DOKUMENTATION | Ausstellungen: 1648 - Krieg und Frieden in Europa | |
Textbände > Bd. II: Kunst und Kultur |
HANS VLIEGHE, in Zusammenarbeit mit BERNHARD DESCHEEMAEKER und INGE WOUTERS Traum und Beschwörung. Über Allegorien von Krieg und Frieden in den südlichen Niederlanden nach Rubens |
Die Visualisierung von Krieg und
Frieden nimmt unter Rubens' gemalten Allegorien eine zentrale Stellung ein.
Dabei sind auch die äußeren Lebensumstände des Malers
mitbestimmend gewesen. Einerseits ist seine Tätigkeit in Antwerpen anfangs
vor dem Hintergrund des Zwölfjährigen Waffenstillstands und danach
während der Endphase des Achtzigjährigen Krieges, mit dem seit 1618
auch der Dreißigjährige Krieg chronologisch zusammenfiel, zu sehen.
Andererseits ist genau in diesen späteren Jahren auch Rubens' Rolle auf
diplomatischem Feld am bedeutendsten
gewesen.
Seine Allegorien von Krieg und Frieden
sind generell einzuteilen in eine Gruppe, die aus einzelnen Darstellungen dieser
Thematik besteht, und in eine andere, in der die Thematik im breiteren Kontext
von politisch-propagandistisch aufgefaßten Zyklen und Ensemblen behandelt
wird. Über die Jahre kann man in Rubens' allegorischen Darstellungen von
Krieg und Frieden auch eine allmähliche Veränderung feststellen. Liegt
der Akzent anfänglich noch stark auf der Visualisierung der Wohltaten und
günstigen Auswirkungen des Friedens, betont Rubens später stärker
die negativen Folgen der Kriegsgewalt. Bis zu einem gewissen Grad darf man
hierin vielleicht Auswirkungen der schwindenden Hoffnung auf einen dauerhaften
Frieden sehen, die zwar mit dem Beginn des Zwölfjährigen
Waffenstillstands gewachsen war, jedoch nach 1621 immer aussichtsloser wurde. Es
ist nicht übertrieben zu behaupten, daß Rubens in seiner "Minerva
schützt Pax vor Mars" von 1629/30 (London, National Gallery) auf
höchst optimistische Weise den Triumph des Friedens darstellt, während
er Jahre später 1638 in seinen "Greueln des Krieges" (Florenz, Palazzo
Pitti) auf höchst pessimistische Weise die Folgen der heraufziehenden
Kriegsgewalt malt. [1]
Aber auch nach
Rubens' Tod 1640 und nach dem Westfälischen Friedensschluß 1648 blieb
die allegorische Darstellung von Krieg und Frieden in den südlichen
Niederlanden eine wichtige Aufgabe der monumentalen
Historienmalerei. [2] Diese Thematik behielt ihre Bedeutung, besonders
im Zusammenhang mit veränderten politisch-militärischen
Umständen: Nach 1648 sollten die südlichen Niederlande die
Kriegsgewalt in neuer Form kennenlernen, als "Schlachtfeld Europas" für die
Kriegspolitik Ludwigs XIV. Es erstaunt nicht, daß Rubens durch den sehr
starken Stempel, den er sowohl inhaltlich als auch rein formal der
flämischen Historienmalerei aufdrückte, und dank der enormen
Ausstrahlung und dem Einfluß seines Werks Meilensteine für die Maler
gesetzt hat, die nach ihm die bleibende Nachfrage nach derartigen allegorischen
Darstellungen befriedigten. Es wird ebensowenig Erstaunen hervorrufen, daß
die wichtigsten Beispiele außerdem im Werk der Maler zu finden sind, die
zum engeren Mitarbeiterkreis von Rubens gehörten, wodurch sie einen wie
auch immer gearteten privilegierten Kontakt mit seinem Atelier gehabt haben
müssen.
1.
Einzeldarstellungen
Rubens berühmte 1629/30
entstandene Londoner Friedensallegorie "Minerva schützt Pax vor Mars" (Abb.
1) ist für flämische Maler jüngerer Generationen sehr
richtungweisend gewesen. Offenbar konnte diese Darstellung dank ihrer
Nachdrücklichkeit und des optimistischen und hoffnungsvollen Geistes, mit
dem die Wohltaten des Friedens ins Bild gesetzt wurden, schnell eine echte
"ikonische" Funktion erfüllen.
Die
"Friedensallegorie" in der Alten Pinakothek in München ist
möglicherweise noch unter
Rubens'
eigenen Augen entstanden, aber von anderer Hand ausgeführt. [3] Das
Werk muß kurz nach
Rubens'
Rückkehr aus London im Jahr 1630 geschaffen worden sein. Die Komposition
ist eine deutliche, aber dramatischer aufgeladene Variante der Londoner
Allegorie. Minerva stürmt resolut auf Mars zu, um ihn vom Schauplatz zu
vertreiben. Anders als in der Allegorie in London ist die Furcht vor dem Krieg
noch nicht völlig verschwunden. Das mag zuallererst aus der Reaktion von
Pax/Venus deutlich werden, die noch unruhig in die Richtung von Mars schaut, der
mit Minerva in ein Rückzugsgefecht verwickelt ist. An
Mars'
verwüstende Wirkung erinnern die Harpyen und eine umgestürzte
Säule, aber es ist klar, daß dies der Vergangenheit angehört:
Links genießen Frauen und Kinder bereits die Wohltaten des Friedens, der
durch die Vertreibung von Mars realisiert werden konnte. Durch den allgemein
weniger detaillierten Charakter der Darstellung liegt der Akzent stark auf der
Figur des vor Minerva ausweichenden Mars. Es ist gut möglich, daß
Rubens selbst bei seinem Konzept für dieses Werk an eine dramatischere
Variante der Londoner Friedensallegorie dachte. In jedem Fall ist bemerkenswert,
daß auch in seinen späteren allegorischen Darstellungen von Krieg und
Frieden die Betonung stark auf der Darstellung des Kampfes liegt. [4]
Andererseits sticht hervor, daß die Idee einer Pax/Venus, die ihre Milch
hervorbringt, um die Abundantia zu bewirken ("Ex Pace Ubertas"), hier einem
einfachen und vielmehr anekdotischen Nähren eines Kindes an der Mutterbrust
gewichen ist. Dabei fällt ebenfalls auf, daß - auch ganz anders als
in der Londoner Allegorie - hier kein organischer Zusammenhang zwischen den
verschiedenen Teilen der Komposition zu bestehen
scheint. [5]
Die allernächste
Verwandtschaft mit dem Londoner Gemälde findet man in einem Bild, das im
Rubenshaus zu Antwerpen als ein anonymes flämisches Werk aus dem 17.
Jahrhundert aufbewahrt wird. [6] Es handelt sich hierbei aber um eine
Leinwand von Gerard Seghers (1591-1651), der namentlich in den dreißiger
Jahren einige Male eng mit Rubens zusammenarbeitete und nach dessen Skizzen
Gemälde in großem Format für u.a. den "Pompa Introitus
Ferdinandi" ausführte. [7] Vor allem in der auf sich selbst
bezogenen Haltung von Pax/Venus, die - von innigem Glück erfüllt -
ausschließlich mit ihren Kindern beschäftigt ist, und in dem
schräg gerichteten Blick von Mars wird deutlich, daß Seghers sehr mit
der Komposition des Londoner Bildes vertraut gewesen sein muß.
Andererseits kann aus der Gesamtstruktur von Seghers' Bild abgeleitet werden,
daß dieser ebensosehr auf die Komposition in München geschaut hat.
Vor allem die Anordnung sowie die Haltung der Kinder und der jungen Frau, die
einen wichtigen Teil der linken Hälfte des Gemäldes füllen,
verweisen unübersehbar auf die Münchner Version. Das ist zugleich der
Fall in der rechten Hälfte des Bildes, wo - genau wie im Werk in
München - die Aufmerksamkeit des Betrachters direkter durch den Zweikampf
von Mars und Minerva angezogen wird. Die Figur der letztgenannten, die mit
horizontal ausgestrecktem Arm ihren Schild gegen Mars drückt, wurde
übrigens direkt der Komposition in München
entlehnt.
Auf originellere und persönlichere
Art wußten Antonis van Dyck (1599-1641) und Jacob Jordaens (1593-1678) das
Kompositionsschema von Rubens' Friedensallegorie in London zum Ausgangspunkt
ihrer eigenen Interpretationen zu machen. Van Dycks "Allegorie des Friedens" vom
Beginn der dreißiger Jahre ist eine lavierte Federzeichnung im Louvre in
Paris (Abb. 2). [8] Obwohl gänzlich bekleidet, verweist die
dominierende und zentral thronende Pax/Venus deutlich auf Rubens' Allegorie. In
ihrer rechten Hand hält sie zwei Pfeile, die hier als Symbol der Eintracht
auch Abraham Janssens verwandte Allegorisierung der durch den Frieden bewirkten
Eintracht ins Gedächtnis rufen. Anders als bei Rubens ist Pax/Venus hier
noch triumphierender dargestellt: Zu ihren Füßen sitzen Mars und
Herkules als Versinnbildlichungen von Krieg und Gewalt gekrümmt und
gefesselt in der Haltung von Kriegsgefangenen. Wie bei Rubens und den direkter
von ihm hergeleiteten Darstellungen verleihen auch hier die Putti der
allegorischen Darstellung eine leichtere, poetischere Note. Beinahe spielerisch
tragen sie links die Waffen von Mars fort. Auch der so erreichte Frieden wird
auf eine vergleichbar spielerische Weise auf der rechten Seite zum Ausdruck
gebracht. Dort küssen zwei Putti einander und verdeutlichen so die Aufgabe
des Liebesgottes Amor hinter ihnen. Die wohltätigen Folgen des Friedens
werden hier durch eine opulente Menge von Früchten zum Ausdruck gebracht,
die als Symbolisierung des Überflusses von einem Satyr an einen Knaben
verteilt werden. Auch dieses Thema geht, sei es auch anders angeordnet, auf
Rubens' Londoner Friedensallegorie zurück. Das lebendige Spiel der Kinder
verleiht der Komposition eine sentimentalere Sicht, ganz im Geist des
späten van Dyck. Auf analoge Weise hat dieser etwa zur selben Zeit die von
Tasso und Guarini entlehnte Thematik
interpretiert. [9]
Die Frage stellt sich,
inwieweit die allegorischen Darstellungen des Überflusses (Abundantia oder
Pomona) aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts nicht auch als eine Art
gemalter Wunschträume von der Rückkehr eines goldenen
Friedenszeitalters betrachtet werden können. Die potentiellen Käufer
mögen jedenfalls mit der Tatsache vertraut gewesen sein, daß im
griechisch-römischen Denken immer ein enger Zusammenhang zwischen der
Fruchtbarkeit des Landes und dem Frieden gesehen
wurde. [10]
Jacob Jordaens hat das Thema
in der ersten Hälfte der zwanziger Jahre virtuos behandelt. [11]
Der zentrale Punkt ist hierbei die Huldigung, die Nymphen, Satyrn und Bauern den
Fruchtbarkeitsgöttinnen Ceres und Pomona darbringen, denen sie
Fruchtgirlanden und Füllhörner anbieten. Von Cornelis Schut
(1597-1655) ist ein sehr bemerkenswertes Exemplar aus den späten
dreißiger Jahren mit derselben Ikonographie bekannt (Abb. 3). Daß
diese Thematik ursprünglich auch eine Friedenskonnotation gehabt haben
kann, läßt sich daraus herleiten, daß das Gemälde
traditionell immer als eine Allegorie des Friedens und des Überflusses
umschrieben wurde. [12] Auch an der Kompositionsstruktur läßt
sich dies ablesen: Die zentrale, thronende Position der Pomona, um die sich
Feldfrüchte herbeitragende Putti und Nymphen bewegen, zeigt Verwandtschaft
mit Rubens' Friedensallegorie in London. Der wesentliche Unterschied zwischen
beiden Allegorien ist das Fehlen eines jeden Hinweises auf die Kriegsthematik,
d.h. die Vertreibung oder Überwindung von Mars. Hierdurch wird der
dekorative Charakter des Gemäldes bedeutend verstärkt. Ein eindeutiger
Verweis auf Überfluß und Wohlfahrt als direkte günstige Folge
des Friedensschlusses und darüber hinaus sehr konkret aufgefaßt als
Ausdruck von Antwerpens Wunschtraum, findet sich in der um 1640 von Theodoor van
Thulden (1606-1669) gemalten "Allegorie auf Antwerpens Wohlstand" (La Valletta,
Museum of Fine Arts) (Abb. 4). [13] Es muß noch erforscht werden,
was der Anlaß für diesen Auftrag war. Nichtsdestotrotz gibt es einen
zwingenden Grund, das Werk vor den westfälischen Friedensschluß zu
datieren: Im Gemälde wird noch sehr deutlich auf die erhoffte Öffnung
der Schelde angespielt. Links von der Mitte sitzt Antverpia mit ihrem
Stadtwappen auf einem steinernen Thron. Links von ihr steht die Zeit (Chronos),
die die Zwietracht zertritt. Über ihnen wird von einem geflügelten
Genius die Lobestrompete geblasen. Ein Putto verjagt mit einer brennenden Fackel
die Kriegsfurien. Rechts nähert sich eine nackte Abundantia mit einem
Füllhorn der Antverpia. Zu ihren Füßen zertrümmern zwei
Putti Kriegsmaterial. Rechts oben schütten Merkur und Juno goldene
Münzen aus. Rechts unten schließlich ist ein Flußgott als
eindrucksvolle Repoussoirfigur dargestellt. Er muß hier gewiß
identifiziert werden als Scaldis, Schelde, die ihrer Öffnung entgegensieht.
In der Anordnung der Personen wie auch im konzentrierten Aufbau um die beiden
wichtigsten allegorischen Figuren darf man vielleicht auch hier das Nachwirken
des Kompositionsschemas von Rubens' Londoner Friedensallegorie vermuten,
wenngleich sie hier mit anderen Personifikationen zusammengebracht sind. Die
reiche Variation von Personifikationen weist auf eine große Vertrautheit
mit dem barocken allegorischen Figurenarsenal hin. Im Werk von van Thulden ist
dies die älteste bekannte gemalte politische Allegorie. Mit der
Visualisierung politischer Allegorien muß der Künstler gut vertraut
gewesen sein durch seine aktive Beteiligung an der Ausführung der
Dekorationen des "Pompa Introitus Ferdinandi". Van Thuldens übrige
Allegorisierungen des Krieges, des Friedens und seiner Folgen wurden allesamt
ausgeführt, nachdem er 1643 in seine Geburtsstadt 's-Hertogenbosch
zurückgekehrt war. Die späteren Bilder stehen alle in Zusammenhang mit
der politischen Situation 's-Hertogenboschs und der nördlichen Niederlande
um und nach dem Frieden von Münster und sollen hier nicht weiter behandelt
werden. [14]
Auch ein zweites Gemälde
von Cornelis Schut paßt in den Kontext von Krieg und Frieden. Gemeint ist
die Darstellung in den Königlichen Museen zu Brüssel (Abb. 5), die
aufgrund des Stichs, der danach von Wenzel Hollar angefertigt wurde, sehr
spezifisch als eine Allegorie des Westfälischen Friedens zu identifizieren
ist. [15] Die Unterschrift unter dem Stich von Hollar macht dies
deutlich: "So strömt die Pax ihr Herz aus in Fülle. Die Gunst, die sie
vom Reich, von Spanien und von Frankreich genießt, hält die Herrscher
vereint, die Völker gehorsam - unter Euch, o großer Philipp, und
Eurem blühenden Geschlecht; möge der Krieg bald sterben und mit ihm
alle Übel des alten Eisernen Zeitalters dem schönen Goldenen Zeitalter
weichen." [16] Aus diesem Text wird deutlich, welche hohen Erwartungen
an den nahenden Frieden gestellt wurden. Offensichtlich war die Komposition
für eine südniederländische Bestimmung vorgesehen, da der
spanische König Philip IV. als großer Friedensstifter geehrt wird,
der ja auch der oberste Landesherr der niederländischen Provinzen war, und
dank dem das Eiserne Zeitalter des Krieges dem Goldenen Zeitalter von Frieden
und Überfluß weichen sollte. Weder das Gemälde noch der Stich
sind datiert, aber die voll ausgestattete Inszenierung mit ihrer
Überbetonung von Drama und Pathos in Mimik und Gestik sind für Schuts
Oeuvre in den späten vierziger Jahren
bezeichnend. [17]
Rechts sitzt Abundantia,
eine junge nackte Frau mit einem Füllhorn. [18] Links von ihr
bemerkt man zwei nicht durch Attribute gekennzeichnete Frauenfiguren, die
einander umarmen und mit Blumenkränzen bekrönen. Dieses Motiv ist von
Rubens' "Friede und Überfluß einander umarmend" entlehnt, ein Motiv
des zentralen Bildes der 1629/30 ausgeführten Whitehall Decke in London.
Diese beiden Figuren scheinen die logische Verbindung mit Pax/Venus zu bilden,
der zweiten vollkommen nackten Frau, die etwa im Zentrum der Darstellung sitzend
abgebildet ist. Offenbar ging Schut hierbei von seiner früheren
"Abundantia" aus, deren Pose er jedoch
veränderte.
Auch hier wird Pax/Venus, genau
wie in Rubens' Londoner Friedensallegorie, von Minerva beschützt. Sie
läßt sie hier in einen Spiegel schauen, in dem sich die miteinander
verschlungenen Wappenschilde des Reichs, Frankreichs und Spaniens, die rechts
von Putti gezeigt werden, widerspiegeln. Dicht vor ihr bekämpft Venus' Sohn
Cupido Harpyen, die den Krieg in einem letzten Aufbäumen versinnbildlichen.
Dieses Motiv beschwört dann auch sehr suggestiv den Sieg, den das goldene
Friedenszeitalter über das eiserne des Krieges erringt, wie es in der
Stichunterschrift ausdrücklich geschildert wird. An den Zustand des
Friedens erinnert auch der Flußgott rechts, der wie gleichartige Figuren
in früheren Friedensallegorien ebenfalls als Schelde gelten muß: eine
letzte und vielleicht verzweifelte Hoffnung auf ökonomisches
Wiederaufblühen! Vor allem die Anwesenheit dieses Flußgottes scheint
die Vermutung zu rechtfertigen, daß Schut diese doch recht komplexe
Allegorie in Antwerpener Auftrag ausführte. Leider läßt sich
nicht weiter ausmachen, von welcher Person oder Institution der Auftrag
ausgegangen sein kann. Soweit es anhand bekannter archivalischer Fakten zu
beurteilen ist, scheint das Gemälde in keinem Zusammenhang mit den in
Antwerpen anläßlich des Friedensschlusses von Münster 1648
veranstalteten Festlichkeiten zu stehen, wovon im Folgenden noch in einem
anderen Zusammenhang die Rede sein wird.
Ein
spätes Echo schließlich von Rubens' Friedensallegorie von 1629/30
findet sich in zwei Zeichnungen von Jacob Jordaens, jeweils in Brüsseler
Privatbesitz und in der Pierpont Morgan Library in New York. Beide sind aus
stilistischen Gründen kurz vor oder nach 1660 zu datieren. [19]
Auch hier werden die wohltätigen Folgen des Friedens durch eine große
Schar Erwachsener und Kinder, die der in der Mitte würdig dominierenden
Minerva Pacifera Körbe mit Früchten anbieten, treffend verdeutlicht.
Ob diese Komposition im Zusammenhang mit den wechselnden Kriegs- und
Friedensverhandlungen steht, die in den südlichen Niederlanden auch
für die Periode nach Münster kennzeichnend bleiben sollten,
läßt sich nicht ausmachen. Jedenfalls drückt Jordaens' Bild
ebensowenig die eher traurige historische Wirklichkeit aus wie die obligaten
öffentlichen Festdekorationen aus den fünfziger und sechziger Jahren,
auf die ich später noch eingehen
werde. [20]
Was die "positive"
Visualisierung der Kriegs- und Friedensthematik angeht, muß auch auf einen
zweiten Typus hingewiesen werden, für den der Ausgangspunkt
gleichermaßen im Oeuvre von Rubens gesucht werden muß. Gemeint ist
die "Krönung des Siegers" von ca. 1614 in den Staatlichen Museen zu Kassel
(Abb. 6). [21] Zwar verherrlicht dieses Gemälde die Oude
Voetboog-Gilde, eine der sechs bewaffneten Gilden der Antwerpener
Stadtmiliz, aber es hatte auch eine andere Bedeutung: Es wurde nachgewiesen,
daß seine spezifische Ikonographie auch auf die Friedensstiftung anspielt
und daß diese Bedeutungsebene nicht ohne den Zusammenhang mit dem zu jenem
Augenblick herrschenden Zwölfjährigen Waffenstillstand begriffen
werden kann [22]. Rubens hat noch eine zweite Version dieses Themas
konzipiert, die er jedoch nicht selbst ausführte: Dieses Gemälde von
ca. 1630 befindet sich in der Alten Pinakothek zu München. [23]
Diese beiden Bilder waren ein Ausgangspunkt für den ebenfalls mit Rubens'
Atelier sehr gut vertrauten Cornelis de Vos (1584/5-1651). In seiner Version des
Themas von ca. 1626-1630, heute in Braunschweig (Abb. 7), geht dieser
unverkennbar von Rubens' Komposition in Kassel aus. [24] In seiner etwa
zehn Jahre später ausgeführten Version dagegen, heute in der
Pinacoteca Vaticana, hat er sich auch Rubens' spätere Komposition in
München zum Vorbild genommen. [25] Ob de Vos, der in bedeutendem
Maße auch für den freien Markt und den Kunsthandel produzierte, diese
beiden Gemälde für einen konkreten Anlaß geschaffen hat, ist
nicht zu entscheiden.
Vielleicht ist es
begreiflich, daß das pessimistische Allegorisieren der Kriegs- und
Friedensthematik in der Malerei weniger zum Zug gekommen ist als die
optimistische Erwartung eines neuen goldenen Zeitalters. Bekanntermaßen
hat die "negative Variante" ihren eindrucksvollsten Ausdruck in Rubens' "Greuel
des Krieges" im Palazzo Pitti in Florenz (Abb. Kaulbach I, Nr. #)
gefunden. [26] Dieses Gemälde wurde von Rubens im Laufe des Jahres
1637 für den Großherzog der Toskana, Ferdinand II., gemalt, was
bedeutet, daß es in Antwerpen außerhalb seines Ateliers kaum zu
sehen gewesen sein wird. Doch findet man erkennbare Spuren seines Einflusses,
und zwar sehr kurz nachdem das Werk fertiggestellt ist. Dabei fällt auf,
daß Rubens' pessimistischer Blick einem sich davon unterscheidenden
"neutralen" Kontext gewichen war. So hat sich Thomas Willeboirts Bosschaert
(1614-1654), der in den dreißiger Jahren mehr als einmal mit Rubens
zusammenarbeitete, mit seiner "Venus versucht Mars zurückzuhalten" von
1637/38 erkennbar daran orientiert. Das wird aus dem verwandten friesartigen
Aufbau deutlich, wobei Venus, umringt von weinenden Putti, vergeblich versucht,
Mars davon abzuhalten, die Kriegsgewalt zu entfesseln, während er von einer
rasenden Furie fortgerissen wird. Doch hat Willeboirts diese Komposition in
seinem eigenen, eher weicheren, elongierten und an van Dyck geschulten Stil
ausgeführt. Das originale Bild ist nicht mehr erhalten. Man kann sich davon
eine Vorstellung machen mittels einer Ölskizze in deutschen Privatbesitz
(Abb. 8) [27] und einer späteren, vielleicht von Karel II. Eijckens
(1719-1753) ausgeführten, jetzt im Museum in Bordeaux befindlichen
Kopie [28]: Die in diesen beiden Versionen wiedergegebene Komposition
stimmt jedenfalls bis in die Details mit einer alten Beschreibung des Originals
überein. Das Merkwürdige daran ist, daß diese Darstellung
außerhalb jeden Zusammenhangs mit dem politischen Geschehen
ausgeführt wurde. Es konnte nachgewiesen werden, daß das Bild
für den großen Saal der Antwerpener Kolveniers-Schützengilde
bestimmt gewesen war. [29] Es ist evident, daß das Thema des Werks
von Willeboirts Bosschaert in erster Linie an ihre militärische Aufgabe
erinnert haben wird. Hier wurde also ein Kompositionsschema, das von Rubens als
Reaktion auf das zeitgenössische Kriegsgeschehen konzipiert worden war,
für ein Gemälde verwendet, dessen ursprüngliche Funktion nichts
mit dem Achtzigjährigen Krieg zu tun
hatte.
2. Darstellungen für
Festdekorationen
Die Thematik von Krieg und
Frieden ist in ausgesprochen deutlichem Zusammenhang mit dem
zeitgenössischen Verlauf der politischen Ereignisse besonders in den
Triumphbögen und Schaugerüsten dargestellt worden, die in den
flämischen Städten - vor allem in Antwerpen - entlang der
Straßen und Plätze anläßlich der "Freudigen Einzüge"
("Blijde Intredes") und von Friedensverträgen errichtet
wurden. [30] Auch hier behielt Rubens eine Vorbildfunktion durch seine
epochemachenden Festdekorationen, die er 1635 für Antwerpen
anläßlich des "Freudigen Einzugs" von Kardinal-Infant Ferdinand
entworfen hatte. Symbolisch wurde hier ausgedrückt, wie sehr sich die Stadt
mit den spanisch-habsburgischen Herrschern verbunden fühlte. Gleichzeitig
drückten die Bürger darin auch ihre Hoffnung auf Frieden und die von
diesem erwartete Wohlfahrt und Wiederaufblühen des Handels aus. Die
eindringlichste Darstellung war vielleicht jenes Bild, in dem der Gott des
Handels, Merkur, das bedrohte und verarmte Antwerpen verläßt. Dies
gleicht fast einer Beschwörung des neuen Statthalters, das Blatt zu
wenden. [31]
Der Einfluß dieses
verblüffenden Ensembles war sofort spürbar. Zeitgleich mit den
Antwerpener Festdekorationen sollten auch in Gent großartige
Triumphbögen für Ferdinands dortigen Einzug errichtet werden. Anders
als in Antwerpen, wo im Zuge einer schon älteren Tradition stark an die vom
neuen Statthalter erwartete Restaurierung ökonomischer Blüte
appelliert wurde, lag die Betonung in Gent vor allem auf der Verherrlichung
seiner Person. Einerseits wurden seine Taten und Qualitäten typologisch mit
relevanten Darstellungen aus der griechischen Mythologie und der römischen
Geschichte verglichen, andererseits wurde er ausdrücklich als ein
Abkömmling des in Gent geborenen Kaisers Karl V. dargestellt. Jedoch ist
auch die Ausarbeitung des Genter Programms nicht ohne das Antwerpener
vorstellbar. Auch dort berief man sich vielfältig auf Präfigurationen
aus der klassischen Literatur und behandelte ausführlich die habsburgische
Genealogie. Übrigens verraten bestimmte Darstellungen des Genter Programms
eine Vorkenntnis der Antwerpener Bilder. Das Merkwürdige dabei ist,
daß der Genter "Blijde Intrede" vor dem Antwerpener stattfand. Dies
bedeutet, daß die kompositionelle Verwandtschaft zwischen bestimmten
Szenen der Antwerpener Dekorationen und gleichartigen Szenen der Genter
Architekturen nur aus dem Umstand zu erklären sind, daß die
Künstler, die das Genter Ensemble ausführten, auch Rubens'
Entwürfe gesehen haben müssen. Dies ist nicht schwer erklärbar,
da eine bedeutende Zahl von ihnen, namentlich Cornelis Schut, Theodoor Rombouts
und Gerard Seghers, zu der Gruppe von Malern gehörte, die Rubens mit der
Ausführung seiner Werke für den "Pompa Introitus Ferdinandi"
beauftragt hatte. [32] Die eigentliche Architektur der Genter
Triumphbögen ist dagegen mit Rubens' hochbarocker Formgebung nicht
verwandt, die auch für Antwerpen so neu war. Sie wurden von Jacques
Francart in demselben protobarocken Stil entworfen, der auch für seine
Kirchenfassaden kennzeichnend ist. [33] Das Genter Dekorationsprogramm
betont thematisch weitaus stärker den Krieg als den Frieden. Ferdinand
wurde vor allem als Sieger von Nördlingen verherrlicht, was übrigens
auch in Antwerpen ein bedeutendes Ereignis war. Dabei wurde jedoch keine
Allegorisierung eingesetzt: Der Akzent lag auf der narrativen Darstellung des
Geschehens. Vielleicht hing diese "prosaischere" Interpretation mit der Tatsache
zusammen, daß das Genter Programm nicht von dem eruditen Humanisten
Gevartius konzipiert und anschließend dank der Genialität von Rubens'
Vorstellungskraft und seines Einfühlungsvermögens ausgearbeitet wurde.
Es basierte jedoch nur auf den etwas trockenen Anweisungen des Jesuiten Becanus
ohne Beteiligung eines Genies wie Rubens, der das Schema zu einem
"Gesamtkunstwerk" mit eindringlicher politisch-propagandistischer Aufladung
auszuarbeiten vermocht hätte.
Nach dem "Pompa
Introitus Ferdinandi" von 1635 sollte Antwerpen erst 1647/48 ein neues
festliches Dekorationsprogramm für den Empfang eines neues Statthalters
organisieren. Diese Funktion sollte bis 1656 von Erzherzog Leopold Wilhelm
bekleidet werden, der während der letzten Jahre des
Dreißjährigen Krieges noch einige bescheidene militärische
Erfolge bei der Verteidigung der südlichen Grenzen der Niederlande gegen
das heranziehende Frankreich erringen konnte. Auch hier war Gevartius an der
Konzeption beteiligt. [34] Anfangs wurden auch für Leopold Wilhelm
Triumphbögen geplant. Sie wurden von Erasmus II. Quellinus (1607-1678)
entworfen und gingen auf die Struktur von Rubens' "Arcus Ferdinandinus" von 1635
zurück. Diese wurden mit einer beschränkten Zahl allegorischer
Psychomachia-Darstellungen kombiniert, aber auch mit bekrönenden
emblematischen Darstellungen der Niederlande, Habsburgs und der Funktionen und
Titel des neuen StatthaltersLandvogts. [35] Ein gutes Beispiel bietet
Quellinus' Entwurf für die Front des sogenannten "Arcus Belgicus", wo
insbesondere die militärische Rolle Leopold-Wilhelms bei der Verteidigung
der Südgrenzen der südlichen Niederlande verherrlicht wurde (Abb. 9).
In der großen zentralen Darstellung wird er als Eroberer von
Armentières zu Pferde dargestellt. Daß dieser Sieg sowohl die Folge
von militärischer Gewandtheit als auch von wachsamer Aufmerksamkeit war,
wird durch Mars Gravidus und Vigilantia verdeutlicht, die das große Bild
links und rechts flankieren.
Der Zustand der
Antwerpener Stadtkasse war um 1648 nicht mehr derselbe wie 1635. Notgedrungen
sah sich die Stadtregierung verpflichtet, den Festlichkeiten einen etwas
nüchterneren Charakter zu geben. Die Triumphbögen wurden nicht
realisiert. An ihre Stelle kamen an strategischen Punkten in der Stadt fünf
Gemälde von Quellinus. Vor das Rathaus kam unter anderem eine Darstellung
des Statthalters, der von Victoria gekrönt wird. Vor dem Eingang der
Kathedrale wurden Vorfahren aus dem Haus Habsburg abgebildet, die sich auf den
Kreuzzügen Verdienste erworben hatten. Dies war eine Anspielung auf Leopold
Wilhelms geistliche Funktionen unter anderem als Hochmeister des Deutschen
Ordens. So wurde eine der Kerntatsachen des "Pompa Introitus Ferdinandi", die
Verherrlichung der militärischen Taten des Statthalters im Zusammenhang mit
seiner habsburgischen Abstammung, auf eine sehr viel bescheidenere Weise
betont.
Die Zusammenarbeit zwischen Gevartius und
Quellinus war eigentlich die logische Fortsetzung der fruchtbaren Kollaboration
zwischen Rubens und Gevartius von 1635. Quellinus selbst war in den
späteren dreißiger Jahren einer der tonangebenden Mitarbeiter von
Rubens, vor allem bei der Ausführung von dessen Inventionen ingeniöser
allegorischer Buchtitel. [36] Auch aus Quellinus' übrigem Werk
spricht eine große Vertrautheit mit dem humanistischen Gedankengut. Es
verwundert somit nicht, daß er bis zu seinem Tode in Antwerpen der
offizielle Maler von allegorisch aufgeladenen und von Gevartius entworfenen
Gelegenheitsdekorationen bleiben sollte. [37] Die nächstfolgende
Gelegenheit nach dem "Blijde Intrede" Leopold Wilhelms ließ nicht lang auf
sich warten: Am 5. Juni 1648 wurde von der Rathausschwelle herab der Frieden von
Münster verkündet. Hierfür wurde Quellinus beauftragt, in
Zusammenarbeit mit Gevartius die erforderlichen Prunkdekorationen
auszuführen. Auch dieses Ereignis wurde auf eine eher bescheidene Weise
inszeniert. Für die südlichen Niederlande, die weiter unter spanischer
Hoheit blieben und vor allem Verliererpartei waren, muß diese
Nüchternheit unbeabsichtigterweise etwas Symbolisches gehabt
haben. [38]
Vor dem Rathaus auf dem
großen Markt wurde ein Theater errrichtet, gut bekannt durch den Stich von
Wenzel Hollar. Aber es ist vor allem Quellinus' eigene noch erhaltene
Ölskizze, die eine korrekte Vorstellung vom Aussehen dieses Theaters (Abb.
10) gibt. [39] Es bestand aus einem großen Portikus mit fünf
Durchgängen, von denen der mittlere bedeutend breiter ist und von einem
hervorkragenden dreieckigen Giebel bekrönt wird. Auch hier geht die
Architektur auf Rubens' Ideen zurück. Diese Galerie ist eine bescheidenere
Variante von Rubens' Kaiserportal aus dem Dekorationsprogramm von
1635. [40] Die mächtige Exedraform wurde hier aber von einer
einfachen geraden Konstruktion mit weniger Durchgängen ersetzt. Die
Ornamentik, hauptsächlich die an den Bögen aufgehangenen Festons, die
Brüstung mit Kandelabern und die Hermen, verweisen auf Rubens' plastische
und farbige Interpretation der Architektur. In diesem Vergleich tritt auch der
Unterschied zu Rubens gut hervor: Die Bauelemente sind strenger und
geometrischer in Einklang mit der ausgesprochen klassizistischen Einstellung von
Quellinus akzentuiert, der ja in seinem gesamten Oeuvre Rubens' Formensprache im
Stil des klassizistischen Barock
interpretiert. [41]
Dieselbe strenge
klassizistische Arbeitsweise zeigt sich auch in den gemalten und
ausgesägten allegorischen Figuren, die zum Schmuck des Ganzen dienten. Die
Hauptfigur war eine große thronende Pax über dem Mittelrisalit. Links
und rechts wurde sie von den Personifikationen der von ihr abhängigen
Justitia und Abundantia flankiert. Die Paxfigur ist noch erhalten. [42]
Die Begriffe, die das Ensemble zu stützen scheinen, bestanden vornehmlich
aus Göttern, die die Idee, daß der Friede für Wiederherstellung
der Wohlfahrt und für die Blüte der Künste sorgen würde,
weiter erklären: Man bemerkt u.a. Mercurius Pacifer, Apollo und Ceres. Auch
Herkules ist anwesend, eine der mythologischen Figuren, mit denen sich die
Habsburger immer gerne haben vergleichen lassen. Hier wird er speziell mit
Leopold-Wilhelm in Zusammenhang gebracht. Nach Pindar und Pausanias soll
Herkules das Friedenssymbol schlechthin, den Olivenzweig, von den Quellen der
Donau mitgenommen haben. Dies ist eine unmißverständliche Metapher
für den neuen Statthalter, der aus dem Donaugebiet stammte und von dort den
Frieden mitbrachte. [43] Die allgemeine Volksfreude, die dies
ausgelöst haben muß, wird durch die Personifikation der Laetitia
Publica versinnbildlicht. Die Wahl dieser Motive und ihre Bedeutung innerhalb
des Kontexts des Friedensprogramms werden in Gevaertius' Konzept erläutert,
das 1648 gesondert herausgegeben wurde. [44] Vor allem im Vergleich mit
den Festdekorationen von 1635, aber auch mit denen für Leopold Wilhelms
"Blijde
Intrede",
fällt der einfacher werdende Charakter des Friedenstheaters von 1648 stark
auf. Rubens' ingeniöse Dramatisierung der Kriegs- und Friedensthematik ist
hier vollständig einer routinemäßigen Anwendung von Cesare Ripas
ikonologischem Vademecum gewichen.
Es scheint, als
ob die politische Resignation, die nach Münster in starkem Maße
für die Mentalität in den südlichen Niederlanden bestimmend
geworden sein muß, in gewisser Weise auch in den von wenig
Erneuerungsdrang zeugenden öffentlichen Dekorationen zum Ausdruck gekommen
ist, die gelegentlich noch in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts
errrichtet wurden. Übrigens wurde das Talent der tonangebenden
flämischen Historienmaler um die Mitte des Jahrhunderts sehr wohl für
wichtige ausländische allegorische Zyklen angefordert. Darunter muß
vor allem das zwischen 1648 und 1651 entstandene Ensemble für das Haager
Huis ten Bosch erwähnt werden, für das unter anderem Jordaens, van
Thulden und Willeboirts Bosschaert in Zusammenarbeit mit holländischen
Kollegen ein reiches Programm ausgeführt haben, das zum Teil auf Rubens'
politisch-allegorischen Zyklen basierte. Auch darin spielen Krieg und Frieden
eine wichtige Rolle, aber diesmal nicht mehr als Verherrlichung der
spanisch-habsburgischen Macht. [45]
In
Antwerpen beschränkte man sich für die
"Blijde
Intrede"
von Don Juan de Austria, Leopold Wilhelms Nachfolger 1657, auf die
Wiederverwendung des Schaugerüstes von 1648. [46] Übrigens war
auch unmittelbar nach Leopold Wilhelms Abreise aus Brüssel wegen der
bedrohlichen finanziellen Situation eine Einschränkung der Festlichkeiten
bei Ankunft eines neuen Statthalters angeordnet worden. [47] Quellinus
entwarf eine etwas größere Variante des Schaugerüstes von 1648.
Allegorische Figuren und Personifikationen stehen hier auch in Zusammenhang mit
dem neuen Statthalter, der selbst, triumphierend auf einem sich
aufbäumenden Pferd sitzend, als Blickfang des Ganzen den Mittelrisalit
bekrönt. [48] Die Hermen und die Szenen auf den Sockeln
verdeutlichen ein Programm, das sich weiter nicht wesentlich von demjenigen des
Friedenstheaters von 1648 unterscheidet: Herkules' Taten als Präfiguration
der Habsburger und ihrer Taten, Merkur, Neptun und Apollo als Verweis auf das
erhoffte Wiederaufblühen von Handel und Kultur. Der so lang herbeigesehnte
Frieden war nicht von langer Dauer, denn der Krieg mit Frankreich blieb eine
heraufziehende Gefahr. Auf den Krieg wurde übrigens auf dem
Schaugerüst von 1657 auch mit der Darstellung der Nemesis, der Göttin
der rächenden Gerechtigkeit, angespielt: Eine Inschrift beschreibt Don Juan
dabei als ihr Werkzeug, was allein auf die vereinzelten und ziemlich
unbedeutenden militärischen Erfolge hinweisen kann, die er gegenüber
Frankreich erzielte.
Vielleicht weil sie neue
Hoffnungen schöpfte, unternahm die Antwerpener Stadtregierung 1660 noch
einmal eine größere Anstrengung. In diesem Jahr wurde der
Pyrenäenfriede verkündet, Resultat der Heirat der spanischen Infantin
Maria mit Ludwig XIV. Abermals wurde nach Quellinus' Entwürfen ein
Schaugerüst errichtet, das auf die Bühne von 1648
zurückgeht. [49] Neu am Schaugerüst von 1660 ist seine
Dekoration mit ebenfalls von Quellinus ausgeführten Gemälden sowohl
für beide Etagen der Konstruktion als auch oben auf dem zentralen Risalit.
Die Gemälde, die unten in der eigentlichen Galerie aufgehangen wurden,
waren Portraits der spanischen und französischen Fürsten.
Ingeniöser jedoch war das große Gemälde mit dem Thema der
dramatischen Vertreibung des Krieges, das Quellinus am Mittelrisalit anbringen
ließ. Hier sieht man, wie die Kriegsgötter Mars und Bellona mit den
sie umringenden Furien von Pax und Hymen, die aus den Wolken herabsteigen,
vertrieben werden. [50] Unten auf dem Gemälde ist dargestellt, wie
dank des eben geschlossenen Friedens die vormaligen Feinde Spanien und
Frankreich zusammen ein neues christliches Heer gegen die Türken
ausrücken lassen können. Wie sehr dieser Friede und seine
günstigen Auswirkungen mit der gerade geschlossenen Ehe
zusammenhängen, wird noch einmal zusätzlich im großen Werk auf
der Spitze des Risaliten betont. [51] Dort sieht man abermals den
Hochzeitsgott Hymen mit seinem Attribut, der brennenden Hochzeitsfackel.
Gemeinsam mit einigen Putti bereitet er das königliche Brautbett vor. Ganz
oben strahlt Hesperus, der Abendstern, hier mit zweifacher Bedeutung besetzt.
Einerseits steht er als der "Stern von Venus" im Zusammenhang mit der Ehe,
andererseits versinnbildlicht er auch
Hispania.
Die erhoffte Befriedung blieb jedoch
aus. Im September 1665 starb Philipp IV., und sofort mißbrauchte Ludwig
XIV. diese Situation, indem er als Schwiegersohn des gerade verstorbenen
spanischen Königs Ansprüche auf die Niederlande erhob. Inzwischen - am
17. August 1665 - war Francisco de Moura-Cortereal, Marquis (Landgraf) von
Castel-Rodrigo, in Antwerpen feierlich als neuer Statthalter empfangen worden,
nachdem er übrigens ein Jahr zuvor schon in diese Funktion eingesetzt
worden war. Castel-Rodrigo hatte reichlich militärische Erfahrung, und es
lag deutlich in seiner Intention, der neuen französischen Bedrohung die
Stirn zu bieten. Das Heer und das Verteidigungssystem, über das er in den
südlichen Niederlanden verfügte, befanden sich in desolatem Zustand,
an dem auch er nicht viel ändern konnte, da Spanien nicht mehr in der Lage
war, die notwendige Hilfe und Unterstützung zu leisten. Die südlichen
Niederlande waren somit wehrlos, und es sollte auch nicht lange dauern, bis
Ludwig XIV. davon profitieren würde. 1667 sah er seine Chance. Er fiel mit
seiner Armee ein und nahm ohne großen Widerstand eine ganze Reihe von
Städten ein. Ein Umschwung zum Positiven trat erst ein, als die
beunruhigten Vereinigten Provinzen und Großbritannien den
französischen König dazu zu bewegen verstanden, 1668 den Frieden von
Aachen zu unterzeichnen, bei dem er seine Forderungen abmilderte. Völlig
frustriert durch die undankbare Verantwortung, die er in Spaniens Namen zu
tragen hatte, ließ sich Castel-Rodrigo 1669
zurückrufen.
Mit der Ankunft von
Castel-Rodrigo sollte es das letzte Mal geschehen, daß ein Statthalter
seinen "Freudigen Einzug" in Antwerpen feierte, und das mit einigem
Prunk. [52] Offenbar muß seine gute militärische Reputation
auch in Antwerpen für ein Fünkchen Hoffnung gesorgt haben, wie aus dem
großen allegorischen Ganzfigurenportrait abgeleitet werden darf, das von
Quellinus gemalt wurde und zusammen mit zwei anderen Gemälden am Portal der
Kathedrale aufgehängt wurde. Zwei dieser Gemälde sind anhand von
Stichen in dem von Gevartius zusammengestellten Memorial noch gut zu beurteilen.
Für einen dieser Stiche, dem mit dem allegorischen Portrait, existiert noch
Quellinus' eigenhändiges Modello. [53] Hier trägt der
Statthalter einen vollständigen Harnisch. Seine Pose ist von der
martialischen Kontraposthaltung abgeleitet, in der Quellinus bereits 1635 den
Kardinalinfanten für einen Holzschnitt von Christoffel Jegher gezeichnet
hatte. [54] Diese kriegerische Haltung wurde absichtlich gewählt,
denn sie wird weiter erläutert durch die beiden mythologischen Figuren, die
Castel-Rodrigo mit Lorbeerkränzen bekrönen: Links steht Merkur
Pacifer, während rechts die behelmte Minerva mit der Ägis mit dem
abschreckenden Gorgonenhaupt dargestellt ist. Offensichtlich sollten die beiden
Götter die Erwartung hervorrufen, daß Castel-Rodrigos energische
Verteidigung den Frieden in den Niederlanden sichern könnte. Durch die
statische Pose der Figuren, die dieses Portrait umrahmen, gleicht das Werk stark
einer vergrößerten Titelseite, wie Quellinus sie selbst, anfangs nach
Rubens' Konzept, vielfach entworfen hatte. Dadurch hat diese Variante der
politischen Propaganda auch denselben streng symmetrischen Aufbau wie die
emblematisch aufgeladene Graphik. Einen gleichartig statischen Eindruck macht
auch das andere große Portrait, das Quellinus als Pendant malte und das
Philipp IV. mit seinem Thronfolger Prinz Karl darstellt, denen die
niederländischen Provinzen huldigen. Auch in diesem Fall sind sowohl der
Stich als auch das dafür gezeichnete Modello bekannt. [55] Hier
wird vor allem auf die dynastische Kontinuität des Hauses Habsburg und
nicht auf Krieg oder Frieden angespielt. Aber vielleicht ist diese sehr
explizite Huldigung des herrschenden spanischen Königshauses auch als eine
Beschwörung der Zukunft zu verstehen, für die Ludwig XIV. im Begriff
war, ganz andere Pläne zu schmieden.
Vor dem
Rathaus wurde offenbar kein Theater mehr aufgestellt. Vielleicht war auch dies
direkte Folge des schon früher aus Brüssel verlautbarten Wunsches nach
Nüchternheit im Zusammenhang mit dem prekären Zustand der
öffentlichen Finanzen. Nach dem Weggang von Castel-Rodrigo sollten sich die
Festdekorationen in Antwerpen auf die obligate Anbringung des Wappens des neuen
Vertreters der königlichen Macht am Sankt-Georgstor beschränken. Dies
bedeutet das Ende einer langen Tradition, in der tonangebende Antwerpener
Künstler stimuliert wurden, ihren ganzen Erfindungsreichtum für die
Kreation allegorischer Kompositionen einzusetzen, in denen auf eine komplexe,
aber nichtsdestotrotz begreifliche Weise die Hoffnung auf einen dauerhaften
Frieden und eine damit verbundene Wiederherstellung von Handel und Kunst zum
Ausdruck gebracht wurden. Dieser Verlust darf zugleich auch symbolisch für
die anhaltende kulturelle und ökonomische Stagnation und Verknappung
stehen, die die südlichen Niederlande nach dem Frieden von Münster
zunehmend prägten.