gregor XV. die Congregatio de propaganda fide zur Verteidigung und
Ausbreitung des katholischen Glaubens ein. [9] Zugleich war Rom vollauf
damit beschäftigt, seine zahlreichen heiligen Bilder, die westlichen Ikonen
und ihre Nachahmungen, in pompösen Inszenierungen erneut zu Würde und
Wirkung zu bringen, zur Stärkung der Gläubigen und zur Abwehr der
Ketzer. Die Bestrafung von Bilderfreveln im katholischen Machtbereich war
unbarmherzig. 1622 wurden in Bologna zu Ehren Gottes, der Jungfrau und des
Vaterlandes vier "Beschmutzer" eines heiligen Bildes als Häretiker
hingerichtet. [10]
Mit dem Bau der neuen
Kirche der Carmelitani scalzi in Rom wurde der Architekt Carlo Maderno
beauftragt. Dessen Arbeiten waren um 1620 abgeschlossen, obwohl der Kirche noch
die Fassade und die Ausstattung fehlten. Padre Domenico war unermüdlich bis
zu seinem Tod 1630 damit beschäftigt, die Vollendung und Ausschmückung
der Kirche voranzutreiben. [11] Dazu gehörte die Fassade, die
Giovanni Battista Soria zwischen 1625 und 1627 als kraftlose Nachahmung von
Carlo Madernos Fassade der benachbarten Kirche S. Susanna ausführte. Die
Kosten trug gemäß der Inschrift Kardinal Scipione Borghese, offenbar
im Tausch gegen den "Schlafenden Hermaphroditen" (heute im Louvre), der auf dem
Bauplatz des Klosters gefunden worden war. [12]
Die Ausstattung der Kirche ging langsam voran.
Wie üblich waren die Kapellen provisorisch mit Altaraufbauten aus Holz
versehen und warteten darauf, die Grabstätten vermögender Stifter
aufzunehmen, mit der Auflage, daß die Dekoration der Kapellen mit Madernos
Ausstattung harmonieren sollte. 1647 erwarb Kardinal Federico Cornaro die Rechte
für die Kapelle im linken Querschiffarm und erreichte zugleich, daß
die Dedikation der Kapelle an die hl. Theresa vom rechten Querschiffarm auf die
bessere Evangelienseite verlegt wurde. Damit wurde der hl. Paulus, der nach 1622
vom Hauptaltar zum linken Querschiffarm hatte wechseln müssen, zum zweiten
Mal in dieser Kirche verdrängt, wieder mitsamt dem ehemaligen
Hauptaltarbild von Gerrit van Honthorst. Kardinal Cornaro, aus einer der
führenden Familien Venedigs stammend, die sechs Kardinäle und einen
Dogen gestellt hatte, war wegen Alter und Krankheit 1644 als Patriarch von
Venedig zurückgetreten und residierte danach im Palazzo di San Marco
(Palazzo Venezia) in Rom. Seine Verbindung mit den unbeschuhten Karmelitern geht
auf das Jahr 1633 zurück, als der Orden während seines Patriarchats in
Venedig eingeführt wurde. In Rom ernannte ihn Papst Urban VIII. zum
Mitglied der Congregatio de propaganda fide, der auch die Aufsicht
über die Missionarsausbildung oblag. [13]
Giovanni Lorenzo Bernini stellte die Vision der
Herzdurchbohrung der hl. Theresa durch einen Cherub in den Mittelpunkt der 1651
vollendeten Cornaro-Kapelle (Abb. 2), während an den Seiten die
Büsten der Mitglieder der Familie Cornaro hinter den Balustraden ihre
andächtige Anwesenheit zeigen. Bernini entwarf die Ekstase als
Zwischenzustand zwischen Leben und Tod, den stechenden süßen Schmerz
der Transverberation als Liebestod der Heiligen, die in der Levitation auf
Wolken in Ohnmacht dahinsinkt, während ein androgyner Engel lächelnd
den Arm zum Pfeilwurf auf das Herz ausstreckt. Berninis Gruppe über dem
Altartisch ist in das von oben einfallende Licht gehoben, das von den goldenen
Strahlen nach unten geleitet wird. Das Deckenfresko bestätigt mit der im
göttlichen Schein schwebenden Taube des Hl. Geistes den
übernatürlichen Charakter des Lichtes, und zugleich erläutert es
das Motto im Bogenscheitel der Cornaro-Kapelle: "NISI COELUM CREASSEM, OB TE
SOLAM CREAREM" - Hätte ich den Himmel nicht geschaffen, würde ich ihn
allein um deinetwillen erschaffen - als Wort Gottes. [14] Damit
produzieren die bildliche Darstellung und die Inschrift einen höchst
zugespitzten Concetto, zunächst den Zusammenschluß der ekstatischen
Vision mit der temporären Entrückung in den Himmel und darüber
hinaus für die Eingeweihten die allusive Analogie zwischen der
Entrückung der Ordensgründerin mit der Aufnahme des Propheten Elias in
den Himmel, auf die sich das Wort vom Erschaffen des Himmels
bezieht. [15]
Mit der gewagten erotischen
Darstellung der hl. Theresa in einer Kirche der unbeschuhten Karmeliter
präsentierte Bernini den neuen Typus der gegenreformatorischen Heiligen,
die sich zugleich der entrückenden Vision in der höchsten Ekstase
hingaben, heroische Tugend bewiesen und sich als effiziente Verteidiger und
Propagatoren des katholischen Glaubens bewährten und somit dem neuen
Anforderungsprofil entsprachen. [16] Auf die Kritik an der Heiligen- und
Reliquienverehrung von Reformatoren und von Humanisten wie Erasmus von Rotterdam
hatte das Konzil von Trient mit dem Zugeständnis von Mißbräuchen
reagiert, doch die Verehrung der Heiligen, der Reliquien und der Bilder als
weiterhin wünschenswert empfohlen. Allerdings unterzog man die
Heiligenlegenden einer historischen Kritik und verschärfte das Verfahren
der Kanonisierung. Zwischen 1523 und 1588 versagte sich die katholische Kirche
die Zulassung neuer Heiliger, kam aber unter Zugzwang, weil gleichzeitig die
Protestanten die Verehrung der Märtyrer ihres Glaubens verstärkten.
Seit 1588 oblag die Prüfung der Heiligkeit einem Komitee von
Kardinälen, 1610 beanspruchte der Papst das ausschließliche Recht der
Heiligsprechung, und durch Urban VIII. wurden die Verfahren 1625 und 1634 streng
formalisiert. Der Prozeß durfte nicht früher als fünfzig Jahre
nach dem Tod des Kandidaten angestrengt werden. Gefordert wurden der Nachweis
des heroischen Grads der Tugend und die Bezeugung der Wunder, die man der
Vermittlung des Kandidaten zuschrieb.
Carlo
Borromeo und Filippo Neri, wie auch die ersten Heiligen der Jesuiten und Theresa
von Avila, hatten den Prozeß noch vor der erneuten Verschärfung der
Regeln erfolgreich überstehen können. Filippo Neri hatte neben einem
tugendhaften Leben, vielen Visionen und einer Ordensgründung auch
zahlreiche bezeugte Wundertaten zu Lebzeiten vorzuweisen, wie etwa eine
Madonnenerscheinung bei gleichzeitiger Levitation (Abb. 3). [17] Seine
Kanonisierung von 1622 erfolgte nur 27 Jahre nach seinem Tod, sein Zeitgenosse
Carlo Borromeo, allerdings ein Neffe von Papst Pius IV., brachte das Verfahren
in nur 26 Jahren (1610) hinter sich. Die strengeren Regeln und Anforderungen
bewirkten, daß zwischen 1629 und 1658 wieder keine Kanonisierungen
möglich waren. [18] Die Zentralisierung und Formalisierung
schloß die Volks-und Lokalheiligen von der offiziellen kirchlichen
Anerkennung aus. Für Padre Domenico di Gesù e Maria wurden die neuen
Regeln zum Verhängnis, denn sein Prozeß, der 1670 aufgenommen wurde,
führte nicht zum Erfolg, so daß er nach einer erneuten vergeblichen
Anstrengung im 19. Jahrhundert endgültig zu den zahlreichen gescheiterten
Kandidaten gezählt werden muß. [19]
In der Kirche S. Maria della Vittoria
bekräftigt das Deckenbild im Schiff, das Giovanni Domenico Cerrini um
1671/75 ausführte (Abb. 4), überdeutlich die propagandistische
Funktion. Es zeigt die triumphale Apotheose der mit einem Zepter ausgestatteten
Maria, die von Engeln und Putti auf Wolken getragen wird, als Sonne und
Königin des Himmels und als Haupt der ecclesia militans. Unter ihr
befindet sich eine himmlische Kampfgruppe mit den schwertschwingenden Erzengeln
Raphael und Michael als Vorkämpfer. Sie besiegen den apokalyptischen
Drachen und stürzen vier Ketzer mitsamt ihren Büchern wie gefallene
Engel in die Verdammnis. Auf der Seite der gestürzten Ketzer steht
außerhalb des Bildes auf einem Schriftband: "IN NOMINI MEO ASCRIBATUR
VICTORIA. REG. II.C.XII" - meinem Namen ist der Sieg zugeschrieben. Über
dem Kopf der Maria befindet sich die Inschrift "CUNCTAS HæRESES SOLA
INTEREMISTI" - Allein du hast alle Ketzerei vernichtet. [20] Dieser
Leitspruch, lesbar beim Verlassen der Kirche, dient wie das Deckenfresko zur
Bestärkung der Gläubigen im rechten katholischen
Glauben.
Installationen der heiligen
Bilder
Die kultische Verehrung von Bildern war
nach den reformatorischen Vorwürfen der Götzenverehrung auch für
das Konzil von Trient schwierig zu rechtfertigen. Das Konzil verwahrte sich
gegen die heidnische Anbetung von Idolen mit einer hierarchischen Festlegung des
Verhaltens, die sich wesentlich auf Gregor den Großen stützte: Gott
wird angebetet, die Heiligen werden verehrt und die Bilder dagegen geehrt, weil
die bildlichen Darstellungen auf die Prototypen hinleiten. [21] Im 1582
publizierten "Discorso intorno alle imagini sacre e profane" betrachtete es der
Erzbischof von Bologna, Gabriele Paleotti, als seine Hauptaufgabe, die heiligen
Bilder von den profanen abzugrenzen, das Verhältnis der heiligen Bilder zum
Prototypen des Dargestellten zu bestimmen und den Bilderkult in akzeptable
Bahnen zu lenken. Nach abgestufter Heiligkeit der Bilder, die Gott in Auftrag
gab, bis zu jenen, die etwas Religiöses darstellen, führte Paleotti
acht Arten von "heiligen Bildern" auf. An sechster Stelle sind die Bilder
genannt, an denen Gott Zeichen und Wunder gewirkt hat, nämlich
aufleuchtende Gesichter, Bewegungen, Vergießung von Tränen und
Blutstropfen oder Blindenheilungen und Bewahrung vor Gefahren. [22] Mit
der Behauptung, es gehe niemals um das materielle Bildwerk, sondern immer um die
Verweisfunktion eines Bildes, dachte Paleotti die Halsstarrigkeit der
Häretiker zu überwinden, die den Glauben an heilige Bilder
verdammen.
Tatsächlich war das Hauptproblem
nicht nur, wie das Verhältnis der bildlichen Darstellung zum Prototypen zu
fassen sei, sondern auch wie der Verweisbezug gelehrt und praktiziert und ferner
die Idolatrie abgewehrt werden könnten. Paleotti unterschied dreierlei an
den Bildern: das Material, die Gestalt und Schönheit (forma) und das
Bild (imagine), das aus beiden resultiert, aber etwas anderes
repräsentiert, mit dem es durch Ähnlichkeit verbunden ist. Der
Dreiteilung entsprechen drei Betrachtungsweisen: die erste ist auf das Material
gerichtet, die zweite auf die Kunstfertigkeit und die dritte auf das im Bild
durch Ähnlichkeit Repräsentierte. Mit den ersten beiden
beschäftigte sich Paleotti nicht weiter, weil sie mit Ehrerbietung nichts
zu tun haben. In der dritten sah er die Möglichkeit, die katholische
Bilderverehrung von der heidnischen zu unterscheiden und die Adoration der
Bilder auf die im Bild repräsentierten heiligen Personen zu lenken.
Allerdings war es ihm nicht möglich, außer dem intentionalen einen
Unterschied im Verhalten zu benennen: "In der Anbetung demnach der heiligen
Bilder von Christus, der Jungfrau und der Heiligen, beten wir Christus, die
Jungfrau und die Heiligen an, die in den Bildern repräsentiert sind; und
wenn wir vor ihren Bildern die Knie beugen, ist es wie wenn wir die Knie vor
ihnen [den heiligen Personen] beugen würden
[...]". [23]
Damit wird deutlich,
daß weder die Berufung auf die Intention der Gläubigen noch die
Unterscheidung zwischen dem Sehen mit den Augen und dem intellektuellen
Anschauen geeignet waren, eine Verschiedenheit des Verhaltens der Gläubigen
herbeizuführen oder den Bilderkult gegen außen zu rechtfertigen. Die
erneute Belebung des Kultes um heilige Bilder nach dem Konzil von Trient,
für die Rom mit Kapellen und großartigen Altaraufbauten die Modelle
lieferte, gibt keine Spuren dieser Überlegungen zu erkennen, sondern
propagiert aus religionspolitischen Motiven die Verehrung der heiligen Bilder,
vornehmlich jener, die sich durch Herkunft, Alter und Wundertätigkeit
ausgezeichnet haben.
Eine der ersten
nachtridentinischen triumphalen Inszenierungen eines heiligen Bildes, der
"Madonna della Clemenza" aus dem Beginn des 8. Jahrhunderts, nahm Kardinal
Marcus Siticus Altemps in seiner Familiekapelle in S. Maria in Trastevere vor,
die er zwischen 1584 und 1589 durch Martino Longhi links der Apsis errichten
ließ. [24] Zur Weihe im Jahre 1593 wurde die Ikone von einer
kleinen Kapelle im linken Seitenschiff feierlich in den Altar der Cappella
Altemps übertragen. [25] In deren Gewölbe sind um die zentrale
Himmelfahrt Mariens Szenen aus dem Marienleben dargestellt. An den
Seitenwänden zeigen zwei große Fresken das Konzil von Trient und die
Bestätigung der Konzilsdekrete durch Papst Pius IV., den Onkel von Marcus
Siticus Altemps und Carlo Borromeo. Ein Fresko behauptet mit der allegorischen
Gruppe um die päpstliche Ecclesia, die vor das Auditorium der
Bischöfe gestellt ist, den Primat des Papstes, das andere nimmt Bezug auf
die Unterwerfung des Konzils unter dessen oberste Entscheidungsgewalt. Die Ikone
im Zentrum bestätigt den politischen Anspruch, indem sich der
päpstliche Stifter, wahrscheinlich Johannes VII. (705-707), direkt der
himmlischen Kaiserin unterstellt, um seine Herrschaft ohne seinen Oberherrn, den
Herrscher von Byzanz, anzutreten. [26] Mit der Neuinszenierung wurde die
Ikone, ein durch Altertum und Überlieferung geheiligtes Bild, in die
Machtdemonstration des Papsttums und der erneuerten Kirche
einbezogen.
Fast gleichzeitig setzten am Beginn
des Pontifikats von Paul V. Borghese (1605-1621) zwei weitere wichtige
Neuinszenierungen heiliger Bilder ein, die eine in S. Maria Maggiore mit dem
Papst als Auftraggeber, die andere in S. Maria in Vallicella, der Kirche der
Oratorianer. Der 1605 begonnene und 1613 abgeschlossene Umbau von S. Maria
Maggiore galt der wichtigen Lukasikone "Salus Populi Romani". 1605 gab Paul V.
den Auftrag, in S. Maria Maggiore als Gegenstück zur dortigen Cappella
Sistina von Sixtus V. eine Kapelle mit gleichem Grundriß als Grablege
für Clemens VIII. und für sich selbst sowie für die neue
Präsentation der populären Ikone zu errichten und verschwenderisch
auszustatten (Abb. 5). Die Ikone, eingesetzt ähnlich einer Reliquie in
einen edelsteinbesetzten Kasten im Bronzerelief des Hauptaltars, bildet das
Zentrum der cappella nobilissima von Girolamo Rainaldi und Pompeo
Targone. Das vergoldete Bronzerelief von schwebenden Engeln mit dem Kasten hat
einen Lapislazuligrund, wird eingefaßt von je zwei Jaspissäulen, die
ein Gebälk und einen von zwei großen Engeln besetzten gesprengten
Segmentgiebel tragen, in dessen Öffnung ein volutengestützter Auszug
mit dem Liberiusrelief von Stefano Maderno erscheint. Unterhalb des
Kranzgesimses setzt sich das Reich der kostbaren Materialien und der Skulpturen
fort, in der Wölbung faßt vergoldeter Stuck die Gemälde von
Cavaliere d'Arpino, Guido Reni und Cigoli ein. 1642 hob Giovanni Baglione zu
Recht die Rolle der außerordentlich kostbaren Materialien für die
Präsentation der Ikone hervor. [27]
Die grandiose Inszenierung der Ikone als
Tempelbild wird gerechtfertigt durch ein komplexes Programm aus Mariologie, die
in das räumliche Dreieck der Trinität einbeschrieben ist, und der
Bilderlehre der katholischen Reform, die durch exemplarische Gestalten vom
Frühchristentum bis ins 14. Jahrhundert vertreten wird. Den
zeitgenössischen Bezug stellen vor allem die Reliefs der
Papstgrabmäler sicher. Die Entfaltung der Heilsgeschichte zur Inszenierung
der Ikone, die Darstellung der Königin Kunigunde von Polen, die Kriegs- und
Versöhnungsszenen in den Papstgrabmälern sind durchaus programmatisch.
Möglicherweise ist es nicht übertrieben, die Capella Paolina wegen
ihrer Pracht und ihres Bildprogramms wie auch wegen der Aneignung der Ikone
durch den Papst als ein "exemple caractéristique de la lutte
engagée par l'art contre le Protestantisme" aufzufassen. [28]
Denn die Übernahme der Ikone in päpstliche Obhut in einer der
großen Pilgerkirchen beendete die frühere stadtrömische
Zuständigkeit und schlug das Lukasbild dem katholischen Weltkreis
zu. [29]
Das Programm der Cappella Paolino
entwarfen zwei Oratorianer, Vertreter der Bruderschaft des Filippo
Neri. [30] Zur historischen Begründung und Verteidigung des
Bilderkults stützten sie sich auf Kardinal Cesare Baronios
zwölfbändige Kirchengeschichte "Annales ecclesiastici", die zwischen
1588 und 1607 erstmals erschien. Cesare Baronio, der Prior der Oratorianer und
Direktor der Vatikanischen Bibliothek, wurde 1602 auch Abt der Camaldolenser in
S. Gregorio Magno auf dem Celio. Sein Vorgänger, Kardinal Antonio Salviati,
hatte um 1600 für das Marienbild, von dem man glaubte, es habe zu Gregor
dem Großen gesprochen, eine Kapelle erbaut. Es wurde in einem vergoldeten
steinernen Rahmen in die rechte Kapellenwand eingefügt, und Giovanni
Battista Ricci bemalte die blaugrundierte Wand mit Engeln als Begleiter des
Bildes und darüber den segnenden Gottvater. Als Altarbild malte Annibale
Carracci den hl. Gregor den Großen im Gebet, dem Madonnenbild in Anbetung
zugewandt (Abb. 6). [31] Möglicherweise lag aufgrund dieser
Anordnung gerade hier die Verwechslung mit der Idolatrie, die nach den
Deklarationen des Tridentinums, Paleottis, Baronios und anderen hätte
ausgeschlossen werden sollen, besonders nahe. Die Bilder, die Baronio für
seine Titelkirche SS. Nereo e Achilleo oder die Oratorien bei S. Gregorio Magno
in Auftrag gab, zeigten deshalb nicht die Verehrung des Bildes, sondern die
Verehrung der erscheinenden Madonna, des
Prototyps.
Im Auftrag von Cesare Baronio malte
Durante Alberti für SS. Nereo e Achilleo die Verehrung des Gnadenbildes von
S. Maria in Vallicella, das für Filippo Neri wie für den Auftraggeber
gleichermaßen wichtig war. Im unteren Register sind kniende Engel im
Halbkreis angeordnet, die eine Madonnenerscheinung im oberen Bildteil anbeten.
Die Erscheinung der Madonna in Halbfigur mit dem segnenden Kind über einer
Mondsichel ahmt das Gnadenbild von S. Maria in Vallicella nach, allerdings ist
sie unmißverständlich als erscheinender Prototyp des Bildes und nicht
als dieses selbst gekennzeichnet. Für die in Mainz 1601-1608 publizierte
zwölfbändige Ausgabe von Cesare Baronios "Annales ecclesiastici" wurde
für alle Bände durchgehend ein Titelblatt verwendet, das über der
Architektur das von Engeln gehaltene Gnadenbild von S. Maria in Vallicella
zeigt, darunter vor Pfeilern die Heiligen Paulus und Petrus und vor der
Sockelzone die Allegorie des päpstlichen Glaubens mit Schlüssel, Buch
und Tiara, die an Ketten die Figur des Heiden, und die Häresie in Gestalt
der Zwietracht hält. Zu Paulus' Füßen, über dem
angeketteten Heiden, findet sich die Inschrift "SUBEGIT GENTES" - er hat die
Heiden unterworfen -, und bei Petrus steht "VICIT HERESES" - er hat die
Ketzereien besiegt. Im achten Band des umfangreichen Werkes von Baronio, der
Gregor dem Großen gewidmet ist, zeigt ein ganzseitiger Holzschnitt den
Papst mit seinen Eltern. Francesco Villamena fertigte 1602 einen Portraitstich
von Kardinal Baronio als Gelehrtem an seinem Schreibtisch. Auf dem Tisch, an das
Kruzifix gelehnt, findet sich eine kleine Darstellung mit drei stehenden
Heiligen, die zur S. Maria in Vallicella, dem in eine Erscheinung
rückübersetzten Gnadenbild, aufschauen. Der Papst in der Mitte der
Heiligen dürfte Gregor der Große sein. Auf die Beziehung eines Bildes
zum Prototypen kam Baronio in den "Annales ecclesiastici" mehrfach zu sprechen.
Gemäß dem Konzil von Trient und nach Paleotti begründete er die
Verehrung eines Bildes mit dem Verhältnis, in dem dieses zu den
dargestellten Heiligen steht. Im Gegensatz zu Paleotti schien Baronio aber
anzunehmen, daß die Beziehung nicht nur zeichenhaft sei, sondern daß
die Prototypen im Bild "quasi praesente" - gleichnishaft anwesend -
seien. [32]
Die Bearbeitungen von
Rubens
An der neuen Aufstellung des Gnadenbildes
von S. Maria in Vallicella, die Peter Paul Rubens in zwei Fassungen erarbeitete,
lassen sich die vielfältigen Probleme um die Inszenierung des heiligen
Bildes und die Steuerung des Verhaltens der Andächtigen verfolgen. Bei dem
heiligen Bild handelt es sich um ein Fresko des 15. Jahrhunderts, das 1537 durch
einen Steinwurf verletzt wurde, worauf die Madonna im Gesicht blutete. Auf
dieses Wunder hin brachte man das Madonnenbild in die nahe Kirche S. Giovanni
und gab ihm im 1575 begonnenen Neubau der neuen Kirche die erste Seitenkapelle
links des Eingangs. Für Filippo Neri wie für Cesare Baronio wurde
dieses Gnadenbild zentral im Bemühen um eine auf das Tridentinum
abgestimmte Bilderverehrung. [33] 1606 erhielt Rubens den Auftrag
für das Gemälde des Hauptaltars, und im folgenden Jahr legte er sein
Werk (Abb. 7) den Oratorianern vor. Die verschiedenen Entwürfe für den
Hauptaltar, die dem Architekten Giovanni Battista Guerra zugeschrieben werden,
belegen eine Entwicklung, die offenbar zunächst darauf hinauslief, das
wundertätige Fresko im Altarauszug oberhalb eines Segmentgiebels oder eines
gesprengten Giebels anzubringen, und das Altarblatt von Rubens mit mehreren
Säulen zu rahmen. [34] Die erste Version von Rubens nimmt auf diese
Anordnung des Gnadenbildes Bezug. Rubens zeigt die Versammlung der Heiligen als
Begegnung zwischen der Gruppe des Papstes Gregor des Großen, Maurus und
Papianus und der Gruppe der hl. Domitilla mit Nereus und Achilleus vor einem
imposanten Tor. Über dem Scheitel des Torbogens erscheint mit gemaltem
Rahmen die moderne Umsetzung des Gnadenbildes, umspielt von Putti und beleuchtet
von einem Lichtstrahl des Himmels. Die moderne Ikone, die am Tor die alte
Schutzfunktion übernimmt, wird durch das Licht ausgezeichnet. Gregor,
über dem die Taube des Hl. Geistes schwebt, schaut nach oben und weist mit
seiner rechten Hand der Gnade die Richtung zu den Gläubigen vor dem Bild,
die Domitilla huldvoll anblickt. Rubens stellte zudem den immateriellen
Charakter des Gnadenbildes heraus, indem er einen Putto mit dem Arm durch die
Bildfläche hindurchgreifen ließ, ohne sie dabei zu
zerstören. [35]
Zu den Heiligen, die
Rubens darstellte, hatte Baronio eine besondere Beziehung, und ihre Reliquien
sollten in die neue Konzeption des Hochaltars einbezogen werden. [36]
Cesare Baronio starb kurz nach der Übergabe des Bildes am 30. Juni 1607,
und die Oratorianer erklärten sich mehr als ein halbes Jahr danach mit dem
Bild von Rubens unzufrieden. Im April 1608 ging die Kongregation auf den
Vorschlag von Rubens zu einer Dreiteilung ein, nach der die Heiligen auf
separaten Bildern im Chor dargestellt, das Gnadenbild im Hauptaltar aber mit
verschiedenen Ornamenten zu umgeben sei. Für den Hauptalter folgte Rubens
der Lösung von Donato Alberti für SS. Nereo e Achilleo, indem er im
unteren Register eine Schar von knienden Engeln anordnete. Der Gegenstand ihrer
Verehrung aber ist im Gegensatz zu Alberti nicht eine Erscheinung, sondern das
von Putti herangetragene Madonnenbild, das mit einem plastischen vergoldeten
Rahmen versehen ist. Das auf Kupfer gemalte moderne Madonnenbild wurde
versenkbar angebracht, so daß das dahinter liegende originale Wunderbild
im Rahmen zum Erscheinen gebracht werden konnte. [37] Die Schwierigkeit
besteht darin, daß durch diese Inszenierung von Rubens die Verehrung der
Engel nicht nur dem durch ihn wiederholten Bild gilt, sondern bei der Absenkung
des Schildes im zweiten Zustand auch dem Gnadenbild. Der Prototyp ist hier, im
Gegensatz zur erscheinenden Madonna in S. Gregorio Magno, das verborgene Fresko
des 15. Jahrhunderts, das Gnadenbild. Die zweite Fassung von Rubens zeigt das
von Engeln herangetragene erscheinende Bild und bezieht die Verehrung auf
das im Rahmen erscheinende Gnadenbild.
Die
Oratorianer akzeptierten 1608 mit der zweiten Fassung die zweifache Verehrung
des Bildes. Ihre unmittelbare Auswirkung hatte diese in zahlreichen Schriften
bestrittene Bilderverehrung in der Cappella Paolina in S. Maria Maggiore, deren
propagandistische Installation unverkennbar der Ikone als Tempelbild galt, was
immer man an Deklarationen dagegenhalten mochte und mag. Entgegen den
Differenzierungen des Tridentinums, Paleottis und Baronios kapitulierten Rubens'
zweite Fassung und die Installation der Ikone in der Cappella Paolina vor der
Verehrung, die sich auf die materiell vorhandenen Bilder bezog. Damit folgten
sie dem ehrlichen Zugeständnis, daß die intentionale Unterscheidung
zwischen der Verehrung des Bildes und der Anbetung des Prototypen in der Praxis
der Frömmigkeit nicht aufrechtzuerhalten war und die Verehrung dem Bild
galt.
Ausbreitung des
Bilderkults
In Rom und im übrigen Italien
folgten in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts zahlreiche neue
Installationen der Gnadenbilder. Ein bemerkenswerter direkter römischer
Ableger der pompösen Inszenierung ist die Cappella della SS. Mariae Icone
im Dom von Spoleto für die berühmte Lukasikone, die Kaiser Barbarossa
1185 der Stadt als Versöhnungsgeschenk angeboten hatte. Für die
Kapelle rechts des Chores entwarf der römische Architekt Giovanni Battista
Mola im Auftrag von Andrea Mauri 1626 eine Rahmung aus Marmor und
Halbedelsteinen (die er in Rom anfertigen ließ), umgab die Ikone mit einem
großen, perspektivisch geschnittenen Tabernakel, den ein gesprengter
Giebel und eine Inschriftentafel abschließen. Die Inschrift lautet:
"PINXIT OPVS LVCAS CHRISTI VENERARE PARENTEM LVCAS VOTA FERET MUNERA VIRGO
DABIT". Im Tabernakel schwebt die Taube über dem Bild, rechts und links
wenden sich die Statuen von David und Salomon zu den Betrachtern und weisen auf
die Ikone, im Kapellenraum befinden sich zu beiden Seiten plastische Halbfiguren
der Stifter, die sich andächtig zum Bild wenden. [38] Giovanni
Battista Molas Kapelle für die Ikone von Spoleto ist eine verkleinerte
Wiederholung der Cappella Paolina in S. Maria Maggiore und zeigt wie diese die
Ikone als Tempelbild.
Die unzähligen
Neuinstallationen der heiligen Bilder, die in der ersten Hälfte des 17.
Jahrhunderts überall in Italien und danach in den katholischen Gebieten
hauptsächlich zwischen 1650 und 1800 erfolgten, sind noch wenig
erfaßt. Zeitgenössisch wurden Universalgeschichten oder Kataloge der
wundertätigen Bilder erstellt wie die "Historia Universale delle Imagini
miracolose" von Giovanni Felice Astolfi 1623 oder der weltumspannende "Atlas
Marianus" Wilhelm Gumppenbergs. [39] Das Frontispiz, das Melchior
Haffner für die Münchner Ausgabe von 1672 anfertigte, zeigt die von
Engeln getragene Casa di Loreto mit der Madonna im Weltraum zwischen dem Himmel
und der Erde. Gumppenberg hatte eine besondere Beziehung zur Madonna von Loreto,
wohin er sich 1632 zur Wallfahrt aufmachte. In den folgenden vierzig Jahren
wurden allein in Bayern achtzehn Loreto-Kapellen gebaut. [40] Dagegen
erfolgten neue Installationen von heiligen Bildern in Altaraufbauten und
Kapellen nördlich der Alpen im 17. Jahrhundert nur vereinzelt. In der
Preysing-Kapelle der Klosterkirche Seligental in Landshut wurde 1629 eine
plastische thronende Madonna mit Kind aus dem 14. Jahrhundert in einen neuen
Altaraufbau eingesetzt und durch Engel und Wolken zu einem erscheinenden
Bildwerk gemacht. [41]
Kunstqualität:
Sammlerbilder
Das Problem des Status des
religiösen Bildes fand eine interessante Fortsetzung in der Madonna mit
Kind, umgeben von einer Blumengirlande. Jan Brueghel d.Ä. arbeitete
für diese Bilder mit den Malern Hendrik van Balen und Peter Paul Rubens
zusammen. Allem Anschein nach ging die Idee zu diesem neuen ikonographischen Typ
auf Kardinal Federico Borromeo, den Erzbischof von Mailand, zurück, der bei
der neuen Konzeption in S. Maria in Vallicella mit beteiligt war. Rubens hatte
seine erste Fassung (Abb. 7) mit nach Antwerpen genommen und über dem Grab
seiner Mutter in der St. Michaelskirche aufgestellt. Gegen Ende 1607 muß
Federico Borromeo an Jan Brueghel, den er seit der Tätigkeit in Mailand
1596 kannte, Anweisungen geliefert haben, wahrscheinlich für die "Madonna
in einer Blumengirlande", die sich heute in der Ambrosiana in Mailand befindet
und gleichzeitig wie das große "Bukett in der Glasvase" bestellt
wurde. [42] Die Halbfigur der Madonna mit Kind in einer Landschaft wurde
von Hendrik van Balen auf eine ovale silberne Platte gemalt und diese in die
Kupferplatte eingesetzt und von einem schmalen silbernen Rahmen umgeben.
Brueghels ovale Blumengirlande funktioniert wie ein zweiter Rahmen. Von
Bedeutung ist, daß dieses kleine Bild für die Bildersammlung des
Kardinals, die quadreria, bestimmt war, die 1618 zur Pinacoteca
Ambrosiana wurde. Dies zeigt vielleicht das Problem auf, für das hier eine
Lösung vorgelegt wurde: Wie läßt sich ein Bild, das formal die
Montage des Bildtabernakels wiederholt, in einen Sammlungskontext einbringen?
Die Anweisung von Borromeo zielte darauf, diesen Kontext durch die Montage des
Madonnenbildes in ein Bild bereits darzustellen. [43] Mit Rubens
wiederholte Jan Brueghel d.Ä. wahrscheinlich 1617 für Kardinal
Borromeo eine "Madonna in einer Blumengirlande", und um 1620 entstand die
große Version in München (Abb. 8). Die späteren Versionen
unterscheiden sich von der ersten dadurch, daß die Einsetzung der
Madonnenbilder in die Girlande fingiert ist.
In
den Darstellungen der Bildergalerien, Kabinette und Kunstkammern tauchte die
Madonna in der Blumengirlande sofort auf. Rubens und Jan Brueghel d.Ä.
stellten in der "Allegorie des Sehsinns" von 1617 im Prado einen vielfach
vergrößerten Abkömmling der Fassung im Louvre in den
Vordergrund. Auf den Rahmen hat sich der Papagei der Madonna und der
Imitatio niedergelassen. Hinter diesem Bild steht ein weiteres, von dem
das sichtbare obere Drittel teilweise von einem Vorhang verdeckt ist. Darauf
sind ein senkrechter Lichtstrahl aus dem Himmel und schwebende Engel zu
erkennen, woraus sich auf eine Verkündigung an die Hirten schließen
läßt. Sie ist auf das davorstehende Madonnenbild bezogen, denn ein
großer Engel mit einem Schriftband scheint unmittelbar über der
oberen Rahmenleiste des Madonnenbildes aus der Bildfläche nach vorn zu
kommen. Die Allegorie des Gesichts oder des Sehsinns formuliert das Problem des
Sehens mehrfach mit Bildern im Bild und mit verschiedenen Realitätsstufen.
Zugleich stellt sie das Problem der Integration der "Madonna in der
Blumengirlande", die von einem Bild als religiöses Werk ausgezeichnet und
kommentiert wird, in den Kontext einer Sammlung. Das Madonnenbild, das mit
profanen Werken oder dem Flügelaltar aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts
auf dem Boden steht, hat seinen Platz in der Sammlung noch nicht
gefunden. [44] In Frans Franckens II. "Kabinett eines Kunstliebhabers
mit eselsköpfigen Ikonoklasten" von 1619 (Abb. 9) ist das Madonnenbild in
die Sammlung integriert, an die Wand gehängt inmitten von Landschaften.
Francken demonstriert mit diesem Kunstkabinett, daß das, was die
eselhaften Ikonoklasten zu zerschlagen trachten, unter den Begriff der
Kostbarkeiten aus dem Reich der Natur und der Kunst fällt, die der
Wertschätzung und des Bewahrens würdig
sind.
Der Kunsthandel und die Kabinette der
Kunstliebhaber machten die Unterscheidung zwischen sakralen und profanen Bildern
zunichte, auf der die katholische Verteidigung des Bilderkults beruhte. Diese
Scheidung konnten die Kunsthändler und die Sammler durch ihre Ausrichtung
auf die Kunst und die Kunstwerke berühmter Künstler erfolgreich
unterlaufen. Sie setzten sowohl die Trennung zwischen dem dargestellten Thema
und den künstlerischen Qualitäten durch wie auch die Anerkennung von
Kunstwerken unterschiedlicher Herkunft. Willem van Haecht propagierte in seinem
um 1630 geschaffenen "Atelier des Apelles" das universale Nachwirken des
berühmtesten Künstlers der Antike. Er plazierte Apelles, der im
Beisein von Alexander dem Großen dessen Geliebte Kampaspe malt,
anachronistisch inmitten einer imaginierten idealen Bildergalerie. Van Haecht
konfrontierte damit das entstehende Werk mit der Sammlung aus zahlreichen
italienischen, niederländischen, flämischen und deutschen Bildern aus
dem 16. und dem 17. Jahrhundert. An den Wänden sind die Werke der
zahlreichen Nachfolger des Apelles ausgebreitet. Bemerkenswert ist, daß
van Haecht in der Berufung auf Apelles die nordischen Werke als gleichwertig mit
den italienischen darstellte und damit die Strategie von Carel van Mander
einhielt, der 1604 als nordischer Vasari erstmals die Gleichwertigkeit der
niederländischen und deutschen Malerei mit der italienischen propagiert
hatte. Noch vor den rudolfinischen Künstlern, war Hans Holbein der erste
"Kronzeuge", von dem van Mander behauptete, er sei nicht in Italien
gewesen. [45] Diese Behauptung diente van Mander für die Absetzung
des Nordens gegenüber Italien, denn damit konnte er auf die Frage nach der
Herkunft der schönen Malweise des hochberühmten Malers aus dem
felsigen wüsten Schweizerland Italien ausscheiden. Dies entspricht der
Hauptintention van Manders, in Konkurrenz zu Vasaris "Vite" den
unabhängigen Rang der nordischen und besonders der flämischen Malerei
gegenüber der italienischen zu erweisen. Von den rudolfinischen
Hofkünstlern Bartholomäus Spranger, Hans von Aachen und Georg
Hoefnagel behauptete van Mander, sie hätten während ihres Aufenthalts
in Italien nichts von den dortigen Künstlern gelernt, seien aber von
italienischen Mäzenen ebenso geschätzt worden wie die einheimischen
Konkurrenten. [46] Zu Holbein führte van Mander eine von Hendrick
Goltzius überlieferte Äußerung des Federico Zuccaro an, nach der
die Triumphzüge des Reichtums und der Armut im Londoner Stahlhof höher
stünden als die Werke Raffaels. [47] Darin fand van Mander sein
triumphales Argument: Nach dem Urteil eines italienischen Malers hatte Holbein
den besten Künstler Italiens übertroffen, obwohl er nie in Italien
war.
Die Strategie van Manders schien in den
Galerien und Kabinetten nördlich der Alpen aufzugehen, wo die
holländische und flämische Malerei der italienischen starke Konkurrenz
machte. Rubens betrieb mit seiner Werkstatt und der kontrollierten Reproduktion
von Antwerpen aus eine europäische Verbreitung seiner Werke. Dennoch blieb
Rom in den ersten zwei Dritteln des 17. Jahrhunderts die Hauptstadt der Kunst.
Die Künstler strömten dorthin, bildeten in Rom Kolonien nach den
Herkunftsländern und versuchten, sich im römischen Kunstbetrieb zu
behaupten oder die auswärtigen Kunden von Rom aus zu
beliefern. [48] Gegen den Siegeszug der italienischen Malerei in der
ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts kamen jedoch die Erzeugnisse der
nördlichen Schulen nicht an, wo immer sie hergestellt wurden. Im zweiten
und dritten Jahrzehnt beherrschte die Manier Caravaggios weitgehend die
europäische Produktion der Malerei. [49] Konkurrenz bei den
Sammlern erwuchs dieser Strömung durch die mit römischen Arbeiten
legitimierte bolognesische Schule der Carracci, des Guido Reni, des Domenichino
und des Guercino. [50] Diese Ausstrahlung Roms im 17. Jahrhundert und
die Prädominanz der italienischen Kunst bei den Sammlern, die erst durch
die neue Aufgabe der fürstlichen Residenz um 1670 eingeschränkt wurde,
sind durch zahlreiche Untersuchungen weitgehend bekannt
gemacht. [51]
Weniger offensichtlich und
daher noch kaum untersucht ist der in Rom neu entwickelte höchst
erfolgreiche Typus des religiösen Sammlerbildes. Noch bevor Federico
Borromeo seine Ideen zur Madonna in einer Blumengirlande von Jan Brueghel
d.Ä. in Antwerpen ausführen ließ, erneuerte Caravaggio als
Protagonist das Historienbild in Halbfigur mit religiösem Sujet für
die Kunstsammlung. Gestützt auf das aktuelle flämische Genrebild und
das venezianische Andachtsbild des 15. Jahrhunderts malte Caravaggio zu Beginn
des 17. Jahrhunderts in Rom für Sammler wie Ciriaco Mattei querformatige
Historien mit Halbfiguren wie "Christus in Emmaus". [52] Die Verwendung
als Galeriebild erlaubte, Christus und seine Jünger als gewöhnliche
Personen darzustellen und das heilige Thema als Tischszene aufzufassen. Die
Halbfiguren ermöglichten ohne riesiges Format die Darstellung der Figuren
in Lebensgröße mit der Konzentration auf die Physiognomien und
Gesten. Caravaggios Vorschlag des religiös-profanen Sammlerbildes unter
Einhaltung des in den Sammlungen bevorzugten Querformats fand sofortige
vielfältige Nachahmung und Verbreitung durch Guercino, Valentin de
Boulogne, Giovanni Serodine, Pietro da Cortona und
andere.