DOKUMENTATION | Ausstellungen: 1648 - Krieg und Frieden in Europa | |
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MICHIEL P. VAN MAARSEVEEN und MICHIEL C. C. KERSTEN Die Darstellung des Achtzigjährigen Krieges in der Malerei der nördlichen Niederlande des 17. Jahrhunderts: "Reitergefechte" und "Wachstuben" |
I. Einleitung
Zu Beginn des 17. Jahrhunderts
wählten südniederländische Maler bestimmte Szenen aus dem
Kriegsgeschehen zum Gegenstand ihrer Gemälde. Diese Darstellungen
können in fünf Gruppen unterteilt werden: Reitergefechte,
Überfälle auf Konvois, Überfälle auf Reisende, unterwegs
rastende Soldaten und Dorfplünderungen. Die Maler der nördlichen
Niederlande zeigten dagegen bis zum Ende des ersten Viertels des 17.
Jahrhunderts wenig Interesse an diesen Themen; um 1625 änderte sich dies,
und die Maler der nördlichen Niederlande übernahmen das Ruder von
ihren flämischen Kollegen. In der Republik entstanden zwei neue Gattungen:
das Feldlager und die Soldateninterieurs. Zwar kamen alle oben genannten Themen
auch in der nordniederländischen Malerei vor, doch erlangten vor allem das
Reitergefecht und die Wachstube große Popularität. Dieser Artikel
will sich auf Entstehung, Entwicklung und Interpretation der beiden zuletzt
genannten Gattungen konzentrieren.
II. Die
Entstehung des Reitergefechts als
Motiv
"Reitergefechte" oder "Bataillen" stellen in
landschaftlicher Umgebung einige Reiter im Kampf mit einer Gruppe von
Kavalleristen oder Infanteristen dar. Sie stehen in direkter Beziehung zum
Achtzigjährigen Krieg, denn auf fast allen "Reitergefechten" aus dem
zweiten Viertel des 17. Jahrhunderts tragen die Kavalleristen rote oder orangene
Schärpen, die sie als spanische oder niederländische Reiter ausweisen.
Keine großen Feldschlachten werden gezeigt, sondern kleine Gefechte, was
dem Einsatz der Kavallerie im 17. Jahrhundert als Kundschafter, zur Bewachung
von Transporten und Feldlager sowie für Überraschungsangriffe
entspricht.
Das Interesse an der Darstellung von
Gefechten entstand nicht unvermittelt. Bereits im 16. Jahrhundert gab es im Hl.
Römischen Reich und in Italien eine ausgebildete Tradition der
Soldatendarstellung. [1] Um 1600 entwarf der italienische Kupferstecher
Antonio Tempesta (ca. 1555-1630) einige "Reitergefechte", deren Aufbau
häufig mit den späteren niederländischen Darstellungen
übereinstimmt. [2] Tempestas Stiche wurden in Westeuropa schnell
bekannt und bildeten für viele Künstler eine wichtige Anregung.
Auch Stichserien und Bücher für die
Ausbildung der Kavallerie, die Anfang des 17. Jahrhunderts erschienen, haben
dazu beigetragen, daß sich die niederländischen Künstler
für Kampfdarstellungen interessierten. In den Jahren 1596-1599 schuf Jacob
de Gheyn (1565-1629) 117 Zeichnungen für ein Werk zur Ausbildung der
Infanterie, die 1607 unter dem Titel
"Wapenhandelinghe
van Roers, musquetten ende
Spiessen"
herausgegeben wurden. Zur gleichen Zeit entwarf de Gheyn zudem eine Serie von 22
Stichen für ein Traktat zur Ausbildung der Kavallerie. Eindeutig haben die
Maler in einigen Gemälden auf das Werk von de Gheyn
zurückgegriffen. [3]
Neben dem
Einfluß italienischer und deutscher Maler des 16. Jahrhunderts sowie der
am Beginn des 17. Jahrhunderts erschienenen Stichserien von Soldaten hat die
Darstellung der
"Schlacht
des
Leckerbeetje"
eine bedeutende Rolle in der Entwicklung der "Reitergefechte" gespielt. Diese
Schlacht, die am 5. Februar 1600 auf der Vughterheide stattfand, war ein Kampf
zwischen 22 Reitern unter der Führung von Pierre Bréauté,
eines Franzosen im Dienst der Generalstaaten, und derselben Anzahl unter Befehl
des Brabanters Abraham van Houwelingen, genannt Leckerbeetje. Von der Schlacht
des Leckerbeetje sind unzählige gemalte Versionen bekannt, wobei das Thema
zudem auch in Stichen weitverbreitet
war. [4]
III. Die
nordniederländischen Maler
Der erste
nordniederländische Maler von "Reitergefechten" war Esaias van de Velde
(1587-1630), der um 1621/22 seine frühesten Schlachten malte. In seiner
Entwicklung wird Esaias van de Velde durch das Werk des Flamen Sebastiaen Vrancx
(1573-1647) beeinflußt, der schon früher "Reitergefechte" geschaffen
hatte. [5] Auch bei ihm spielt die Landschaft eine dominante Rolle, und
der Betrachter blickt von einem hohen Standpunkt auf das Kriegsgeschehen.
Zugleich entwickelte van de Velde eine eigene Auffassung von "Reitergefechten",
die um 1626 ihre endgültige Form erreichte. [6] Verglichen mit
Werken von Sebastiaen Vrancx ist ein wesentlicher Unterschied festzustellen.
Während Vrancx einen hohen Blickpunkt wählt, senkte van de Velde den
Horizont, so daß der Anteil der Landschaft innerhalb der Darstellung
reduziert wird und der Schwerpunkt auf dem Gefecht selber liegt, das sich direkt
im Vordergrund abspielt. [7]
Immer sind
van de Veldes "Reitergefechte" in drei Flächen geteilt, die schräg in
einer Linie liegen. Im Vordergrund tragen einige Reiter Gefechte aus. Im
Mittelgrund setzt sich der Kampf mit vielen sich wütend bekriegenden
Reitern fort, während der Hintergrund entweder eine leere Landschaft zeigt
oder ebenfalls durch kämpfende Kavalleristen bevölkert wird.
Um 1625 hatte van de Velde die Konzeption des
nordniederländischen "Reitergefechtes" entwickelt, wich jedoch in einigen
Beispielen von ihr ab. So malte er einige nächtliche Kampfszenen, von denen
der "Reiterüberfall auf das Feldlager" im Museum Boijmans van Beunigen,
Rotterdam, das ansprechendste ist (Abb. 1). Regelmäßig stellte van de
Velde auch Scharmützel in einer offenen Landschaft dar, in der Bäume
und Sträucher eine bedeutende Stellung einnehmen. Dabei setzt van de Velde
Bäume einerseits als ein die Darstellung natürlich
abschließendes Repoussoir, andererseits als zentralen Blickfang ein, der
hoch über den Horizont reicht und die Weite des Himmels durchbricht.
Bis zu seinem Tod im Jahre 1630 blieb van de
Velde seiner Vorliebe für das militärische Genre treu. Neben
"Reitergefechten" malte er Überfälle auf Konvois, Feldlager und
Plünderungen von Dörfern, zudem schuf er einige Zeichnungen von
Wachstuben und Interieurs mit plündernden Soldaten.
Das Werk von Esaias van de Velde fand schnell
Nachfolger. So wie Sebastiaen Vrancx große Bedeutung für die
Einführung und Entwicklung des Reitergefechts und verwandter Gattungen in
der flämischen Kunst hatte, so machte van de Velde in den nördlichen
Niederlanden auf dieses Sujet aufmerksam. Zwischen 1625 und 1630 wurden Pieter
de Neyn (1597-1639), Palamedes Palamedesz. (1607-1638) und Jan Martsen d.J. (ca.
1609-nach 1647) von Esaias van de Velde beeinflußt, und alle drei
orientieren sich in ihrem Frühwerk sehr stark am Stil ihres Vorbildes.
Anfang der dreißiger Jahre des 17.
Jahrhunderts löste sich Palamedes Palamedesz. vom Einfluß Esaias van
de Veldes und entwickelte seinen eigenen Stil. Die Konturen sind nicht mehr so
starr, und die Farben werden lichter, mit gelbgrünem Grundton. Die Pferde
sind eleganter und haben breite, nach oben schmaler werdende Hälse, auf
denen kleine Köpfe sitzen. Die robusten Gäule ersetzt er durch
schlanke Reittiere.
Seit 1635/36 veränderte
Palamedesz. seinen Stil nochmals. Alle landschaftlichen Elemente verschwinden
aus seinen Gemälden, statt dessen wird der Kampf selber betont.
Außerdem verwendet er nicht länger einen diagonalen Bildaufbau,
sondern setzt fortan die Darstellung aus Blöcken zusammen, die er in einem
gedachten Dreieck anordnet.
Einige Jahre nach
Palamedes Palamedesz., dessen frühestes Reitergefecht 1626 datiert ist,
malt Jan Martsen sein erstes Reitergefecht. Martsen war ein Neffe Esaias van de
Veldes, der wahrscheinlich zugleich die Rolle des Lehrmeisters übernommen
hatte und der sein Frühwerk deutlich beeinflußte. Um 1630/31
änderte Jan Martsen seinen Malstil. Wie Palamedesz. schlug er nach dem Tod
Esaias van de Veldes einen eigenen Weg ein. [8] Die Schlachten werden
breiter angelegt, die Farbwahl vielfältiger, die Figuren eleganter, und die
scharfe Konturzeichnung verschwindet (Abb. 2).
Sein neuer Stil kristallisierte sich um die Mitte
der dreißiger Jahre heraus. Die Figuren werden in glatten und dünnen
Pinselstrichen gesetzt, die Landschaft ist offener und die Neigung, bestimmte
Teile des Gemäldes durch den Kontrast von helleren und dunkleren Partien
hervorzuheben, tritt hervor. Bis zu seinem Tod bleibt Martsen diesem Stil
verhaftet.
Martsens Frühwerk verdankt Esaias
van de Velde viel, jedoch hat er sich auch am Werk Sebastiaen
Vrancx'
orientiert. Zwischen 1630 und 1635 stellt er mehrere Schlachtfelder nach
Beendigung des Kampfes dar, ein Thema, das vielfach im Werk von Vrancx zu finden
ist. Martsen ist der einzige Künstler der nördlichen Niederlande, der
derartige Szenen thematisiert. Allerdings zeigen seine Schlachtfeldszenen die
Schrecken des Krieges weit weniger drastisch als die von Vrancx.
Etwa Mitte der dreißiger Jahre war der
direkte Einfluß Esaias van de Veldes auf die "Reitergefechte"
vorüber. Palamedes Palamedesz. und Jan Martsen hatten die Rolle van de
Veldes übernommen und galten fortan als die Vorbilder, an denen andere
Maler sich maßen. Diese neue Wendung wird im Werk von Jan Asselijn (nach
1610-1652) deutlich, der sich in der kurzen Zeitspanne von 1634/35 intensiv mit
diesem Sujet beschäftigt hat. Die "Reitergefechte" Asselijns
schließen sich eng an die glatter gemalten Werke an, die besonders Jan
Martsen in dieser Zeit schuf. [9]
Ende
der dreißiger Jahre etablierten sich zwei neue Schlachtenmaler: Abraham
van der Hoeff (1611/12-1666) und Jan Jacobsz. van der Stoffe (1611-1682). Beide
Maler werden stark von dem Werk
Palamedesz.'
und
Martsens'
beeinflußt und konzentrierten sich wie ihre Vorbilder ausschließlich
auf die Darstellung von Gefechtsszenen.
Außer den obengenannten Malern, deren Werk
in unterschiedlichem Maße direkt oder indirekt auf dem Œuvre Esaias
van de Veldes basiert und die demnach als seine Nachfolger bezeichnet werden
können, waren im zweiten und Anfang des dritten Viertels des 17.
Jahrhundert viele Künstler tätig, die mit wechselnder Häufigkeit
"Reitergefechte" malten und bei denen schwierig zu ergründen ist, woher sie
ihre Anregungen erhielten. Die wichtigsten sind: Gerrit Claesz. Bleeker (ca.
1600-1656), Benjamin Gerritsz. Cuyp (1612-1652), Joost Cornelisz. Droochsloot
(1586-1666), Pauwels van Hillegaert (1595/96-1640), Hendrick de Meyer (?-vor
1698), Pieter Molyn (1595-1661) und Pieter Jansz. Post
(1608-1669).
Als Maler waren sie nicht so
einflußreich und produzierten nicht so viel wie die besprochenen
Künstler. Für die meisten von ihnen waren die "Reitergefechte" nur
Nebensache, und die von ihnen überlieferten Schlachtendarstellungen lassen
sich an einer Hand abzählen. Dies ändert nichts daran, daß
einige von ihnen in der Lage waren, qualitätvolle Darstellungen von
"Reitergefechten" zu schaffen.
Um 1645 schlug die
Darstellung von "Reitergefechten" eine neue Richtung ein, und der Haarlemer
Philips Wouwerman (1619-1669) gab den Ton im folgenden Jahrzehnt
an. [10] Seine Werke fallen durch eine große Dynamik, eine
kräftige diagonale Linienführung und eine verfeinerte Technik mit
hellen Farbakzenten auf. Ein Beispiel für Wouwermans Stil dieser Periode
ist sein "Reitergefecht" von 1646 in der Sammlung der National Gallery in London
(Abb. 3). Verglichen mit den "Reitergefechten" von z.B. Palamedesz. oder
Martsen, setzt der Künstler gekonnt Hell-Dunkel-Kontraste zur
Dramatisierung der Darstellung ein. Auch die Landschaft hat sich verändert.
Zeigten die bislang besprochenen Schlachtszenen stets Gefechte in flacher
niederländischer Landschaft, verdeutlichen die Felsen, die steinerne
Brücke und die Architektur der Burg im Hintergrund des Londoner
Gemäldes, daß dieses Gefecht in südlicher Gegend stattfindet.
Philips Wouwerman übte in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts
großen Einfluß auf die Maler von "Reitergefechten" aus.
IV. Interpretation von
"Reitergefechten"
Nur wenige Quellen des 17.
Jahrhunderts erwähnen "Reitergefechte" und vergleichbare Darstellungen. Aus
den mageren Passagen, z.B. in den Schriften Karel van Manders, wird deutlich,
daß eine möglichst realistische und dynamische Wiedergabe
geschätzt wird. [11] Auch andere Autoren vertreten diese
Auffassung. In seinem Lobgedicht auf Palamedes Palamedesz. schreibt Cornelis de
Bie, daß dieser "sulken cracht aen Const ghegeven [heeft] / Dat daer maer
't leven in ghebreckt" (der Kunst solche Kraft gegeben [hat] / Daß da nur
das Leben fehlt). [12] Ebenso rühmt Houbraken im 18. Jahrhundert
die Vitalität des Genres, wenn er über Philips Wouwerman schreibt:
"Ziet men Bataljes van hem verbeeld, men ziet het driftvuur Paerd en Ruiter uit
de oogen schitteren, in de vlugtigen de vrees, in de verminkten de pyn, en in de
afgemaaiden de doodverf op de lippen geschildert" (In seinen Schlachtenbildern
sieht man das Kampffeuer Reitern und Pferden aus den Augen sprühen, in den
Fliehenden die Furcht, in den Verstümmelten den Schmerz und in den
Getöteten die Farbe des Todes
ausgedrückt). [13]
Den Betrachter zu
unterhalten, ist allerdings nicht der einzige Zweck von "Reitergefechten". Das
Waffengeklirr soll ihn auch nachdenklich stimmen. Die Unterschrift eines Stichs,
der von Frederick de Wit nach einem Entwurf von Jan Martsen herausgegeben wurde,
stellt z.B. die Sinnlosigkeit des Gefechts, das immer in Tod und Elend
mündet, an den Pranger. [14] Eine Analyse der "Reitergefechte"
zeigt, daß diese Botschaft auch in den Darstellungen selbst zu entdecken
ist.
Viele Bildelemente der "Reitergefechte"
stehen im Zusammenhang mit dem Tod, was selbstverständlich mit dem Thema
der "Reitergefechte" zu tun hat, doch erklärt dies nicht alles.
Übereinstimmend liegen auf allen Bildern die toten Körper direkt im
Vordergrund. Ihre prominente Position kann nicht zufällig sein, vielmehr
haben die Maler des 17. Jahrhunderts dem Tod bewußt einen zentralen Platz
eingeräumt. Dies wird nochmals durch die abgestorbenen Bäume, die
Pferdeschädel und die Galgenplätze unterstrichen, die auf vielen
Schlachtenszenen einen wichtigen Platz einnehmen und den tödlichen
Charakter des Dargestellten hervorheben.
Neben der
Funktion innerhalb des Bildes haben diese Bildelemente zudem auch die Aufgabe,
den Betrachter zum Nachdenken über die Sterblichkeit der tapfer
kämpfenden Soldaten zu bewegen. In dem bereits zitierten Lobgedicht auf
Palamedesz. reimt de Bie dann auch: "En al het droevich bloed vergieten / Het
schynt te nemen noyt geen end.". (Und all das traurige Blutvergießen / Es
scheint niemals ein Ende zu nehmen). [15]
Schließlich spielt neben dem unterhaltenden
und dem moralischen Charakter dieses Sujets auch der propagandistische Gehalt
der Darstellungen eine Rolle. Wie bereits festgestellt wurde, deuten die
Wiedererkennungsmerkmale darauf hin, daß die "Reitergefechte" den Kampf
zwischen niederländischen und spanischen Soldaten thematisieren.
"Reitergefechte" aus dem zweiten Viertel des 17. Jahrhunderts verweisen explizit
auf den Kampf gegen die spanische Macht, in den die nördlichen Niederlande
in dieser Zeit verwickelt waren. Die Bilder geben also eine künstlerische
Impression des gerade stattfindenden Krieges.
V. Soldateninterieurs, circa
1625-1660
Wie bereits in der Einleitung
erwähnt, gelangte in der nordniederländischen Malerei des 17.
Jahrhunderts nicht nur das Reitergefecht zu großer Blüte, sondern
auch Soldateninterieurs waren äußerst beliebt. Die wichtigsten
Kennzeichen dieses Genres sind, daß die Darstellungen in Innenräumen
angesiedelt und die Hauptfiguren Soldaten und Offiziere sind. Innerhalb dieser
Gattung können drei Typen unterschieden werden. Ein Typus des
Soldateninterieurs zeigt düstere und sehr dürftig eingerichtete
Räume, die häufig an Bauernhütten erinnern, in denen sich die
Soldaten mit Würfeln, Kartenspiel, Rauchen, Schlafen und, sehr selten, auch
mit Trinken die Zeit vertreiben. Zudem sieht man häufig Frauen von leichten
Sitten, die sich vergnügen und sich mit den Soldaten den sinnlichen Freuden
des Lebens hingeben. An den Wänden ist häufig ein hölzernes
Gestell zur Aufbewahrung der Piken und Musketen befestigt. Hierdurch wird
deutlich, daß wir es mit einer militärischen Wachstube zu tun haben
und nicht mit einem Wirtshaus oder Bordell. Diese Darstellungen werden im 17.
Jahrhundert häufig als "kortegaard" bezeichnet. [16]
Auf dem zweiten Typus sehen wir vergleichbare
Räume, nun aber sind die Soldaten und Offiziere mit der Begutachtung und
dem Verteilen der Kriegsbeute beschäftigt. Die geraubten Dinge umfassen
Kostbarkeiten aus Edelmetall, Münzen, Schmuckstücke oder wertvolle
Kleidung. Ein häufig vorkommendes Motiv ist der Offizier, der einer flehend
vor ihm knienden Frau zuhört, die zweifellos gefangen oder als Geisel
genommen wurde. [17] Der Pathos des um Hab und Gut flehenden Menschen
wirkt im Gegensatz zu dem barsch, verbissen oder bisweilen völlig
desinteressiert blickenden Offizier oft ergreifend. Für diese Darstellungen
ist kein historischer Name überliefert. [18]
Schließlich gibt es Bilder eher
militärischen Charakters, auf dem Soldaten Waffen und Gerät instand
halten oder sich unter dem beobachtenden Auge eines Offiziers für den
Auszug vorbereiten. Vor allem in den dreißiger und vierziger Jahren des
Goldenen Zeitalters kommt dieser Typus vor, auch wenn er weniger zahlreich ist
als der der Wachlokale und Plünderungen.
Die
frühesten Soldateninterieurs entstehen in der zweiten Hälfte der
zwanziger Jahre des 17. Jahrhunderts und erlangten vor allem in den
dreißiger und vierziger Jahren große Beliebtheit. Maler dieses
Genres waren Pieter Codde (1599-1678), Willem Duyster (1598/99-1635), Simon Kick
(1603-1652), Jacob Duck (ca. 1600-1667), Anthonie Palamedesz. (1601-1673), Jan
Olis (ca. 1610?-1676), Pieter Quast (1606-1647), Benjamin Cuyp (1612-1652),
Maerten Stoop (1618?-1647), Pieter Potter (1597/1601-1652), Gerard ter Borch
(1617-1681), Pieter de Hooch (1629-1684) und Ludolf de Jongh (1616-1679).
Darüber hinaus sind von Jan van Velsen (nachgewiesen zwischen 1625-1656),
Cornelis Verspronck (1606/09-1662), Thomas de Keijser (ca. 1597-1667) und
Daniël Cletcher (gest. 1632) einige Gemälde mit Soldaten in Wachstuben
bekannt. Die Soldateninterieurs dieser Künstler aus dem zweiten Viertel des
17. Jahrhunderts haben Querformat und zeigen verschiedene Szenen mit Gruppen von
Soldaten und Offizieren. Die Beziehungen der Gruppen untereinander sind
häufig nicht deutlich, und anscheinend finden in einem Raum verschiedene,
voneinander unabhängige Szenen statt. Zu Beginn der fünfziger Jahre
ändert sich das Genre in stilistischer und auch thematischer Hinsicht. Die
Künstler entwickeln eine Vorliebe für Kompositionen mit nur einzelnen
Figuren, die im Vordergrund wiedergegeben ist. Der Aufbau der Figurengruppe und
die Gesten der Personen geben der Darstellung Relief und Tiefe, was durch die
kontrastreiche Verteilung von Licht und Schatten noch verstärkt wird. Zudem
erscheinen neue Themen und Motive, wie z.B. die briefschreibenden Soldaten.
Beliebt waren auch amouröse Unterhaltungen zwischen einem reich
herausgeputzten Offizier - häufig mittleren Alters - und einer jungen,
elegant gekleideten Frau. Derartige Darstellungen finden wir im Werk Gerard ter
Borchs, Gerbrand van den Eeckhouts (1621-1674), Jacob van Loos (1614-1670),
Pieter de Hoochs, aber auch Jan Vermeers (1632-1675).
VI. Die Entstehung des
Soldateninterieurs
Das Interesse an
Soldateninterieurs ist zweifellos stark von der Wiederaufnahme des Kampfes der
Republik gegen Spanien nach dem Ende des Zwölfjährigen
Waffenstillstands 1621 beeinflußt. Wenn die Städte nach bisweilen
langer und kostspieliger Belagerung durch die Republik erobert waren, war
für die dauerhafte Bewachung eine Garnison Soldaten nötig. Da die
Bewachung dieser Frontstädte meist eine wenig aufreibende
Beschäftigung war, brachten die Soldaten und Offziere ihre Zeit
wahrscheinlich größtenteils in den Wachräumen zu. Das
Wachelaufen und die Rast in den Wachstuben der Soldaten der republikanischen
Truppen gehörte damit zum Alltag der meisten strategisch bedeutsam
gelegenen Städte der Republik.
Während
die Maler der "Reitergefechte" auf eine ausgebildete Bildtradition
zurückgreifen konnten, bilden die Soldateninterieurs eine neue Gattung der
niederländischen Malerei, obwohl sie thematische Parallelen mit der Art
zeigen, wie Caravaggio (1573-1610) und seine Nachfolger
"Die
Berufung des
Matthäus"
und "Die
Verleugnung
Petri" im
ersten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts dargestellt hatten. [19] Auf
diesen Bildern sind schlafende, kartenspielende oder würfelnde Soldaten zu
sehen. Nordeuropäische Caravaggisten wie Hendrick Terbrugghen (1588-1629),
Dirck van Baburen (ca. 1595-1624) und Johann Liss (1595-1629) malten
darüber hinaus in den zwanziger Jahren verschiedene Interieurs mit
Trik-Trakspielenden, würfelnden oder trinkenden Soldaten in düsteren
Räumen. [20]
Bildaufbau und Motive
der "Wachstuben" wie Rauchen, Würfeln, Trik-Trakspielen und Trinken
erscheinen in den zwanziger Jahren in der Republik auch in Darstellungen von
"Fröhlichen
Gesellschaften",
die vor allem in Haarlem und Amsterdam von Willem Buytewech (1591/92-1624), Dirk
Hals (1591-1656), Esaias van de Velde, aber auch von Pieter Codde und Willem
Duyster gemalt wurden. Auf diesen Gemälden sieht man luxuriös
eingerichtete Räumlichkeiten, in denen reich gekleidete junge Leute Musik
machen, tanzen, singen, rauchen und amourösen Vergnügungen nachgehen.
Derartige Darstellungen scheinen von Bildern des
"Verlorenen
Sohnes im
Bordell"
inspiriert zu sein. Das Thema war auch wegen seiner moralischen Bedeutung im 16.
Jahrhundert über die Maße
beliebt.
Darstellungen mit oder ohne Soldaten, in
denen der angenehme Zeitvertreib mit Trinken, Frauen und Spiel wichtige Motive
sind, tauchen in der europäischen Malerei seit dem Beginn des 17.
Jahrhunderts vielfach auf. Direkte Übernahmen aus diesem Fundus oder
direkter Einfluß auf diese Thematik durch die Maler der "Wachstuben" sind
nicht festzustellen. Sie machen vielmehr deutlich, daß für
Soldatendarstellungen ein breites Interesse in der Malerei bestand.
Die "roverijtjes" (Überfälle,
Plünderungen) dagegen kennen eine längere Tradition. Sie zeigen
große Ähnlichkeit mit einer Bildgattung, die bereits im 16.
Jahrhundert in Nordeuropa entstanden war. Sie sind angeregt durch das Leiden der
Bauern unter meuternden und plündernden Soldaten, das sogenannte
"boerenverdriet"
(Bauernverdruß). Die bekanntesten Beispiel sind die Pendants
"Bauernleid"
und
"Bauernfreud"
von David Vinckboons (1576-ca. 1632) [22], die viele Wachstubenbilder
der nördlichen Niederlanden beeinflußt
haben.
VII. Die stilistische Entwicklung der
"Wachstuben": einige Beispiele
Die ersten Maler
von Soldateninterieurs waren Pieter Codde und Willem Duyster, deren erste
"Wachstuben" aus der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre stammen. Der
frühesten datierten Soldateninterieurs Coddes sind von 1628. Die
Räume, in denen die Szenen stattfinden, sind hell beleuchtet und klar
strukturiert [23], wodurch das Tun der Menschen im Mittelpunkt steht.
Die Figuren scheinen willkürlich in den Raum eingefügt zu sein, so
daß die Darstellung in einzelne Teile zerfällt. [24]
In seinem Werk der dreißiger Jahre erreicht
Codde eine kompositionelle Einheit. Ein charakteristisches Beispiel ist eine
Wachstube, die sich in Göttingen befindet (Abb. 4). Durch den
diagonalen Aufbau der Figurengruppe wirkt das Bild nicht mehr wie aus einzelnen
Motiven zusammengesetzt. Die extravertierte Lebendigkeit und die
vielfältigen Handlungen dieser Darstellungen mit Liebschaften, rauchenden
und schlafenden Männern ist typisch für Coddes Werk. Neben solchen
"Wachstuben" schuf der Künstler in den frühen dreißiger Jahren
auch eine Reihe von Interieurs mit Soldaten, die sich unter den Augen eines
Offiziers fertigmachen, um
auszurücken. [25]
Die Lebendigkeit
von Coddes "Wachstuben" findet man auch auf den Gemälden von Willem Duyster
aus den zwanziger Jahren. In den dreißiger Jahren ändert Duyster
seine Themenwahl und bevorzugt einen kleineren Bildausschnitt. Im Gegensatz zu
Coddes lebendigen und üppigen Kompositionen sind diejenigen von Duyster
verhaltener. Darüber hinaus beschränkt letzterer die Anzahl der
Handlungen innerhalb einer Szene, wobei der Blick und die Haltung vieler
Personen eine kontemplative Ausstrahlung haben, wie z.B. auf dem Gemälde in
Haarlem (Abb. 5). In der Konzentration auf einzelne Figuren und die
Akzentuierung der wichtigsten Motive durch Licht unterscheidet sich Duysters
Werk von Coddes gleichmäßig beleuchteten, monochromen, vielfigurigen
Kompositionen. [26] Wie Codde malt Duyster nicht nur "Wachstuben",
sondern auch
"roverijtjes"
und Geiseln, die flehend vor einem Offizier stehen.
Die Themen, die Codde und Duyster am Ende der
zwanziger Jahre entwickelten, fanden schnell Aufnahme bei einer Reihe von
Künstlern. Die bekanntesten unter ihnen sind Jacob Duck, Simon Kick,
Benjamin Cuyp und Anthonie Palamedesz.
Der in
Utrecht geborene Meister Jacob Duck beschäftigte sich ausgiebiger mit
Soldateninterieurs. Sein Frühwerk schließt eng an das von Codde
an. [27] Die späteren "Wachstuben" zeigen dagegen unverkennbar eine
eigene Bildauffassung. Die Szenen sind in hellere, gleichmäßig
ausgeleuchtete, monumentale Räume versetzt, die an ruinierte
Kirchengebäude erinnern. In diesen Räumen schildert Duck eine bunte
Schar von Soldaten und Dirnen, die ganzfigurig, aber recht klein ins Bild
gebracht sind. Man sieht, wie Koffer mit erbeuteten Kostbarkeiten mit
raffgierigen Blicken ausgepackt werden, wie Karten gespielt und geraucht wird,
während einige Soldaten mit einer Perlenschnur die Gunst einer Dirne zu
erkaufen suchen. Auf fast allen Gemälden Ducks richten sich eine oder
mehrere Personen an den Zuschauer, um ihn zum Mitwisser eines Spaßes zu
machen, um die Aufmerksamkeit auf ein Detail zu lenken oder einfach um den
Kommentar des Betrachters zum Dargestellten herauszufordern. Der Pinsel Ducks
ist fein und der Ton silbrig mit helleren Farbakzenten. Bis in das kleinste
Detail ist die Darstellung minutiös ausgeführt.
Auch wenn Künstler wie Anthonie Palamedesz.,
Simon Kick, Benjamin Cuyp und Marten Stoop noch bis in die fünfziger Jahre
in der Nachfolge Coddes, Duysters und Ducks "Wachstuben" malten, erfuhr das
Genre zu Beginn der fünfziger Jahre durchgreifende stilistische
Veränderungen. Diese Transformation ist zuerst im Werk Jacob van Loos und
Gerbrand van den Eeckhouts erkennbar. Van Loo und van den Eeckhout konzentrieren
sich auf kleinere Figurengruppen, bisweilen sogar nur auf einzelne Figuren, und
plazieren diese in den Vordergrund. Während der Raum häufig
düster ist, fällt das Licht auf die Hauptfiguren, die sich so vor dem
dunklen Hintergrund abheben, so daß die Darstellung eine reliefartige, bis
dahin unbekannte, realistische Tiefenwirkung erhält. Die subtile Verteilung
von Licht und Schatten sorgt darüber hinaus für eine Vereinheitlichung
der Komposition. Waren die älteren Interieurs mit Soldaten in einfachen
Verschlägen angesiedelt, sind es nun reich dekorierte Räume, und die
Protagonisten sind durchweg wohlhabend gekleidet.
Diese stilistische Erneuerung des Genres
beeinflußt auch das Werk des aus Deventer stammenden Künstlers Gerard
ter Borch. Bereits in den dreißiger Jahren hatte er "Wachstuben" gemalt,
die eine starke thematische und kompositionelle Affinität mit dem Werk
Willem Duysters zeigen. [28] Das schönste Beispiel sind die um 1640
entstandenen
"Trik-Trak-Spieler"
(Abb. 6). Im Gegensatz zu den meisten anderen Künstlern vermeidet ter Borch
dramatische Handlungen und Gesten, die so typisch sind für die vielen bis
dahin angefertigten, lärmenden Wachlokale, wodurch sein Werk Ruhe
ausstrahlt. Das Bild in Bremen hat eine verblüffende Überzeugungskraft
durch die detaillierte Malweise und die phänomenale Technik, mit der der
Künstler die atmosphärischen Effekte und farbenfrohen Gewänder
der Personen zu treffen weiß.
Anfang der
fünfziger Jahre schuf ter Borch in der Nachfolge van Loos und van den
Eeckhouts eine neue Art von Soldateninterieurs, die zumeist im Hochformat
einzelne Halb- oder Ganzfiguren zeigen, welche durch ihre Posen oder Gesten den
dargestellten Raum definieren. Neben dieser stilistischen Neuerung zeigen diese
Werke neue Themen und Motive, wie den Boten, der einem Offizier einen Brief
überreicht oder den briefschreibenden Offizier - meist kontemplative,
stille Momente einer Beschäftigung. Mit virtuoser Pinseltechnik gelingt es
ter Borch, den Glanz eines Küraß oder die Stoffe der Kleidung
höchst natürlich wiederzugeben.
Auch
bei anderen Künstlern wie Jan Vermeer, Pieter de Hooch und Ludolf de Jongh
findet zu Anfang der fünfziger Jahre die konventionellen, in der Tradition
Duysters und Coddes stehenden "Wachstuben". In der Nachfolge der neuen
Interieurs van den Eeckhouts, ter Borchs und van Loos ändern auch sie ihren
Stil und ihre Komposition und malen zahlreiche Interieurs dieser Art.
VIII. Der Niedergang der "Reitergefechte" und
"Wachstuben"
"Reitergefechte" und "Wachstuben"
hatten ihre große Blüte im zweiten Viertel des 17. Jahrhunderts, dem
Zeitraum zwischen dem Ende des Zwölfjährigen Waffenstillstands 1621
und dem Frieden von Münster im Jahre 1648. Die Popularität dieses
Genres fiel mit der zweite Phase des Achtzigjährigen Krieges zusammen. In
dieser Zeit entstand eine Vielzahl von Gemälden, Stichen, Münzen und
Kacheln, die den Krieg thematisierten und damit indirekt mit den
Auseinandersetzungen verbunden waren. Sowohl in den südlichen als auch in
den nördlichen Niederlanden schuf der Krieg ein Klima, in dem sich das
Interesse für die Visualisierung dieses Kampfes voll entfalten konnte. In
diesem Licht ist es auch nicht verwunderlich, daß mit der Beendigung der
Feindseligkeiten die direkte Grundlage für dieses Genre entfiel.
Bei den "Reitergefechten" traf diese Entwicklung
mit den Veränderungen zusammen, die Philips Wouwerman an dem klassischen,
von Esaias van de Velde ausgebildeten Konzept der "Reitergefechte" vornahm. Die
Kombination dieser beiden Entwicklungen, die eine auf historischem und die
andere auf kunsthistorischem Gebiet, führte zu einer anderen Darstellung
von "Reitergefechten", in der Felsen und andere fremdländische Elemente das
Bild bestimmten. Auch die Soldaten veränderten sich. Sie trugen nicht
länger rote oder orangene Schärpen, die sie als spanische oder
republikanische Soldaten identifizierten. Mit dem Ablegen der farbigen
Schärpen verliert sich auch der aktuelle Charakter der Bilder.
Ende der sechziger Jahre sind die "Wachstuben"
als Thema weitgehend verschwunden, trotz einiger Ausnahmen. Danach gibt es keine
Darstellungen mehr, auf denen die Protagonisten deutlich als Soldaten erkennbar
sind. Das Soldatengenre verlor offensichtlich seine Anziehungskraft und ging
vollständig im bürgerlich eleganten Gesellschaftsstück auf. Zwei
Jahrzehnte nach dem Frieden von Münster haben sich auch die
militärischen Themen in der Malerei überlebt.