DOKUMENTATION | Ausstellungen: 1648 - Krieg und Frieden in Europa | |
Textbände > Bd. II: Kunst und Kultur |
CHRISTIAN und ASTRID TÜMPEL Die Spiegelung von Krieg und Frieden in der niederländischen Kunst |
Die wechselvolle Geschichte des Achtzigjährigen Krieges hat ihre Spuren in der niederländischen Kunst
hinterlassen, und zwar einerseits in der Kunstproduktion, anderseits in der
Themenwahl. [1] Durch den Bildersturm (1566) war die Kunst in eine Krise
geraten. [2] In vielen Städten war die kirchliche Kunst, besonders
Altäre, Gedächtnisbilder, Epitaphien etc., vernichtet worden. An
manchen Orten konnte man zwar die kirchlichen Kunstwerke in kommunalen
Räumen oder den Häusern der Stifterfamilie bergen. Manchen
Stadtregierungen war es sogar gelungen, den Bildersturm ganz abzuwenden. Aber
danach blieb die Situation noch lange Zeit ungeklärt. Wurde eine Stadt, die
von den Aufständischen besetzt worden war oder sich dem Freiheitskampf
angeschlossen hatte, von den Spaniern erobert, so wurden die erhaltenen
Altarbilder wieder in ihre alte Funktion versetzt, und es wurde geplant, die
verlorenengegangen (zumindest langfristig) zu ersetzen. Trat dagegen eine Stadt,
die katholisch geblieben war, dem Freiheitskampf bei, wurden ihre Kirchen von
den Calvinisten übernommen und gereinigt, oft schon zum zweiten Mal, wenn
nach dem ersten Bildersturm erneut Altäre in Auftrag gegeben oder die
beschädigten restauriert und wieder errichtet worden waren.
Wie es auch immer der kirchlichen Kunst bei den
häufigen Machtwechseln ergangen war, in den Provinzen, die sich 1579 in der
Union von Utrecht zusammenschlossen, wurde durch die strikte Einhaltung des
zweiten Gebotes in den durch die Calvinisten übernommenen Kirchen den
Künstlern der Bereich der kirchlichen Kunst entzogen. Die Familien, Gilden
und vergleichbaren Institutionen, die bis dahin Kapellen oder Altäre
unterhalten hatten, wurden von dieser Pflicht befreit, weil die calvinistische
Kirche das Errichten von Altären und auch das entsprechende Brauchtum
ablehnte.
Die spanischen Niederlande wurden
dagegen seit 1585 systematisch rekatholisiert. Die Familien, Gilden und
vergleichbaren Institutionen wurden wieder an die Kirche gebunden und sogar
gezwungen, ihre Kapellen erneut mit Altären ihrer Heiligen auszustatten. In
Antwerpen blühte die Kunst. Selbst der Kunstexport blieb trotz (oder
vielleicht wegen) der Blockade durch die Republik ein lohnendes
Geschäft.
Die unterschiedliche konfessionelle
Entwicklung hatte tiefgreifende Auswirkungen auf die Kunst. In den spanischen
Niederlanden waren Kunstwerke thematisch viel stärker an die Kirche und den
Hof gebunden als in den nördlichen Niederlanden. Zwar entwickelte sich auch
im Süden die Fachmalerei, aber sie spielte wegen der beachtlichen
Auftragskunst für die Kirche eine viel geringere Rolle als in der Republik.
Hier wurden die Institutionen von der herrschenden calvinistischen Kirche
unabhängig. Das früher mit den kirchlichen Festen verbundene Brauchtum
lebte weithin säkularisiert fort. Die oben erwähnten Institutionen
tradierten oder entwickelten säkulare Formen von Epitaphien,
Memorialbildern etc. Künstler erhielten - wenn man von gelegentlichen
Aufträgen der Stadtregierung, Orgelflügel in calvinistischen Kirchen
zu bemalen, und von der Dekoration lutherischer und verborgener katholischer
Kirchen absieht - keine Aufträge mehr, Kirchen mit Bildern, bzw. mit
Altarbildern auszustatten. So blieb den Künstlern nur der Ausweg, sich in
der Fachmalerei zu spezialisieren und neue Themenbereiche, die Interesse fanden,
zu entwickeln. Sicher ist das einer der Gründe dafür, daß gerade
niederländische Künstler das Bild vom Achtzigjährigen (1568-1648)
und vom Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) entscheidend geprägt
haben.
In der ersten Periode des Freiheitskampfes
bis etwa 1583 wurden wegen Zensur, Inquisition und der militärischen
Gefährdung zeitgeschichtliche Ereignisse in der ohnehin darniederliegenden
Malerei nicht dargestellt oder kommentiert - es war auch viel zu
gefährlich. [3] Die Druckgraphik blühte trotz der
religiös und politisch unsicheren Zeiten und bot manchem Künstler, der
vorher mit Altarmalerei sein Geld verdient hatte, ein Auskommen. Als
Propagandamittel spielte die anonyme Graphik - die in großen Auflagen
erschien - eine wichtige Rolle. Sie wurde vor allem von den Aufständischen
benutzt, um die Bevölkerung für den Aufstand zu
gewinnen. [4]
Die Ereignisse, die zum
Freiheitskampf und schließlich zum Krieg führten, wurden vor allem in
graphischen Werken und Münzen festgehalten. Die Unzufriedenheit mit der
Politik Philipps II., die die reformatorische Bewegung unterdrückte, die
Niederlande in die kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Habsburgern
einbezog und eine Zentralisation der Macht und der Verwaltung anstrebte, hatte
den Widerstand der Städte und Stände, die fürchteten, alte
Privilegien zu verlieren, geweckt. Als auf Befehl Philipps II. die Inquisition
auch in den Niederlanden eingeführt werden sollte, protestierten angesehene
Männer aus Adel und Bürgertum am 5. April 1566 vor der Statthalterin
Margarete van Parma. Als Geusen (Bettler) diffamiert, übernahmen sie
diese Bezeichnung für den Bund, den sie schlossen. 1566 wurde in vielen
Städten der Niederlande durch eine kleine calvinistische Gruppe der
Bildersturm "inszeniert". Philipp II. berief darauf Herzog Alba zum Landvogt,
der mit einem Sondergericht, dem raad van Beroerten - vom Volk "Blutrat"
genannt, nicht nur gegen die Calvinisten, sondern auch gegen alle Adligen, die
sich für einen Kompromiß eingesetzt hatten, vorging. Während der
nun einbrechenden Schreckensherrschaft wurden selbst die Statthalter Egmont und
Horne mit etwa 1100 weiteren Opfern hingerichtet, der Statthalter Wilhelm von
Oranien und ca. 2% der Bevölkerung flohen. In agitatorischen
Flugblättern wurde von seiten Wilhelms von Oranien und von seiten der
Calvinisten versucht, die Bevölkerung für den Freiheitskampf gegen den
spanischen Landvogt Alba zu gewinnen. In den frühesten Blättern steht
die Charakterisierung der Herrschaft Albas im Vordergrund, in späteren
werden Alba und Wilhelm von Oranien einander gegenübergestellt.
Zu dem späteren Bildtyp gehört ein
anonymer Kupferstich, wohl von Theodor de Bry (Abb. 1). Alba wird durch die
Personifikationen von Fallacia (Intrige) und Invidia (Neid)
begleitet. Er hält mit seiner Linken die nackte und gekettete
Personifikation der Niederlande (Belgica) fest, in seiner rechten Hand hält
er eine Schere. Das spielt darauf an, daß Alba durch Steuern die Einwohner
bis aufs Hemd ausraubt. Daher liegt zu seinen Füßen das Volk (Pleps),
das zum Betteln gezwungen ist. Ihm gegenüber steht Wilhelm von Oranien, der
von den Allegorien von Reichtum, Weisheit und Ehre umgeben ist: den Geschenken,
die König Salomo von Gott erhielt. Er ist ein wahrer Friedensfürst.
Kleine Wiedergaben alttestamentlicher Szenen unter der Hauptdarstellung sollen
den Aufstand gegen den ungerechten Herrscher rechtfertigen (Passahmahl) und sein
Ende ankündigen (Untergang Pharaos).
Hunderte
solcher Pamphlete mit allegorischen Darstellungen von unterschiedlicher
Qualität erschienen wegen der Inquisition anonym oder wurden im Ausland
produziert.
Erst als Künstler viele
Begebenheiten des Aufstands und des spanisch-niederländischen Kriegs als
Ereignisbilder stachen, ließen sich diese zu Serien zusammenfassen, die
dann ein Gesamtbild der dargestellten Epoche vermittelten. Prägend wurde
hier Frans Hogenberg (vor ca. 1540- ca. 1590), der wegen seines protestantischen
Glaubens aus seiner niederländischen Heimat nach Köln emigriert war.
Er hatte in seiner Werkstatt seit ca. 1570 Blätter mit "Reportagen" vom
Aufstand gestochen und herausgegeben, die zu immer umfangreicheren Serien
zusammengefaßt wurden. Die Ereignisse werden in der Form des
traditionellen Überschaubildes gezeigt. Neben dem Hauptereignis im
Vordergrund werden im Hintergrund die vorausgegangenen und folgenden Szenen
abgebildet. Durch den hochgezogenen Horizont werden Überschneidungen
vermieden; damit ist die Darstellung übersichtlich. Die Kupferstiche wurden
mit einem kurzen Text versehen, der das Ereignis in den deutschen Ausgaben aus
protestantischer, in den niederländischen Ausgaben aus antispanischer Sicht
kommentiert. Viele Ereignisse, die noch heute als politische Wendepunkte
angesehen werden, hat er dargestellt. So schildert er in einem Blatt die
Eroberung der Stadt Den Briel durch die Wassergeusen am 1. April 1572 (Abb. 2).
Links wird gezeigt, wie die Flotte in der Nähe des Ufers anlegt, die
Soldaten ausgeschifft werden und wie die Wassergeusen nach der Beschießung
die Stadt einnehmen. Durch einen Sturm waren sie in die Mündung von Maas
und Rhein getrieben worden. Sie nahmen nicht nur Den Briel ein, sondern u.a.
auch Vlissingen, Enkhuizen und Dordrecht. So hatten sie durch Zufall strategisch
wichtiges Gebiet erobert, von wo aus sie die Schelde und damit Antwerpen
blockieren konnten. Wilhelm von Oranien drang von Deutschland her in die
nördlichen Niederlande ein. Alba setzte daraufhin mit Erfolg sein Heer ein.
Nur Holland und Seeland hielten stand. Haarlem wurde nach achtmonatiger
Belagerung eingenommen. Zur Abschreckung ließ Alba Hunderte
calvinistischer Bürger hinrichten. Hogenberg schildert dieses Blutbad als
straff organisierte
Massenhinrichtung. [5]
Als danach die
Stadt Leiden (1573-1574) von Albas Truppen belagert wurde, war Wilhelm von
Oranien sich bewußt, daß deren Befreiung von entscheidender
Bedeutung war. Er ließ daher die Deiche durchstechen, worauf die Spanier
vor der Wasserflut fliehen mußten. Hogenberg beschrieb dies als ein
Wunder. Nach der Ablösung Albas und dem Tod seines Nachfolgers entstand ein
Machtvakuum. Unbezahlte meuternde spanische Söldnertruppen zogen
plündernd durch Brabant und Flandern und richteten bei der Einnahme
Antwerpens (1576) ein Inferno an, die sogenannte "Spanische Furie". In dieser
Situation schlossen sich fast alle Provinzen dem Freiheitskampf an; 1576 wurde
die Genter Pazifikation geschlossen, die jedoch keinen Bestand hatte. Das
Antwerpener Inferno und die Pazifikation von Gent sind häufig dargestellt
worden. Wir gehen hier nur auf das erste Ereignis ein: In vier Blättern
entwirft Hogenberg ein Bild von der "Spanischen Furie". [6] Die
Folterungen und Hinrichtungen werden in ihrer Grausamkeit geschildert und formen
als Propaganda einen festen Topos in den Werken über den
spanisch-niederländischen Krieg. Hogenberg, der auch Kartograph war, gab
trotz seiner Parteilichkeit einen Eindruck von genauer Berichterstattung, indem
er das Ambiente anhand des von ihm verarbeiteten Materials an Stadtansichten,
Landkarten usw. so genau wie möglich schilderte. Gerade die Darstellungen
des Aufstands zeugen von einer bemerkenswert frühen Neigung zur
realistischen Wiedergabe der Umgebung, die sich erst später bei anderen
Themen finden sollte. Damit war Hogenberg ausgesprochen progressiv. Einzelne
Serien wurden schon früh in Geschichtsbücher über den
spanisch-niederländischen Krieg aufgenommen. Sie wurden häufig
nachgedruckt, auch in Raubdrucken, und dienten späteren Illustratoren von
Büchern über den Achtzigjährigen Krieg und den Malern als Vorlage
und historische Quelle.
Teile der südlichen
Provinzen arrangierten sich nach 1577 mit dem neuen spanischen Statthalter
Farnese, der das gesamte Gebiet südlich von Rhein und Maas
zurückeroberte, zuletzt als Höhepunkt die Stadt Antwerpen (1585).
Protestanten bekamen in Antwerpen vier Jahre Zeit, um sich zu entscheiden, ob
sie wieder katholisch werden oder die Stadt verlassen wollten. Unter den
Künstlern setzte eine Emigrationswelle in die nördlichen Provinzen
ein.
Die nördlichen Provinzen hatten sich
1579 zur Union von Utrecht zusammengeschlossen. Nachdem es nach der Ermordung
Wilhelms von Oranien (1584) nicht gelang, einen Nachfolger zu finden, nahmen die
sieben Provinzen die Regierung in die eigene Hand: Es entstand die Republik der
Vereinigten Niederlande. Im Jahre 1588 verloren die Spanier bei dem
mißglückten Versuch der Invasion Englands mehr als ein Drittel ihrer
siegesgewohnten Flotte (Armada). Von der See aus drohte der Republik damit keine
Gefahr mehr. Schiffbau, Seefahrt und Handel blühten
auf.
Die Generation der manieristischen Maler, von
denen viele im Ausland den Stil Sprangers kennengelernt hatten, sorgte für
einen künstlerischen Neuanfang, der auch auf die Ausbildung der jungen
Generation ausgerichtet war. Die Kunstszene der Niederlande wurde dabei durch
Immigranten, die wegen ihres Glaubens die spanischen Niederlande verlassen
hatten, stimuliert.
Die wechselvollen Ereignisse
nach der Bildung der Union von Utrecht wurden vor allem in graphischen Werken
und Münzen festgehalten. Es dauerte lange, bis sich einzelne am Aufstand
beteiligte Städte so sicher fühlten, daß sie die Ereignisse des
Krieges in Gemälden und Teppichen verherrlichen
ließen.
Dies scheint in Holland erst einige
Jahre nach der Bildung der Union von Utrecht erreicht und kommt vielleicht
zuerst bei den Schützenbildnissen, die Anfang der achtziger Jahre in
Amsterdam und seit 1583 nach dem Amsterdamer Vorbild auch in Haarlem entstanden,
zum Ausdruck.
Amsterdam hatte in der Anfangsphase
des Aufstands noch eine spanisch gesinnte Stadtregierung. [7] 1578
erklärten jedoch die Kapitäne der aus politischen Gründen
aufgelösten Schützengilden die katholische Stadtregierung für
abgesetzt und schickten sie kurzerhand ins Exil. Sie wählten eine neue
Stadtregierung von vorwiegend protestantischer Couleur und neue
Bürgermeister, die sich dem Aufstand anschlossen. Im Holländischen
wird dies als "Alteratie" bezeichnet.
Als einer
der ersten ließ sich Jan Huydecoper d.Ä. mit seiner Kompanie in einem
heute verlorenen Gruppenbildnis portraitieren. [8] Die Teilnahme
Amsterdams am Freiheitskampf wurde von ihm als so wichtig, der Erfolg als
dauerhaft und entscheidend angesehen, daß er sich in einem
Schützenbild bei der ersten Wache nach der Alteratie verherrlichen
ließ. Auf den monumentalen Amsterdamer Schützenstücken, die seit
der Mitte der achtziger Jahre vor allem von der Hand des schon betagten Dirk
Barendsz. entstehen, sind die Kapitäne der ersten Stunde mit ihren
Kompanien portraitiert. [9] Die Schützenbilder unterscheiden sich
in der Ikonographie von denen vor dem Aufstand. Dargestellt werden nicht mehr
die nur relativ kleinen Rotten der Schützengilden wie vor der
Alteratie, sondern die Elite der Bürgerkompanien, die durch ihre
Offiziere und die reichsten Schützen repräsentiert werden. Auch die
Symbolik und Bewaffnung ist anders: Die mittelalterlichen Attribute und Waffen
der Gilden werden nicht mehr dargestellt. Vielmehr werden nach der
Durchführung der Reform die neuen Symbole (die Fahnen der Kompanien) und
die neuen Waffen der Schützen wiedergegeben. Diese Veränderungen der
Ikonographie waren durch die Reform Wilhelms von Oranien bedingt. [10]
Er hatte in den meisten holländischen Städten an Stelle der
Schützengilden Bürgerwehren eingerichtet; in Amsterdam waren die
Schützengilden in die neu eingerichtete Bürgerwehr eingegliedert
worden. Die wehrfähigen Bürger eines Stadtbezirkes formten Kompanien
von je ca. 200 Mann, die unter der Leitung von Offizieren aus der
Stadtaristokratie standen. Sie mußten mit den neuesten Waffen ausgestattet
sein und ihre eigene Fahne haben. Sie hatten u.a. die Aufgabe, ihre Stadt und
verbündete Städte zu verteidigen, wenn diese überraschend durch
die Spanier überfallen wurden, bis der Statthalter mit seinen Truppen zu
Hilfe kam.
Als erster gab Cornelis Ketel 1588 in
seinem Gemälde mit der "Kompanie des Kapitäns Dirck Jacobs Rosencrans
und Leutnant Pauw" (1588; Amsterdam, Rijksmuseum) die Amsterdamer Schützen
in der Rangordnung und Bewaffnung wieder, die das neue Reglement
vorschrieb. [11] Die Schützen sind alle gemäß der neuen
Ordnung an ihren besonderen Waffen zu erkennen: Schlag-, Stich- und Feuerwaffen.
In Ketels Bild wird die Verschiedenheit der Waffen betont, wodurch die
Stoßkraft der Kompanien zum Thema wird. Der Fähnrich steht im Zentrum
der Komposition und trägt die Fahne auf seiner Schulter; Kapitän Dirck
Jacobsz. Rosencrans ist durch die befehlende Gebärde, Sponton und
Schärpe in seiner Funktion charakterisiert. Leutnant Pauw, rechts,
hält eine Partisane. Hinter ihm stehen leicht verdeckt die beiden
Sergeanten mit ihren Hellebarden. Ketel ordnet die Unteroffiziere in zwei
Gruppen an beiden Seiten des Gemäldes stufenartig hintereinander, wodurch
die Offiziere räumlich abgesondert werden und ihr Platz in der Hierarchie
der Bildfläche betont wird. Gerade in seiner Monumentalität und Pracht
und mit den überlebensgroßen Figuren ist dieses Schützenbild ein
Exempel dafür, welche Bedeutung die Bürgerwehrkompanien sich selbst
während des Achtzigjährigen Krieges zumaßen. Neben solchen
heroischen Gruppenportraits, wie Ketel sie schuf, entstanden auch solche, bei
denen Schützen in Dreiviertel- oder Halbfigurenbildern beim Mahl oder aber
in ein oder zwei Reihen gegliedert wiedergegeben werden. Die politische und
militärische Situation erschien offensichtlich so gefestigt, daß
immer mehr Bürgerwehren in Holland dem Amsterdamer Vorbild folgten: Nach
Haarlem gaben u.a. Offiziere aus Delft, Alkmaar, Gouda und Rotterdam ebenfalls
Gruppenbildnisse in Auftrag, wobei sich die Schützen beim Abschiedsmahl
oder in Halbfigurenbildern in ein oder zwei Reihen darstellen ließen.
Diese verkörpern nach außen hin die "Kraft und Wachsamkeit" der
Städte und sind damit wohl zusammen mit den Marinebildern der typische
Beitrag Hollands zu der Kunst, die mit dem Achtzigjährigen Krieg im
Zusammenhang steht.
Die Anregung, erfolgreiche
Seeschlachten im Bild festzuhalten, kam vielleicht aus England. Der englische
Admiral Lord Charles Howard, der die spanische Armada vertrieben hatte, wandte
sich wenige Jahre danach, 1592, an Carel van Mander mit dem Auftrag, Kartons
für eine Serie von 10 Teppichen zu erstellen, die dieses Ereignis zum Thema
haben sollten. Van Mander verwies ihn jedoch an einen Freund und Stadtgenossen,
Hendrick Vroom. [12] So entstand eine Serie mit ungewöhnlichem
Thema, die leider beim Brand des englischen Parlaments im Jahr 1834 vernichtet
wurde. [13]
Vielleicht inspirierte diese
Serie das Staatenkollegium von Seeland, nun, da die Zeiten sicherer waren, die
erste Phase des eigenen Aufstands in einer Teppichserie verewigen zu lassen. Man
erteilte Hendrick de Maeght den Auftrag, sechs Teppiche zu diesem Thema für
den Ratssaal der "Edele Mayende Heeren Staaten van Zeeland" im Prinsenhof in
Middelburg zu verfertigen. [14] Van Mander schuf den Entwurf für
den Teppich mit den Wappen Wilhelms von Oranien und dem von
Seeland [15], Vroom verdanken wir die 5 Entwürfe für die
Seeschlachten von Rammekens, Lillo, Festung De Haeck und Zierikzee. Er
rekonstruierte die Seeschlachten auf Grundlage der Stiche Hogenbergs, der
Stadtpläne Georg Brauns und Frans Hogenbergs und alter Beschreibungen.
Für den Bildaufbau der Schlacht von Zierikzee benutzt er das Schema des
traditionellen Überschaubildes, das wir aus den Illustrationen von
Hogenberg kennen. Um die Topographie zu erkunden, reiste Vroom, wie wir aus den
Urkunden wissen, selbst nach Rammekens. Im Vordergrund ist die Seeschlacht auf
der Gouwe abgebildet. Im oberen Drittel sehen wir die spanische Palisade, durch
die die Stadt von der Außenwelt abgeriegelt ist, und im Hintergrund die
Stadtansicht. Bei dem Versuch, die Befestigung zu durchdringen, erlitten die
Seeländer im Jahr 1576 schwere Verluste, und ihr Admiral Lodewijk Boisot
wurde ertränkt. Der Teppich stellt die Episode jedoch in der
Überschrift als Sieg dar, bei dem zwei spanische Schiffe erobert
wurden. [16]
Der Bildtyp "Seeschlacht"
gewann durch diese beiden außergewöhnlichen Teppichserien zweifellos
an Ansehen und dürfte auch die Schlachtenbilder der Marinemalerei
inspiriert haben.
1607 gelang es einer Flotte der
Republik, eine spanische Flotte bei Gibraltar zu schlagen. Diese Niederlage vor
ihrer eigenen Küste förderte die Verhandlungsbereitschaft der Spanier.
Der Landesadvokat von Holland, Oldenbarnevelt, setzte gegen den Statthalter
Mauritz von Oranien den Zwölfjährigen Waffenstillstand mit Spanien
durch. Damit wurde die Republik "de facto" durch den spanischen König
anerkannt.
Während des Waffenstillstands
brach die Republik wegen innerer religiöser und daraus folgender
politischer Konflikte beinahe auseinander. Die Contraremonstranten setzten sich
gegen die Remonstranten durch, die nicht an die absolute Prädestination
glaubten. Mauritz schlug sich in diesem Konflikt auf die Seite der
Contraremonstranten und nutzte die Gelegenheit, sich Oldenbarnevelts als
"Landesverräters" zu entledigen und die Remonstranten aus ihren Funktionen
zu entlassen.
Für die Kunstszene der Republik
war der Waffenstillstand trotz der inneren Konflikte eine ungeheuer fruchtbare
Phase. Eine große Anzahl von jungen Künstlern wie z.B. die Gruppe der
Prärembrandtisten, von denen viele ihre Ausbildung bei den Manieristen
erhalten und sich dann in Italien fortgebildet hatten, ließen sich neben
Immigranten in den holländischen und seeländischen Städten nieder
und begannen mit ihrer überreichen Produktion. Die Zahl der datierten
Gemälde aus dem letzten Jahr des Waffenstillstands 1621 übersteigt die
des Kriegsjahres 1574 um ein vielfaches.
In der
Graphik spielen der Waffenstillstand selbst, die (zeitweilig gewaltsamen)
Auseinandersetzungen zwischen Remonstranten und Contraremonstranten, die
Hinrichtung Oldenbarnevelts und die Beendigung des Waffenstillstands eine
zentrale Rolle. Neu ist, daß die innenpolitische Diskussion auch in der
Malerei einen Niederschlag findet. Adriaen van de Venne malt nicht nur eine
Allegorie des Waffenstillstands, sondern stellt auch seine Sicht auf die
"Seelenfischerei" der verschiedenen Glaubensrichtungen
dar. [17]
Während des
Waffenstillstands wird die Rechtfertigung des Aufstands historisch
untermauert. [18] Der Aufstand der Bataver wird als Vorbild für das
eigene Handeln gesehen. Die Generalstaaten erwerben eine Serie von zwölf
Gemälden zu diesem Thema von Rubens' Lehrer Otto van
Veen.
Aber auch die "traditionellen" Themen werden
weiterhin in Auftrag gegeben: Schützenbilder und Seeschlachten. Die
Schützen der holländischen Städte, die begonnen hatten, sich im
Gruppenverband portraitieren zu lassen, setzen die Tradition fort, die
Schützen von Goes schließen sich an. Über 25 z.T. monumentale
Schützenbilder aus dieser Zeit haben sich erhalten. Der innenpolitische
Streit ist an einigen dieser Gruppenbilder nicht spurlos vorübergegangen,
denn manchmal sind Portraits von Remonstranten getilgt worden. Gab es auch
interne Spannungen, Frans Hals gelingt es in seinen Bildnissen der Haarlemer
Schützen (Abb. 3), die Stimmung der Selbstgewißheit und Sicherheit,
die trotz allem während des Waffenstillstands herrscht, in
überwältigender Pracht der Pinselführung, Farbgebung und
Variation von Mimik und Physiognomie auszudrücken.
1621, als der Krieg erneut ausbrach,
beschloß die Admiralität von Amsterdam, Prinz Maurits zur
Ausschmückung des neu erbauten Flügels seiner Residenz in Den Haag ein
Gemälde mit einer Darstellung der Seeschlacht von Gibraltar zu verehren,
offensichtlich mit der Absicht, ihn an die überragende Bedeutung der Marine
beim Erfolg des Krieges zu erinnern. Als erster wurde selbstverständlich
der berühmte Cornelis Vroom gefragt, doch dieser forderte 6.000 Gulden. Er
bedachte dabei nicht, daß er nicht mehr wie zu Beginn seiner Karriere
konkurrenzlos war - die Kunstszene hatte sich inzwischen geändert. Die
Admiralität wandte sich an zwei andere Haarlemer Marinemaler, Cornelis van
Wieringen und Abraham de Verwer, die beide je ein Bild für weniger als die
Hälfte des Honorars malten. Verwers Gemälde ist verschollen, aber van
Wieringens monumentales Bild, fast von der Breite der Nachtwache, ist erhalten
und nach unserem Wissen das größte Seestück, das im 17.
Jahrhundert in Holland gemalt wurde (Abb. 4). Van Wieringen zeigt ein Gesamtbild
von der Seeschlacht vor Gibraltar und faßt dabei akzentuierte Gruppen von
Schiffen zusammen, so daß sich eine rasterartige Komposition ergibt, die
zwischen den Schiffen immer wieder Durchblicke freigibt. Im Vorder- und
Mittelgrund sind die Flaggschiffe der beiden Parteien wiedergegeben. Am linken
Bildrand sind einige niederländische Schiffe zu sehen, die das Flaggschiff
des spanischen Vizeadmirals umzingeln. Im Zentrum der Darstellung auf dem
Mittelgrund wird das Flaggschiff des spanischen Admirals am Bug von Seeleuten
des Admirals van Heemskerck und am Heck von einem weiteren niederländischen
Schiff aus geentert. Es gelingt niederländischen Seeleuten, die Flaggen der
Schiffe der spanischen Admiräle einzuholen. So kündet sich der teuer
erkaufte Sieg an.
Nach dem Ende des
Waffenstillstands gehört die Wiedergabe von Seeschlachten zu den
bedeutendsten Darstellungen des Dreißigjährigen Krieges in der
niederländischen Kunst. Am gefragtesten waren offensichtlich die Werke mit
den bedeutendsten Schlachten der Vergangenheit wie der Untergang der Armada vor
England (1588) und der niederländische Sieg bei Gibraltar (1607). Doch auch
Seeschlachten der jüngsten Vergangenheit wie die Schlacht auf der Slaak
1631, die in den Medien der Zeit ausführlich beschrieben worden war, wurden
oft schon einige Jahre danach gemalt. Aber auch heute eher als geschichtlich
unbedeutend angesehene Ereignisse, die wegen ihres höfischen und festlichen
Charakters einen politischen Effekt versprachen (wie die Ankunft des
Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz mit seiner Gemahlin Elisabeth, der
Tochter von Jakob I., in Vlissingen 1613), fanden Beachtung. War ein Ereignis
einmal von einem Maler rekonstruiert worden, so konnte sein Bild von ihm
später abgewandelt werden oder auch anderen Künstlern als
Ausgangspunkt für eine Variation dienen. Nur von einem Drittel der oft
monumentalen Bilder kennen wir die Auftraggeber. Es waren die Admiralitäten
von Amsterdam und Hoorn, die Stadtverwaltung von Haarlem, die Ost-Indische
Kompanie, die Nachfahren des Admirals M. H. Tromp und das Bürgerwaisenhaus
in Amsterdam. Aber es entstanden auch Bilder für den freien Markt, und zwar
meist anonyme Scharmützel, die niederländische oder englische Schiffe
im Gefecht mit spanischen Schiffen
zeigen.
Allgemein gilt, daß fast alle Bilder
mit Seeschlachten Rekonstruktionen sind, keine Reportagen. Die Marinemaler
erwecken durch ihre minuziöse Wiedergabe von Schiffstypen verschiedener Art
und verschiedener Epochen, durch ihre Erfassung des bewegten Meeres, durch ihre
künstlerische Fähigkeit, die Bewegungen der Flotte zu dramatischen
Ereignissen zu steigern, einen Charakter von Authentizität, der den
Betrachter vergessen läßt, daß es sich um mit dem inneren Auge
geschaute Bilder handelt. Erst gegen Ende des Krieges nehmen Maler an Schlachten
teil, um historisch getreu berichten zu
können.
Die meisten Hauptwerke unter den
Schützenbildern entstehen zweifellos zwischen 1621, dem Ablauf des
Waffenstillstands, und dem Westfälischen Frieden 1648. Frans Hals',
Rembrandts und Bartholomeus van der Helsts großartige Werke treten dabei
leuchtend hervor. Im Vergleich zu den Gemälden aus der Zeit vor 1621 und
auch im Vergleich zu den Schützenbildern der anderen Städte fällt
bei vielen Amsterdamer Schützenstücken auf, daß die
militärische Funktion der Gruppe stark betont wird, ebenso die Handhabung
der Waffen, wie z.B. auf dem Gruppenbildnis von Jacob Lyon. Das hängt
vielleicht damit zusammen, daß die Amsterdamer Schützen schon bald
zur Waffe gerufen wurden. 1622 wurden mehr als 200 Mitglieder der Amsterdamer
Schützengilden nach Zwolle abkommandiert, um dort bei der Verteidigung der
Stadt Unterstützung zu leisten. Die militärische Reformen, die Prinz
Maurits im staatlichen Heer durchführte, wurde auch von den
Bürgerwehren übernommen. Jener führte nämlich bei seinen
Söldnertruppen das systematische Exerzieren ein. Jacques de Gheyn machte
die Übungen in den Stichen seines berühmten Buches "Wapenhandelinghe"
(Waffengriffe) öffentlich. Darin ist der Umgang mit dem Gewehr, der Muskete
und der Lanze sehr genau in Kupferstichen abgebildet und in kurzen Beischriften
beschrieben. Dies war von großer Bedeutung für die Geschichte des
Gruppenbildnisses. Das erste Amsterdamer Gemälde nach 1621, das Claes
Lastman begonnen hatte und das nach dessen Tod von Adriaen van Nieulandt
vollendet wurde, stellt den Kapitän Abraham Boom und Leutnant Anthonie
Oetgens van Waveren mit sieben Schützen dar, die 1622 nach Zwolle
ausgezogen waren; einige der Schützen sind in militärischen Haltungen
dargestellt, die Maurits eingeführt hatte. Im Hintergrund sehen wir in
einer kleinen Simultandarstellung, wie die gesamte Kompanie zum Exerzieren oder
zum Ausrücken antritt.
In treffender Weise
spiegelt auch das Gemälde von Werner van den Valckert Maurits'
Heeresreform. Einer der Schützen hält die "Wapenhandelinghe" von de
Gheyn in der Hand. Von den dort beschriebenen und illustrierten Waffengriffen
ist die erste Übung der Lanzenträger gezeigt. Auf dem Tisch, um den
sich die Schützen versammeln, liegt ein aufgeschlagenes Buch, das einen
Festungsbau zeigt. Das Vorhandensein moderner Militärliteratur aus dem
Kreis um Prinz Maurits und die Wiedergabe eines Stadtplanes des Stadtteils, den
die Bürgerwehr schützen mußte, belegen, daß die
Schützengilden Prinz Maurits' Theorien der modernen Kriegsführung
kannten. Beide Bücher erinnern an dessen Militärtheorie, die besagt,
daß gut trainierte Bürgerwehren und moderne Festungsbauten für
die Verteidigung der Stadt wesentlich sind.
Das
Bild, das die Statthalter von ihrem Beitrag am Achtzigjährigen Krieg
entwerfen lassen, fügt sich in der Betonung der militärischen Reformen
in das Gesamtbild ein. [19] Die Oranier werden als erfolgreiche
Feldherrn geschildert. Ihre moderne militärische Kriegsführung wird
etwa in Gemälden, die zeigen, wie Städte belagert und eingenommen
wurden, dokumentiert und verherrlicht. Zugleich lassen sich die Statthalter in
vielen dieser Darstellungen - wie es Fürsten gebührt - als Feldherrn
abbilden. Wichtige Feldschlachten werden in Gemälden verherrlicht; Frederik
Hendrik läßt sich selbst als Städtebezwinger
abbilden. [20]
Die Oranier-Ikonographie
ist nicht mehr durch den Gegensatz zwischen dem teuflischen spanischen
Statthalter und dem von Gott gesandten Retter bestimmt. Vielmehr wird in ihrer
Propaganda der Anspruch auf eine erbliche Nachfolge unterstrichen. Die Bildnisse
der Statthalter werden wie Bildnisse von Landesherren durch Stadträte, die
ihre Sicherheit dem Eingreifen Maurits verdanken, in Rathäusern
aufgehängt. [21]
Das Besondere der
Republik lag aber gerade darin, daß der eigentliche Souverän nicht
die Statthalter, sondern die Generalstaaten waren. Dies sollte sich auch bei den
innenpolitischen Auseinandersetzungen in den Niederlanden zeigen, die zum
Westfälischen Frieden führten.
Holland,
vor allem Amsterdam, war seit etwa 1639 der Eroberungen Frederik Hendriks in den
Grenzgebieten überdrüssig geworden, weil sie hohe finanzielle
Aufwendungen dafür aufbringen mußten, die sie lieber in den Ausbau
der Flotte gesteckt hätten. Daher gingen die Staaten von Holland dazu
über, ihre Truppen zurückzuziehen. Die holländischen Städte
standen hier also in deutlicher Gegnerschaft zum Statthalter. Rembrandt hat
diesen Konflikt zwischen Statthalter und Ständen in dem Bild "Die Eintracht
des Landes" zum Ausdruck gebracht. Während Frederik Hendrik in die Schlacht
ziehen will, steigt der Reiter, der Amsterdam versinnbildlicht, vom
Pferd. [22]
Frederik Hendrik war
Realpolitiker, der seine Situation richtig einschätzen konnte. Er hat das
Ergebnis seines Lebenswerkes selbst in der neuen Galerie seines Schlosses in
Buren programmatisch darstellen lassen. [23] Seine wichtigsten
Belagerungen waren in Gemälden von den relativ unbekannten Künstlern
Gerrit van Santen und Jan Breker verherrlicht. Zwischen diesen Belagerungen, die
an den Längsseiten hingen, befand sich an der Stirnwand eine allegorische
Darstellung der Republik von Jacob Backer (Abb.
5). [24]
Wenn Frederik Hendrik sich im
Zentrum nicht selbst, sondern die Republik darstellen läßt, macht er
damit deutlich, daß die im Westfälischen Frieden realisierte
Anerkennung seinen militärischen Erfolgen zu verdanken ist. Insofern
verweist diese Darstellung schon auf den Friedensschluß, der sich damals
ankündigte und 1648 endlich realisiert wurde. Daß eine solche
Rückblende zugleich auf den sich ankündigenden Frieden hinweist, ist
auch an Rembrandts Nachtwache zu zeigen. [25] Rembrandt bildet in seinem
Gruppenbildnis der Bürgerwehrkompanie des Kapitäns Frans Banning Cocq
einzelne Schützen mit Waffen und Uniformen aus verschiedenen Zeiten des
Aufstandes ab und verweist angesichts des sich ankündigenden Friedens auf
den zurückliegenden langen Krieg.
In den
Vorverhandlungen zum Westfälischen Frieden war lange Zeit umstritten
gewesen, ob die niederländischen Repräsentanten als Botschafter
auftreten könnten. Stimmte man zu, waren die Niederlande de jure als Staat
akzeptiert. [26] Adriaen Pauw, der Ratspensionär von Holland und
der eigentliche Kopf der niederländischen Gesandtschaft, ließ von ter
Borch auf eine ältere Stadtansicht von Münster seine Ankunft in einer
sechsspännigen Kutsche, in der er mit seiner zweiten Frau, Anna van
Ruytenburgh, und der Enkelin sitzt, malen. Sechspännige Kutschen waren
protokollarisch Botschaftern zugestanden. Adriaen Pauw, der schon aus
staatsrechtlichen Gründen sehr sorgfältig auf das Protokoll achtete,
ließ seinen Einzug in Münster deshalb so prunkvoll malen. Die von ter
Borch benutzte Bildformel wurde in der Bildtradition auch für triumphale
Einzüge von Herrschern benutzt. Damit wird aber nicht nur die Anerkennung
als Botschafter dokumentiert, sondern es wird auch die Bedeutung der
mächtigen Staaten von Holland, die Pauw vertritt, in dem
innerniederländischen Machtstreit zwischen dem Statthalter, den
Generalstaaten und den Provinzen unterstrichen. Schließlich wird auch der
Anspruch der Familie Pauw festgehalten, die zur neuen protestantischen
Stadtaristokratie gehörte. Adriaen Pauw ließ sich und seine Frau dann
auch noch in zwei Miniaturbildern malen, die von Pieter Holsteyn II gestochen
wurden. Mit der Anerkennung der niederländischen Repräsentanten als
Botschafter werden - wie gesagt - de jure die Generalstaaten als Staatsoberhaupt
anerkannt. Insofern ist es nicht so verwunderlich, daß Frederik Hendrik
trotz seines langen Widerstandes gegen einen Friedensschluß seinen
Hofmaler Anselmus von Hulle (eigentlich Ans Hebbelijnck), einen gebürtigen
Flamen, 1647 nach Münster schickte, damit er die Abgesandten
portraitiere. [27]
Der Kongreß von
Münster unterschied sich von früheren Friedenskongressen dadurch,
daß er der erste war, in dem ein europäischer Krieg durch
Verhandlungen von Botschaftern beendet wurde. Er war aber auch der erste, bei
dem die Gesandten aller betroffenen Länder mehrfach gemalt und die
Portraits noch mehrmals kopiert wurden. (Auch Hulle malte ein Portrait von
Adriaen Pauw, das von Paulus Pontius gestochen wurde). Und es war unseres
Wissens der erste europäische Friedensschluß, bei dem Säle des
Verhandlungsortes, hier der Rathäuser von Münster und Osnabrück,
als Friedenssäle mit den Portraits der Botschafter ausgestattet wurden.
Selbst die Dekoration eines Schlosses wurde von diesem Bildprogramm
beeinflußt: Im Schloß Läcko in Schweden wurde ein Friedenssaal
mit einer Serie von 29 Friedensgesandten (Gemäldekopien nach Hulle)
geschmückt. Auch die Botschafter bestellten ihre eigenen Portraits, um sie
aus Anlaß dieses Ereignisses in die Reihe der Ahnenbilder einzufügen.
Aber sie nahmen auch Portraits von befreundeten Diplomaten als Erinnerungsbilder
mit. Noch medienwirksamer als die Gemälde und ihre Kopien waren langfristig
die graphischen Vervielfältigungen der Portraits, zu denen Hulle am 9.
März 1648 das "octrooi" erhält. [28] Damit konnte er die
Portraits sowohl als Einzelblätter, als auch in beliebig zusammengestellten
Büchern - auf dem Kongreß stellten die Abnehmer sie selber zusammen -
herausbringen. Im Buch gebündelt, steigerten sich die individuellen
Bildnisstiche zu einer Dokumentation der Friedensbotschafter des Kongresses.
Bezeichnenderweise wurden in späteren Ausgaben noch die Portraits der
Fürsten, die durch die Botschafter vertreten wurden, den Werken
vorangestellt, so daß damit eine Galerie der handelnden und
unterhandelnden Personen, die den Frieden erreicht hatten, erschien. Die
Hinzufügung der Souveräne macht deutlich, wie ungewöhnlich ein
durch Botschafter ausgehandelter Frieden
war.
Offensichtlich war der Legitimationsdruck der
Niederlande und ihrer auf Konsens der unterschiedlichen Gruppen ausgerichteten
Politik so groß, daß terBorch als niederländischer Maler den
spanisch-niederländischen Friedensschluß in einem Gemälde
verherrlichte. Er wählt dafür eine Mischform zwischen Gruppenportrait
und Ereignisbild, die schon zuvor in den Niederlanden zur Repräsentation
von politischen Ereignissen benutzt worden war. Die Wiedergabe des
Friedensschwurs zu Münster ist fast symmetrisch aufgebaut: Dargestellt sind
77 Personen in mehreren Reihen. Die im Personen im Hintergrund stehen auf
Bänken und überragen so die vorderen. Mit einem Kunstgriff hat der
Maler die starre isokephalische Anordnung der Köpfe im Bild vermieden. Er
hat viele Zeugen im Hintergrund als Figuranten gemalt. Sie sind von die vorderen
teilweise verdeckt, so daß man nur ein Detail ihres Kopfes sieht. Durch
dieses auch in Schützenbildern gebräuchliche Mittel erreicht TerBorch
Tiefe und Vielfalt und gleicht seine Darstellung auch in der Anzahl der
dargestellten Personen an das geschichtliche Ereignis an. Die Aufmerksamkeit
beinahe aller Teilnehmer richtet sich auf die Haupthandlung: den Eid. Abweichend
von dem historischen Ereignis hat er den Schwur so dargestellt, als ob die
spanischen und die niederländischen Delegation gleichzeitig und
für den Betrachter sichtbar aufgestellt den Eid abgelegt hätten, und
nicht nacheinander und um den Verhandlungstisch gruppiert. Durch diese
Abweichung von der historischen Wirklichkeit wird jedoch die Übereinkunft
beider Parteien deutlich: Beide wollten Frieden und stehen zu diesem
Ereignis.
Der Friedensschwur zu Münster ist
nicht das einzige Gruppenportrait, das aus diesem Anlaß entstand. Der
endlich erreichte Frieden wurde in zwei monumentalen Schützenbildern
verherrlicht. Das eine stammt von Bartholomeus van der Helst (Abb. Kettering Nr.
2) [29], das andere von Govaert Flinck (Abb. 6). [30] In beiden
Bildern und den Gedichten, die auf sie verfaßt wurden, wird die Bedeutung
des Friedens betont, auf den die Handelsstadt Amsterdam - schon aus
wirtschaftlichen Gründen - so großen Wert legte. Van der Helsts Bild
zeigt die Kompanie des Kapitäns Cornelisz. Jansz. Witsen und Leutnant Johan
Oetgens van Waveren bei dem Festmahl am 18. Juni 1648 in den Armbrustdoelen
(Voetboogdoelen). Er gibt die Mahlzeit nicht realistisch wieder, sondern zeigt
die Kompanie beim Friedensmahl, wobei die Amsterdamer Politik auf symbolische
Weise betont wird: Kapitän Witsen reicht seinem Leutnant die Hand und
spielt damit auf den Friedensschluß an. Diese Gebärde (dextrarum
iunctio) wird als Symbol des ewigen Bundes in die Darstellung mit
einbezogen. Die Interpretation wird durch ein Gedicht auf das Gemälde
bestätigt, in dem das Trinkhorn als ein Horn des Friedens bezeichnet wird.
Da es mit der Gestalt des hl. Georg, der den Drachen besiegt hat,
geschmückt ist, ist das Trinkhorn der Bürgerwehren, die
Rechtsnachfolger der Armbrustschützen waren, ein passendes Symbol des
Sieges über Spanien und der damit erreichten Einigkeit. Die Waffen spielen
bei dieser Mahlzeit keine Rolle.
Govaert Flinck
wurde von dem Kapitän Joan Huydecoper beauftragt, dessen
Bürgerwehrkompanie zu portraitieren, wie sie als erste am Friedenstag
marschiert. Sein Vater hatte - wie oben erwähnt - eine maßgebliche
Rolle bei der Durchsetzung der Alteratie in Amsterdam. Daher ließ
Huydecoper ein Schützenportrait, in dem sein Vater nach der Alteratie 1578
als erster mit seiner Kompanie Wache hielt, in den Alten Saal (Oude Zaal) des
Armbrustdoelen umhängen und für den Platz daneben ein monumentales
Schützenbild malen, das darstellt, wie er mit seiner Kompanie als erster in
den Frieden zieht. So konnten die beiden Bilder für das Geschlecht
Huydecoper Propaganda machen.
Die Portraits und
Gruppenportraits bilden einen Höhepunkt in der Darstellung des
Achtzigjährigen Krieges. Zum erstenmal entstehen zeitgleich mit den
Ereignissen Hunderte von Gemälden mit Portraits der beteiligten Personen.
Trotz aller benutzten rhetorischen Formeln, trotz aller gebräuchlichen
Konventionen gehen diese Bilder von der Wirklichkeit aus, von der Physiognomie
des Modells und von seinem Anspruch. Fast alle Portraits sind von
niederländischen Künstler gemalt.
Damit
unterscheidet sich die Kunstproduktion des Friedensjahres von der vergangener
Perioden, in denen das Bild bestimmt war durch das propagandistische Kampfbild
(Allegorien der Unterdrückung und des Aufstands), die verherrlichenden
Rekonstruktionen von Belagerungen, Feld- und Seeschlachten, Rechtfertigungen
durch analoge biblische und antike Geschichten und die Portraits der Helden. Die
oben schon erwähnte vorherrschende Rolle der niederländischen
Künstler bei der Produktion von Kunstwerken ist verständlich, nicht
nur wegen des Legitimationsbedürfnisses der jungen Republik. Sie ist auch
darin begründet, daß die Malerei der Republik um 1648 in Europa eine
führende Position einnimmt. Gegenüber dem Jahr 1621 ist die
Kunstproduktion erheblich gestiegen. Die Republik der Niederlande ist im Jahre
1648 sowohl ökonomisch wie militärisch als auch in künstlerischer
Hinsicht eine Weltmacht.