DOKUMENTATION | Ausstellungen: 1648 - Krieg und Frieden in Europa | |
Textbände > Bd. II: Kunst und Kultur |
IVAN MUCHKA Sammlung und Ausstattung des Wallensteinpalais in Prag |
Die Frage nach einer grundlegenden Untersuchung der Sammlungen und Gegenstände - oder im Sinne des damaligen Vokabulars der Mobilien -, die sich in Wallensteins Palästen und Residenzen befanden, geriet bislang noch nicht in den Blick der Forschung.
Ähnlich wie die Prager Sammlungen Rudolfs II. waren auch die
Wallensteinschen Kunstschätze von einer Reihe von Konfiskationen und
Kriegsplünderungen betroffen. Die Aufgabe, die Gestalt dieser Sammlungen zu
rekonstruieren, wird ein langwieriges Suchen nach Objekten oder ganzen
Sammlungen erfordern, die in den Quellen oft nur flüchtig oder in anderen
Zusammenhängen erwähnt
werden. [1]
Dieser Beitrag beschränkt
sich auf die Sammlugen des Wallensteinpalais in Prag, so sie in dem vom 6.-9.
März 1634, unmittelbar nach Wallensteins Exekution in Eger am 25. Februar,
erstellten sogenannte Konfiskationsinventar erscheinen. Die Autoren dieses
Inventars waren zwei kaiserliche Kommissare, Johann Opitz von Ehrenstein und
Marco Ciocci (Ciocca), Agenten der Böhmischen Kammer. Das Inventar ist eine
faszinierende, aber leider auch die einzige schriftliche Quelle, die bei Fragen
nach Wallensteins Verhältnis zur bildenden Kunst und über seinen
Geschmack, seinen persönlichen Anteil beim Kauf von Kunstwerken und an
seinen Bauvorhaben Auskunft geben kann. Zugleich ist das Inventar ein wertvolles
Zeugnis des kulturhistorischen Klimas der Zeit. [2] In Zukunft wird es
notwendig sein, den Umständen und der konkreten Situation seiner Entstehung
weiter Aufmerksamkeit zu widmen und eine gründliche Analyse dieses
Dokuments vorzunehmen.
In den Tagen zwischen der
Exekution und dem 6. März besuchte angeblich auch der Oberst Walmerode das
Wallensteinpalais mit Soldaten, um hier nach Wallensteins Schatz zu
suchen. [3] Im Inventar selbst finden wir die Angabe, daß einige
Räume und Möbelstücke durch die Kommissare des Oberstleutnant
Suys versiegelt wurden -
"von Baron de Suys verordneten Commissarien
verpetschiert". [4]
Das
Inventar ist ziemlich ausführlich und erfaßt den ganzen Baukomplex:
Die Beschreibung geht vom Palast über den Edelknabenhof bis zur Reitschule
und dann zurück durch die Reitställe zum Haupttrakt mit den
Kellerräumen und zum Nachbarhaus Johann von Feld, wo sich die Küche
befand. Das Inventar endet mit einem Verzeichnis des Gartens,
einschließlich des Gärtnerzimmers neben dem Edelknabenhof. Trotz des
großen Umfangs und der Angabe im Titel, es handle sich um ein
"Inventarium aller Mobilia
...",
bestehen weiterhin Zweifel an der Vollständigkeit des
Inventars. [5]
Neben Wallenstein, seiner
Ehefrau Isabella von Harrach, seinem Cousin Maximilian Graf von Wallenstein und
dessen Ehefrau Katharina von Harrach (Schwester von Wallensteins Ehefrau)
hielten sich gelegentlich auch weitere Personen auf, die im Inventar
erwähnt werden und zu Wallensteins
"Hofstaat" gehörten: Graf Paul von Liechtenstein, der oberste Hofmeister [6],
Obrist Philip Friedrich Breuner, der oberste Waffenmeister [7], Graf von
Dietrichstein, der oberste Kammerherr [8] - der im Inventar
erwähnte Herr Sitt wird wohl Johann Caspar Sitt von Arnau auf Streittburgk
gewesen sein, Prager Bürger und Wallensteins Kammerrat, der damals für
die Residenz in Gitschin verantwortlich war. Die Namen der in anderen Funktionen
erwähnten Personen kennen wir nicht:
"Edelknabenhofmeister",
"Praecepter
der Edelknaben",
"Zahlmeister",
"Truchsas".
Mittelbar erfahren wir jedoch weitere Namen: des Verwalters
("Wirth")
Paul Schwertner, des
"Bauschreibers"
Mattes Florye vom Lambstein und des Gärtners
("Ziergärtner")
Hans Wobott. Die Identität des Herrn von Ausche und der Herrn Antoni,
Kammerherren der Isabella Harrach, können wir nicht feststellen. Bei der
Analyse der historischen Sammlungen ist besonders der Obrist Breuner von
Interesse, unter dessen Namen wir eine hohe Anzahl von Gewehren - 115 Stück
- und einige Rüstungsstücke finden. [9] Da die Anlage des
Palastes in späteren Jahrhunderten nur wenig verändert wurde, kann man
die Angaben des Inventars mit dem Grundriß des Baues
"synchronisieren". [10]
Das Inventar wurde unter Berücksichtigung einer gewissen Hierarchie und der
Funktionsbestimmung einzelner Räume konzipiert, ohne daß diese
Bestimmung mit der jeweiligen aktuellen Nutzung der Räume
übereinstimmte; so sprach man z.B. von Schlafzimmer der Herzogin, obwohl
sich dort kein Bett befand. Einige Räume wurden ausgelassen - es gab hier
wohl keine bemerkenswerten Gegenstände (dies betrifft sogar den Hauptsaal,
den oberen sogenannten Astrologischen Gang, das Oratorium der Herzogin u.a.).
Die Autoren des Inventars wußten Bescheid - oder wurden durch jemanden
informiert - wie der Palast bewohnt war, und bauten das Inventar entsprechend
auf. Sie fingen mit den Repräsentationsräumen an, dann kam
Wallensteins Wohnung, die Wohnung seiner Frau ein Stockwerk höher, die
Wohnung des Grafen Maximilian wiederum im 1. Stock, dann die Wohnung seiner
Ehefrau im zweiten Stock und die Wohnung von Wallensteins Tochter Elisabeth,
ebenfalls im zweiten Stock. Das Inventar fährt fort mit der Beschreibung
des dritten Stocks, da sich dort einige Räume befanden, die durch vertikale
Verbindungen mit den Appartements beider Damen verbunden waren. [11]
Dort befanden sich insgesamt sieben Räume. Weiter ging es mit den vier
Flügeln des Edelknabenhofes. Den letzten Teil des Areals an der Ostseite
bildete die Reitschule. Das Inventar bewegt sich danach wieder zurück unter
die Edelknabenräume, wo sich zwei kleinere Pferdeställe befanden und
ein Raum, den wir in Analogie zur Prager Burg als
"Sattelkammer"
bezeichnen könnten. Dann kommt der große Pferdestall und wiederum
Wohngebäude, diesmal auf der Ebene des Grund- und Kellergeschosses. Unter
Wallensteins Wohnung befand sich seine Garderobe
"Unterstätte
Quarderoba"
und das Bad
"Badstuben",
die Küche lag im benachbarten Haus des Johann von Feld. Im Inventar
schließen sich an: die
"loggia",
Grotten, Brunnen und Statuen im Garten, der Gärtnerraum und
"Gschierrhof"
für die Kutschen.
Nach diesen einleitenden
Bemerkungen wollen wir uns - gruppenweise - den Kunstgegenständen zuwenden,
die sich im Wallensteinpalais zur Zeit der Konfiskation
befanden.
Gemälde
Als
offizielle, politisch motivierte Bildausschmückung kann man die Portraits
der Politiker bezeichnen, mit denen das Inventar beginnt. Im Ritterraum
"Herzogs
Ritterstuben"
waren es
"Ihr kays.
May. und Kayserin ganz
Contrefait",
also Ganzfigurenportraits Ferdinands II. und seiner Frau. Der hierarchischen
Logik entsprechend folgt in der
"Anti-Kammer"
(dem Vorzimmer) der
"königl.
May. und Königin ganz
Contrefait",
also Portraits Ferdinands III., Sohn des Kaisers, und seiner Frau. Diese
hierarchische Reihenfolge wiederholt sich im Nordflügel, in den
Wallensteins Arbeitszimmer vorangehenden Räumen, die man von der
Haupttreppe erreicht. Hier gab es jedoch nur Halbfigurenbildnisse,
"... halbe
Contrefait".
Dies entspricht der geringeren Bedeutung dieser zweiten Zugangsachse zur Wohnung
des Herzogs und auch der Tatsache, daß diese Innenräume kleiner sind
als diejenigen im gegenüberliegenden südlichen Flügel (mit der
Haupt- und Repräsentationsachse).
Einige
weitere Portraits werden noch im Appartement von Wallensteins Frau erwähnt
- im Audienzzimmer sind es Bildnisse des spanischen Königs Philipps IV.,
des Erzherzogs Leopold und seiner Frau, des anderen Erzherzogs Leopold,
Erzbischof von Passau und der Töchter des Kaisers Ferdinand II., wohl Maria
Anna (1610-1665) und Cäcilie (1611-1644). Die Autoren des Inventars
bezeichnen diese als Ganzfigurenportraits, so daß das Zimmer mit den
Maßen 7,3 x 16,6 m, vier Fenstern und vier Türen ziemlich dicht
gefüllt gewesen sein muß. Auch hier können wir von einer
politisch motivierten Bildinstallation sprechen, da diese Persönlichkeiten
weniger wichtig waren, als diejenigen im ersten Stock. In dem mit dem
Schlafzimmer der Herzogin verbundenen Raum wird noch ein Bild der Jungfrau Maria
erwähnt. Im Palast sind heute noch einige Portraits erhalten,
einschließlich der idealisierten Bildnisse von Wallensteins Vorfahren. Es
ist wahrscheinlich, daß das Portrait Ferdinands III. mit dem Bild
identisch ist, das in Wallensteins Wohnung verzeichnet
ist.
Ein antikisierendes Programm, am deutlichsten
erkennbar bei den Statuen für den Garten, kam wohl auch in den Interieurs
zur Geltung. In den ersten zwei Räumen der Repräsentationsachse werden
im Inventar Gruppen von jeweils zwölf Gemälden
"Heidnischer Kaiser Contrfait, Heidnischer Kaiserin
Contrfait" aufgelistet. Aus dieser Anbringung ergeben sich zwei Fakten. Einerseits
mußten die Bilder auf den Tapisserien hängen, andererseits
mußte ihre Größe ziemlich begenzt sein - vielleicht handelte
sich nur um Köpfe oder Brustbilder. So eine Serie römischer Kaiser und
Kaiserinnen muß einen Grund gehabt haben. Die Idee der Kaisersäle und
-zimmer, später ein unverzichtbarer Bestandteil von Barockschlössern
und -klöstern, ist hier bereits präsent, und zwar in den zentralen
Repräsentationsräumen. Ein anderes Bild mit
"heidnischer" Thematik finden wir noch in der Wohnung der Gräfin. Auch die dritte
größte Bildergruppe, die das Inventar bezeichnet, muß nicht,
könnte aber mit dem künstlerischen Programm der
Palastausschmückung übereinstimmen. Ihre Anbringung im Arbeitszimmer
(14 Stück) und dem benachbarten Schlafzimmer des Herzogs (8 Stück)
könnte bedeuten, daß es sich hier um militärische Szenen
handelte, Darstellungen einzelner Schlachten des Dreißigjährigen
Krieges. [12] Eine solche Serie ist aus der Harrachschen
Gemäldegalerie im Schloß Rohrau bei Wien bekannt. Die
großformatigen Bilder, Pieter Snayers (1592-1667) zugeschrieben, stellen
laut den Inschriften oben in der Mitte des Himmels Schlachtfelder des
Böhmischen Krieges dar -
"Pisec en Boheme 1619",
"Horn 1619", "Wienn 1619", "Prachatitz
en Boheme 1620" und "prespurg
en Ongrie 1621". Zur Schlacht bei Pisek zwischen dem kaiserlichen Heer und der
Armee der Stände kam es am 26. August 1619, die Schlacht bei Wien dauerte
vom 27. bis zum 29. November 1619, die Schlacht bei Horn wurde am 13. September
1620 geschlagen (die Angabe am Bild ist wahrscheinlich unrichtig) und bei
Prachatitz wurde vom 18. bis 21 Oktober 1620 gekämpft. Der Feldzug nach
Preßburg fand im Juli 1621 statt. Die Bilder
Snayers', einschließlich des Reiterportraits Karl Bonaventura Buquoys, zu dieser
Zeit Befehlshaber des böhmischen Heeres, könnten vielleicht nach der
Heirat der Maria Catharina Gräfin von Buquoy mit Graf Carl Anton Harrach im
Jahre 1719 in die Harrachsche Sammlung gelangt sein. [13] Wenn wir
jedoch erwägen, daß sowohl Wallensteins Ehefrau Isabella (1601-1652)
als auch die Ehefrau des Grafen Maximilian von Wallenstein, Isabellas Schwester
Katharine aus dieser Adelsfamilie stammten, ist es natürlich, daß man
im Besitz dieser Familie eventuell auch Gegenstände Prager Herkunft finden
kann, wie es beim angeblichen Degen Wallensteins der Fall ist, der in Rohrau mit
der vielsagenden Inschrift
"Stachdegen
Wallensteins, gefunden auf dem Sarg von Isabella, Gräfin
Harrach"
bewahrt wird. An den auf den Gemäden dargestellten Schlachten nahmen sowohl
Buquoy als auch Wallenstein teil. Snayers schuf später auch Gemälde
mit Schlachtensiegen des Octavio Piccolomini, eines anderen kaiserlichen
Feldherren, von denen die monumentale
"Schlacht bei Thionville im Jahre 1639" in den Sammlungen des Schlosses Náchod
erhalten blieb.
Auf ganz unbekanntem Terrain
befinden wir uns bezüglich der Bildausschmückung des sogenannten
Hauptpferdestalls. Unter der Überschrift
"Im Hauptstall"
findet sich im Inventar nur eine einzige Eintragung:
"Eiserne Raffen 34 Stuck". Es
handelt sich um Raufen zum Füttern von Pferden, die im Palast jedoch nicht
erhalten sind. Sie gehörten in die Nischen, von denen im heutigen
Pferdestall nur einige zu sehen sind, weitere würden wohl in zugemauerten
Teilen zu finden sein. Die Gestalt der Raufen entnehmen wir drei, im Jahre 1654
entstandenen Zeichnungen des Pferdestalls. [14] Die erste Zeichnung ist
ein Aufriß der Südseite des Pferdestalls, der einem Joch des
Gewölbes entspricht. Die zweite zeigt den gleichen Abschnitt, aber als
Perspektivansicht, von einem erhöhten Punkt her gesehen. Die dritte
Zeichnung zeigt den Grundriß des Pferdestalls, die Einteilung der Nischen
ist deutlich sichtbar, sowie, daß sich die Pferdestände nur entlang
der Südseite befanden. Die Pläne des Pferdestalls sind zwar nur
zwanzig Jahre jünger als das Konfiskationsinventar. Trotzdem stehen wir
beim Versuch des Vergleichs beider Quellen vor einem Problem: Auf der
Perspektivzeichnung findet sich nämlich oberhalb der Nische ein
ländliches Bild eines Pferdes im profilierten Rahmen, und auch im
Aufriß ist oberhalb des Nische ein leeres Viereck eingezeichnet. Dazu
kommt noch das Zeugnis eines Palastbesuchers aus dem 70er Jahren des 17.
Jahrhunderts. Schottky zitiert das Werk des englischen Reisenden Edward Brown,
das im Jahre 1685 in Nürnberg erschien:
"[...]
obendrauf aber hängt das Gemälde von dem Pferde in
Lebensgröße, und sein Name und Vaterland geschrieben - Monte
d'Oro,
Belledonna, Espagnoletta, Masquerido oder das Allerliebste
[...]" [15]
Ein weiterer Besucher, Nicolaus Tessin, der Prag im Mai 1688 besucht
hatte [16], notierte zwar nichts zu der Ausschmückung des
Pferdestalls, was jedoch angesichts seines Berufs (Architekt) und des
bündigen Stils der Charakterisierung des Palastes nicht bedeuten muß,
daß es dort damals keine Gemälde gab. Wichtig ist jedoch Tessins
Bewertung der Architektur des Pferdestalls, wenn er sagt:
"Der Stall
ist sehr hoch undt schön
[...]" und
wo er u.a. berichtet, daß die Säulen zwischen den Pferdeständen
und die Muscheln aus braunem Marmor waren. [17] In dem Raum mit
Ausmaßen von 59 x 8,6 m gab es Pferdestände nur entlang der
Südseite und ihre Anzahl (34) entspricht genau dem Doppel der
Gewölbelünetten. Die Pferdestände waren also in ihrer Anordnung
mit der Architektur des Pferdestalls und mit der Gestaltung des
Stuckgewölbes eng verbunden. Nach dem Grundriß dominierte an der
kürzeren, östlichen Seite ein Kamin. Der Eingang war genau in der
Mitte der Südseite, durch deren Fenster der Raum auch genügend
beleuchtet war. Daß der schwedische Herrscher im Jahre 1654 für die
architektonische Gestalt des Pferdestalls ein solches Interesse zeigte, und
daß er die oben erwähnten Pläne anfertigen ließ, belegt
die Bedeutung dieser Anlage. Daß allerdings die Pferdeportraits nicht im
Inventar eingetragen sind, könnte damit zusammenhängen, daß der
Rahmen einen festen Bestandteil der Wand bildete oder daß es sich sogar um
Fresken handelte, ähnlich wie in der Kapelle oder im Astrologischen Gang.
Im Vergleich mit der Wirklichkeit sind die Pläne insofern ungenau, als die
Nischen in der zentralen Achse des jeweiligen Gewölbejochs angebracht sind
- es ist offensichtlich, daß in einem Joch jeweils zwei Nischen waren.
Deshalb ist es unklar, ob sich oberhalb jeder Nische ein Bild befand oder nur
eines pro Joch, was wahrscheinlicher ist. Dies würde eine Zahl von 17
Gemälden ergeben, wobei es natürlich auch Bilder auf der Nordseite
gegeben haben kann, so muß die Schätzung ihrer Anzahl hypothetisch
bleiben. Der englische Reisende spricht von Pferdebildnissen in
Lebensgröße, was die Vermutung unterstützt, daß je
Lünette des Gewölbes nur ein Bild gehängt war - dieses muß
jedoch wesentlich größer gewesen sein, als in den Zeichnungen des
schwedischen Künstlers
angegeben. [18]
Die Frage nach der
Inspirationsquelle für diese Portraitgalerie kann z.B. durch den Vergleich
mit der berühmten
"Sala dei
Cavalli" im
Palazzo del Te in Mantua beantwortet werden. Auch im Palast in Mantua werden
Pferde identifiziert.
"Battaglia,
Dario, Morel favorio, Glorioso
[...]". [19]
Angesichts des Bildthemas kann man hier mit Künstlern rechnen, die direkt
in Prag tätig waren. Es ist bekannt, daß die Prager Maler Ambrosius
Fritsch und Jan Schlemüller in Wallensteins Dienst standen; eine weitere
Persönlichkeit, die für diesen Auftrag in Frage kommt, ist
selbstverständlich Baccio Bianco, der wichtigste Maler des Palais. In jedem
Falle bedeutete dieser Portraitzyklus von Pferden in Mitteleuropa eine
eindrucksvolle typologische Neuerung, in deren Nachfolge später in den
böhmischen und mährischen Barockschlösser unzählige
Portraitzyklen von Tieren (Pferde, Hunde)
entstanden.
Das letzte Gemälde, das wir
erwähnen wollen, ist das Altarbild
"Ermordung
des Hl.
Wenzel" in
der Kapelle. Das Inventar begnügt sich mit der Bezeichnung
"Großer
Altar mit Bild 1
Stuck", so
daß nicht einmal das Gemälde mit der Verherrlichung des Hl. Wenzel im
Altaraufsatz verzeichnet ist, das sicher von Anfang an Bestandteil des Altars
war. Zdeněk Wirth schreibt das Bild dem Maler Schlemüller zu, der auch Maler des (nicht erhaltenen) Altarbildes der Kapelle in Gitschin war. [20] Der
stilistische Vergleich mit demFreskenzyklus des Hl. Wenzel in der Prager Kapelle
läßt darauf schließen, daß nicht Schlemüller,sondern
Baccio Bianco das Altarbild schuf. Sowohl der Typus der Hauptfigur als auch
deren Gewand sind in beiden Fällen identisch. Das hervorragende
künstlerische Niveau des Altars macht es möglich, Baccio Bianco eine
privilegierte Stellung in der Entwicklung der böhmischen Malerei
zuzusprechen. Daß der Herzog von Friedland auf die gleiche Weise wie der
dargestellte Heilige den Tod fand, bleibt tragischer Zufall: eine andere Szene
aus der Lergende des Hl. Wenzel kam für den Hochaltar nicht in
Frage.
Tapeten
Die
zahlenmäßig größte Gruppe unter den Mobilien das Palais
bildeten Ledertapeten, von denen sich die genaue Anzahl ermitteln
läßt. Wenn wir die irreführende Angabe von 171 Tapeten in der
"Junge
Herzogin
Ritterstuben"
eher als 17 plus 1 Stück
("Tapezery
klein und groß 17 + 1
Stuck")
lesen, kommen wir auf eine Gesamtzahl von 154 Tapeten im Palast. Sie
schmückten die meisten Räume der einzelnen Appartements, lediglich
gewirkte Wandteppiche aus den Niederlanden standen zu ihnen in
"Konkurrenz".
Der stereotype Eintrag aus dem Inventar
"Blau und
Goldt wenedische Lederne
tapezerey"
deutet an, daß es sich um gedruckte Ledertapeten handelte, vergoldet mit
blauem Hintergrund. Diese Farbigkeit mag in bezug zu den Wappenfarben der
Wallenstein stehen. Die einzige Ausnahme bildet das Schlafzimmer des Grafen
Maximilian, wo man von roter Farbe spricht. Dagegen sollte man aus Angabe
"wenedisch"
nicht voreilig auf die Herkunft der Tapeten schließen. Auf der Prager Burg
befanden sich damals Ledertapeten aus Flandern [21], und wir sind auch
über Tapeten spanischer Provenienz informiert. Das Inventar bietet hier
also nur ungenügende Anhaltspunkte, auch die Größe der Tapeten
ist unklar. Schon daß die Tapeten in das Inventar einbezogen wurden, zeugt
von ihrer Beweglichkeit. Daß sie jederzeit demontiert und leicht woanders
angebracht werden konnten, führte dazu, daß sie spurlos aus dem
Palast verschwanden. Trotzdem kann man aus den Angaben zu einzelnen Räumen
schließen, daß es sich nicht um die typischen, kleine quadratischen
oder länglichen Tapeten handeln konnte (mit dem Ausmaß von
ungefähr 1 Elle), wie man sie heute oft in Museen findet, denn sie
hätten die Wände nicht vollständig bedecken können. So hatte
z.B. Wallensteins Arbeitszimmer eine Wandlänge von 21 m (ohne Fenster und
Türen), wobei sich hier nur neun
"große"
Tapeten befanden. Wir können also vermuten, daß es sich um Streifen
handelte, deren Höhe der Raumhöhe bis zum Gesims oder zur Decke
entsprach, also ca. 4 m, und deren Breite etwa 2-2,5 m betrug. Diese Vermutung
wird durch die anderen Räume, in denen Tapeten hingen, bestätigt. Es
ist interessant, daß die Anzahl der Tapeten in Räumen, die sich
übereinander befinden, gleich war. Wenn das Inventar in einem Raum von
"großen
und kleinen"
Tapeten spricht, so war die Anzahl der kleinen Tapeten nur gering (1 oder 2),
und man kann sie sich z.B. oberhalb von Türen als Supraporten vorstellen.
Von der eindrucksvollen Anzahl von Ledertapeten, mit denen 16 große
Räume elegant und luxuriös ausgestattet waren, blieb in Prag praktisch
nichts erhalten. Das einzige Interieur, wo es noch heute Ledertapeten gibt - der
Rittersaal im ersten Stock -, war in Wallensteins Zeit mit Tapisserien
ausgeschmückt, und das heutige Arrangement der Ledertapeten stammt erst aus
der Zeit 1866-1867, als der Raum durch Petr Maixner ausgemalt
wurde. [22] Sie entstand durch Verbindung kleiner Rechtecke mit floralen
und zoomorphen Motiven. Die in den Hintergrund gedruckten Rauten könnten
jedoch früher eine andere Farbigkeit gehabt haben, möglicherweise
gehörten sie zur ursprünglichen Ausstattung. Auf jeden Fall ist die
Frage nach dem weiteren Schicksal der Wallensteinschen Tapeten eines der
dringlichen Forschungsdesiderate der
Zukunft.
Wandteppiche
Wollen
wir das bewegliche Gut des Prager Palastes analysieren, wird uns das
Konfiskationsinventar zum unersetzlichen, leider aber auch einzigen
Anhaltspunkt. Im Falle der Wandteppiche sollen gleich a priori die zu
eindeutigen und phantastischen Angaben über ihre Anzahl zurückgewiesen
werden. Die Angabe von J.
Blaková, die von 180 Wandteppichen im Palast spricht, kann auf keinerlei Weise belegt werden - schon wenn wir uns den Grundriß des Palais vor Augen stellen, ist
sie nicht realistisch. Die Tapisserien und Ledertapeten gehörten zur
Grundausstattung der Räume, ihre durchschnittliche Größe selbst
bestimmt schon die Menge, die im Palast ausgestellt werden
konnte.
Das Schicksal der Tapisserien wird in der
Literatur meist mit dem der berühmten Kunstsammlung Rudolfs II.
gleichgesetzt: das Palais wurde ebenso wie die Prager Burg durch die Soldaten
des schwedischen Generals Königsmarck geplündert (1648). Ähnlich
wie im Falle der rudolfinischen Sammlungen stehen wir hier vor dem gleichen
Gegensatz zwischen dem erhaltenen Inventar und dem leeren Gebäude. Im
Gegensatz zu den rudolfinischen Sammlungen wurde jedoch eine erneute
Rekonstruktion der Wallensteinschen Sammlungen nicht vorgenommen, obwohl, wie es
uns scheint, ein solcher Versuch nicht erfolglos ausgehen
muß.
Im Inventar werden die Wandteppiche
stereotyp als
"Gewürgte
Niederländisch
Tapezerey"
bezeichnet. Als weitere Angaben findet man:
"mit
unterschidtlich großen
Figuren"
(Rittersaal),
"mit
kleinen
Figuren"
(Vorzimmer),
"mit
Figuren"
(Raum neben dem fürstlichen Oratorium),
"große"
(Vorzimmer von Wallensteins Tochter), einige bleiben jedoch ohne nähere
Bestimmung (Räume oberhalb des Pferdestalls). Im ersten Stock wurden die
Wände des Rittersaals mit zehn Tapisserien bedeckt, im südlichen
Vorzimmer und im nördlichen Vorzimmer beim Treppenhaus vor Wallensteins
Privaträumen hingen jeweils sieben Stück. Wie im ersten Stock, wurden
sie auch im zweiten Geschoß im Vorzimmer der Wohnung von Wallensteins
Tochter angebracht. Die Angabe von
"gewirkten[n]
tapezerei, große = 58" für diesen Raum ist aber hoch. Vielleicht gab
es hier einen Fehler beim Umschreiben und die Angabe hätte, wie auch in
anderen Räumen, heißen sollen
"große
und kleine = 5 + 8". Die weitere Angabe
"schlechte
Tapezerei = 3" könnte auch andeuten, daß die Tapisserien während
der Abwesenheit der Palastbewohner nicht gehängt, sondern eingerollt und
gelagert waren. Im Rest des Inventars werden nur noch zweimal Wandteppiche
erwähnt, und zwar in den Räumen oberhalb des Pferdestalls (jeweils 5
Stück), also in Räumen, die zur Unterbringung prominenter Hofleute
oder Gäste dienten. Wenn wir die Inventarangaben zu Wandteppichen addieren,
erreichen wir 47 Stück. [23] Dieses Ergebnis unterscheidet sich
sehr von der durch J. Blaková
festgestellten Anzahl von 180 Stück (sie ist die einzige Forscherin, die
sich bisher mit diesem Thema beschäftigt hat). [24] Auch wenn wir
ihre Angaben ablehnen müssen, war Wallensteins Tapisseriensammlung bestimmt
großartig. Um so mehr freut uns, daß zumindest einige dieser
Tapisserien aufgefunden wurden, und es gibt Anlaß zu der Hoffnung,
daß auch in Zukunft wohl noch weitere identifiziert werden können,
vor allem in der Sammlung des schwedischen Generals Wrangel in Skokloster,
wohin, so wird vermutet, die Kriegsbeute überführt wurde. Von den dort
aufbewahrten Wandteppichen würden 17 Stück von der Datierung und dem
Thema her den Wallensteinschen entsprechen (Cyrus und Kroesus, Der Trojanische
Krieg, Alexander der Große). J.
Blaková
unternahm den Versuch, die Wallensteinschen Tapisserien aufgrund einer
historischen Fotografie des Vorzimmers im Südflügel zu identifizieren.
Als man vor kurzem ein komplettes Ensemble alter Aufnahmen des Palastes aus dem
Ende des 19. Jahrhunderts von Heinrich Eckert entdeckte, konnte die Anzahl der
identifizierten Tapisserien auf 9 Stück erhöht werden. Auch ihre
heutigen Ausstellungsort in den Schlössern Vertrusky und Libochovice konnte
man ermitteln.
Dem Charakter der Tapisserien, die,
um vor Kälte zu schützen, die Wände zusammenhängend bedecken
sollten, entsprach, daß sie meistens als mehrteilige Serien hergestellt
wurden. Unter den Wallensteinschen Tapisserien befanden sich auch Teile des
Decius Mus-Zyklus, einer Historie aus dem VIII. Buch der römischen
Geschichte des Titus Livius. Im Jahre 340 v. Chr., während des Krieges der
Römer mit den Latinern, hatten im Feldlager bei Capua die beiden
römischen Konsuln Titus Manlius und Decius Mus denselben Traum: Sie sahen
einen Mann von übermenschlicher Größe, der ihnen mitteilte,
daß das Heer gewinnen würde, dessen Führer in der Schlacht
getötet wird. Die Consuln fragten die Haruspices nach einer Prophezeiung.
Decius Mus wurde dann durch die Priester den unterirdischen Göttern und der
Göttin der Erde geweiht. In der Schlacht bei Veseris am Fuß des
Vesuvs starb Decius Mus, von den Pfeilen der Feinde durchbohrt. Die Kartons zu
der Serie wurden wohl 1616 von Peter Paul Rubens im Auftrag der Genueser Familie
Pallavicini geschaffen. Die ersten Wandteppiche nach diesen Kartons, die sich
heute in Liechtenstein befinden, wurden im Jahre 1618 in Brüssel gewirkt.
Rubens zeichnete insgesamt 8 Szenen, die auf verschiedene Weisen geändert,
verbunden oder geteilt werden konnten. Im Wallensteinpalais befanden sich zur
Zeit der o.g. Photoaufnahmen insgesamt 4 Szenen - die erste, in der Decius Mus
vor den Soldaten seinen Entschluß verkündet, sich für den Sieg
des Vaterlandes zu opfern (im Hauptsaal), dann die Szene, in der Decius Mus den
unterirdischen Göttern geweiht wird ein Teppich mit der Schlacht am
Fuße des Vesuvs und zuletzt ein kleiner Teil einer der weiteren Szenen (im
Vorzimmer).
Blaková, die nur die Szene der "Götterweihe"
identifizieren konnte, datierte sie in die Zeit um 1630 und nannte Antwerpen als
möglichen Entstehungsort.
Sollte es stimmen,
daß diese Tapisserien von Wallenstein selbst oder für ihn bestellt
worden waren, würden wir vor einer weiteren aus der Reihe von
"Wallenstein-Personifikationen"
stehen, die wir im Palast beobachten können - Wallenstein als Mars im
Hauptsaal und im Astronomischen Gang, als Neptun in der Sala Terrena oder
vermittels seiner Vornamen als Hl. Wenzel und Hl. Albrecht in der Kapelle und im
Oratorium. Das Thema des selbstlosen Feldherren, der sich für den Sieg des
Vaterlandes opfert, wirft ein neues Licht auf die widersprüchliche
Persönlichkeit Wallensteins, bei der das Spiel mit dem Tod und der Glaube
an Traumvisionen und Prophezeiungen wie die zwei Seiten einer Münze zum
rational kalkulierenden und rücksichtslosen Militär
gehören.
In Wallensteins Arbeitszimmer hingen
im 19. Jahrhundert wenigstens noch 2 Wandteppiche, von denen jedoch auf dem Foto
nur der auf der Westwand identifiziert werden kann. Dort ist das Urteil Salomos
dargestellt. Auf dem wohl in Brüssel um 1600 entstandenen Teppich sehen wir
Salomo und die beiden Frauen mit einem bereits älteren Kind, das der weise
König dessen wahrer Mutter zurückgibt (Kön. I, 3,16-28). Auch
dieses alttestamentliche Exempel weisen Entscheidens steht im Einklang mit dem
künstlerischen Programm des Palastes. Auch in diesem Falle handelt es sich
um ein erstrangiges Kunstwerk (heute auf dem Schloß in Libochovice), das
vom Geschmack des Bestellers zeugt, der, angesichts der hohen Preise, bereit
gewesen sein muß, große Summen in Wandteppiche zu investieren. Zum
Schluß wollen wir noch einmal zur Frage der Themen der Tapisserien an Hand
des Inventars zurückkehren. Das Inventar unterscheidet zwischen Tapisserien
"mit
großen
Figuren"
und jenen mit
"kleinen
Figuren"-
dies stimmt mit dem Unterschied zwischen älteren Wandteppichen aus der Zeit
um 1600, wo die Gestalten wirklich viel größer sind, und den
späteren, wie z.B. die Decius Mus-Serie, wo sich der Figurenkanon
wesentlich verkleinert hatte, überein. Diese Überlegung relativiert
auch die Angabe aus dem Rittersaal, wo die Figuren
"unterschiedlich
groß"
waren - in diesem Fall könnte es um zwei verschiedene Serien von
Wandteppichen unterschiedlichen Alters gehen. Die bündige Sprache der
kaiserlichen Kommissare ist natürlich weit entfernt von einer fachlichen
Beschreibung. Um so genauer sollten wir der Ausdrucksweise dieser einmaligen
Quelle
"zuhören".
Die Termini
"groß"
und
"klein"
werden vor allem bei Gemälden oder Tapeten verschiedenen Ausmaßes
verwandt. Es scheint aber, daß man bei den Tapisserien dachte, da sie
Gegenstände der
"darstellenden"
Kunst sind, müsse man den
"Inhalt"
und nicht nur die Ausmaße erwähnen. Die Angabe
"niederländisch"
stimmt mit unseren Befunden überein, obwohl man die Tatsache
berücksichtigen muß, daß der Begriff
"niederländisch"
in den Inventaren des 17. Jahrhunderts für Wandteppiche im allgemeinen
verwendet wurde, und nicht notwendigerweise ihre Herkunft
bezeichnet.
Ergänzend seien zwei Studien von
Wirth erwähnt [25], in denen er - leider ohne Quellenangabe -
schreibt, daß Wallenstein selbst seinen Agenten Hans de Witte im Jahre
1630 damit beauftragt hatte, für das Schloß Gitschin in den
Niederlanden Tapisserien zu bestellen, wobei er neben der Anzahl, Ausmaßen
und Lieferungsdatum auch ihr thematisches Programm erwähnt hatte:
"Historien".