DOKUMENTATION | Ausstellungen: 1648 - Krieg und Frieden in Europa | |
Textbände > Bd. II: Kunst und Kultur |
MOGENS BENCARD Christian IV. als Friedensvermittler |
Das virtuose Gemälde des Adriaen van de Venne (1589-1662) ist in Braun- und Gelbtönen gehalten, eine
Malweise, die der Künstler sowohl in seinen allegorischen Darstellungen als
auch in den Genrebildern häufig verwendet
hat. [1]
Auf der rechten Seite des Bildes
sieht man den König, der auf einem Thronsessel unter einem Baldachin sitzt,
in dessen Rückfront die bekrönten Initialen des Herrschers eingewebt
sind (CDR = Christianus Daniae Rex). Er trägt den dänischen
Elefantenorden auf der Brust und den englischen Hosenbandorden am linken Knie.
Zu Füßen des Königs liegt auf einem Kissen sein treuer Hund, und
daneben sieht man einen Fehdehandschuh und einen Helm mit geöffnetem Visier
und einem Federbusch. Rechts vom König stehen zwei weibliche Gestalten, die
durch Schriftbänder als Justitia und Prudentia bezeichnet sind. Links
hinter ihm stehen sein ältester Sohn Christian (1603-1647) und dessen
Ehefrau Magdalene Sibylle von Sachsen (1617-1668), daneben der jüngere Sohn
Frederik (1609-1670) mit seiner Verlobten (die Hochzeit fand am 18. Oktober 1643
statt) Sophie Amalie von Braunschweig-Lüneburg (1624-1685). Geflügelte
Putti halten zwei Kronen über die Köpfe Prinz Christians und der
Prinzessin, während ein dritter Putto zwischen ihnen zwei Kränze mit
den Initialen C5 und MS präsentiert. Über den Kopf des Herzogs
Frederik wird eine mit dem Buchstaben F bezeichnete Mitra gehalten (er war
Fürstbischof von Bremen und Verden) und über seine Verlobte ein Kranz
und zwei Herzen in einem rhombenförmigen Rahmen sowie ein Band mit der
Inschrift "DUO COR UNUM".
Die rechte Hand des
Königs ruht auf einem Tisch, auf dem ein hoher Hut, die Krone und die
übrigen königlichen Insignien liegen. Davor befindet sich ein Band mit
der Inschrift "REGNA FIRMAT PIETAS", dem Wahlspruch des Königs. Hinter dem
Tisch sieht man ein Säulenpostament, und links davon erscheint im
Hintergrund ein weiterer Sohn des Königs, Graf Waldemar Christian
(1622-1656), mit seinen fünf Töchtern, den Gräfinnen von
Schleswig. Über dem Kopf Waldemar Christians schwebt ein Putto mit einer
Krone und dem umkränzten Monogramm WC, über den Köpfen der
Gräfinnen Putti mit Blumenkränzen.
Vor
dieser Gruppe sieht man in der Mitte des Bildes die Personifikation der Pietas
mit einem Buch, auf dem die Worte "VERITAS" und "RELIGIO" stehen. Sie führt
Pax, eine jüngere Frau, dem König zu. Diese hält in ihrer rechten
Hand einen Ölzweig und über ihrem Kopf schwebt eine Taube mit einem
Ölzweig im Schnabel. Zwischen Pietas und Pax erscheint eine dritte
weibliche Gestalt, Libertas, die eine Lanze mit dem Hut der Freiheit erhebt.
Hinter Pax knien die ein Füllhorn haltende Liberalitas und zwei weitere
junge Frauen. Dieser Triumphzug wird auf der linken Bildseite von einer Reihe
von Herolden abgeschlossen, die Wappenschilder auf Brust und Rücken tragen
und Fahnen mit Wappen halten, die - von links nach rechts - das Hl.
Römische Reich, Spanien, Polen, Frankreich, Schweden, Venedig,
Großbritannien, Rußland und die Niederlande repräsentieren.
Alle Figuren stehen auf einem Fliesenfußboden, nur unter dem Thron des
Königs liegt ein orientalischer
Teppich.
Über den Fahnenträgern schwebt
am Himmel die Personifikation der Fama. Eine ihrer beiden Trompeten ist mit
einer Fahne mit dem bekrönten Namenszug des Königs geschmückt.
Darunter schwebt ein Putto, der ein Band mit der Inschrift "REGIS CUM REGIBUS
CONCORDIA" hält. In der Mitte des Bildes präsentieren einige Putti,
von denen einer ein Band mit der Inschrift "PAX UNA TRIUMPHIS INUMERIS POTIOR"
trägt, das bekrönte dänische Reichswappen. Über ihnen halten
Gloria und Honor Siegeskränze. Rechts davon, vor dem Baldachin, schweben
zuoberst zwei Putti mit Kronen, einem Palmzweig und einem Band mit der Inschrift
"DEO ET SUBDITIS". Darunter sieht man mehrere Putti mit insgesamt vier
Kurfürstenhüten und einem Band mit der Inschrift "SEMPER AUGUSTUS
PIUS". Unter dem Baldachin erscheinen weitere Putti mit dem bekrönten
Monogramm C4, das von zwei Bändern mit den Inschriften "VIVAT CHRISTIANUS
QUARTUS REX DANIAE NORVEGIAE" und "FELIX TRIUMPHATOR" gerahmt wird. Der Vorhang
des Baldachins wird von einem Putto beiseite gehalten, der ein Band mit der
Inschrift "VIRTUS" trägt.
Diese
ausführliche Beschreibung macht deutlich, daß es sich um ein
Gemälde mit einer sehr sorgfältig inszenierten Ikonographie handelt,
um eine klassische Theaterszene, in der Handlung und Bewegung nur durch die
allegorischen Figuren repräsentiert werden, wohingegen die historischen
Personen statuarische Rollen einnehmen. Das Bild unterscheidet sich wesentlich
von allen anderen bekannten Werken van de Vennes. Es gibt zwar historische
Szenen in seinem Œuvre, diese haben aber eher den Charakter
alltäglicher Begebenheiten. Als Beispiele seien "Prinz Moritz und Prinz
Friedrich Heinrich auf dem Pferdemarkt in Valkenburg" oder "Friedrich V. und
Elisabeth Stuart mit ihrem Gefolge auf dem Heimweg von der Jagd"
genannt. [2] Ausnahmen bilden ein ebenfalls in Braun- und
Gelbttönen gehaltenes Gemälde, das eine Allegorie auf die
Statthalterschaft des Prinzen Friedrich Heinrich zeigt [3] und - in noch
größerem Maße - die in das Jahr 1629 datierte Vorzeichnung zu
einem Stich von D. van Bremden, die eine Huldigung an Friedrich Heinrich nach
der Eroberung von 's Hertogenbosch darstellt. [4] Hier sieht man den
durch Victoria gekrönten Prinzen in einem Triumphwagen sitzen, der von der
Personifikation der Fides gelenkt wird und unter anderem von der Personifikation
der Libertas begleitet ist, während Tirannis und Idolatris unter den
Pferdehufen und Wagenrädern erdrückt werden. Der Stich wird heute
nicht in der Sammlung des Königlichen Kupferstichkabinetts
verwahrt [5], doch ist es denkbar, daß er im damaligen Kopenhagen
bekannt war und mit dazu beigetragen hat, daß der König sein
Triumphgemälde bei van de Venne in Auftrag gegeben hat. Die große
Allegorie des Künstlers, die "Seelenfischerei" von 1614, kannte man in
Dänemark wohl auch nicht, doch es wurde sicher berichtet, daß
Christian IV. auf diesem Bild unter den nicht katholischen Fürsten am
linken Ufer des Seelenmeers eine wichtige Stellung
einnahm.
Daß es sich bei dem Bild van de
Vennes um eine Auftragsarbeit handelt, geht aus einem Brief vom 29. Dezember
1648 hervor, den König Frederik III. an seinen Kommissionär Gabriel
Marselis (1609-1673) in Amsterdam geschrieben hat und der heute im
dänischen Reichsarchiv verwahrt wird. Der König berichtet darin,
daß im Jahr 1643, vor den Kriegsunruhen in Holstein, ein berühmter
Maler in Haag, de Venne, auf Befehl des verstorbenen Königs zwei
Gemälde übersandt habe. Wegen der Ungunst der Zeiten seien diese noch
nicht bezahlt worden, auch wenn man im vergangenen Jahr geschrieben habe,
daß ein Versuch unternommen werden sollte, sich mit dem Maler über
den Erwerb für dreihundert Reichstaler zu einigen. Der König bittet
Marselis, dieses Angebot zu wiederholen und die Bilder in seinem Namen zu
erwerben, wenn der Maler darin
einwillige. [6]
Bei dem Krieg, den der
König auf etwas merkwürdige Weise erwähnt, muß es sich um
den für Dänemark katastrophal verlaufenen Krieg gegen Schweden
handeln, der mit dem Überfall Torstensons am 12. Dezember 1643 begann und
mit dem Frieden von Brømsebro 1645 endete. Christian IV. war in dieser
Zeit vielbeschäftigt, so daß es nicht überrascht, daß er
den Maler nicht bezahlt hat. Auch darüber, daß er im Jahr 1647
versucht hat, den Preis zu drücken, kann man sich kaum wundern, denn
schließlich hatte das dargestellte Thema seine Aktualität verloren.
Van de Venne hat das Angebot Frederiks III. wahrscheinlich akzeptiert, was
sicher eine vernünftige Entscheidung war. Zum einen befanden sich die
Gemälde ja bereits in Dänemark [7] und zum anderen konnte er
kaum ein besseres Angebot erwarten, sondern hätte vielmehr riskiert,
daß ihm die Bilder zurückgeschickt worden
wären.
Dies war nicht das erstemal, daß
der König sich durch die Kunst verherrlicht sah. Bereits in den 1580er
Jahren erschien er als Sechsjähriger an der Seite seines Vaters in einer
Serie von Darstellungen der 117 dänischen Könige, die dieser bei dem
Niederländer Hans Knieper bestellt hatte. Die insgesamt vierzig Gobelins
dieser Serie wurden in den Jahren 1582-84 in Helsingør gewebt und waren
für den Langen Saal von Schloß Kronborg vorgesehen. Sie müssen
bei dem jungen Thronfolger einen unauslöschlichen Eindruck hinterlassen und
ihn mit Stolz auf seine eigene Person sowie auf die Geschichte seines
Geschlechts und seines Landes erfüllt haben. Als er 1613 erfolgreich aus
dem Kalmarkrieg zurückgekehrt war, gab er bei Karel van Mander II. eine
Serie von Wandbehängen in Auftrag, zu denen zwischen 1616 und 1619 die
Kartons ausgeführt wurden. Von der erstgenannten Serie sind bis heute
vierzehn Stücke erhalten, die zweite Serie ist
verschollen.
Seine Krönung im Jahr 1596
ließ der König in zwei Kupferstichen verewigen, deren Künstler
nicht bekannt sind. Einer der Stiche zeigt die Krönungszeremonie im Dom zu
Kopenhagen und die Prozession von der Kirche zum Schloß, der andere
schildert den Aufzug zu einem im Rahmen des Festes veranstalteten
Reiterspiel. [8] Beide Grafiken sind mit deutschen Texten bezeichnet.
Ein ebenfalls anonymer Kupferstich zeigt den großen Aufzug im Jahr 1603,
als die Stadt Hamburg dem König und dem Herzog Johan Adolf von
Holstein-Gottorf huldigte. Bei dieser Gelegenheit trat Christian IV. in der
Rolle des Sonnenkönigs auf. [9]
Die
nächste Gelegenheit, bei der der König die Kunst in den Dienst seiner
Familiengeschichte stellte, ergab sich 1634 anläßlich der Hochzeit
seines ältesten Sohnes Prinz Christian mit Magdalene Sybille von Sachsen.
Von diesem Ereignis existiert ein Kupferstich, der den königlichen Aufzug
zeigt, in dem der Herrscher selbst als Scipio Africanus und der Bräutigam
als Scipio Asiaticus erscheint. Das Blatt trägt die Signatur "Christophorus
Swenckius inventor. Crispin de pas delin(eat)". [10] 1635 ließ der
König von seinem Kupferstecher Simon de Pas eine Ritterschlagsszene
wiedergeben, die ebenfalls im Jahr zuvor bei der Hochzeit stattgefunden hatte.
Auf der rechten Seite des Bildes sieht man den auf seinem Thron sitzenden
König Christian unter einem Baldachin. Die vornehmsten Männer des
Staates präsentieren die Reichsinsignien, und vor dem König kniet ein
Adeliger, den dieser gerade zum Ritter schlägt. Das restliche Blatt ist mit
Figuren gefüllt, die Angehörige des Hofstaates darstellen. Der
beigegebene Text, der über den Ritterschlag berichtet, ist in Deutsch und
Latein geschrieben, da der Stich in Europa Verbreitung finden
sollte. [11]
Zu einer weiteren
Realisierung der ehrgeizigen Pläne kam es 1637, als der König bei dem
oben erwähnten Simon de Pas 84 Zeichnungen bestellte, die mit seinen
eigenen Worten "Unser Vorfahren, der alten Könige von Dännemarck
tapfere und heroische Thaten [...]" [12] illustrieren sollten. Der
Auftrag umfaßte achtzig historische Bilder, ein Reiterbildnis des
Königs, eine Karte von Dänemark, das Reichswappen sowie eine
Titelseite. Es handelte sich hierbei mit anderen Worten um den Plan zu einem
nationalgeschichtlichen Werk vom Altertum - wie es in den um 1200 entstandenen
"Gesta Danorum" des Saxo Grammaticus beschrieben ist - bis zur Gegenwart. Der
König beauftragte de Pas, in den Niederlanden die geeignetesten
Künstler zur Ausführung dieser Aufgabe zu suchen. Der Kupferstecher
reiste daraufhin in seine Heimatstadt Utrecht, wo er Maler wie Abraham
Bloemaert, Gerrit van Honthorst, Jan van Bijlert, Nicolaus Knüpfer, Simon
Peter Tilemann und Adam Willaerts sowie den nicht dem Utrechter
Künstlerkreis angehörenden Palamedes Palamedesz. für dieses
Projekt verpflichtete. Den größten Teil der Bilder entwarf allerdings
der Bruder Simons, Crispin de Pas. 1639 scheinen alle Zeichnungen vollendet
gewesen zu sein, so daß mit der Arbeit an den Kupferstichen begonnen
werden konnte.
Ebenfalls im Jahr 1639
entschloß sich Christian IV., einen Teil der Historienbilder
ausführen zu lassen, mit denen die Decke des Langen Saals von Schloß
Kronborg ausgeschmückt werden sollte. Die Wände des Saals waren, wie
erwähnt, mit den von seinem Vater in Auftrag gegebenen Darstellungen der
dänischen Könige dekoriert. De Pas wurde erneut nach Holland
geschickt, wo er mit Honthorst, Tilemann und Knüpfer sowie in Amsterdam mit
Isaac Isaacz, Claes Moeyaert, Salomon Koninck und Adriaen van Nieulandt
Vereinbarungen traf. Keiner der Kupferstiche, aber doch fünfzehn
Gemälde und ungefähr die Hälfte der Zeichnungen sind von diesem
beeindruckenden Projekt bis heute erhalten.
Eine
der historischen Szenen weist, wie die Darstellung des Ritterschlags, im
Bildaufbau gewisse Übereinstimmungen mit van de Vennes Gemälde auf.
Hier ist ebenfalls ein unter einem Baldachin thronender König dargestellt,
der von verschiedenen Figuren umgeben wird. Eine der Figuren kniet vor dem
König, um ihm eine Krone zu überreichen. Die Beischrift des Blattes
weist den Herrscher als "König Frode zu dännemarck" aus, der
große Teile des Hl. Römische Reiches nach Norden und Osten gegen die
Ostsee erobert und die Huldigung und den Treueschwur von 20 Königen
empfangen habe. Dieser Frode Fredegod war ein dänischer Sagenkönig,
mit dem sich Christian IV. durchaus verglichen haben könnte. Beide kamen
als Kinder auf den Thron, und beide haben die Verhältnisse ihres Landes
verbessert. Die Zeichnung trägt die Signatur "G. Honthorst fecit", und das
entsprechende Gemälde Honthorsts, das zu den erhaltenen Bildern zählt,
befindet sich heute auf Schloß
Kronborg. [13]
Es lassen sich also
verschiedene Faktoren am Hof Christians IV. benennen, die als Voraussetzungen
für den Auftrag an van de Venne gelten können. Dem König erschien
es selbstverständlich, Historienbilder bei niederländischen
Künstlern zu bestellen. Diese Praxis wurde auch vielfach bei Gemälden
anderer Gattungen angewandt. Er fühlte sich außerdem dazu berufen,
große Dekorationsaufgaben zu seiner eigenen und seines Landes Ehre zu
planen. Mit einem modernen Ausdruck würden wir sein Vorgehen als eine
außerordentlich aktive Kulturpolitik
bezeichnen.
Vor diesem Hintergrund kann man die
sorgfältige Inszenierung des Gemäldes von Adriaen van de Venne
vielleicht besser verstehen, und man muß es als wahrscheinlich ansehen,
daß der König mit seinem Auftrag zugleich eine genaue Beschreibung
dessen, was er von dem Maler erwartete, übersandt hat. Man weiß
nicht, ob van de Venne in Dänemark gewesen ist, die
Portraitähnlichkeit der Mitglieder der königlichen Familie ist jedoch
bestechend. Das Portrait des Königs ist nahezu identisch mit den
Bildnisssen, die der Hofmaler Karel van Mander III. (ca. 1609-1670) in den
1630er Jahren geschaffen hat. [14] Wahrscheinlich ist diese
Übereinstimmung dadurch zu erklären, daß man van de Venne
Zeichnungen van Manders zugeschickt hat. Denkbar ist ebenfalls, daß die
Ikonographie des Bildes in Dänemark entworfen wurde, möglicherweise
von dem international anerkannten Gelehrten Ole Worm (1588-1654), der bereits
die einzelnen Themen für die nationalgeschichtliche Bilderfolge festgelegt
hatte. [15]
Der zuvor erwähnte Brief
Frederiks III. an Gabriel Marselis scheint zu beweisen, daß das
Gemälde, das Christian IV. als Friedensstifter zwischen den
europäischen Fürsten und Ländern zeigt, bei van de Venne in
Auftrag gegeben wurde und dieser es vor Dezember 1643 geliefert
hat. [16] Es hat in der dänischen Geschichtsforschung Tradition,
diesen Brief als Beleg dafür anzuführen, daß der König in
seinen späten Jahren nicht mehr mit beiden Beinen auf der Erde stand und
seine eigene politische Bedeutung maßlos überschätzte. Es stellt
sich allerdings die Frage, ob diese Einschätzung zutreffend ist oder ob man
sich damit zu einseitig auf den katastrophalen Krieg Dänemarks gegen
Schweden von 1643 bis 1645 bezieht. Es wäre sinnvoller, danach zu fragen,
wie sich die Situation für den König 1642 darstellte, also in dem
Jahr, als das Gemälde in Kopenhagen entworfen und bei dem Maler in Den Haag
in Auftrag gegeben worden sein muß.
Dazu ist
es notwendig, auf die Situation nach dem Friedensschluß von Lübeck im
Jahr 1629 zurückzugehen. Die Historiker sind sich einig, daß der
König, was die Friedensbedingungen betrifft, erstaunlich gut aus seiner
Einmischung in den Dreißigjährigen Krieg davongekommen ist. Dennoch
gab diese Niederlage den innenpolitischen Gegnern Auftrieb, mit denen sich der
König im Reichsrat fortwährend auseinandersetzen
mußte.
Christian IV. gab jedoch nicht auf,
sondern wählte auf der außenpolitischen Bühne eine neue Rolle,
die des Friedensvermittlers. Dies war eine kluge Entscheidung. Wenn man sich als
Feldherr nicht behaupten kann, kann man sich dennoch Einfluß verschaffen,
indem man Frieden stiftet. In beiden Fällen sitzt man mit am
Verhandlungstisch. Es ist erstaunlich, welche Energie von dänischer Seite
in den 1630er Jahren auf diesem Gebiet entfaltet wurde. Diplomaten wurden mit
detaillierten Anweisungen, zu denen der König selbst sorgfältige
Entwürfe beisteuerte, in alle Himmelsrichtungen entsandt. [17]
Dänemark verfolgte mehrere politische Ziele. Die Schweden sollten daran
gehindert werden, ihre wachsende Machtposition weiter auszubauen, die Dänen
wollten ihre Oberhoheit über die Ostsee und das Zollrecht für den
Øresund behalten. Darüber hinaus wollten sie sich das Zollrecht
für den Schiffsverkehr auf der Elbe sichern und Hamburg zur Unterwerfung
zwingen. Schließlich wollte Christian IV. für seinen
zweitältesten Sohn, Herzog Frederik, die Herrschaft über das
säkularisierte Bistum Bremen gewinnen. An diesen Zielen hielt der
König in dem gesamten Zeitraum mit einer beinahe verblüffenden
Aggressivität fest, die seine Zeitgenossen allem Anschein nach
akzeptierten, die kluge Nachwelt aber als naiv bezeichnet
hat.
Trotz wechselnder politischer Allianzen
blieben in dem gesamten Zeitraum zwei Hauptachsen bestehen: auf der einen Seite
das protestantische Schweden und das katholische Frankreich und auf der anderen
Seite das katholische Kaiserreich und das protestantische Dänemark mit
Norwegen. Die übrigen großen und kleinen Mächte wechselten
beinahe unaufhörlich ihre Position, je nachdem, welchen Verlauf der Krieg
nahm oder welchen Vorteil sie sich auf diplomatischem Weg erhofften. Christian
IV. ist im Grunde für seine Ausdauer zu bewundern. Das ganze Jahrzehnt
hindurch bot er sich, unabhängig von den jeweiligen Geschehnissen, als
Friedensvermittler an.
1641 begann sich eine
tragfähige Lösung der Konflikte abzuzeichnen. Am 20. Juni erneuerten
Frankreich und Schweden ihren gegenseitigen Vertrag, der bis zum
Friedensschluß gelten sollte. Darin wurde festgestellt, daß die
Friedensverhandlungen in Münster und Osnabrück stattfinden sollten.
Dies wurde vom Kaiser akzeptiert. [18] Nach den von Christian IV.
initiierten, lebhaften Verhandlungen in Hamburg wurden am 25. Dezember 1641 die
Friedenspräliminarien unterzeichnet. Der Kongreß sollte im folgenden
Jahr in Münster und Osnabrück eröffnet werden, und die
beteiligten Parteien akzeptierten den dänischen König als
Vermittler.
"Nach einer Reihe von
Enttäuschungen stand Christian IV. am Ende des Jahres 1641 doch als
derjenige dar, der durch seine ausdauernde Arbeit die erste Aufgabe seiner
Vermittlertätigkeit erfüllt hatte. Er konnte darauf hoffen, weiterhin
Einfluß auf die nun beginnenden Verhandlungen nehmen zu können und
damit vielleicht Ergebnissen vorzubeugen, die für die Interessen seines
Landes schädlich sein könnten", schrieb der Historiker J. A.
Fridericia. [19] Daß das Bauwerk des Friedens auf einer schwachen
Grundlage stand, zeigen bereits die Weisungen, die die Diplomaten der einzelnen
Länder erhalten hatten, aber es bewegte sich etwas, selbst wenn der
Zeitplan von Anfang an nicht eingehalten wurde. Der erste dänische
Gesandte, Christopher von der Lippe, traf am 10. Juli 1643 ein, und am 26.
August des Jahres [20] hielt die übrige dänische Delegation,
die aus dem Kanzler Just Høg, dem Reichsrat Gregers Krabbe und dem
Domdechant Lorenz Langermann bestand, mit großer Prachtentfaltung ihren
Einzug in Osnabrück. Das Gefolge bestand aus 103 Personen, zu denen
außer den führenden Adelsherren auch Pagen und Leibwachen
gehörten; sie fuhren in mit Samt ausgeschlagenen Wagen vor, wohnten in
Zimmern mit niederländischen Seidentapeten, die Tafeln waren mit
goldbestickten Tischtüchern gedeckt, und die Baldachine waren aus dem
gleichen Stoff. Die kaiserlichen Gesandten, die dem Kaiser davon berichteten,
stellten allerdings auch fest, daß die meisten Stücke nicht für
diese Gelegenheit angeschafft worden waren, sondern zum Hofstaat des Königs
gehörten. [21] Die Prachtentfaltung, aber auch die mehrmalige
Verwendung der Objekte waren für Christian IV.
typisch.
Sieht man einmal von den
Spitzfindigkeiten der Zeitgenossen und von dem, was der Nachwelt dazu einfallen
mag, ab, so handelte es sich um einen bedeutenden diplomatischen Erfolg. Diesem
Triumph wollte Christian IV. durch das prachtvolle Auftreten seiner Gesandten
auf dem Kongreß Ausdruck verleihen, und auch bei seinem Auftrag an van de
Venne ging es ihm vorrangig darum, seinen Erfolg für für die Nachwelt
im Bild festzuhalten.
Bislang konnte nicht
geklärt werden, wann das Gemälde entworfen und in Auftrag gegeben
wurde. Das Jahr 1642 erscheint hierfür am wahrscheinlichsten, wenn man
bedenkt, daß die Planung und Ausführung längere Zeit in Anspruch
genommen haben muß. Noch bis zum Dezember konnte der König mit guten
Gründen die Jahre 1642/43 als den Höhepunkt seiner gesamten
Außenpolitik des vergangenen Jahrzehnts betrachten. Er hatte durch
Verhandlungen eine friedliche Lösung mit Polen über die Frage der
Oberhoheit auf der Ostsee erreicht, war mit den Niederlanden zu einer Einigung
über die Zolltarife auf dem Sund gekommen und hatte einen Zoll für
schwedische Waren eingeführt, der trotz des Mißfallens in Stockholm
Gültigkeit besaß. Auch auf der Elbe war der König siegreich. Mit
der Waffe in der Hand zwang er die Stadt Hamburg im Frühjahr 1643 zur
Unterwerfung und setzte damit einen alten Gegner außer Kraft, ohne
daß sich die übrigen Mächte in die Angelegenheit einmischten.
Sein Sohn, Herzog Frederik, saß in Bremen und konnte während der
Annäherung zwischen dem Kaiser und dem König seine Position halten. In
den 1630er Jahren hatte Christian IV. mehrfach vergeblich versucht, die Schweden
zu einer Ehe des Herzogs mit Königin Christina zu überreden. 1643
heiratete der Herzog eine Tochter des Herzogs Georg von
Braunschweig-Lüneburg. Dieser hatte als Verbündeter bis dahin eine oft
fragwürdige Rolle gespielt, obwohl er dem Niedersächsischen Kreis
angehörte, ebenso wie Christian IV., der in seiner Eigenschaft als Herzog
von Holstein Mitglied war.
Christian IV. betrieb
ein weiteres politisches Machtspiel, nämlich die geplante Hochzeit seines
Sohnes Graf Waldemar Christian mit Irina, der Tochter des russischen Zaren
Michael. Diese Angelegenheit wird zwar in der historischen Literatur
erwähnt, ihr wird jedoch keine besondere Bedeutung
beigemessen. [22] Es stellt sich allerdings die Frage, ob nicht gerade
diese Angelegenheit den Überfall der Schweden auf Dänemark im Dezember
1643 herbeigeführt hat. [23] Wie auch bei allen früheren
Eheplänen zwischen Rußland und Dänemark ging die Initiative vom
Zaren aus. Dies geschah in der Regel dann, wenn der Zar sich stark genug
fühlte, den Schweden die Freundschaft zu kündigen. 1640 wurden die
ersten Kontakte aufgenommen, und bereits zu Beginn des Jahres 1641 kursierten
entsprechende Gerüchte. Im selben Jahr reiste Waldemar Christian nach
Moskau, damit die Parteien einander prüfen konnten. Im Sommer 1642 kam eine
russische Gesandtschaft mit einem Heiratsantrag nach Kopenhagen, den Christian
IV. jedoch ablehnte. Die Russen kamen zu Beginn des Jahres 1643 mit einem
besseren Angebot wieder, doch auch dieses war dem König nicht gut genug.
Die weiterhin andauernden Verhandlungen resultierten in einer am 9. 7. 1643
unterzeichneten Zustimmung des Zaren, doch der dänische König scheint
sich schon früher in diesem Jahr seiner Sache so sicher gewesen zu sein,
daß bereits seit dem Frühsommer Vorbereitungen getroffen wurden. Am
23. Oktober reiste der Graf mit seinem Gefolge ab, unterwegs wurden sie in Polen
sehr gut aufgenommen, und am 21. Januar 1644 trafen sie schließlich in
Moskau ein. Zur gleichen Zeit erschien ein schwedischer Bote, der Zar Michael
die Nachricht über die in der Zwischenzeit in Dänemark eingetretenen
Ereignisse überbrachte.
Es besteht kein
Zweifel, daß die Entwicklung von schwedischer Seite aus
verständlichen Gründen mit größter Besorgnis gesehen
wurde. [24] Eingezwängt zwischen Dänemark-Norwegen auf der
einen Seite und Polen-Rußland auf der anderen Seite war Schweden zum
Handeln gezwungen. Am 12. Dezember 1643 überschritt Torstenson, wie
erwähnt, mit seinem Heer die Grenze zu Holstein, zur Überraschung und
großen Verärgerung König Christians. Er hatte geglaubt, genug
Zeit zu haben, so lange noch keine vorausgehende Kriegserklärung der
Schweden vorlag.
Das Jahr 1643 markiert also den
Höhepunkt im langen Leben Christians IV. und gleichzeitig seinen tiefsten
Fall. Er hatte zuviel auf einmal versucht, und das war ihm mißglückt.
Seine Gesandten in Münster und Osnabrück mußten ihre
prächtige Ausstattung zusammenpacken und in aller Stille nach Hause
zurückkehren. Der König selbst kämpfte tapfer, doch vergebens,
und zwei Jahre später mußte er den für ihn demütigenden
Frieden von Brømsebro unterzeichnen.
Das
Gemälde des Adriaen van de Venne, das der Nachwelt von dem großen
Triumph des Königs berichten sollte, wurde später von seinem Sohn
erworben, aus Pflichtgefühl und zu einem ermäßigten Preis. Es
wurde zu einem historischen Dokument, das keine Bedeutung mehr besaß, weil
es ein Verlierer entworfen hatte. Die Geschichte wird bekanntlich von den
Siegern geschrieben.