DOKUMENTATION | Ausstellungen: 1648 - Krieg und Frieden in Europa |
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HARTMUT LAUFHÜTTE
Das Friedensfest in Nürnberg 1650 |
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Wir wissen von Friedensfesten an vielen Orten, doch von keinem so viel wie von den 1649 und 1650 in Nürnberg begangenen. Diese waren zwar auch die wohl bedeutendsten und
prächtigsten, aber das allein erklärt nicht ihre überaus reiche
Dokumentation in Schrift und Bild. Dafür gab es damals nirgends bessere
Voraussetzungen als in der nicht von ungefähr für die
Nachfolgeverhandlungen zum Friedensschluß von Münster und
Osnabrück [1] ausgewählten Stadt Nürnberg, die sich immer
noch mit Stolz die eigentliche Hauptstadt des Reiches nannte [2] und die
während des Krieges weder erobert, geplündert noch ganz oder teilweise
zerstört worden war. [3] Es gab in Nürnberg ein sehr
leistungsfähiges Druck- und Verlagsgewerbe mit entsprechend
vielfältiger Produktion von Zeitungen und Flugblättern. Diese
Industrie war durch den Krieg allenfalls behindert - durch Papierknappheit und
Absperrung oder Beschädigung von Absatzmärkten -, im wesentlichen aber
mit Anlässen und Themen beliefert und nie wirklich beschädigt
worden. [4] Ein Glücksfall kam hinzu: In Nürnberg war 1644 der
Pegnesische Blumenorden gegründet worden. Ihren Platz in der Geschichte der
deutschen Literatur verdankt diese Dichter-Gesellschaft der Tatsache, daß
sie, von Opitz angeregt, die alte lyrisch-epische Tradition der Hirtendichtung
zu der panegyrisch-utopischen Gebrauchsform entwickelt hat, als die sie
während des Jahrhunderts wirksam blieb. Zu deren konstitutiven Merkmalen
gehört von den alttestamentarischen und griechisch-römischen
Anfängen an die gegenbildliche Inszenierung des friedlich-idyllischen
Hirtendaseins gegenüber den meist unfriedlichen Realitäten der
jeweiligen Schreibgegenwart, die Neigung zu Friedens- und Paradiesutopik, zu
religiöser Wirklichkeitsdeutung. [5] Damit bestand eine
natürliche Affinität der Pegnitzschäfer zu Themen, wie sie der
Friedensschluß von 1648 und die Nürnberger Exekutionsverhandlungen
nahelegten. Glücksfall auch dies: Gelehrte Theologen wie Johannes Saubert
(1592-1646) [6] und Johann Michael Dilherr (1504-1669) [7], vor
allem aber der Ordensgründer selbst, der Patrizier, Universalgelehrte und
Großliterat Georg Philipp Harsdörffer (1607-1658) [8] trugen
dazu bei, daß die Neufunktionalisierung der alten bukolischen Genres im
Zeichen der Sinnbildfigurationen der Epoche, der Allegorese und der Emblematik,
erfolgte. Harsdörffer, der überdies der deutschen Literatur die damals
modernsten Tendenzen der Nachbarländer zu erschließen strebte, gelang
es, junge Literaten zu nach- und neuschaffender Produktivität zu
begeistern. So kam es, daß 1649 in Nürnberg die Techniken
ausgebildet, die Literaten vorhanden waren, die das Geschehen begleiten und der
Nachwelt überliefern, seinen festlichen Abschluß gar mitgestalten
konnten: Harsdörffer selbst, der wohl seit 1642 in Nürnberg lebende
Meißner Johann Klaj (1616-1656) [9] und, wichtigster von allen,
Sigmund Betulius, seit 1655 von Birken
(1626-1681). [10]
Die Verhandlungen
begannen im April 1649. Bis zum Abschluß im Juli 1650 ist viel gearbeitet
und viel gefeiert worden. Beides hat sich ausführlichst in unserer
Hauptquelle, dem 6. Band (1652) des "Theatrum Europaeum",
niedergeschlagen. [11] Wir können den Verlauf des Kongresses Tag
für Tag mit allen Mühseligkeiten, Krisen, Höhepunkten und
Ergebnissen rekonstruieren. Zahlreiche Dokumente sind wörtlich mitgeteilt.
Hauptkontrahenten waren die Bevollmächtigten des Kaisers und der Krone
Schwedens; doch die Vertreter der Reichsstände und Frankreichs hatten
ebenfalls mitzureden, auch spanische Interessen waren im Spiel. Die Materien
waren schwierig und konfliktträchtig. Es ging um die sukzessive und
allerseits ausgewogene Auflösung von Heereskontingenten, die Räumung
besetzter Plätze, Entschädigungen für die Preisgabe von
Faustpfändern, um die konkrete Ausführung in Münster und
Osnabrück nur formal beschlossener Problemlösungen. Mehrfach drohte
die Gefahr des Scheiterns.
Daß es nie zum
Äußersten kam, scheint auch an dem guten Einvernehmen gelegen zu
haben, das sich bald zwischen den Leitern der beiden wichtigsten Delegationen
ausbildete, dem zu Beginn der Nürnberger Verhandlungen erst
sechsundzwanzigjährigen Pfalzgrafen Karl Gustav von Pfalz-Zweibrücken
(1622-1660) - einem Neffen Gustav Adolfs, der, seit 1648 Generalissimus der
schwedischen Armee in Deutschland, seit 1649 schwedischer Kronprätendent
für den Fall eines kinderlosen Todes der Königin Christina war und
1654 wirklich als Karl X. Gustav König von Schweden wurde (Abb. 1) - und
dem damals fünfzigjährigen Octavio Piccolomini (1599-1656), seit 1639
Herzog von Amalfi, einem der ganz wenigen Offiziere, die schon die Schlacht am
Weißen Berg mitgeschlagen und das Kriegsende erlebt hatten und der,
ebenfalls seit 1648, im Range eines "General-Lieutenants" Generalissimus der
kaiserlichen Armeen war (Abb. 2). [12]
Den
beiden großen Festereignissen des Nürnberger Kongresses gingen
zahlreiche kleinere vorauf; sie gehören mit zum Gesamtbild. Zunächst
kam es offenbar sehr auf Demonstration und Repräsentation an: Die
schwedische Delegation - ihre Zusammensetzung ist ebenso exakt festgehalten wie
die der kaiserlichen - traf zwei Tage nach jener, am 24. April/4. Mai in
Nürnberg ein. [13] Drei Tage später begann die Arbeit der
Fachleute, und am 1./11. Mai machte Piccolomini, der zwar Ältere, doch dem
Stand nach Niedrigere, dem Pfalzgrafen einen
Höflichkeitsbesuch. [14] Aber erst bei der Gegenvisite des
Pfalzgrafen am 23. Juni/3. Juli scheint das Eis gebrochen zu sein: Fast eine
Stunde unterhielt man sich, und tags darauf erschienen Karl Gustav und Wrangel
überraschend bei einem Bankett Piccolominis und blieben bis
Mitternacht. [15] Am Dienstag, dem 3./13. Juli schließlich gab der
Pfalzgraf ein Bankett für Piccolomini und die beiden kaiserlichen
Verhandlungsführer, die Reichshofräte Blumenthal und Lindenspühr
sowie für alle hohen kaiserlichen und schwedischen Offiziere, das erst am
frühen Morgen endete. [16] Offenbar betrieb man beiderseits eine
Strategie gesprächsfördernden informellen Miteinanders, das Krisen
bewältigen half. Denn der Weg zum ersten irreversiblen Verhandlungserfolg
war mühsam; dieser wurde im Spätsommer 1649 noch zusätzlich
verzögert durch die Ersetzung des protestantischen Reichshofrats Blumenthal
durch Dr. Volmar und dessen Statusprobleme im Verhältnis zu Piccolomini,
ferner durch den Tod der Kaiserin Maria Leopoldina am 28. Juli/7. August
1649. [17] Bezeichnenderweise während des Wartens auf eine
Stellungnahme aus Wien, die eine Verhandlungsblockade beheben sollte, lud
Piccolomini zum 15./25. Juli fast alle Standespersonen beider Seiten zu einem
Bankett in einem Garten vor der Stadt. [18] Man blieb jenseits des
Offiziellen im Gespräch.
Der ersten
großen Friedensfeier ging die bis dahin schwerste Krise vorauf. Am Abend
des 18./28. August unterschrieben die Schweden und die Vertreter der
Reichsstände den endlich ausgehandelten Interimsrezeß. Statt der
Vollmacht, auf welche die Kaiserlichen warteten, kamen aus Wien Einwände
und Bedenken, worauf ein schwedisches Ultimatum erfolgte. Erst am 11./21.
September unterschrieben auch die
Kaiserlichen. [19]
Schon bei der darauf
folgenden ersten, von den Schweden ausgerichteten Friedensfeier wirkten die
Pegnitzschäfer mit. Kommentierend waren sie bereits früher in
Erscheinung getreten. [20] Den Anfang hatte am 6./16. Januar 1649, noch
vor Beginn des Kongresses, der junge Sigmund von Birken mit einer im Auditorium
des Augustiner-Klosters vorgetragenen Friedensrede gemacht, die er zusammen mit
einem thematisch einschlägigen Schäferspiel im Februar 1649 auch hatte
drucken lassen. [21] Sie gibt große Teile des motivischen, vor
allem aber des allegorisch-emblematischen Programms vor, mit welchem die
Beiträge der Pegnitzschäfer zu den Feiern und ihrer Darstellung
arbeiteten. Bei den Festlichkeiten anläßlich des Interimsrezesses war
Harsdörffer beteiligt.
Am Dienstag, dem 25.
September/5. Oktober 1649, gab der Pfalzgraf Karl Gustav im großen
Rathaussaal ein Festbankett. Die Darstellung des "Theatrum Europaeum", der
sicher aktuelle Berichte zugrunde gelegen haben, zitiert eingangs offenbar aus
dem Einladungsschreiben: "Derowegen / nach dem jetzo deß Herrn
Generalissimi Fürstl. Durchleucht den Münsterischen
Friedens=Schluß / durch beyderseits beliebten und unterschriebenen
Interims=Receß / werckstellig gemacht [...] und also den dreyssig
jährigen Krieg [...] geendet; haben sie entschlossen / denen gesampten
hochansehentlichen Herren Abgesandten zu dieser Handlung / ein Banquet oder
Friedens=Mahl anzurichten / und nechst schuldiger Dancksagung für solche
Göttliche Gnaden=Schenckung [...] hochbesagten Herren Gesandten
allermöglichste Ehre und Liebe zu erweisen / Sie wohlmeynend zu versichern
/ daß man auff Schwedischer Seiten begierigst / das Teutsche Reich in
friedlichen Wolstand [...] zu setzen / und in lang hergebrachter Freyheit zu
hinderlassen." [22]
Wir kennen alle 150
Teilnehmer, wissen, wie der Saal ausgeschmückt, die Bewirtung organisiert,
die Musik plaziert, die Tischordnung, die Choreographie der Platzeinnahme
eingerichtet war (Abb. 3). [23] Von Joachim von Sandrart stammt die
Darstellung des festlichen Ereignisses. [24] Auf der Grundlage eines
Satzes von Zeichnungen sind mehrere Teilszenen offensichtlich zunächst als
aktuelle Flugblätter, später, mehrfach nachgestochen, in verschiedenen
Publikationen verbreitet worden. [25] Auch über den Ablauf der
Veranstaltung, die mit dem Tedeum und anderer geistlicher Musik begann, sowie
über die Speisenfolge sind wir unterrichtet. [26] Zu den
"Gesundheiten", die zahlreich getrunken wurden, gab es feldmusikalische und
artilleristische Begleitung. [27] Auch blieb man feiernd nicht ganz
unter sich. Sigmund von Birken bringt das, trotz der poetischen Einkleidung,
realistisch zur Geltung:
"Es wurden auch [...] den
armen und bresthaften Leuten zween Ochsen geschlachtet / selbige unter sie mit
Brod und Trank ausgetheilet / und also jhnen auf offner Strassen ein freyer
Tisch angerichtet. Uber das / weil der Friede allgemein / und deswegen nit nur
dem höhern / sondern auch dem nidern Stande zum Nutzen und
Ergötzlichkeit gereichen solte / wurde in ein Fenster des Mahlsaals [...]
ein messinger Löw gesetzet / der in der einen Patten einen Oelzweig / in
der andern ein zerbrochenes Schwerd hielte / und aus seinem Rachen / in die
sechs Stunden lang / roten und weissen Wein unter das gemeine Stadt= und
Landvolk sprützete. Da ware ein Lust zu sehen / wie sich der Pöbel
hinzudrängete [...]. Es waren zwo Kufen gestellet / darein der Wein lauffen
/ und daraus er von männiglich geschöpfet werden solte. Die Begierde
eines jeden aber liesse nicht zu / daß einer nach dem andern
schöpfete [...]. Demnach kehreten sie die Kufen üm / stunden darauf /
hielten Hüte / Kannen / Töpffe / und was die Eilfertigkeit einem jeden
in die Hand gegeben / an Stangen / Furken / u.d.g. in die höhe und unter.
Es ware einer / der seinen Stiefel auszoge / und Wein damit auffienge. [...]
Vielen wurde jhr Gefäß / ehe sie es noch herab und zu Mund brachten /
aus Neid ümgestürtzt / also daß das meiste auf die Erde schosse
und verflosse. Etliche / denen es geworden / liefen damit nach Hause / liessen
die Kindheit davon trinken / daß das Alter davon sagen könde [...].
Andere die namen deß süssen Safftes soviel zu sich / daß sie es
auf der Stelle wieder musten von sich geben. [...] Die klügsten sahen
lieber andrer Torheiten zu / als daß sie solche mitmacheten." [28]
(Abb. 4)
Einige Kupferstiche geben diese Szene
recht anschaulich wieder; auch die erwähnten "klügsten" erscheinen im
Bild: im Vordergrund als Zuschauer, im Hintergrund an allen Fenstern des
Rathauses, auch des Festsaales, und eines benachbarten
Gebäudes. [29]
Birken aber
beläßt es nicht bei der Erzählung: "Inzwischen gabe es allerley
schöne Gespräche und Ausdeutungen hiervon. Einer sagete / das Blut /
das der leidige Krieg so lange Zeit [...] ausgesogen und =gesoffen / fange nun
wider an in Wein verwandelt / auß dessen todten Rachen zu fliessen. Andere
nenneten es den Wein der Freuden / nach dem Weinen / welchen die Friedenssonne
aus dem Trehnenregen gekochet. Etliche liessen sich dünken / sie sehen das
Bild des Wolstands vor sich / der aus seinen beyden Brüsten das
Friedenöl springen liesse / die neugebornen Jahre der Ruhe damit zu nehren
und zu säugen. Jhrer viele deuteten den rohten Wein auf die
neu=entbrennende Liebe der Hertzen / den weissen aber auf die
wiederblühende alte [...] Treu. Geister voll himlischer Gedanken
betrachteten hierbey der [Teutschen] Blutrote Schulden / welche dem Himmel
vormals die Kriegsrute in die Hand gegeben; und den weiss=reinen Vorsatz der
besserung / wodurch er wieder begütiget / das Land zu stäupen
abgelassen / und den Brunn seiner Gnaden / uns mit neuer Wolfart zu
überschütten /
eröffnet." [30]
Es ist
allegorisierendes oder gar emblematisierendes Denken, das sich in solchen
Deutungen niederschlägt. Es entspricht der Sinnbefrachtung vieler Elemente
der festlichen Inszenierung. Weil es selbstverständlich ist, erwähnen
die Beschreibungen nicht, daß im Nürnberger Rathausfenster
natürlich das Wappentier hockt, das den Geladenen wie den außen
Beglückten als Repräsentant der Friedensspenderin, der eigentlichen
Vermittlerin aller künftigen, im Vorgriff versinnbildlichten Segnungen vor
Augen gestellt wurde: der Krone Schwedens.
Auf
Demonstration und Wahrnehmung solcher Sinnbezüge war alles angelegt. Einige
Hinweise: Alle Berichte erwähnen die allegorisch-emblematischen Erfindungen
und Sinnspruch-Deklarationen, die bei den einzelnen Gängen des Festmahls
eine Rolle spielten. Den Sensibleren unter den Gästen wird derlei
Nachdenkliches gefallen, andere mögen es erlitten haben; jedenfalls zog die
Präsentation der "Schau-Trachten" die Mahlzeit beträchtlich in die
Länge. Bei Sigmund von Birken heißt
es:"Weil nun alle äusserliche Sinnen bey
diesem Freudenmahl ihre Ergötzlichkeit einnamen / als musten auch die
innerlichen und das Gemüt einen Theil an solcher Wollust haben. Zu dem Ende
wurden alsobald anfangs zwo Schautrachten mit aufgesetzet / mit deren Erfindung
der ädle Strefon [Harsdörffer] seiner Sinnen Kunstvermögen allen
Anschauenden verwunderlich gemacht. Die erste war ein Siegesbogen / gewidmet der
Einigkeit / welche oben auf stunde / in der einen Hand einen Zettel haltend /
worauf etliche Nulla [...] stunden / und mit dieser Schrifft auf der andern
Seiten:
UNUMQUE. NECESSE.
EST.
Eins ist nötig dieser Zeit
/
nemlich Fried und
Einigkeit.
In der andern Hand truge sie einen
Bienenkorb [...]. Unten zu jhren Füssen lage auf einer seiten die
Zweytracht todt / auf der andern der Sieg
schlaffend." [31]
Alle Bestandteile dieser
Komposition waren mit solchen Sinnsprüchen ausgestattet; die Berichte
zitieren sie alle. Ihr gemeinsames Thema: die Segnungen der Eintracht und des
aus ihr resultierenden Friedens.
Dem Thema der
endlich wiedergewonnenen Eintracht feiernd und beschwörend gewidmet ist
auch Harsdörffers zweite Erfindung: "Die andre Schautracht ware ein Berg /
sechseckigt und in drey Theile abgesondert, deren jedes auf eine von den dreyen
vereinigten Kronen deutete. Oben über stunden drey Nymfen / nach jedwedern
Theils Bedeutung in dero Heroldsfarben gekleidet / einen dreygewundenen Oelzweig
miteinander haltend / mit der Beyschrifft
[...]:
PAX. UNA. CORONIS. INNUMERIS.
POTIOR.
Diese schöne
Friedenskrone
ziert die höchste
Ehrenthrone." [32]
Der Ostteil des Berges
repräsentierte das Reich und trug oberhalb einer Fruchtlandschaft einen
Adler im Nest, in derselben eine Henne, die unter Weinstock und Feigenbaum
brütete. Der Nordteil, als Schnee- und Felsenlandschaft Schweden
vorstellend, zeigte einen Löwen, der auf Schild und Schwert lagerte, sowie
"deß streitbaren Gotteshelden Simsons Kinbacken", der bekanntlich
zunächst Waffe war und dann das rettende Quellwasser erschloß.
Frankreich schließlich erschien als Blumenlandschaft mit einem Hahn, der
wachsam auf einem Helm stand, und mit einem Ölzweig, der einem alten Stamm
eingepfropft war. Jeweils beide Motive eines Bergteils waren durch
Sinnsprüche von der Art des zitierten zu Emblemen gemacht. Die Abwandlung
eines Vergil-Motivs [33] erläuterte abschließend den Sinn des
Ganzen: "Ferner so bliessen aus diesem Berge drey Winde / als der Ost= Süd=
und Nordwind / ebenfalls auff die drey Cronen in gesetzter Ordnung absehend /
mit der Deutungsschrift:
IN. PACEM. CONSPIRANT.
UNDIQUE. VENTI.
Nun die Pfeilgeschwinde
Wind
in der Welt zu frieden
sind." [34]
Beide Dekorationen
verbildlichen die schon im Fest selbst symbolhaft zelebrierte Eintracht. Die
erste kontrastiert außerdem in Bild und Devisen die beiden Zustände,
Krieg und Frieden, deren rechte Ordnung der Interimsrezeß, wenn auch erst
vorläufig, wieder fixiert hatte. Die zweite verpflichtet die drei
Monarchien als ehemals wichtigste Kriegsgegner und nun Friedenspartner auf den
neuen Status, nicht zuletzt durch die biblische Herkunft der Mehrzahl der
verwendeten Motive. Daß Simsons Kinnbacken ins Spiel kommt, hat sowohl mit
Harsdörffers Absicht zu tun, den Gastgeber zu ehren - immer wieder ist
Gustav Adolf als Gottesheld bezeichnet und mit Simson verglichen worden -, als
auch mit der doppelten Funktionalisierbarkeit dieses
Requisits.
Die Vorgangsinszenierung insgesamt
tendierte zum emblematischen Gesamtkunstwerk, und entsprechend verfährt
Birkens Erzählung. Ein bezeichnendes Detail daraus: "Sonsten truge sich
hierbey etwas denkwürdiges zu / in dem nemlich / als etliche Pasteten /
darinn lebendiges Wild und Geflügel verschlossen / aufgetragen / und
folgends jhre Deckel aufgehoben wurden / eine Taube / aus deren einer fliegend /
sich alsobald auf das Bild der Eintracht / über der ersten Schautracht /
setzete. Jedermann hielte es für ein gutes Zeichen; weiln auch dazumal /
als der gerechte Himmel / über die Menschen erzürnet / die gantze Erde
überschwemmet hatte / eine Taube mit einem Oelblat zu den übrigen acht
Menschen in den Kasten wiederkehrend / den Frieden
verkündiget." [35]
Selbst wenn der Vergleich dieses zur
Inszenierung so herrlich passenden Zufallsereignisses mit der berühmten
Stelle aus Gen. 8,11 deutende Zutat des Erzählers sein sollte: Er fügt
sich in das Sinnspektrum, auf das alles Geplante bezogen
war.
Sinnbild war selbst der etwas burleske
Ausklang des Festes. Die anwesenden Befehlshaber verkleideten sich als einfache
Soldaten - Karl Gustav und Piccolomini als Hauptleute, Wrangel als Korporal,
Kurfürst Karl Ludwig von der Pfalz als Rottmeister usw. -, zogen so "in
schöner Ordnung" vom Rathaus auf die Burg, schossen dort die Kanonen ab,
und wurden, "als sie nun lang genug Soldaten gespielet", vom kaiserlichen
Obristen Ranft "schertzweiß abgedanket / und jhrer Dienste erlassen". Im
Spiel nahmen so die Verhandlungsleiter und ihre Militärexperten
einmütig das im Interimsrezeß vorfixierte gute Ende vorweg: die
Auflösung des noch vorhandenen Bedrohungspotentials, die neue
europäische Harmonie, die, wie sie erfahren hatten, so schwer zu erreichen
war.
Birken resümiert: "Es hätte mehr
nicht ersonnen werden können / diese wehrtesten Gäste zu ergetzen /
und ware keine Art der Lust / die allhier nicht genossen ward." Erkenntnis- und
Bestätigungslust sind mitgemeint. Die Denkenden unter den Feiernden
dürften Harsdörffers Arrangement verstanden haben, wußten sie
sich doch als Repräsentanten eingefügt in einen metaphysisch
verbürgten Sinnzusammenhang, auf den alles, auch das feiernde Handeln,
verwies und der sie verpflichtete.
Mit dem
"Friedensmahl" war dem Repräsentationsbedürfnis der schwedischen Seite
- wohl auch ihrem Anliegen, den endlich fixierten Ergebnisstatus feiernd seiner
Vorläufigkeit zu entheben und so den weiteren Verlauf zu präjudizieren
- offenbar noch nicht Genüge getan. Am übernächsten Tag, dem 27.
September/7. Oktober, ging es weiter mit "einem kostbaren Feuerwerk / welches
nechst der Stadt verbrennet wurde". Es blieb nicht das einzige. Was den
Armeefeuerwerkern dieser von pyrotechnischer Repräsentation faszinierten
Epoche möglich war, ist in den verschiedenen Berichten ausführlich
dargestellt. [36]
Der mit dem Fest
erstrebte Harmonisierungseffekt wurde erreicht: "Und nahme folgends die
Verträuligkeit in allerseits Gemütern so sehr zu / daß immer
einer den andern begastete / und sie darüm zanketen / welcher dem andern
grösser Ehr und Wolgefallen erweisen könde." [37]
Entsprechend
berichtet das "Theatrum Europaeum", daß gleich danach, am 4./14. und
5./15. Oktober, der Feldmarschall Wrangel "ein sehr köstliches Mahl /
Fewerwerck und Ringel=Rennen gehalten"; zu den Gästen gehörten der
Pfalzgraf Karl Gustav, Piccolomini, die Gesandten der Reichsstände und die
Offiziere beider Seiten, auch städtische Prominenz. Wieder kennen wir
Gästeliste und Sitzordnung, auch die - beträchtlichen - Kosten: 6.000
Reichstaler allein für die Bewirtung. Mit der Nachtruhe der
Bürgerschaft war es abermals nicht zum Besten bestellt: "Achtzehen
Stücke / ohne die Mörser / haben die gantze Nacht gespielt / und die
Gesundheit=Trüncke
accompagnirt." [38]
Dennoch tat man sich
schwer, besonders mit der Evakuierung der spanisch besetzten pfälzischen
Festung Frankenthal. Zeitweise war das gesamte Vertragswerk gefährdet.
Demonstrativ wurden Winterquartiere für Truppen bestellt, die längst
hätten entlassen sein sollen. Immerhin legten am 8./18. November die
Schweden ihren Entwurf für den Hauptabschluß vor. Doch die
Verhandlungen darüber brachten bis zum Jahresende außer der
Auslagerung einiger Probleme in die Zuständigkeit des nächsten
Reichstags keine Ergebnisse. [39] Um so lebhafter wurde um die
Weihnachts- und Neujahrszeit der gesellschaftliche
Verkehr. [40]
Unter ständigem Warten
auf Kuriere aus Wien und Madrid und mit z.T. neuen Unterhändlern - im
Januar 1650 wurde der Reichshofrat Lindenspür durch Johann Krane als
Hauptunterhändler neben Isaac Volmar ersetzt - gingen die Verhandlungen
langsam weiter. Ende März war endlich der erstrebte Hauptrezeß bis
auf formale Differenzen abgestimmt; nur die Einigung über Frankenthal stand
noch aus. [41] Selbst das "Valedictions=Banquet" des Feldmarschalls
Wrangel, der sich um sein Pommersches Generalgouvernement kümmern
mußte, am 5./15. März mit obligatem Feuerwerk, das freilich wegen
schlechten Wetters auf den 12./22. März verschoben werden mußte,
brachte keine Fortschritte in der schwierigen Frankenthal-Angelegenheit. Neue
Bewegung bewirkte erst Mitte Mai die Drohung des Pfalzgrafen, die schwedische
Delegation werde abreisen, d.h. die Verhandlungen abbrechen, wenn nicht
innerhalb von zwei Wochen eine Einigung erzielt werde. Zwar wurde der daraufhin
von den Kaiserlichen vorgelegte Entwurf am 3./13. Juni abgelehnt, doch nahm man
das Ultimatum zurück. [42]
Sicherlich
der Klimaverbesserung wegen gab die schwedische Seite unmittelbar danach, am
5./15. Juni, vor der Stadt ein vielbeschriebenes Gartenfest [43], ein
"Verträulichkeitsmahl". [44] Das diesmal besonders aufwendige
Feuerwerk mußte wegen abermals schlechten Wetters um einen Tag verschoben
werden. Es ist auf mehreren, auf einer Zeichnung basierenden Kupferstichen
abgebildet. [45] Zu Beginn verlief bei diesem Fest nicht alles
plangemäß. Es gab ein Scherzturnier, "in welchem sechs paar
Kübelreuter mit stumpffen Speeren zusammen renneten. Jhre Küraser
waren mit Heu dick=ausgefüllte Kleider / mit welchen sie von Fus auf
gewaffnet / als lauter Esopi und Bacchi zu Pferd sassen. An stat der Helme
hatten sie vermahlte Eimer oder Kübel auf / und gabe es in jedlichem Ritt
ein lustiges Gepurtzel. [...] Es wäre eine Lust zusehen gewesen / wann
nicht die Wolken aus Mißgunst jhre Wasserschläuche eröffnet /
einen starken Platzregen fast Eimerweiß herab gegossen / und also die
Zuseher wieder jhren Willen ins Bad geführt hetten." [46]
Gastmahl
und anschließender Tanz fanden in einer offenbar regendichten, mit
Laubwerk verkleideten Festhütte statt. Im Zentrum des Feuerwerks standen
die Illumination einer Statue des geharnischten Gastgebers und der Initialen der
Königin Christina, ein reich ausgestatteter, freilich pyrotechnisch
aufgeladener Konfekttisch und ein feuerspeiender Drache, der, an einer Laufleine
geführt, zu seinem Verderben einem Herkules mit feuriger Keule
entgegenfuhr: Demonstration der Überwindung des Krieges, der Wiederkehr des
Wohlstandes, Reklamation des Verdiensts an beidem für die eigene
Partei.
Gleich danach, am 9./19. Juni,
unterschrieben Schweden und Kaiserliche den Vergleich wegen Frankenthals und
behaupteten ihn gegen den Protest der Stände und eine Intervention des
französischen Bevollmächtigten. [47] Und am Sonntag nach
Trinitatis, am 16./26. Juni 1650, wurde endlich der Hauptrezeß auf der
Burg von Vertretern aller drei Kollegien kollationiert - von der Szene gibt es
Kupferstich-Darstellungen [48]; wir kennen die Namen aller Beteiligten -
und von diesen sowie vom Pfalzgrafen Karl Gustav und Piccolomini unterschrieben.
Wieder wurde gefeiert, im Rathaus, auf der Burg; Herolde verkündeten das
Ereignis feierlich in der Stadt. Geschossen wurde auch. Die Nürnberger
dürften während des Kongresses mehr Kanonendonner gehört haben
als im Krieg. [49] Vollendet war das Friedenswerk aber erst, als am 22.
Juni/ 2. Juli auch die Vereinbarung mit den Franzosen unterschrieben werden
konnte. Am darauffolgenden Sonntag, dem 23. Juni/3. Juli, wurde in Nürnberg
und auf dem Land ein allgemeines Dankfest gehalten. Mit dem offenen
Bestätigungsbrief des Kaisers vom 27. Juni/7. Juli 1650 war der
Abschluß definitiv
markiert. [50]
Zuletzt, am 4./14. Juli,
gab es ein Friedensfest, das alles Bisherige überbot. Es wurde als
multimediales Ereignis inszeniert, als ein barockes Gesamtkunstwerk, an welchem
die Feiernden mitwirkten. Die Geschlossenheit der Komposition verdient noch
heute Bewunderung. Diesmal war es ein Fest der Kaiserlichen. Piccolomini selbst
soll den Platz ausgesucht haben, den Schießplatz hinter St. Johannis
westlich vor der Stadt: Wieder war ja auch ein Feuerwerk geplant. [51]
Mehrere zeitgenössische Publikationen enthalten eine exakte Lageskizze,
Abbildungen und Beschreibungen aller Ein- und Vorrichtungen mit
Maßangaben. [52] Wir sind über alle Einzelheiten auch des
Festablaufs so genau unterrichtet, daß sich alles rekonstruieren
ließe. Abermals kennen wir alle Geladenen und die Sitzordnung beim
Bankett. Angesichts der Komplexität der Gesamtkomposition scheint der
Vorlauf von drei Wochen erstaunlich kurz. Ein Nürnberger Ratsherr war zur
Kooperation mit den kaiserlichen Organisatoren
bestellt. [53]
An den Schmalseiten des
langgestreckten Festplatzes wurden zwei hölzerne Gebäude errichtet.
Das erste war ein dreiteiliger Barackenbau mit einem höheren achteckigen,
überkuppelten Zentral- und zwei flacheren, langgestreckt viereckigen
Seitenteilen, der einen zum anderen Platzende hin offenen Halbkreis bildete.
"Jedwedere Baraque hatte eine Thür oder Pforte / mit einem Portal oben
darüber. Die zur Haupt=Baraque [...] war 15. Schuh breit / über
welcher sich Gerechtigkeit und Friede küsseten." [54] (Abb. 5) Das
sind Details eines Sinnbildprogramms, welches alle Zurüstungen und den
Ablauf des Festes beherrschte. Nur wenige Hinweise auf weitere Bestandteile der
Dekoration: Über der Hauptpforte standen noch, wappengeschmückt und
"mit einem dreyfachen Oliven=Krantz eingefangen" [55], die Fahnen des
Reichs, Schwedens und Frankreichs. Über den Portalen der beiden
Flügelgebäude "lagen gegen einander über ein Mann mit allerhand
Baurzeug / und ein anderer / der die Waffen zerbrach", sowie "zwo Jungfrauen /
eine ein Buch / die andere einen Zaum in der Hand haltend". Die beiden
Nebengebäude waren auf ihren Frontseiten mit Büsten der Römischen
Kaiser und den Wappen und Fahnen der Reichsstädte geschmückt; die acht
Säulen des Hauptgebäudes trugen Putten mit Fahnen und Wappen der acht
Kurfürsten. Auf der Kuppel stand ein zweiköpfiger Adler mit der
Kaiserkrone auf der Weltkugel, um die Kugel herum die Fahnen der übrigen
Reichsfürsten. Im Innern der Hütte waren die 16 Wappen der
kaiserlichen Erbländer angebracht, alles mit entsprechenden
Devisen. [56] Das Programm des Arrangements ist deutlich: Einigkeit der
bisher verfeindeten Monarchien, des vielgliedrigen Reiches, Einbindung desselben
in altverbürgte weltgeschichtliche Tradition; Dominanz des neugesicherten
Friedenszustandes und der Gesetzlichkeit, universale Geltung derselben unter der
Schutzherrschaft, dem Machtanspruch des
Reiches.
Am anderen Ende des Platzes hatten die
kaiserlichen Artilleriespezialisten ein "Brand=Castell oder Schloß"
errichtet. Eine der zahlreichen Beschreibungen teilt mit, und die Abbildungen
bestätigen, es habe über vier Ecktürme und ein quadratisches,
ebenfalls überkuppeltes Mittelgebäude verfügt. Die Bemalung der
äußeren Wände täuschte Quaderwerk vor. [57] Das
Gebäude, innen und außen mit einem komplizierten
Feuerwerksarrangement bestückt, war insgesamt wie mit allen Einzelheiten in
das allegorische Gesamtprogramm eingefügt als "Wohnung der Discordia /
welche in gestalt eines alten verhagerten RuntzelWeibs oben über die Porten
[...] gestellet wurde / in der rechten einen Blaßbalg / in der lincken
einen Feuerkocher haltend / und flatterten jhr an statt die Haare viel in
einander verwirrete Schlangen umb den Kopff herumb. Vnter dem Thor hatte seinen
Stand / der Gott deß Kriegs / mit einer so wütenden Postur /
daß es das Ansehen hatte / er wäre jetzt im Heraußlauffen / vnd
auffs neue abgeschickt [...] / den Frieden zu hindertreiben / massen er solches
mit dem blutdürstigen Schwert in der rechten / vnd dem Schild in der
lincken Hand bereits zu drohen
schiene." [58]
Zwischen den beiden
Gebäuden stand auf einem viereckigen Podest eine Säule mit einem Bild
des Friedens, der, mit einem Kranz von Früchten gekrönt, in der linken
Hand einen Palmzweig und in der rechten eine Lorbeerkrone trug. Das Podest
präsentierte ein vierständiges Sinnbild: Darstellungen der vier
Jahreszeiten und der jeweils zugehörigen, den Lebensunterhalt sichernden
Arbeiten. [59] (Abb. 6) So stand im Zentrum der Anlage eine symbolische
Verdichtung des Programms, das schon in Einrichtung und Ausstattung der
Gebäude kenntlich geworden war: der Feier des Friedenszustandes, des Sieges
über die Zwietracht, der Rückkehr gottgewollten,
naturgemäßen Lebens. Kein Zufall, daß die Allegorese in der
Darstellung der Bemühung um die ihrerseits symbolträchtigen
Nahrungsmittel Brot und Wein gipfelte.
Die
allegorische Komposition des Fest-Arrangements stammte diesmal von Sigmund von
Birken, der "nicht allein die Portale / Schauessen / Schilde / mit Sinnbildern
unnd Vberschrifften gleichsam redend / sondern auch bey dem vorstehenden
Freuden=Mahl mit etlichen Poetischen Auffzügen die HH. Gäste zu
belustigen [...] sich fertig gemacht". [60]
Tatsächlich
schloß erst sein Schauspiel alle Elemente des festlichen Arrangements zur
Einheitlichkeit eines Gesamtkunstwerks
zusammen.
Diesmal herrschte 'Kaiser'-Wetter. Mit
einem Ehrengeleit von fünfzig berittenen jungen Nürnberger Patriziern
gelangten nachmittags der Gastgeber und die anderen Mitglieder der kaiserlichen
Delegation zum Festplatz. [61] Es muß ein Triumphzug gewesen sein:
Bis zum Stadttor waren die Straßen "mit vielen schönen Festinen von
tausenderley Blumen / sampt allerhand Bildern in der mitten / auff das
herrlichste behangen / und die Häuser mit Fahnen / Bäumen und
Lauberhütten gezieret / auch die Wege vor der Stadt [...] mit
Spielkrämen / vnnd allerhand Eßwahren / gleich als auff einem
Jahrmarckt / auff das feyerlichste besetzet unnd bekleidet". [62]
Nach
der Ankunft auch der anderen Gäste, des Pfalzgrafen Karl Gustav, Wrangels
und vieler anderer, 123 insgesamt [63], und ausgiebiger Besichtigung
nahm man, gemäß subtiler Rangabstufung, in einer der drei Baracken
Platz. Nach dem Zeugnis der Kupferstich-Darstellungen stand ein Vielfaches
dieser Personenzahl zuschauend außerhalb der Platzabsperrungen. Zu jedem
der fünf Gänge des Festmahls "wurden viel unterschiedliche Schauessen
mit auffgetragen / alle mit rothen und weissen Taffetfähnlein [...]
bestecket / in welcher jedem ein zu dem Schau=Gericht schickliches Emblema oder
Sinnenbild geschrieben stunde." [64]
Der Erfinder dieses anstrengenden
Programms, Sigmund von Birken, benennt und beschreibt sie alle; sämtliche
Devisen sind uns bekannt. [65] Unverkennbar die Einbindung auch dieses
Details in die Gesamtthematik der Festkomposition, aber auch die Absicht, die
Schweden bzw. Harsdörffer zu
überbieten.
Abermals wurde fleißig
"Gesundheit" getrunken: auf die neue Einheit, den Kaiser, auf die Königin
und den König, auf andere Fürsten, die Reichskollegien und so hinab
bis zu den tapferen Soldaten des beendigten Krieges. Der geplünderten
Städter und geschundenen Bauern scheint nicht gedacht worden zu sein. Jede
Gesundheit wurde von einer gewaltigen Feldmusik begleitet, und eine kleine, beim
Festgebäude plazierte Kanone gab zwei um das Castell herum und auf dem
stadtseitigen Pegnitzufer plazierten Batterien das Stichwort zu
korrespondierendem Donner. [66]
Das
Schauspiel, der Mittel- und Höhepunkt, kam nach der Mahlzeit als
Überraschung. Ein wie ein Wald bemaltes Zelt schob sich von außen her
vor den Mittelteil des Festgebäudes. Dort öffnete es sich, "vnd
liessen sich alsobald darhinder [...] sehen etliche Personen / die stunden mit
vnverwandten Augen vnd Leibern / als wären es Bilder; vnd diese
Vorbildungen wurden durch Auff= und Zuziehung deß Vorhangs mit
unterschiedlichen Posturen oder Stellungen vor jedem Auffzug einmahl oder vier
abgewechselt." [67]
Lebende Bilder waren schon damals beliebt; sie
dürften den Zuschauern mythologische Konfigurationen zu naheliegender
Allegorese angeboten haben. Die drei Aufzüge, die Sigmund von Birken
für diesen Anlaß geschrieben hat und die mit dem Titel "Teutscher
KriegsAb= und FriedensEinzug" sogleich gedruckt und noch 1650 mindestens dreimal
illegal nachgedruckt wurden [68], bieten, anders als alle anderen Dramen
Birkens, keine kontinuierliche Spielhandlung, sondern drei selbständige
allegorische Spiegelungen der Kriegs- und Friedensthematik. Das entsprach der
Aufführungssituation. Denn nach dem ersten Aufzug, dessen letzter Sprecher,
die Personifikation des Friedens, ausdrücklich zu solchem Tun aufgefordert
hatte, heißt es im gedruckten Dramentext: "Hierauf fängt man an
wieder vollchörig zu musiciren / und nach Endung der Musik stossen die
Trompeter in die Trompeten / und wird dapfer Gesundheit geschossen und
getrunken." [69]
Eine entsprechende Bemerkung gibt es nach dem zweiten
Aufzug. [70] Auch die zwischengeschalteten lebenden Bilder werden ihre
Zeit gebraucht haben: Die Aufführung zog sich hin. Die drei Aufzüge
wurden unter der Leitung des Verfassers von neun jungen Nürnberger
Patriziern, deren Namen, Rollen und Kostümierung wir kennen, zur
Aufführung gebracht. [71] Das Spiel war exakt in den Gesamtablauf
eingeplant. Von Anfang an herrschte eine starke Tendenz zur Einbeziehung der
Zuschauer. Diese waren die im Festgebäude, dem "Tempel der Eintracht und
des Friedens" sitzenden Vertreter der
Vertragsmächte.
Im ersten Aufzug agierten
personifizierte Allegorien. Zuerst erschien Discordia, die den Zuschauern von
der Schauplatzbesichtigung her bekannt war, und stellte sich redend vor. Nach
einem Zwischenaufenthalt in England - man wußte, was dort im Vorjahr
geschehen war - findet sie in Deutschland alles gegen ihre Interessen
verändert, flucht dem Himmel, ruft die Furien aus der Hölle her und
schickt sich nach mythischem Vorbild an, den Apfel des Streits mit der
Aufschrift "Potiori" erneut unter die gerade im Friedenswerk Vereinten zu
werfen. Auflehnung gegen Gott, Kontakte zur Hölle: Discordia hat mit Hybris
und Sünde zu tun und steht in aggressiver Opposition zu der von den
Angeredeten repräsentierten Friedenswelt. Auch im Spiel scheitert ihr - auf
die bis zuletzt schwierigen Verhandlungen anspielender - Plan, denn rechtzeitig
treten Concordia, Pax und Justitia auf, vor welchen sie sich verbirgt. Concordia
wendet sich zunächst mit einer Lobrede an die hochgestellten
Zuschauer:"Ach sihe / wie siht es so löblich
/ so lieblich und fein /
wann Brüder wie
Brüder einträchtig beysammen so
seyn!" [72]
Auch dies spielt
natürlich auf die bis zuletzt von der Gefahr des Scheiterns bedrohte
Vorgeschichte der endlich erreichten Vereinbarung an: abermals direkte Reaktion
auf Aktuelles trotz der, ja gerade in der abstrakten allegorischen Figuration,
verpflichtender Appell an diejenigen, die es anging. So bleibt es
durchgängig. Nach der fälligen Entdeckung wird Discordia als
Verursacherin aller Katastrophen vom Trojanischen Krieg an bis zum soeben
beendeten deutschen beschimpft; der neuerliche Sieg über sie wird in
lokaler Tradition verankert:"Vmrennten doch die
Sonnenpferde /
fast fünfmal sechzigmal die
Erde
und die gestirnten Himmelshäuser
/
seit Carl der Vierdte / Teutscher Käiser
/
in dieser Stadt / an dieser
Stelle
dich aus dem Reich gebannt zur
Hölle."
Die Goldene Bulle von 1356 wird als
Kodifizierung der göttlichen Ordnung ins Spiel gebracht, gegen die sich
auch der immer wieder besiegten Zwietracht jüngster Anschlag richtet. Alles
markiert den zu feiernden Abschluß als einen heilsgeschichtlich
bedeutenden Vorgang; die ständige Anrede und Einbeziehung der anwesenden
Repräsentanten der endlich zur Einigung gelangten Mächte hat
verpflichtenden Charakter. Das gilt auch für den Fortgang. Concordia stellt
die Zuschauer vor die Wahl zwischen ihr selbst und der besiegten Gegnerin
- "Sagt nun / was wolt ihr thun? Jch stell euch
Fluch und Segen /
Mich und diß Vnweib
für / Wolt ihr die Eintracht hegen?" -
und
deutet die Reaktion in ihrem Sinne: "Sie
schweigen! wol! wer schweigt / der saget Ja
darzu."
Die Notwendigkeit, es mit ihr zu halten,
demonstriert sie mit damals geläufigen Sinnbildern: der Eintracht der
Bienen, der Friedfertigkeit untereinander selbst bei den Wölfen, den Saiten
der Laute. Die Sträflichkeit jenes, die Löblichkeit dieses Verhaltens
wird den Versammelten eindringlich vor Augen geführt. Pax verherrlicht den
neuen Friedenszustand mit der Topik des Goldenen Zeitalters, des Paradieses.
Justitias Rede geht aus von der allgemeinen Mahnung, künftig so zu leben,
daß Gott nicht mehr zu Strafaktionen genötigt sei, und der besonderen
an die Anwesenden, ihr Lenker- und Richteramt gerecht zu verwalten. Es folgt
eine preisende Rechtfertigung der Waffen, gewiß nicht nur als Hommage an
die überwiegend ja militärischen Festgäste gedacht. Dem
Bewußtsein der damals Lebenden war trotz aller Kriegsschrecken noch
selbstverständlich, daß dem Hang der Menschennatur zur Sünde,
zum Abfall von Gott, die ständige Bereitschaft zum auch bewaffneten Schutz
der im Frieden repräsentierten göttlichen Satzung entsprechen
müsse: "Durch Eisen muß oft werden
ausgegraben
der Zeiten Gold. Kämpf / wilst du
Frieden haben."
Der Krieg hatte, als Folge der
Sünde, aber auch als Mittel zur Wiederherstellung des gottgewollten
Zustandes in der Hand pflichtbewußter Herrscher, seinen Platz in der Welt;
es gab ihn, weil es die Sünde gab. Birken nutzte die Möglichkeit, die
anwesenden Repräsentanten der ehemaligen Kriegsparteien öffentlich auf
ihre Verantwortung hinzuweisen. Dabei scheint er in Kauf genommen zu haben,
daß er sie in ihrer Neigung bestätigte, ihr im Krieg wie bei den
Friedensverhandlungen gewiß primär macht- und interessenpolitisches
Verhalten als Dienst für den gottgewollten Frieden auszugeben. Immerhin
wird am Ende des Aufzugs demonstrativ Gericht gehalten über Discordia: Sie
wird zu abermaliger Heimkehr verdammt und von Teufeln, die - Demonstration der
partiellen Funktionalität des Gegenprinzips - als Gerichtsschergen
fungieren, aus dem Spielzelt heraus in das gegenüberliegende Castell
geschleppt, das folglich - auch seine Ausstattung zeigt es ja - die Hölle
vorstellen sollte, so wie das Festgebäude die Friedenswelt als Vorklang der
Seligkeit. Der Schlußappell an die Festgesellschaft, sich des szenisch
Repräsentierten feiernd zu erfreuen - das tat man lautstark -, vollendet
den Deutungszusammenhang, den das Spiel
herstellt.
Der zweite Aufzug gestaltet, ebenfalls
in allegorischen Figurationen, im Motivfeld der Bukolik diesmal wie die
Bildfelder des Säulenfußes und andere Elemente der
Außengestaltung, den im ersten verkündeten Übergang von
Entzweiung und Unordnung in gottgewollte Ordnung: die Folgen des soeben
gestifteten Friedenswerkes. Vorgeführt wird die Begegnung eines Soldaten
und eines Hirten, die, wie die Figuren des ersten Aufzugs nach kurzer
Abwesenheit heimkehrend, alles verändert finden - zum Nachteil dieser, zum
Vorteil jener. Der Soldat - später Nachfahr des "miles gloriosus" -
bekundet zunächst in "macaronischer" Rede seine
Orientierungsnöte: "[...] Jst das auch
raisonable,
daß die profession der Waffen
favorable
nicht länger heissen soll
[...]?"
Das Gespräch mit dem Landmann aber
zeigt ihn anders: Seine Prahlerei ist Fassade. Er beherrscht nur das
Kriegshandwerk und weiß, daß er nun vor dem Nichts steht. Der Hirt
reagiert mit einem Lob des friedlichen Landlebens und bietet dem irritierten
Soldaten Mitbenutzung seiner Trift an. Der gibt sofort alles Kriegerische preis,
auch den "macaronischen" Redestil, das Sinnbild der Entzweiung des Menschen von
der Ordnung Gottes, nach der, da die babylonische Sprachverwirrung - auch eine
Folge sündhafter Hybris - einmal stattgefunden hat, jedes Volk seine eigene
Sprache besitzt. Das Spiel bezeichnet abermals aktuelle Realität: Die
Auflösung der Armeen war eines der prekären Kongreßthemen, die
Integration der Abgedankten, die auf nichts weniger als Frieden vorbereitet
waren, in Gesellschaft und Wirtschaft ein gewaltiges Problem. [73] In
der Interaktion von Vertretern der Stände, die einander jahrzehntelang
Entsetzliches angetan hatten, demonstriert der Aufzug programmatisch Problem und
Lösung: Versöhnungsbereitschaft, Zusammenrücken, Teilen des
Verbliebenen. Wir nehmen die abbildende und Ordnung fordernde Kraft
allegorischer Fügungen heute nicht mehr unmittelbar wahr. Die
interpretierende Rekonstruktion aber fördert ein
Wirklichkeitsverständnis zutage, in welchem das Menschenleben zwischen
Erschaffung und Gericht, Sündenfall und Erlösung, von Gott gewolltem
Frieden und von Gott gesandtem Krieg angesiedelt war. Die Spielhandlung
verpflichtete abermals vor allem die anwesenden Verantwortungsträger auf
ein Handeln, das diesem Wirklichkeitsverständnis
entsprach.
Die Aufführung war so terminiert,
daß der dritte Aufzug nach Einbruch der Dunkelheit begann. [74]
Sein Abschluß macht das Schauspiel zum Zentrum des gesamten
wohlkomponierten Festarrangements. Hier dominiert Mars, die personifizierte
mythologische Allegorie des Krieges. Gleich eingangs formuliert er, Gott
anredend, im Parallelkontrast zur Eingangsrede der Discordia, sein
Selbstverständnis: "dir wird noch seyn
unvergessen / wie der grosse Sternenraht
mich vor
drey und dreissig Jahren / in diß Reich gesendet
hat;
[...]
Seither /
sage / hab ich nicht dapfer deinen Schluß
erfüllet
und nach deinem Zorngeheiß
meiner Waffen Durst gestillet?" [75]
So
und weiterhin redet nicht, wie Discordia, ein Empörer, sondern ein treuer
Diener: "Vater / dir steht das Befehlen / und mir
das Gehorchen zu.
Gönnest du / gönn ich
auch gerne Teutschland diese
Friedensruh."
Entsprechend zeigt er sich in seiner
Anrede an die Deutschen bzw. an die hohen
Zuschauer:"Fordert mich / wanns euch gefällt
/ ich will ungesäumt erscheinen
und euch
leisten Götterhülf. Jch bleib euer / jhr die
Meinen."
Mars ist indirekt von den Menschen
abhängig, direkt von Gott als Werkzeug zu Warnung und Bestrafung, zur
Wiederherstellung und zum Schutz des schöpfungsgemäßen Friedens.
Mit der Hölle hat er, anders als Discordia, nichts zu tun: "Allen
Anwesenden gefiele dieser höfliche Abschied sehr wol / und waren jhrer
viele / die diesen Gott nun nit mehr für so grausam hielten [...]. Alle
seine Geberden waren Heldenmässig / und aus seinen Augen schine nichts als
Dapferkeit." [76]
Als abhängig, je
nach Lage dem Krieg oder dem Frieden zugeordnet, stellt sich auch der ebenfalls
auftretende Vulcanus, die Allegorie des Schmiedehandwerks, dar. Sein, Venus' und
Cupidos Erscheinen garantierten zunächst den
komödiantisch-unterhaltsamen Abschluß der Spielhandlung, bot die
mythologische Dreiecksgeschichte doch hinlänglichen Anlaß zum
anzüglichen Hinüberspielen der Kriegsmetaphorik auf das Feld des
Liebeskampfes, der allein der Friedenswelt gemäß sei. Die Tatsache,
daß beide Delegationsleiter unverheiratet waren, ermöglichte
überdies die folgende Rede und symbolische Aktion Cupidos sowie ihre
dramaturgische Nutzung: "Dort seh ich zween / als
Götter dieser Erden /
die sollen mir am
ersten dienstbar werden.[...]
(Damit kehren sich
Mars und Venus üm / und gehen langsam ab. Denen Cupido / nachdem er zuvor
etliche male unter die Hh. Gäste geschossen / folget. Zuletzt / wann
innzwischen wiederüm getruncken / geschossen und gemusiciret worden / kommt
Vulcanus / Der Feuergott und Schmid der Götter / als ein Schmid bekleidet /
in der Hand haltend eine Zündrute / wie sie die Feuerwerker brauchen
[...].)" [77]
Nur im dritten Aufzug gab es
eine solche Unterbrechung. Sie akzentuierte natürlich die scherzhafte
Aufforderung an die beiden Hauptpersonen, der Friedenswelt mit gutem Beispiel
voranzugehen, und bot dem Publikum Gelegenheit, sich der verstandenen Anspielung
zu freuen. Vor allem aber bereitete sie retardierend die abschließende
Zuspitzung der Spielhandlung vor. Denn nach drollig-komischer Selbstdarstellung
hinkte Vulkan zuletzt aus dem Spielgehäuse heraus zum Pfalzgrafen Karl
Gustav und redete ihn direkt als den Ehrengast an, der zum krönenden
Feuerwerk "den anfang machen / und mit dieser Zündrute (die er jhm damit
überreichete)" das Ganze in Gang setzen solle. [78] Zwar folgten
noch mehrere lebende Bilder, die Vulkan in direkter Anrede an die Gäste
erläuterte und die allesamt die Dienstbarkeit der im ersten und dritten
Aufzug vorgeführten Gottheiten für die Friedenswelt andeuteten; doch
dann entfernte sich das theatralische "Waldgezelt", wie es gekommen
war.
Damit kam den Zuschauern "das Castell oder
Feuerwerkschloß wider ins Gesicht / aussen mit mehr als tausend brennenden
Ampeln behängt und besetzt / welches durch die Finstere der Nacht einem mit
viel tausend Goldglänzenden Sternlein geziereten Firmament oder Feuerhimmel
sich verglieche / und die Augen der Anschauenden wundersam
belustigte." [79]
Die Gesellschaft begab sich vor das Festgebäude,
und der Pfalzgraf Karl Gustav entzündete, der Spielanweisung
gemäß, im Vorfeld eine als Cupido geformte Rakete, welche auf einer
Laufschnur zum Bild des Friedens auf der zentral plazierten Säule
emporschoß und um die Säule herum eine prächtige
Feuerwerksillumination in Gang setzte. Auf dem Höhepunkt dieses Spektakels
fuhr vom Siegeskranz der Friedensfigur aus eine zweite schnurgeleitete Rakete in
das Castell hinein und löste dort ein überaus effektvoll nach dem
Ablaufsmuster von Angriff und Verteidigung komponiertes, auch das Umfeld
einbeziehendes Feuerwerk aus. Nach einer der Beschreibungen gab es "den Augen
und Ohren eine angenehme Lust / weil nicht allein [...] es schiene / als ob viel
hundert Mann in und ausser dem Castell Feuer gäben / sondern auch die
Flamme und der Rauch deß liechterloh=brennenden Mittelthurms sich
biß an die Wolken waltzete."
Im Castell mußte Discordia, "im Staub
und Aschen ligend / jhre Verbannung und Untergang der gantzen Welt zeigen: da
hingegen der Friede / in dem er auf seiner Seule unter soviel tausend auf und
üm jhn herümfliegenden Feuern zu männiglichs Verwunderung / von
Fuß auf gantz unversehrt [...] stehen blieben / seinen Vorzug /
Preiß und Ehre vor aller Welt Augen
behaubtet."
Raumarrangement, Ausstattung des
Festgebäudes innen und außen, Ausrichtung des Festmahls, Art und
Terminierung des Schauspiels, des Feuerwerks, das Ineinander von Fest und
Darstellung, die Einbeziehung der Zuschauer: es war ein bis ins kleinste wohl
von Sigmund von Birken durchkomponiertes Gesamtkunstwerk, das im Feuerwerk
seinen wohlinszenierten Höhepunkt hatte. [80] Es übertraf
alles Bisherige bei weitem. Der Lärm dürfte gewaltig gewesen sein:
"Unterdessen wurde noch die gantze Nacht durch / biß an den Morgen mit
Stücken unnd Raketen gespielet / auch nach geendigtem Lustfeur ein
schöner Tantz gehalten / und also dieses hochansehnliche kostbare Freud=
und Friedens=Mahl mit aller nur ersinnlicher Ergetzung
beschlossen." [81]
Piccolomini wurde am frühen Morgen ebenso
heimbegleitet, wie er abgeholt worden
war. [82]
Es gab einige Nachspiele. Am
folgenden Sonntag, dem 7./17. Juli, bewirtete Piccolominis Hofmeister im
Festgebäude, das am Tag darauf abgetragen wurde, die jungen Patrizier, die
den Fürsten eskortiert und ihm beim Fest aufgewartet hatten, mit ihren
Damen. Es gab einen Bauerntanz und abermals ein - diesmal kleineres -
Feuerwerk. [83] Das zuvor wunschgemäß günstige Wetter
sorgte diesmal für Nachdenklichkeit: "Diesen Tag ward das Friedensbild von
einem urplötzlichen Windsturm auf die Erde geschmissen und beschädiget
/ worüber sich jhrer viele vielerley Gedanken
macheten." [84]
Auch die Jugend wollte
ihren Anteil: "Deme zu folg von den gemeinen Bürger=Knaben über
tausend in der Anzahl sich versamlet / jedweder jhm ein Steckenpferd geschaffet
/ und darauff ins gesampt vor Jhr Fürstl. Gn. Behausung geritten / und
einmühtiglich umb ein Friedensgedächtnis angehalten. Worauff Jhr
Fürstl. Gn. sie den nächsten Sontag wieder vorbescheiden / und
inzwischen eine viereckigte Silber=Müntz prägen lassen / worauff
einseits unter dem Reichs=Adler / die Wort: VIVAT FERDINANDUS III. ROM: IMP.
VIVAT. anderseits umb einen Steckenreutter / nebenst der Jahrzahl 1650. die
Wort: FRIEDEN-GEDACHTNUS IN NURNBERG. zu sehen und zu lesen
war." [85]
Gleich nach dem
Abschlußfest begann sich die Versammlung aufzulösen. Am 13./23. Juli
verabschiedeten sich der Pfalzgraf Karl Gustav und Feldmarschall Wrangel, in den
Tagen danach die anderen; das "Theatrum Europaeum" gibt genaueste
Auskunft. [86] Viel Zeit ließ sich Piccolomini; erst am 28.
August/7. September verließ er die Stadt, mit gewaltigem
Ehrengepränge vom Rat verabschiedet und begleitet [87], nach der
größten und bedeutendsten Feierlichkeit, welche Nürnberg je
erlebt und die er ihr ausgerichtet hatte.
ANMERKUNGEN
1.
Zu den Nürnberger Verhandlungen vgl. Oschmann
1991.
2. Vgl. Paas
1995.
3. Wie sehr Nürnberg gleichwohl
gelitten hat, besonders durch die Doppelbelagerung von 1632 und ihre Folgen,
verdeutlicht u.a. die Autobiographie Sigmund von Birkens, in
Jöns/Laufhütte 1988, S. 17, S. 66.
4.
Die Menge der überlieferten Nürnberger Einblattdrucke aus der Zeit des
Dreißigjährigen Krieges und den Jahren danach ist ein deutliches
Indiz. Vgl. Harms 1980ff., bes. II und IV.
5. Vgl.
Garber 1974; Garber 1976.
6. Vgl. Jöns 1972;
Blaufuß 1991.
7. Vgl. Goldmann 1971;
Wietfeldt 1975; Peil 1978; Dilherr/Harsdörffer
1994.
8. Vgl. Böttcher 1984; Krebs
1995.
9. Vgl. Conrad Wiedemanns Nachworte in
seinen beiden Klaj-Editionen Klaj 1965 und Klaj
1968.
10. Zu Birkens Heimreise nach Nürnberg
des Kongresses wegen vgl. seine Autobiographie, S. 41-43, S.
91-93.
11. TE,
VI.
12. Schon die zeitgenössischen Beobachter
würdigten das gute Einvernehmen der beiden Hauptrepräsentanten; vgl.
Birken 1652, S. 33: "Diese Gleichheit jhrer Verhängnisse / benebenst jhrer
dapfren Gemüter / machete in kurtzem zwischen jhnen beyden eine
verträuliche Freundschaft."
13. TE, VI, Sp.
723b-725b. Die Doppeldatierungen hier und im folgenden tragen der in TE, VI
durchgeführten Praxis Rechnung: Die Protestanten datierten nach dem alten
(Julianischen), die Katholiken nach dem neuen (Gregorianischen) Kalender, der
jenem um 10 Tage voraus war.
14. TE,
VI.
15. TE, VI, Sp.
750a.
16. TE, VI, Sp.
911b-912a.
17. TE, VI, Sp.
926a/b.
18. TE, VI, Sp.
914a.
19. TE, VI, Sp.
927a-936b.
20. Es gibt z.B. in mehreren der
handschriftlichen Gedichtsammlungen Sigmund von Birkens Gedichte für oder
auf Mitglieder der verschiedenen Delegationen. Manche dürften
Auftragsarbeiten gewesen und auch gedruckt worden sein. Auch der Tod der
Kaiserin hat seine Muse beflügelt; vgl. Birken 1652, S. 38-55. Die anderen
Literaten dürften es ähnlich gehalten haben. Wir kennen aktuelle
Flugblätter mit Texten von Birken und
Klaj.
21. Birken
1649.
22. TE, VI, Sp.
937a.
23. TE, VI, Sp.
937a-938b.
24. Vgl. Sandrart 1675, S. 19. Diese
Darstellung zeigt eindrucksvoll, wie erfolgreich der Maler die Chancen genutzt
hat, die der Nürnberger Kongreß ihm
bot.
25. Sandrarts Gemälde war die Vorlage
für eine ganze Anzahl leicht variierender Kupferstich-Reproduktionen; sie
sind nachgewiesen bei Harms 1980ff., II, S. 562. Vgl. auch Anm.
29.
26. TE, VI, Sp.
938b-939b.
27. TE, VI, Sp.
939a.
28. Birken 1652, S. 68f.; Klaj 1651, S.
41f.; TE, VI, Sp. 939a/b.
29. Zwei
Flugblätter, eines mit einem Gedicht von Sigmund von Birken, auf welches
dieser in Birken 1652, S. 68, zitierend anspielt, das andere mit einem Gedicht
Johann Klajs, teilt Harms 1980ff. mit: II, Nr. 324, 325, IV, Nr. 253. II, S. 546
und 566 Nachweis weiterer Varianten.
30. Birken
1652, S. 69.
31. Birken 1652, S. 58, Abbildung S.
57; vgl. Klaj 1651, S. 63-67; TE, VI, Sp.
939b-940b.
32. Birken 1652, S. 61; das folgende
Zitat ebd., S. 62.
33. Angespielt wird auf den
Felsen der Winde im ersten Buch der Aeneis.
34.
Birken 1652, S. 62. Auch das zweite Schaugericht ist ebenfalls in Klaj 1651, S.
67-69 und in TE, VI, Sp. 940b-941a
beschrieben.
35. Birken 1652, S. 63; die folgenden
Zitate ebd., S. 70, 63, 70.
36. Vgl. dazu auch
Fähler 1974.
37. Birken 1652, S.
70.
38. TE, VI, Sp.
949b-950a.
39. Vgl. TE, VI, Sp. 941aff., 948aff.,
954a, 1031a/b.
40. Vgl. TE, VI, Sp.
1031a/b.
41. Vgl. TE, VI, Sp. 1031a,
1033b-1036b.
42. Vgl. TE, VI, Sp. 1037a,
1044b-1048a.
43. TE, VI, Sp. 1048a; Klaj 1651, S.
83-88; Birken 1652, S. 90-92.
44. Birken 1652, S.
90.
45. Klaj 1651, vor S. 83; Birken 1652, vor S.
91; TE, VI, vor S. 1049.
46. Birken 1652, S.
90f.
47. TE, VI, Sp.
1048a-1050a.
48. Sowohl die Kollationierung und
Subskription auf der Burg als auch die Ausfahrt der Delegierten aus dem Rathaus
zu diesem Vorgang sind in Flugblatt-Kupferstichen überliefert, beide mit
Gedichten Sigmund von Birkens; vgl. Harms 1980ff., II, Nr. 326, 327. Ebd. S. 568
und 570 sind auch die Varianten dieser Darstellungen in Büchern
nachgewiesen.
49. Ausführliche Darstellung
des Vorgangs in TE, VI, Sp. 1050a-1053a; Klaj 1650, S. 15-29; Birken 1652, S.
93-96.
50. Vgl. TE, VI, Sp. 1064a-1066b; Birken
1652, S. 101f. teilt mit, daß die ganze Stadt illuminiert und eine
Amnestie erlassen worden sei.
51. Vgl. TE, VI, Sp.
1072a.
52. Birken 1650. Einer der Bestandteile
dieses Werkes ist betitelt: "Eigentliche Beschreibung / auch Grund= und
Perspektivischer Abriß des FRJED= und FREUDENMAHLS / SCHAUSPJELS und
FEUERWERKS [...]". Er enthält als großformatige Faltbeilagen einen
Lageplan mit Maßangaben und eine Kupferstichdarstellung der gesamten
Anlage während des nächtlichen Feuerwerks. Beide Darstellungen
ebenfalls in TE, VI, nach S. 1076 und 1080. Die Feuerwerkszene auch in Klaj
1650, nach S. 56, und in Birken 1652, nach S.
116.
53. Vgl. vor allem TE, VI, Sp. 1071b-1082a.
Gästeverzeichnis und Sitzordnung Sp. 1078a-1081a. Selbst diejenigen
Geladenen, die absagen mußten, und die Verhinderungsgründe kennen
wir.
54. TE, VI, Sp. 1072a. Eine Abbildung dieser
Figuration erscheint als Titelkupfer in Birken 1650, desgleichen in Birken 1652,
S. 116. In Sigmund von Birkens Schauspiel (Birken 1650a) war sie als Element der
Spielhandlung integriert (S. 12f.); vgl. Birken 1652, S.
128.
55. TE, VI, Sp. 1072b; ebd. die beiden
folgenden Zitate.
56. TE, VI, Sp. 1072b - Das
gesamte Sinnbildprogramm samt allen von ihm erfundenen Devisen hat Sigmund von
Birken mehrmals mitgeteilt: Birken 1650, S. 3-8; Birken 1652, S.
116-121.
57. TE, VI, Sp. 1073a, 1075b; Birken
1650, S. 9; Birken 1652, S. 129f.
58. TE, VI, Sp.
1075b.
59. TE, VI, Sp. 1073a/b; Birken 1650, S.
9f.; Birken 1652, S. 130; eine leicht stilisierte Abbildung im Titelkupfer von
Klaj 1650.
60. TE, VI, Sp. 1073b; vgl. Birken
1652, S. 118. Zur Beauftragung vgl. auch Birkens Autobiographie
(Jöns/Laufhütte 1988), S. 45f., 95f., sowie Birken 1650, S.
10.
61. TE, VI, Sp.
1073b/1074a.
62. TE, VI, Sp. 1077b; vgl. Birken
1652, S. 124.
63. Birken 1650, S. 12; TE, VI, Sp.
1079a-1081a.
64. TE, VI, Sp.
1074b.
65. Birken 1650, S. 13-20; Birken 1652, S.
121-124.
66. TE, VI, Sp. 1074b-1075a. Alle
Gesundheiten und der jeweils abgestufte Begleitlärm sind exakt verzeichnet:
Sp. 1081a-1082a.
67. TE, VI, Sp. 1075a; vgl.
Birken 1652, S. 125.
68. Vgl. Birken 1652, S. 139.
Auch der Nürnberger Druck enthält offenbar nicht den
vollständigen Text, wie der Vergleich mit Birkens Inhaltsangabe in Birken
1652, S. 125-138, zeigt. Der Autor selbst hat nach dem zweiten Aufzug einige
hundert Exemplare unter die Festgäste verteilt: Birken 1652, S.
139.
69. Birken 1650a, S.
20.
70. Birken 1650a, S.
28.
71. Die Schauspieler sind benannt in Birken
1652, S. 125-137, in TE, VI, Sp. 1075a, in Birkens Autobiographie
(Jöns/Laufhütte 1988), S. 46. Dort auch Erwähnung einer zweiten
Aufführung auf der Burg am 1./11. August. - Das Folgende stützt sich
auf die einzige Interpretation, die Birkens Drama bislang gefunden hat:
Laufhütte 1981.
72. Birken 1650a, S. 3; die
folgenden Zitate ebd., S. 4, 9, 14, 20.
73. Johann
Rist läßt im Zwischenspiel seines Dramas "Das Friedejauchtzende
Teutschland", das 1653 in Nürnberg gedruckt wurde, selbst die entwurzelten
Bauern das Ende des Krieges mehr fürchten als wünschen. Vgl. Rist
1967ff., II, S. 205ff.
74. Vgl. Birken 1652, S.
133.
75. Birken 1650a, S. 29; die folgenden Zitate
ebd., S. 30f.
76. Birken 1652, S.
135.
77. Birken 1650a, S.
36.
78. Birken 1652, S. 138. Auch der Dramentext
enthält einen Hinweis auf diesen Vorgang: Birken 1650a, S.
40.
79. Birken 1652, S. 139; die folgenden Zitate
ebd., S. 141f.
80. Mit der Entlohnung für
sein Mühen war Birken freilich nicht zufrieden: Die Autobiographie
(Jöns/Laufhütte 1988) notiert S. 45 den Empfang von 8 Dukaten von dem
kaiserlichen Generalauditor Heinrich Graß am 7. Mai, von 50 Gulden von
Piccolomini am 18. Mai, einige Einkünfte durch Verleger. 100 Taler
erlöste er aus dem Verkauf der "vestes Scenicae" (S. 46). Die Passage endet
mit einer Klage über nicht eingelöste
Versprechungen.
81. TE, VI, Sp. 1077b, 1082a; vgl.
Birken 1652, S. 142.
82. TE, VI, Sp.
1074a.
83. TE, VI, Sp. 1077b-1078a; Birken 1652,
S. 144f.
84. Birken 1652, S.
145.
85. TE, VI, Sp. 1078a; vgl. Birken 1652, S.
145f. - Die berühmten Steckenreiter-Medaillen waren nicht die einzigen
Münzprägungen anläßlich des Nürnberger Kongresses.
Vgl. Dethlefs 1989.
86. TE, VI, Sp.
1082a-1083b.
87. TE, VI, Sp.
1083a.
© 2001 Forschungsstelle "Westfälischer Friede", Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Münster, Domplatz 10, 48143 Münster, Deutschland/Germany. - Stand dieser Seite: 2. Mai 2002