DOKUMENTATION | Ausstellungen: 1648 - Krieg und Frieden in Europa |
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Textbände > Bd. II: Kunst und Kultur |
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MARLOES HUISKAMP
"[...] tot eere ende reputatie van deeser stadt ende loff sijner nakomelingen" - Der
Achtzigjährige Krieg und der Friede von Münster in den Rathäusern
der Niederlande |
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I. Einleitung
Am 13. Februar 1629 ließen die
Bürgermeister der Stadt Haarlem in ihr Memorial notieren:
"Meister Hendrick Vroom nimmt [den Auftrag] an und gelobt das Stück mit der Stadt
Haarlem, namentlich die Schlacht oder die Seeschlacht auf dem Haarlemermeer
getreu und aufrecht zu malen, zur Ehre und zum Ruhm dieser Stadt und zum Lob
ihrer Nachkommen
[...]". [1] Das Ergebnis dieses Auftrags war Vrooms großes Gemälde von der
Schlacht auf dem Haarlemermeer (1573), das sich heute im Rijkmuseum in Amsterdam
befindet. [2] Diese Erwähnung in den Urkunden der Stadt Haarlem
verdeutlicht, welche Intention derartigen städtischen Aufträgen
zugrunde lag: Das Gemälde mußte wahrheitsgetreu sein und diente der
Mehrung von Ehre und Glorie der Stadt und ihrer Bewohner. Dazu ist anzumerken,
daß die dargestellte Schlacht zwischen Spaniern und Geusen für
letztere nicht erfolgreich war: Sie mußten sich zurückziehen, wodurch
die Zufuhr von Lebensmitteln in die von den Spaniern belagerte Stadt Haarlem
unmöglich wurde und die Stadt sich ergeben mußte, mit allen
schrecklichen Konsequenzen. Die Tatsache, daß die Flotte und die Haarlemer
sich so tapfer gegen den spanischen Feind gewehrt hatten, war für die
Stadtregierung offenbar Grund genug, die Schlacht Jahre später für die
Nachkommen festzuhalten. Auch andere Stadtregierungen erwarben Kunstwerke, die
die Nachfahren an das ruhmreiche, aber häufig auch elende Schicksal ihrer
Stadt während des Achtzigjährigen Krieges und, weitaus seltener, an
den darauf folgenden Frieden von Münster erinnern sollten. Diese Werke
erhielten zumeist einen Platz im Rathaus, aber auch in anderen öffentlichen
Gebäuden. So ließen Stadtregierung bzw. andere städtische
Einrichtungen in den Leidener Tuchhallen, den Alkmaarer, Amsterdamer und
Antwerpener Schützenhäusern und verschiedenen Kirchen Darstellungen
anbringen, die den Krieg und den Frieden in Erinnerung riefen.
Dieser Beitrag konzentriert sich auf jene
Kunstwerke, die seit dem Ende des 16. und während des 17. Jahrhunderts
ihren Platz in den Rathäusern der nördlichen und der südlichen
Niederlande fanden. Dabei sollen besonders der Typus und die Funktion dieser
Darstellungen besprochen
werden. [3]
II. Darstellungen aus
Anlaß eines konkreten Ereignisses
1. Von
aufständischer Seite
Die nördlichen
Niederlande waren besonders in der Anfangsperiode des Achtzigjährigen
Krieges von den Kriegsaktivitäten betroffen. In der Frühphase des
Aufstandes gegen Spanien spielten die Städte, die seit dem Beginn der
siebziger Jahre eine nach der anderen zu den Aufständischen
übergingen, eine aktive Rolle. Die Spanier reagierten mit Strafexpeditionen
und Belagerungen, die für eine Umkehrung der Situation sorgen sollten. In
Städten wie Naarden (1572), Haarlem (1573), Alkmaar (1573), Leiden (1574)
und Oudewater (1575) forderten die spanischen Machtdemonstrationen und die
Belagerungen einen hohen Zoll. Es waren gerade diese einschneidenden Ereignisse
der ersten Hälfte des Achtzigjährigen Krieges, die die
Stadtregierungen festhalten ließen.
Eine der
am schwersten betroffenen Städte war Naarden. Im Dezember 1573 wurde die
Stadt von den Spaniern auf grausame Art dafür bestraft, daß sie die
Truppen der Geusen in ihre Stadtmauern gelassen hatte. Hunderte der Einwohner
wurden auf bestialische Weise ermordet, Häuser in Brand gesetzt und die
Festungsmauern geschleift. Mehr als 30 Jahre später, im Jahre 1604, malte
ein unbekannter Künstler dieses Ereignis. Das Gemälde hängt im
Rathaus von Naarden. [4] Die lichterloh brennende Stadt ist in
Vogelperspektive wiedergegeben. Am Horizont und im Mittelgrund sind spanische
Reiter zu sehen. Quellen des 17. Jahrhunderts über die Herkunft des
Stücks sind nicht bekannt, doch scheint die nachdrückliche
Präsenz des Stadtwappens und der Ende des 16. Jahrhundert erneuerten
Festung auf dem Bild, ebenso wie der Inhalt der Inschrift, einen Auftrag von
städtischer Seite zu bestätigen. Dort wird vor allem dem
gemeinschaftlichen Leiden der Bürger gedacht. [5] Auch die
Tatsache, daß der Wiederaufbau des während des Brandes
verwüsteten Rathauses kurz vor 1604, dem Entstehungsjahr des Gemäldes,
beendet wurde, deutet auf einen städtischen Auftrag.
Ein anderes ruhmreiches Ereignis war der Entsatz
der Stadt Leiden im Jahre 1574 nach einer monatelangen Belagerung durch die
Spanier. Es fällt auf, wie sehr die Leidener Stadtregierung sich
bemühte, die Erinnerung hieran lebendig zu halten. Im Rathaus werden die
Belagerung und der Entsatz mit drei Kunstwerken sowie einem Gedenkstein im
Giebel gedacht. Für die Tuchhalle wurde eine Folge von sieben Gemälden
bestellt, von dem eines einen direkten Bezug zwischen dem Aufblühen der
Tuchindustrie nach dem Entsatz Leidens und dem Ende der Kriegsnot herstellt.
Für Kirchen innerhalb und außerhalb der Stadt wurden bunte
Glasfenster bestellt. [6] Der älteste
'öffentliche
Auftrag',
soweit bekannt und soweit man von einem solchen sprechen kann, war ein Gedicht,
das "die
van den
Gerechte"
im Jahre 1577 auf der St. Jeroensbrücke über der Vliet, dem
Fluß, auf dem die Geusen nach Leiden eingefahren waren, anbringen
ließen. Es lautet wie folgt:
"Men
was in groot verdriet,
Want Eten wasser niet,
En 'tvolck van honger schreyden.
Ten laetst Godt nedersiet,
En sondt deur dese VLIET,
Broot, Spijs, en dranck in
LEYDEN." [7]
Das
älteste Kunstwerk im Rathaus war ein Wandteppich, den die Stadt im Februar
1587 bei dem Delfter Weber Joost Jansz. Lanckaert bestellt hatte. [8]
Abgebildet ist dort eine Landkarte Hollands, die die militärische Situation
zur Zeit der Belagerung und des Entsatzes zeigt. Das zweite Werk war ein nicht
erhaltenes Gemälde von Claes Isaacsz. van Swanenburgh, das in der
Bürgermeisterkammer hing. Es zeigte, so der Stadtchronist Jan Orlers,
"die
Geschichte vom König Pharao im Roten Meer und die Führung der Kinder
Israels in die
Wüste".
Orlers weist darauf hin, daß
"dasselbe
angemessen [war], für die unerhörten Verluste der Stadt
Leiden".
Auch in einer Inschrift auf dem Gemälde werden die Prüfungen, welche
die Leidener Bevölkerung durchstehen mußte, mit denen des
israelischen Volkes aus dem Alten Testament verglichen: Dank Gottes Eingreifen
wurde sowohl Israel als auch Leiden vor dem Hunger gerettet. [9]
Schließlich gelangte 1615 ein Gemälde von Pieter van Veen in die
Bürgermeisterkammer, auf dem dargestellt ist, wie die Geusenflotte in die
Stadt einfährt und wie sich das ausgehungerte Volk nach dem Aufstand auf
Hering und Weißbrot stürzt (Abb. 1). [10] Auf den Rahmen
wurde das folgende Gedicht geschrieben:
"Wanneer
den honger-noot met spijse werd
verdreven
Verandert druck in vreucht d'aenstaende
doot int leven
Dit heeft dees stadt beprouft tot
goodts eer haer geluck
Gelijck gij siet ten deel
in dit geschildert
stuck." [11]
Die
Unterschiedlichkeit und Vielzahl der Darstellungen zur Erinnerung in Leiden ist
einzigartig. Die Stadtregierung scheint die Ereignisse, die einerseits zwar
viele Tote forderten, aber andererseits indirekt auch die anschließende
ökonomische Blüte und die Stiftung der Leidener Universität zur
Folge hatte, bewußt zu städtischen Propagandazwecken benutzt zu
haben. [12] In anderen Städten beschränkte sich die Anzahl der
Kunstwerke, mit denen der historischen Ereignisse gedacht wurde, meist auf eine
Darstellung. Diese wurden bisweilen erst Jahre später bestellt, wie
"Die Schlacht auf dem Haarlemermeer" (1573) von Cornelis Vroom aus dem Jahr 1629 zeigt. [13] Die
Stadtregierung von Oudewater bestellte sogar noch 1650, also nach dem Frieden
von Münster, bei dem Utrechter Maler Dirk Stoop eine Darstellung des
großen Brandes von Oudewater während der spanischen Belagerung im
August 1575. [14] Wie auf dem Naardener Gemälde ist die - teils
brennende - Stadt in Vogelperspektive wiedergegeben, das Geschehen selbst aber
wurde hier sorgfältiger ausgeführt. Links im Vordergrund ist ein Zelt
der Belagerungstruppen mit einigen Reitern davor dargestellt, den Hintergrund
füllen weitere Zelte. Im Mittelgrund sind Kanonen und Soldaten in
Schlachtordnung nach rechts aufgestellt, wo die Bürger von Oudewater
angegriffen werden. Auch innerhalb der Stadtmauern setzen spanische Soldate den
Bürgern nach. Rechts darunter in der Ecke steht auf einem gemalten Papier
folgende Inschrift:
"OVDEWATER
onder
philp. II Co: van hisp. door
beleit van Hierges
belegert den 19 Jvly
is nae dapperlyck beschieten
ende
grouwlijck gevechs stormenderhant ingenomen
Soldaten. Burgeren vrouwen en kinderen
wreedlijck
vermoort: ende de stadt verbrant Opden
7 augustius 1575." [15]
Auf
diesem Papier hat der Maler als markantes Detail das Blut der Bürgerschaft
von Oudewater wiedergegeben, das bei dieser Gelegenheit so reichlich floß.
Während die Stadtregierungen in den
nördlichen Niederlanden also Darstellungen von Episoden aus der
Frühzeit des Aufstandes noch ein halbes Jahrhundert später bestellten,
gab es in den Rathäusern kaum Darstellungen von Ereignissen aus der zweiten
Hälfte des Krieges. Auf die Frage, warum das so war, soll weiter unten
eingegangen werden.
2. Die spanische
Seite
Auch die spanischgesinnten Stadtregierungen
gaben Kunstwerke in Auftrag, die Ereignisse aus der ersten Hälfte des
Achtzigjährigen Krieges zum Thema haben. Diese Gemälde unterscheiden
sich nicht wesentlich von denen der Gegenpartei. Am 14. Oktober 1595 wurde die
Stadt Lier durch Truppen der Generalstaaten angegriffen. Die Stadt schaffte es
nicht, sich selbst zu verteidigen, und Truppen aus der Umgebung, namentlich
Schützen aus Mechelen und Antwerpen, mußten zur Hilfe eilen.
Gemeinsam konnten sie die Stadt befreien. Dieser Ereignisse wurde in Lier mit
einem Gemälde gedacht (Abb. 2). Die Stadt ist in Vogelperspektive
wiedergegeben. In den Straßen finden Gefechte statt, aber die Retter sind
im Vordergrund bereits in Anmarsch. Das Gemälde hat zwei Inschriften, eine
in Niederländisch und eine in Latein. [16] Die erste lautet:
"Veerthien
October Lyer In groot treueren was
doir Calvinus
gebroet diese quamen benouwen
Goidts assistencie
door hulpe vande[n] nagebuere[n] ras
dede[n] hen
de Stadt v[er]late[n] en hoofden krouwen.
1595". [17]
Die Zufügung
'S.P.Q.L.'
(Magistrat und Volk von Lier) in der lateinischen Inschrift, das Stadtwappen -
zusammen mit dem spanischen - und die Wiedergabe der Stadt in Vogelperspektive
deuten auf einen städtischen Auftrag. Die in der Inschrift genannten
'nagebuere[n]',
besonders die Mechelner, waren offensichtlich selber stark von ihrer
Rettungsaktion eingenommen, denn ihr Magistrat ließ ebenfalls eine
Darstellung der Befreiung Liers malen. Auch wenn der Aufbau dieses Gemäldes
ungefähr dem in Lier entspricht, sind die Schützen im Vordergrund des
Gemäldes von Jan Ghuens d.J. etwas größer und mit mehr Sorgfalt
gemalt, was logisch ist, wenn man bedenkt, wer der Auftraggeber
war. [18] Auf einem anonymen Werk im Rathaus von Nieuwpoort wird der
Belagerung der Stadt durch die Truppen von Moritz im Jahre 1600
gedacht. [19] Bei der berühmten Schlacht bei Nieuwpoort, die im
Vordergrund wiedergegeben ist, waren die Generalstaaten knapp überlegen,
doch gelang es Moritz nicht, auch noch die Stadt einzunehmen. Auf dem
Gemälde ist sowohl die Schlacht als auch die Belagerung dargestellt, vor
allem an letztere wird in der Inschrift erinnert. Auf der Leinwand steht zu
lesen:
'DIT
IS HET BELECH VAN
NIEVPOORT'
und:
"MAVRVS
BESETTEN ZWAER
HEEFT ONS ZEERE DOEN
SNEVEN
EER ALBERTUS
VOORWAER
ONS HEEFT ONTSET
GHEGHEVEN" [20]
Darüber
hinaus deuten die Inschrift - der Gebrauch des Wortes
'ons'
(uns) - und die Art der Darstellung - die Stadt in Vogelperspektive - auf einen
städtischen Auftrag. [21]
Drei Bilder
im Rathaus von Venlo wurden nachweislich im Auftrag der spanischgesinnten
Stadtregierung angefertigt. Zwei davon stellen Ereignisse aus dem
Achtzigjährigen Krieg dar, und zwar die mißglückten Belagerungen
von 1597 und 1606 durch die Truppen der Generalstaaten. Das dritte zeigt eine
Belagerung vom Beginn des 16. Jahrhunderts. [22] Die Werke wurden um
1613 bei dem örtlichen Maler Frans Everts für die Ratskammer des
Rathauses bestellt. Die betreffenden Belagerungen sind hier nicht in
Vogelperspektive wiedergegeben, doch dient eine Art Stadtansicht als Kulisse
für das Geschehen. Außer der Belagerung zeigt jedes der vertikal
unterteilten Gemälde, eine alttestamentarische Szene: neben der Belagerung
Venlos im Jahre 1597 sieht man die Geschichte von Esther, die dem Untergang des
jüdischen Volkes zu verhindern wußte; neben der Belagerung von 1606
ist die Geschichte der Judith dargestellt, der mutigen Witwe, die ihre
Vaterstadt Bethulien vor den assyrischen Belagerern rettete. Die Verse auf den
Rahmen unterstreichen die Übereinstimmung zwischen den Ereignissen in Venlo
und denen in der Bibel. So lautet die Inschrift auf dem Rahmen des zweiten
Gemäldes:
'ALS SESTHEEN HONDERT SES MEN
SCHRIEF
VENLO VAN GOD BEHALDEN
BLIEF
GELICK DOER HOLOFERNES
DOET
BETHULIEN OUCK IS
BEHOET'. [23]
Derartige Verweise auf
Parallelen aus dem Alten Testament waren im 17. Jahrhundert nicht
ungewöhnlich und besonders auf protestantischer Seite gebräuchlich.
Die Gemälde in Venlo zeigen aber, daß sich auch die katholische Seite
derartiger Vergleiche bediente. Man gedachte der Belagerungen Venlos nicht nur
in diesen Gemälden, sondern auch mit Prozessionen - Venlo blieb noch einige
Jahre in spanischer Hand, also katholisch. 1610 wurde der Rundgang, der
jährlich am St. Willebrordstag stattfand, auf den 2. Oktober verlegt, den
Tag des Anschlags im Jahre 1606. Später wurden bei den Prozessionen auch
"die
Darstellungen der Belagerungen und der
Verrätereien"
selbst mitgeführt. [24] Es ist anzunehmen, daß es sich hier
um die Gemälde von Everts handelt.
Die
Gemälde in Lier, Mechelen, Nieuwpoort und Venlo zeigen - aus der Sicht der
Generalstaaten - mißglückte Belagerungen. Es scheint
verständlich, daß sich aus der kurzen Zeit, in der die meisten
südlichen Städte auf der Seite des Aufstandes standen, kaum etwas in
den Rathäusern erhalten hat. Die spanische Macht wurde innerhalb weniger
Jahre wiederhergestellt, die Zeit also, in der hier
'Pro-Geusen'-Kunstwerke
hätten entstehen können, war sehr kurz, und falls sie existiert haben
sollten, so ist die Wahrscheinlichkeit groß, daß sie durch die
spanischgesinnten Stadtregierungen entfernt wurden. Allerdings sei angemerkt,
daß die oben genannten erhaltenen
"spanischen"
Beispiele in Venlo, das später von den Generalstaaten eingenommen wurde,
zeigen, daß es auch anders sein konnte (auch wenn Venlo im 17. Jahrhundert
nur kurzzeitig in der Hand der Generalstaaten war.). [25] Andererseits
gibt es Beweise, die zeigen, daß im Süden die spanischgesinnten
Stadtregierungen in der Tat ihr Bestes taten, die Spuren des Aufstandes in ihren
Städten zu beseitigen. Ein Beispiel hierfür ist Antwerpen: Die zu
diesem Zeitpunkt noch auf der Seite der Generalstaaten stehende Stadtregierung
kaufte im Dezember 1584 bei Frans Francken ein Portrait von Wilhelm von Oranien
und hängte es in der Staatskammer des Rathauses auf. Als die Stadt ein
knappes Jahr später in die Hände der Spanier fiel, wurde das
Gemälde entfernt - an seine Stelle trat ein Bildnis des erfolgreichen
Eroberers Alexander Farnese. [26] Zwei Jahre später, 1587, wurde
auch die Figur des legendären Brabo von der Giebeldekoration des
Antwerpener Rathauses auf Drängen der Jesuiten durch eine Marienfigur, der
Patronin der Stadt, ersetzt. Die Brabofigur im Giebel kann mit den
antispanischen Gefühlen der Zeit in Verbindung gebracht werden. Brabo galt
als der erste Herzog von Brabant, und sein Bild verwies, so gesehen, auf die
bedrohten Rechte und Privilegien der Provinz Brabant. Eine Marienfigur war
bereits seit dem Mittelalter Teil der Giebeldekoration, so daß die
Rückkehr der Stadtpatronin zugleich die Rückkehr des alten Zustands
symbolisierte. [27]
Auch in Brügge
bemühte man sich, die Erinnerung an den Aufstand zu beseitigen. Das
Gemälde "Allegorie
auf den Frieden in den Niederlanden im Jahr 1577" von Pieter Claeissens d.J.
wurde vermutlich für das Rathaus in Brügge bestellt (Abb.
3). [28] Es zeigt Personifikationen unter anderem des Bündnisses,
des Friedens, der siebzehn Provinzen und der Generalstaaten und symbolisiert den
Frieden, der den Generalstaaten nach der Pazifikation von Gent (1576) vor Augen
stand. Das Gemälde entstand wahrscheinlich als Don Juan
d'Austria
Statthalter war und mit dem Ewigen Edikt (1577) die Pazifikation unter
bestimmten Vorbehalten akzeptierte: Auf dem Gemälde nimmt sein Wappen einen
prominenten Platz auf dem Triumphwagen ein. Die niederländischen Provinzen
werden durch Österreich angeführt. Ursprünglich war auch das
Wappen Wilhelms von Oranien - rechts - auf dem Wagen zu sehen. Es wurde
übermalt, vermutlich um 1583-1584, als der Oranier in vielen südlichen
Städten zur persona non grata geworden war und die Stadtoberen nicht
mehr an ihn und den Aufstand erinnert werden wollten. [29]
Darstellungen von der Wiedereroberung durch
"spanische" Feldherren wie Alexander Farnese und Erzherzog Albrecht fanden nur selten ihren
Platz in den jeweiligen Rathäusern. Eine Ausnahme bildet
möglicherweise die "Allegorie
auf die zweite Blüte Antwerpens nach der Eroberung durch Alexander Farnese
im Jahre 1585" von Hans Vredeman de Vries, ein Gemälde, das viele Jahre im
Rathaus von Antwerpen hing. Im Mittelpunkt des Werkes steht Alexander Farnese,
der Philipp II. als Zeichen der Rückkehr der Stadt unter spanische Gewalt
das Wappen Antwerpens überreicht. Die Darstellung mit ihren
Tugendpersonifikationen und den verschiedenen allegorischen Figuren sowie der
Wiedergabe des von Aktivität wimmelnden Hafens scheint darauf zu zielen,
die Antwerpener Bürger von der versöhnlichen Haltung der spanischen
Macht zu überzeugen und ihnen eine segensreiche Zukunft
vorzuspiegeln. [30] Zwar ist nicht bekannt, wann genau das Gemälde
in das Antwerpener Rathaus gelangt ist, doch weist der Inhalt auf einen
öffentlichen Auftrag. [31] Möglicherweise handelt es sich hier
eher um habsburgische als um städtische Propaganda.
Darstellungen von Ereignissen aus der zweiten
Hälfte des Achtzigjährigen Krieges waren, wie in der Republik, auch in
den Rathäusern der südlichen Niederlande ungewöhnlich. Eines der
seltenen Beispiele ist
"Die Schlacht bei Kallo" von
Gillis und Bonaventura Peeters (Abb. 4). Die Antwerpener Stadtregierung kaufte
dieses Gemälde 1639 für die Staatskammer. [32] Hier geht es
ausnahmsweise nicht um eine Belagerung, sondern um eine Schlacht, die 1638
nördlich von Antwerpen stattfand. Das Heer der Generalstaaten erlitt bei
dem Versuch, die Forts an der Schelde zu erobern, eine Niederlage gegen die
Truppen des Kardinalinfanten Ferdinand. Letzterer ist in der Vordergrundmitte
dargestellt, aber nicht besonders hervorgehoben. Deutlich wird, daß diese
Niederlage der Generalstaaten für Antwerpen von großem Nutzen war.
3. Die Bedeutung der
Gemälde
Stadtregierungen sowohl auf seiten
der Generalstaaten als auch auf seiten der Spanier ließen durch die
genannten Kunstwerke ihre eigene Geschichte für die Nachwelt festhalten.
Dabei bevorzugten sie die Wiedergabe einer erfolgreichen Verteidigung gegen den
belagernden Feind, die zum Teil - vor allem auf seiten der Generalstaaten - mit
der Darstellung des gemeinschaftlichen Leidens kombiniert wurde. Der Inhalt
dieser Werke wird häufig durch Inschriften auf den Gemälden oder
Rahmen verdeutlicht, die an den Kampf und die erbrachten Opfer erinnern und
Gottes Hilfe rühmen. Zumeist wurde eine Stadtansicht gewählt, in die
die Ereignisse einfach hineingesetzt wurden. [33] Da es sich immer um
städtische Aufträge handelte, mußte die Stadt schon deshalb im
Mittelpunkt stehen. Nur selten werden dagegen Individuen herausgestellt. Die
Funktion des Werkes war es, die historische Identität der Stadt zu
stärken und das Kollektivgefühl zu fördern. [34] In
dieser Betonung des gemeinschaftlichen Elements liegt die Erklärung
für das Fehlen der späteren Belagerungen in den Rathäusern der
betreffenden Städte. Für diese waren die Feldherren, im Norden vor
allem die Prinzen Moritz und Friedrich Heinrich, im Süden Alexander
Farnese, Erzherzog Albrecht und Kardinalinfant Ferdinand, und ihre Truppen
verantwortlich. Die eroberte Stadt und ihre Bevölkerung hatten an dem
Ausgang geringen Anteil, daher konnten sich die Städte mit den Ereignissen
nicht gut identifizieren. Vor allem konnte man aber die Schuld für die
Leiden während der Belagerung nicht einem großen, bösen Feind
zuweisen, denn die Belagerer waren letztendlich immer die
'Befreier',
die später auch im Rathaus das Sagen hatten (und dort nicht als Bedrohung
dargestellt sein wollten). Das Fehlen von Darstellungen der Eroberungen
Friedrich Heinrichs liegt vermutlich in der Tatsache begründet, daß
dies für die brabantischen Städte wie
's-Hertogenbosch
und Breda, aber auch für das flämische Hulst, nicht gleichbedeutend
mit eine Aufnahme als vollwertige, stimmberechtigte Stadt in die Republik war.
Als
'Generaliteitssteden'
(Generalitätsstädte) spielten sie eine untergeordnete Rolle. Die
Auftraggeber für die Darstellungen dieser erfolgreichen Belagerungen
müssen daher außerhalb der städtischen Kreise gesucht
werden. [35]
III. Oranier und
Habsburger
Neben Ereignissen waren natürlich
auch bestimmte Personen unlösbar mit dem Achtzigjährigen Krieg
verbunden: Im Süden waren dies vor allem die Habsburger und ihre
Statthalter, im Norden die Oranier. Die Portraits dieser politischen und
militärischen Führer wurden häufig für Rathäuser
angekauft. Traditionell hingen dort Staatsportraits des Landesherren, wie die
der alten Grafen und Gräfinnen von Holland oder der Herzöge von
Brabant - Titel, die im 16. Jahrhundert auch von Karl V. und Philipp II.
getragen wurden.
Auch im 17. Jahrhundert kaufte
man für ein südniederländisches Rathaus natürlich ein
Portrait des spanischen Königs, ebenso eines der verschiedenen Statthalter.
Besonders die Bildnisse der souveränen Erzherzöge Albrecht und
Isabella waren vielerorts zu finden. Sie waren Teil der 1607 von der Stadt
Antwerpen für die Staatskammer bestellten Serie der Herzöge von
Brabant, die eine während der Spanischen Furie verbrannte Reihe ersetzten
sollte. [36] Im Rathaus von Nieuwpoort hing eine Portraitserie mit
Bildnissen von Philipp II., Mary Tudor, Albrecht und Isabella sowie von Philipp
IV. und Elisabeth von Österreich. [37] Darüber hinaus begegnet
man den Habsburgern mehrfach in anderen Darstellungen. So sehen wir Farnese und
Philipp II. in der
"Allegorie
auf die Blüte von Antwerpen nach der Eroberung im Jahre 1585 durch
Alexander
Farnese"
und den Kardinalinfanten in der
"Schlacht
bei Kallo".
Im Rathaus von Brüssel hing, wie aus einer Beschreibung von Abraham
Golnitzius vom Jahre 1631 hervorgeht, eine Darstellung von Isabella beim
Papageienschießen. [38] Demselben Autor zufolge wurde im Genter
Rathaus verschiedener Siege des Erzherzogs Albrecht gedacht. Dies geschah
weniger durch die Darstellung dieser Siege, sondern durch
"Spolien".
Darüber hinaus erwähnt Golnitzius in Gent ein Gemälde, auf dem
die Hochzeit von Albrecht und Isabella mit den Hochzeiten der
"Töchter
aus der Familie
Zelophads"
verglichen wurde. [39] Was Golnitzius hier schildert, war Teil des
Festlichen Einzuges des Erzherzogspaares in Gent im Jahre 1600. Laut der
durch Johannes Bochius publizierten Beschreibung wurde dort die
alttestamentarische Geschichte von den Töchtern von Zelophads gezeigt (4.
Mose 27), die in den Stamm ihres verstorbenen Vaters heirateten und dessen
Erbteil bekamen, so daß das Erbe
'in der
Familie
blieb'. [40]
Damit wurde in Gent die Regelung, die Philipp mit seiner Tochter und seinem
Schwiegersohn getroffen hatte, in einen biblischen Kontext gestellt.
In den südlichen Niederlanden war es nicht
ungewöhnlich, Teile der ephemeren Architekturen, die anläßlich
der Festlichen Einzüge der habsburgischen Landvogte errichtet wurden, in
den Rathäusern aufzubewahren. In allegorischen Szenen und Darstellungen
militärischer Erfolge auf Triumphbögen und Bühnen wurden die
neuen Statthalter gefeiert. Daneben verwiesen sie aber auch auf die Städte
selbst und ihre Privilegien. In den Rathäusern, unter anderem in
Löwen, Brüssel, Antwerpen, Gent und Brügge, wurden die
Dekorationen derartiger Festlichen Einzüge aufbewahrt.
Auch wenn die Oranier als Statthalter keine
Landesherren waren, wurden deren Portraits seit dem Ende des 16. Jahrhunderts
ebenfalls in vielen Rathäusern der Republik aufgehängt. Bisweilen
wurden ganze Portraitreihen der verschiedenen Oranier bestellt, häufig bei
Michiel Mierevelt und seinem Atelier. Die älteste Folge hing im Rathaus von
Delft, spätere befanden sich unter anderem in Kampen, Zwolle und
's-Hertogenbosch.
In einigen Fällen wurden Reiterportraits der Oranier angekauft, wobei deren
militärische Erfolge im Hintergrund dargestellt waren. So zeigt eine Serie
von Isaac Isaacsz. in Harderwijk die Prinzen Wilhelm von Oranien, Moritz und
Friedrich Heinrich jeweils mit einer nicht näher zu identifizierenden
Seeschlacht, der Schlacht bei Nieuwpoort und der Eroberung von
's-Hertogenbosch
im Hintergrund. Auffallend ist, daß diese Serien nicht immer auf die
Statthalter beschränkt blieben. So wurden in Delft Porträts von
Friedrich V. und seiner Frau Elisabeth aufgenommen und in Harderwijk
Kniestücke des schwedischen Königs Gustav Adolf und des
französischen Königs Heinrich IV. Die prominente Rolle dieser drei
Fürsten im protestantischen Kampf wird hier von Bedeutung gewesen
sein. [41]
Außer Portraits erwarben
die oranisch gesinnten Stadtregierungen von Delft und Haarlem allegorische
Darstellungen mit Wilhelm von Oranien. [42] Alles in allem scheint es,
daß die Habsburger stärker in den Rathäusern der südlichen
Niederlande als die Oranier in denen der Republik gegenwärtig waren, was
zweifellos mit den verschiedenen Staatssystemen
zusammenhängt.
IV. Schwierig zu deutende
Darstellungen
Die oben genannten Darstellungen
beziehen sich eindeutig auf bestimmte Ereignisse und Personen aus dem
Achtzigjährigen Krieg. In einigen Rathäusern hingen aber auch
Kunstwerke, von denen wir nur vermuten können, daß sie indirekt auf
den Achtzigjährigen Krieg verweisen. Ein Beispiel ist der
"Kindermord
von
Bethlehem",
den Cornelis van Haarlem Anfang der neunziger Jahre des 16. Jahrhunderts
zusammen mit drei anderen Gemälden im Auftrag der Stadt Haarlem malte.
Zieht man in Betracht, daß diese Bilder im Prinsenhof, einem Teil des
Rathauskomplexes, aufgehängt wurden, scheint eine politische Bedeutung
plausibel, möglicherweise bestand sogar ein direkter Zusammenhang mit der
aktuellen Situation in Haarlem. [43] So kann der
"Kindermord"
vor dem Hintergrund der gewalttätigen Belagerung von Haarlem im Jahr 1573,
bei der viele Einwohner auf brutale Weise ermordet worden waren, aber auch
allgemeiner als Beispiel für tyrannische Willkür interpretiert werden,
wobei der Hinweis auf Philipp II. und Alba naheliegt. [44] Da die
zeitgenössischen Quellen schweigen, kann über die intendierte Lesart
jedoch nur spekuliert werden
Auch im Rathaus von
Antwerpen hing ein
"Kindermord",
und zwar von Frans Floris. Hier scheint die Verbindung zur Spanischen Furie im
Jahr 1576 schnell gezogen, bei der ein großer Teil der Bevölkerung
der Stadt ermordet wurde. Frans Floris starb aber bereits 1570 und kann also mit
dieser Darstellung nicht auf die Furie angespielt haben. Die auf seiten der
Aufständischen stehende Stadtregierung kaufte das Gemälde im April
1583, etwa drei Monate nachdem die französischen Truppen vergeblich
versucht hatten, die Spanische Furie in Antwerpen zu wiederholen. [45]
Ob die Szene auf Grund von Parallelen zur eigenen jüngsten Vergangenheit
angekauft wurde, muß eine unbeantwortete Frage
bleiben.
Folgendes Beispiel - ebenfalls aus
Antwerpen - verdeutlicht, daß die Interpretation einer Darstellung in der
Tat von den historischen Umständen, ebenso wie von der genauen Ikonographie
abhängen kann. 1608 bestellte der Magistrat zwei Gemälde für die
Staatskammer, dem Saal, in dem die Verhandlungen über den
Zwölfjährigen Waffenstillstand stattfanden, der dort am 9. April 1609
unterzeichnet wurde. Das erste Werk "Scaldis und Anverpia" von Abraham Janssen
zeigt eine Allegorie Antwerpens und der Schelde. Mit diesem Gemälde hoffte
die Antwerpener Stadtregierung die Aufmerksamkeit der Unterhändler auf die
Notwendigkeit einer Aufhebung der Scheldeblockade durch die Generalstaaten zu
lenken. Dieses Thema wurde aber nicht speziell für diesen Anlaß
entwickelt. Wie aus dem Inventar von 1571 deutlich wird, hing damals bereits ein
Gemälde dieses Themas in der "Heren camer" des Rathauses. Dasselbe gilt
für das zweite Gemälde, der "Anbetung der Könige" von Rubens.
1571 befand sich ein Bild mit diesem Thema in der
"rentmeestercamere". [46] Bedenkt man, daß auch Rubens Werk
anläßlich der Waffenstillstandsverhandlungen entstand, muß die
Darstellung auch inhaltlich von Bedeutung gewesen sein. Es wurde schon
früher darauf hingewiesen, daß der exotische Charakter der
Könige und ihres Gefolges sowie der mitgeführten Reichtümer einen
Hinweis auf die Fahrten nach Osten und Westen beinhaltet, die die südlichen
Niederlande nach dem Waffenstillstandsschluß wieder aufzunehmen
hofften. [47] Folglich erhielten beide Szenen, die bereits vorher im
Rathaus zu finden waren, 1609 eine aktuelle
Bedeutung.
Dasselbe muß für die
Allegorie auf Gerechtigkeit und Frieden gelten, die zusammen mit dem Stadtwappen
auf einen Kamin in einem der Säle des Rathauses von Damme gemalt wurde.
Eine derartige Darstellung war für ein Rathaus nicht ungewöhnlich und
kann zu jedem beliebigen Zeitpunkt als Verbildlichung der allgemeinen
Zielsetzung und Voraussetzung einer guten Regierung benutzt worden sein. Wenn
eine derartige Darstellung aber, wie in Damme, 1609, im Jahr, in dem der
Zwölfjährige Waffenstillstand geschlossen wurde, bestellt wird, dann
liegt ein Bezug zu der aktuellen Situation
nahe. [48]
1632, also lange nach der
Wiederaufnahme des Krieges im Jahre 1621, kaufte die Stadt Dordrecht vom Maler
Christiaen Couwenbuergh eine Darstellung von Delila, die das Haar des
schlafenden Simson abschneidet und ihn so seiner Kraft beraubt (Abb. 5). Der
Künstler ging von einer Rubensschen Komposition aus. Das Gemälde
erhielt einen Platz im Ratssaal des Rathauses, was für ein Werk mit diesem
Thema ungewöhnlich ist; es geht hier jedenfalls nicht um ein biblisches
exemplum virtutis. Darum ist die Darstellung schon früher politisch
interpretiert worden. Das Thema - der Held, der von dem Feind verführt wird
und dadurch untergeht - soll hier in Zusammenhang gebracht werden mit den
Friedensvorstellungen, die 1632 der Süden vorschlug und die auch in der
Dordrechter Stadtregierung diskutiert wurden. Das Werk soll eine Warnung sein,
sich nicht durch schöne Reden des Feindes bestricken zu
lassen. [49] Diese Interpretation bleibt spekulativ, um so mehr, da
Dordrecht sich in dieser Zeit zu einem Vorkämpfer für einen Frieden
mit Spanien entwickelte. Aber ist der klagende Löwe, rechts verborgen in
einer Draperie, den van Couwenbergh
Rubens'
Komposition hinzugefügt hat, nicht vielleicht doch ein Hinweis auf den
wachsamen holländischen Löwen? Die genaue Intention der Dordrechter
Stadtregierung ist, wie bei einigen anderen bereits genannten Fällen, auf
Grund mangelnder Quellen leider nicht mehr zu ermitteln.
V. Der Friede von
Münster
Trotz einigen Widerstandes konnte
1648 der Friede von Münster endlich geschlossen werden, wodurch die
Republik der Vereinigten Niederlande auch de jure ein selbständiger Staat
wurde. Für einige Stadtregierungen war dies Anlaß, den Frieden und
seine Folge in Kunstwerken festhalten zu lassen. Allen voran die Stadt
Amsterdam, wo am 28. Oktober 1648 der Grundstein für das neue Rathaus
gelegt wurde, ein Gebäude, das als ein Monument des Frieden charakterisiert
werden kann. [50] Amsterdam hatte sich stark für den Frieden
eingesetzt und betonte entsprechend seine wichtige Rolle bei dessen
Zustandekommen. In Gebäude und Dekorationsprogramm wird unter anderem die
Stadt selbst, der Friede und die durch den Frieden endgültige
Unabhängigkeit der Republik gefeiert. So wird in den Tympana an der
Außenseite in Bildwerken des Artus Quellinus aus der Mitte der
fünfziger Jahre der universelle Friede glorifiziert. Das Tympanon der
Hauptfront wird durch eine Figur der Pax bekrönt, die Merkurstab und
Ölzweig in den Händen hält. Das Relief im Tympanon zeigt den
Wohlstand, den der Friede Amsterdam brachte. Im Inneren des Gebäude wird in
den Bögen der Galerie in der sogenannten Bataverfolge, die
größtenteils in den sechziger Jahren entstand, der Aufstand
festgehalten und gerechtfertigt. Der Aufstand der Bataver, der angeblichen
Urahnen der Holländer, gegen die Römer galt als Vorwegnahme des
Aufstands der Niederländer gegen die Spanier und diente darüber hinaus
zur Rechtfertigung des Aufstandes. [51] Unter den Malern dieser niemals
vollendeten Folge waren Rembrandt, Jan Lievens und Jacob
Jordaens.
Im Rathaus von
's-Hertogenbosch
werden in einem Gemälde Theodoor van Thuldens aus dem Jahre 1650 die
politischen Konsequenzen des Friedens für die Stadt dargestellt: "Brabant
bittet die Generalstaaten, sie als gleichwertigen Partner zu den Sieben
Vereinigten Provinzen zuzulassen". [52] Das Gemälde kann als eine
Reaktion auf die neue Situation der Stadt gesehen werden, die bereits 1629 durch
ihre Eroberung durch Friedrich Heinrich entstand, aber erst mit dem Frieden von
Münster festgeschrieben wurde. Der durch die Generalstaaten eroberte Teil
Brabants hatte keine selbständige Position innerhalb des
Staatsgefüges, sondern wurde als Generalitätsland von Den Haag aus
regiert. Natürlich führte dies zu großer Unzufriedenheit und
Frustration bei den brabantischen Regenten. Das Gemälde gibt dem
Mißbehagen Ausdruck. Rechts auf einem Thron sitzt eine junge Frau, die die
Generalität symbolisiert. Ihr nähert sich die Stedemaagd, die
Personifikation 's-Hertogenboschs, und bietet ihr das Wappen von Brabant an, um
es der Reihe der über dem Thron hängenden Wappen der sieben Provinzen
hinzuzufügen. Auf den Treppenstufen rechts fügen Putti einen Pfeil,
Brabant, dem die Vereinigten Niederlande symbolisierenden Pfeilbündel
hinzu.
Während das Gedenken an den Frieden
von Münster in den Rathäusern der Republik offenbar nur einen
bescheidenen Platz eingenommen hat [53], scheint es in den
südlichen Niederlanden ganz gefehlt zu haben. Dies ist nicht verwunderlich,
bedenkt man, daß diese Provinzen als die großen Verlierer dastanden;
die Schelde blieb geschlossen und das Gebiet noch einige Jahre Kriegsschauplatz
des französch-spanischen Krieges. Eine Spur, die möglicherweise in den
südlichen Niederlanden auf den Frieden von Münster verweist, ist ein
Stich, der sich 1693 im Rathaus von Veurne befand. Dieser zeigte keine
Festlichkeit oder passende Allegorie, sondern einfach die
'Stadt
Münster'. Über diesen sehr prosaischen Hinweis auf die Geschehen von 1648 haben die
südniederländischen Stadtregierungen wohl nicht hinausgehen
wollen.
ANMERKUNGEN
1.
"Mr. Henrick Vroom neempt aen ende gelooft het stuck van de stadt Haerlem
namentlijcken den slach ofte scheepstrijt opde Haerlemmermeer wel getrouw ende
oprechte te maecke tot eere ende reputatie van deeser stadt ende loff sijner
nakomelingen [...]"
2. Leinwand, 190 x 268 cm.
Siehe Biesboer 1983, S. 48, 50, Abb. 23.
3. In
ihrer Dissertation über nord- und südniederländische
Rathausdekorationen des 16. und 17. Jahrhunderts wird die Autorin tiefer auf
diese und andere Fragen eingehen.
4. Holz, 250 x
230 cm, Naarden, Rathaus. Siehe: Ausst.kat. Zwolle 1992, S. 56, 59-60, mit
Abb.
5. Für die lateinische Inschrift vgl.
die Abb. in Ausst.kat. Zwolle 1992.
6. Vgl.
Luttervelt 1960; Huiskamp 1997, S. 335f.
7. "Man
hatte großen Kummer / Denn Essen gab es nicht, / Und das Volk schrie vor
Hunger. / Zuletzt sah Gott hernieder, / Und schickte durch die VLIET, / Brot,
Speis und Trank nach LEIDEN" Orlers 1641, S.
538.
8. Wolle und Leinen, 297 x 366 cm; Leiden,
Stedelijk Museum De Lakenhal. Siehe Kat. Leiden 1993, S. 20f., mit Abb. Der
Wandteppich wird von Orlers, der in seiner Stadtbeschreibung viele andere
Kunstwerke erwähnt, nicht genannt. Der Rand mit Seegöttern, Nymphen
u.a. wurde von Isaac Claesz. van Swanenburgh
entworfen.
9.
"de
Historye vanden Coninck Pharao in het Roode-Meer, ende de leydinge vande
kinderen Israels inde
Woestijne"
"Het selfde
eenichsins passende [was] opte onghehoorde verlossinghe der Stadt
Leyden"
Orlers 1641, S. 163. Siehe auch Huiskamp 1994, S.
147.
10. Leinwand, 197 x 307,5 cm; Leiden,
Stedelijk Museum De Lakenhal. Siehe Kat. Leiden 1983a, S. 347, mit Abb. Auch
wenn Orlers von einem Auftrag spricht ('door last vande Heeren Burgermeesteren
[...] doen maecken') (auf Auftrag der Herren Bürgermeister [...] machen
lassen), war das Werk laut der Quellen ein Geschenk des Malers an die Stadt
(Orlers 1641, S. 164; Quellennachweis in: Kat. Leiden 1983a, S.
347).
11. "Als die Hungersnot mit Speise
vertrieben wurde / wandelte [sich] Schwermut in Freude, der nahende Tod in Leben
/ Das hat diese Stadt gezeigt, zu Gottes Ehre ihr Glück / wie man zum Teil
in diesem gemalten Werk sieht."
12.
Möglicherweise spielte hierbei eine Rolle, daß in Leiden so viele
südniederländische Immigranten wohnten, ebenso wie das
persönliche Engagement der Künstler. Sowohl van Veen wie auch Isaac
und Claes van Swanenburgh gehörten zum Leidener Patriziat. (Isaac malte
zudem die erwähnte Folge in der Tuchhalle und lieferte Fensterentwürfe
für die Janskerk in Gouda, die an den Entsatz von Leiden
erinnerten).
13. Es ist nicht nachweisbar,
daß dieses Gemälde ursprünglich im Haarlemer Rathaus hing. Siehe
Biesboer 1983, S. 50.
14. Leinwand, 178 x 478 cm;
Oudewater, Rathaus. Hazelzet 1988, S. 7, 42f., mit
Abb.
15. "Oudewater / unter Philipp II. König
von Spanien unter / der Führung
Hierges'
belagert wurde am 19 Juli / nach kühnem Beschuß und / grausamen
Gefechten im Sturm eingenommen / Soldaten, Bürger, Frauen und Kinder
grausam / ermordet und die Stadt verbrannt. Am 7. August
1575."
16. Leinwand, 177,6 x 182 cm; Lier,
Rathaus. Siehe Verbiest 1961, S. 129, 131 (zu den Inschriften), 140-143, mit
Abb.
17. "Am vierzehnten Oktober war Lier voll
großer Trauer / durch Calvins Brut, die gekommen war, [die Stadt] zu
bedrängen / Gottes Beistand durch rasche Hilfe von den Nachbarn / zwangen
sie, die Stadt zu verlassen und ihre Köpfe einzuziehen /
1595."
18. Leinwand, 172 x 237 cm; Mechelen, Hof
van Busleyden. Siehe Verbiest 1961, S. 134-137, mit Abb. Möglicherweise
handelt es sich in einigen Fällen um Portraits. Die Stadt Antwerpen
ließ anläßlich der Befreiung eine Gedenkmünze prägen.
Für diese und andere Mementi vgl. Verbiest
1961.
19. Leinwand, 113 x 146 cm; Nieuwpoort,
Stedelijk Museum. Siehe Casier/Bergmans 1922, S. 14f. mit
Abb.
20.
"Dies ist
die Belagerung von
Nieuwpoort"
und
"Maurits
schwere Besatzung / hat uns sehr leiden lassen / bevor Albert / uns befreit
hat"
21.
Bei dem mehrzeilige Vers handelt es sich, wie darüber steht, um ein
'CRONICON'
oder Zeitvers. Nach Casier/Bergmans 1922, S. 14f. steht hier die Jahreszahl
1600. Weiter trägt das Bild verschiedene kürzere, erläuternde
Inschriften.
22. Leinwand, jeweils 121 x 182 cm;
Venlo, Rathaus. Siehe Huiskamp 1994, S. 56-60, mit
Abb.
23. "Als man 1606 schrieb / wurde Venlo von
Gott bewahrt / wie durch
Holofernes'
Tod / auch Bethulien behütet war"
24. Siehe
Laak o.J., S. 74.
25. Auch ein Gemälde von
der mißglückten Belagerung von Goes durch die Geusen im Jahr 1572
wurde wahrscheinlich in der spanischen Zeit bestellt, blieb aber später im
Rathaus hängen. Siehe Huiskamp 1997, S. 236ff., Abb.
3.
26. Siehe Velde 1962/63, S.
176f.
27. Vgl. Bevers 1985, S.
55-58.
28. Holz, 159 x 198 cm; Brügge,
Groeningemuseum. Hierbei handelt es sich wahrscheinlich um das Werk, das in dem
Inventar von 1654 umschrieben wird als: 'Inde nieucamer [...] een tafereel de
pays' (In der Nieuwe Kammer [...] eine Tafel des Friedens). Vgl. Vos 1979, S.
103-106, Nr. 0.24, mit Abb.
29. Vos 1979, S.
103-106.
30. Siehe Ausst.kat. Antwerpen 1993, S.
280f., Kat. Nr. 135, mit Abb.
31. Allerdings wird
in dem 1615 erstellten Inventar des Rathauses ein Prospekt von Hans Vredeman de
Vries genannt (Antwerpen, Stadsarchief, P.k.
2204).
32. Leinwand, 227 x 243 cm; Antwerpen,
Koninklijk Museum voor Schone Kunsten. Prims 1930, S.
36.
33. Stadtansichten mit Belagerungen waren auch
im Rathaus von Goes und im Schützenhaus von Alkmaar zu finden. Es ist
wahrscheinlich, daß vergleichbare Darstellungen der Belagerungen
Zaltbommels und Deventers ebenfalls städtische Aufträge waren. Vgl.
auch Gelder 1984, S. 150.
34. Vgl. Fröschl
1988.
35. Vgl. den Artikel von Michiel van
Maarseveen in diesem Band.
36. Prims 1930, S.
35.
37. Couvez 1852, S. 538, Nr.
9.
38. Golnitzius 1631, S. 124. Das
Papageienschießen Isabellas ist häufiger dargestellt: vgl. z.B. die
Replik nach Antoon Salaert in den Koninklijke Musea voor Schone Kunsten in
Brüssel (Inv. Nr. 172).
39. Golnitzius 1631,
S. 22.
40. Bochius 1602a, S.
330.
41. Friederich V. war ein Neffe der Oranier,
Heinrich IV. war Patenonkel von Friedrich Heinrich. In bezug auf das Portrait
Gustav Adolfs ist es interessant zu wissen, daß Pieter Isaacsz, der Vater
des Malers, für diesen König als Spion tätig gewesen ist.
Für diese und andere Oranierportraits siehe Huiskamp 1997, S. 340-342; vgl.
auch den Artikel von Michiel van Maarseveen in diesem Band.
42. Die Darstellung in Delft hing im Rathaus, die
in Haarlem im zum Rathauskomplex gehörenden Prinsenhof. Im Prinsenhof
hingen zudem verschiedene Karten und Stiche von der Schlacht bei Nieuwpoort und
eine Genealogie des Hauses Nassau. Siehe Bueren 1993, S.
460-463.
43. Die anderen drei Gemälde zeigen
"Adam und
Eva",
"Die
Hochzeit von Peleus und
Thetis" und
"Der
Mönch und die
Begine".
44.
Siehe Biesboer 1983, S. 27ff., 32-35; Bueren/Spies 1992, S. 201f.; Bueren 1993,
S. 202, 437-446.
45. Siehe Branden o.J., S.
244.
46. Siehe Prims 1930, S. 28, 29; Auwera 1994,
S. 232f., Abb. 7, 8.
47. Auwera 1994, S.
232f..
48. Siehe Devliegher 1971, S. 53, Abb. 71.
Auch im Rathaus von Venlo hängt eine Darstellung von Friede und
Gerechtigkeit aus dem Jahr 1609.
49. Leinwand, 156
x 196 cm; Dordrecht, Dordts Museum. Schwartz 1984, S. 87, Abb.
70.
50. Siehe den Beitrag von Eymert-Jan Goossens
in diesem Band.
51. Vgl. Waal 1952, S. 210-238;
Schama 1988, S. 80ff.
52. Leinwand, 245 x 305 cm;
's-Hertogenbosch, Rathaus. Siehe Ausst.kat. Straßburg 1992, S. 79-82, mit
Abb.
53. Noch für u.a. zwei
Schützenhäuser und die Oude Kerk (Alte Kirche) in Amsterdam und
für die Tuchhalle in Leiden wurden Kunstwerke bestellt, die in Zusammenhang
mit dem Frieden gebracht werden können.
54.
Potter/Ronse/Borre 1873, S. 210. So wurde der Friede u.a. in Antwerpen und
Löwen festlich verkündigt. Dort wurden zu dieser Gelegenheit jeweils
ein Friedenstheater und ein Friedenswagen
errichtet.
© 2001 Forschungsstelle "Westfälischer Friede", Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Münster, Domplatz 10, 48143 Münster, Deutschland/Germany. - Stand dieser Seite: 2. Mai 2002