DOKUMENTATION | Ausstellungen: 1648 - Krieg und Frieden in Europa | |
Textbände > Bd. II: Kunst und Kultur |
ARNE LOSMAN Carl Gustaf Wrangel, Skokloster und Europa - Manifestation von Macht und Ehre in schwedischer Großmachtzeit |
I. Der
Obsiegende
"Heerpaucken/
Trompeten/ Carthaunen/ Mußqueten/ bluttriffende Degen/ Hellblinckende
Waffen/ das puffen das paffen/ der rollenden Wägen/ rauchdämpffende
Blitz/ rüllt/ brüllet mit donrendem Wrangels
Geschütz."
Mit tosend martialischer Lautmalerei wurde Carl Gustaf Wrangel (1613-1676)
einige Wochen nach dem westfälischen Friedensschluß die Aufwartung
gemacht. Der schwedische Feldherr hielt sich zu diesem Zeitpunkt mit seinen
Truppen in Schwabach auf und besuchte auch das nahegelegene Nürnberg. Der
Nürnberger Dichter und Patrizier Georg Philipp Harsdörffer schrieb
diesen
"Lobgesang",
der die Wrangelschen Kriegstaten während der letzten vier Jahre des
Dreißigjährigen Krieges pries: vom Sieg 1644 gegen die Dänen in
der Seeschlacht bei Fehmarn bis zur Verheerung Bayerns 1648. Das Gedicht wurde
von dem Nürnberger Komponisten Sigmund Theophil Staden vertont, und Text
und Musik wurden von Heinrich Pillenhofer
gedruckt.
Der Lobgesang paßte nicht zur
Neutralitätspolitik der Freien Reichsstadt Nürnberg, unter anderem
wegen der antikaiserlichen Tendenz des Gedichts. Harsdörffer hatte in der
Stadt eine offizielle Stellung und schrieb außerdem in den ersten Zeilen
des Gedichts, daß dies Nürnbergs Huldigung an den schwedischen Helden
sei. So wurde der Lobgesang 1648 zu einer Cause célèbre.
Ein schneller gerichtlicher Prozeß führte zur Beschlagnahme der
gedruckten Auflage und zu kleineren Strafen und Verwarnungen für Dichter,
Komponist und Drucker. Wrangel hatte Verständnis für die politischen
Komplikationen, denn er war über die politischen Verhältnisse in
Nürnberg durch Schwedens Agenten in der Stadt gut informiert. Von einem von
ihnen, Jacob Barth, erhielt er in der Periode von April bis Dezember 1648 mehr
als 100 Briefe. Georg Forstenheuser, der Agent von Herzog August von
Braunschweig-Lüneburg in Nürnberg, berichtete dem Herzog von
Harsdörffers diplomatischem Fehltritt. Forstenheuser zufolge war Wrangel
der Ansicht gewesen,
"dass der
sachen zuviel getan seie, und da mans zum andern mal singen, nichts weitres
hören
wollen" [1].
Wrangel
fühlte sich wohl dennoch geschmeichelt. Ihm wurde von einem sozial
hochgestellten Dichter und einem der führenden Musiker Nürnbergs die
Aufwartung gemacht. Der Lobgesang huldigte ihm als Kriegshelden auf der
europäischen Bühne. Wahrscheinlich war er noch zufriedener, als er im
folgenden Jahr unter dem Namen
"Der
Obsiegende"
Mitglied der
"Fruchtbringenden
Gesellschaft"
wurde. Er wurde als 523. Mitglied in die berühmte Gesellschaft
gewählt, die aus hohen Politikern und Militärs, aber auch aus
Gelehrten und Dichtern bestand. In einem
"Reimgesetz",
das man zu seinem Eintritt schrieb, wurde Wrangel
"Ein held
der seinen feind mit ehren sucht Zu
schmeissen"
genannt. Diederich von dem Werder schrieb in einem Gedicht für denselben
Anlaß, daß Wrangels Siege den Frieden geschaffen hätten. Der
schwedische Feldmarschall hat die beiden Gedichte, die sich als Handschrift in
seinem Archiv befinden, sicher geschätzt. [2] Vielleicht hatte er
sogar ungeduldig auf seine Wahl in die
"Fruchtbringende
Gesellschaft"
gewartet. Ungefähr gleichaltrige Militärs in schwedischen Diensten -
wie Robert Douglas und Gaspard Corneille de Mortaigne - waren bereits 1644
Mitglieder geworden. Die Mitgliedschaft 1649 bestätigte Wrangel, daß
er zur zentraleuropäischen Elite
gehörte.
Die Rolle des Kriegshelden war
für den beim westfälischen Friedensschluß knapp 35jährigen
Carl Gustaf Wrangel nicht neu. Er war der Sohn von Herman Wrangel, einem
schwedischen Feldmarschall baltischer Herkunft; seine Mutter stammte aus dem
alten schwedischen Adelsgeschlecht Grip. Am 5. Dezember 1613 wurde Carl Gustaf
Wrangel in dem ziemlich bescheidenen väterlichen Schlößchen in
Skokloster (zwischen Stockholm und Uppsala) geboren. Nach dem Westfälischen
Frieden sollte er neben seinem Geburtshaus das neue Schloß von Skokloster
bauen. Der Kontrast zwischen dem Gebäude des Vaters und dem mächtigen
Schloß des Sohnes führt noch heute mit aller Deutlichkeit die schnell
wachsenden Ambitionen der neuen schwedischen Großmacht vor
Augen.
Bereits als 18jähriger schloß
sich Wrangel den schwedischen Truppen in Deutschland an. Sein Studium war also
nur von kurzer Dauer, erfüllte jedoch die Anforderungen des adligen
Bildungsideals nach universaler ziviler und militärischer Bildung. Das
Fundament wurde durch Privatlehrer und - wahrscheinlich - in einer Adelsschule
in Stockholm gelegt. Auch wenn er nie ein guter Latinist war, widmete er sich
natürlich der schwedischen Variante des politischen Humanismus. Die
römischen Helden waren Vorbilder und Gustav II. Adolf der neue Augustus.
Die übliche Bildungsreise führte nach Leiden und Paris, Studienorte,
die erst kürzlich zu Lieblingszielen junger schwedischer Aristokraten
geworden waren. Wrangel war Repräsentant eines neuen Kriegeradels, der
während des Dreißigjährigen Krieges Karriere machte und sich von
neuen, französisch inspirierten Modeströmungen beeindrucken
ließ. Ihm fehlte jedoch die tiefe humanistische Bildung einiger etwas
älterer schwedischer Aristokraten wie Axel Oxenstierna und Per Brahe
d.J.
Wrangel machte rasch militärisch
Karriere. Als Mitglied des Generalstabs unter dem schwedischen Oberbefehlshaber
Lennart Torstenson leistete er 1641 und 1642 in den Schlachten bei
Wolfenbüttel und Leipzig Bedeutendes. Zu Wasser leitete er 1644 eine
schwedisch-holländische Flotte, die eine zahlenmäßig unterlegene
dänische Flotte bei Fehmarn besiegte. Im Dezember 1645 war Lennart
Torstenson wegen Krankheit gezwungen, einen immer größeren Teil der
operativen Leitung Wrangel zu überlassen. Dessen Bedürfnis, die
neugewonnene Macht und Ehre zur Schau zu stellen, wuchs. Im Januar 1646 erteilte
er den Befehl, Baumaterial für das neue Schloß in Skokloster
einzulagern. Im Frühjahr 1646 wurde der 32jährige Wrangel
Feldmarschall und war danach zwei Jahre Oberbefehlshaber der schwedischen
Truppen in Deutschland. Sein Nachfolger war Königin Christinas Cousin,
Pfalzgraf Karl Gustav, der jedoch anweisungsgemäß dem Rat des
erfahreneren Wrangel folgen sollte.
Noch
während des Dreißigjährigen Krieges versuchte Wrangel energisch,
die Einschätzung seiner kriegerischen Einsätze durch Zeitgenossen und
Nachwelt zu steuern. Besonders erfolgreich war er, als Matthäus Merian
d.Ä. die Herausgabe des fünften Teils des
"Theatrum
Europaeum"
vorbereitete, der 1647 mit Text von Johann Peter Lotichius erschien. Der Band
wird durch Merians Widmung an Wrangel eingeleitet, der
"zu
gegenwärtiger Wercks Publication, mit Vbersendung vnderschiedlicher
schöner Delineationen und Abrissen, nebenst andern gnädigen
Bezeygungen, mir grosse angenehme Beförderung
erwiesen"
habe. Die Zeichnungen, die Merian hier erwähnt, waren von Georg Wilhelm
Kleinsträttl, Offizier in Wrangels Armee, angefertigt worden. Das Ende des
zitierten Satzes findet seine Erklärung in Wrangels Rechnungsbüchern
und seiner Korrespondenz mit Merian: Er förderte das Buch im Juni 1647 mit
einhundert Dukaten und zahlte weitere einhundert Dukaten, nachdem er drei
Exemplare des fertigen Werkes erhalten hatte. Er hatte allen Anlaß zur
Zufriedenheit. Außer der Widmung in Merians
"Widmungsschrift"
enthält der Band einen Portraitstich Wrangels mit seinem Wappen und
Wahlspruch "Non est mortale quod opto" (Nicht das Vergängliche ist es,
wonach ich strebe). Unter dem Portrait steht ein Gedicht, in dem Lotichius
Wrangels süddeutschen Feldzug mit Hannibals Zug über die Alpen
gleichsetzt. Auf sieben Kupferstichen von schwedischen Eroberungen ist
angegeben, daß Wrangel 1646/47 persönlich Höxter, Paderborn,
Stadtberg (Obermarsberg), Bregenz, Mainau (im Bodensee), Schweinfurt sowie Eger
erobert habe. Sicherlich freute es Wrangel, daß die drei erstgenannten
Triumphe außerdem in Merians
"Topographia
Westfaliae"
veröffentlicht wurden, die ebenfalls 1647 erschien. [3] Der
fünfte Teil des
"Theatrum
Europaeum"
zeigt, daß Wrangel während der zweiten Hälfte des
Dreißigjährigen Krieges gelernt hatte, die Medien seiner Zeit
effektiv zu nutzen.
II. Vor dem
Westfälischen Frieden
Carl Gustaf Wrangel
schuf einen transportablen Feldherrnhof mit wachsenden Sammlungen von
Kunsthandwerk, vor allem Silber und Schmuck. Dabei arbeitete er mit seiner
jungen Ehefrau zusammen. 1640 hatte er Anna Margareta von Haugwitz (geboren 1622
in Calbe an der Saale), eine schöne und arme deutsche Adlige, geheiratet;
das Vermögen ihrer Familie war 1631 bei der Verwüstung Magdeburgs
verlorengegangen. Mit ihr zusammen hatte er viele Kinder, unter ihnen die
Söhne Hannibal, Augustus Gideon und Achilles, deren Namen die Hoffnung auf
zukünftige Wrangelsche Feldmarschälle erkennen
lassen. [4]
Auf die ältere
schwedische Generation wirkte Wrangels französisch inspiriertes Auftreten
anstößig. In einem Brief an Axel Oxenstierna klagte Feldherr Johan
Banér darüber, daß
"Generalmajor
Wrangel mir gantz undt nichts nützlich ist, denn desselben actiones nur
kinder- und lauter à la mode-händel sein unndt hat er in Franckreich
und Hollandt dererselben sitten so gar angenommen, das er sich auch in kleidung
und tractament wie ein gebohrner Frantzoss halten
thut". Der
französische Einfluß verstärkte sich noch, als Wrangel
später während der engen militärischen Zusammenarbeit in
Süddeutschland mit Turenne und anderen französischen Militärs
verkehrte. Als Wrangels Sohn Carl Philip im Sommer 1648 im Feldlager bei
Dingolfing nordwestlich von München getauft wurde, war beispielsweise der
französische Marschall unter den Paten; das soziale Rollenspiel bei der
Taufe der Wrangelschen Kinder während des Dreißigjährigen
Krieges wäre eine gesonderte Studie wert. 1647 wird in den Büchern ein
französischer Schneider genannt. Auch wenn die dominierende Sprache an
Wrangels Hof Deutsch war, drückte sich der Feldherr gern französisch
aus. [5]
Einen Teil der wachsenden
Sammlungen Wrangels an Kunst und Kunsthandwerk bildeten in diesen Jahren
Kriegsbeuten und Kriegstrophäen. In der Schlacht bei Leipzig 1642 erbeutete
er eine bedeutende Sammlung an Prachtsilber von Erzherzog Leopold Wilhelm von
Österreich. Wie sich später noch zeigen wird, nahm diese Trophäe
in den Wrangelschen Kunstsammlungen eine Sonderstellung ein. Bisweilen wird
behauptet, daß Wrangel verschiedenes aus der kaiserlichen Kunstkammer in
Prag bekommen habe, aber diese Angaben sind sehr fragwürdig. An der
schwedischen Erstürmung der Prager Kleinseite im Sommer 1648 war er nicht
beteiligt; sein erster Besuch in Prag fand erst nach dem Westfälischen
Frieden statt, im Zusammenhang mit einleitenden Verhandlungen der sogenannten
Prager Konferenz um die Satisfaktionsmittel. Es sind jedoch gute Gründe
dafür angeführt worden, daß ein berühmter Prachtschild in
der Wrangelschen Rüstkammer auf Skokloster, der sogenannte
"Skoklosterschild",
aus der Kunstkammer in Prag stammen könnte. Der Schild wurde um 1560 von
Elisaeus Libaerts in Antwerpen angefertigt. Ein schöner Pegasus aus Silber,
der einen uhrwerkbetriebenen Himmelsglobus trägt (im Metropolitan Museum of
Art, New York), angefertigt 1597 von dem Uhrmacher Gerhard Emmoser in Wien,
wurde ebenfalls mit Wrangel in Zusammenhang gebracht. Dieser soll den
Kunstgegenstand aus der Kunstkammer genommen und ihn anschließend
Königin Christina geschenkt haben. Die Königin scheint diesen
Prachtgegenstand jedoch durch den alten Reichsmarschall Jacob de la Gardie
erhalten zu haben. Arcimboldos berühmtes Portrait
"Kaiser
Rudolf II. als
Vertumnus"
in den Sammlungen von Skokloster pflegt in diesem Zusammenhang ebenfalls genannt
zu werden. Wahrscheinlich war der erste schwedische Besitzer des Gemäldes
jedoch Reichsdrost Per Brahe d.J. (1602-1680); nach Skokloster kam es erst im
19. Jahrhundert. Natürlich aber war der junge Feldherr an den
berühmten kaiserlichen Sammlungen interessiert, und er war über ihren
Inhalt gut unterrichtet. In seinem Archiv befinden sich zwei - seit langem
publizierte - Inventarverzeichnisse. Er ließ sich aber auch von anderen
mitteleuropäischen Kunstkammern beeindrucken. Eine der für Wrangel
wichtigsten war die Sammlung des Architekten und Ratsherrn Joseph Furttenbach in
Ulm. Zu Beginn des Jahres 1647 hatte er im Zusammenhang mit den Verhandlungen in
Ulm, die zum Waffenstillstand mit Bayern führten, Gelegenheit, sie zu
studieren. Die Wrangelsche Rüstkammer auf Skokloster - darüber im
folgenden mehr - ist durch Furttenbachs Kunstkammer
inspiriert. [6]
Seit Wrangel 1646
schwedischer Oberbefehlshaber geworden war, bekam er von Vertretern der
alliierten oder neutralen Städte und Länder diplomatische Geschenke.
In einem Brief, der den schwedischen Feldherrn gegen Ende des Jahres in
Babenhausen erreichte, gratulierte ihm der minderjährige Ludwig XIV. und
drückte seine Freude über Wrangels Zusammenarbeit mit Turenne aus. Im
März des folgenden Jahres sandte Kardinal Mazarin an Wrangel und dessen
Frau Geschenke vom König und von Anna von Österreich: einen Degen bzw.
ein Portrait des französischen Königs und seiner Mutter
("La Reyne
a voulu que Madame vostre femme eust le portrait du Roy et le Sien, et le Roy
que V. Exc. receut une
Espée").
Wrangels Antwort wird damit eingeleitet, daß ihm die Worte fehlten -
"Je
n'ay point
de paroles"
- seine Dankbarkeit auszudrücken, die er daraufhin beredt
formuliert. [7]
1647 bestellte die Stadt
Nürnberg bei dem Glaskünstler Georg Schwanhardt d.Ä. gravierte
Gläser, die Wrangel überreicht wurden. Einer von diesen Pokalen mit
der Inschrift
"Willkommen
Ihr Herren"
befindet sich noch heute auf Skokloster. [8] Fürstbischof Veit Adam
von Gepeckh in Freising schenkte Wrangel und seiner Familie einen Nashornbecher
und Schmuck. Das geschah 1648, als die Truppen Wrangels und Turennes Freising
und das umliegende Gebiet verheerten. Der Becher mag, da seine Unterseite mit
einem sich liebenden Paar verziert ist, zur erotischen Stimulation gedacht
gewesen sein, aber auch als vorbeugend gegen Vergiftung. Wahrscheinlich weckte
die exotische Herkunft des Materials Wrangels Interesse, denn Exotismus war ein
durchgängiges Thema in seiner Sammlertätigkeit. Aus dem Tierpark des
Fürstbischofs stammte übrigens auch der Strauß, den Wrangel im
selben Jahr Königin Christina schenkte. Der Transport ging über
Wismar, und am 4. November (alten Stils), zwei Tage nach der Nachricht vom
Westfälischen Frieden, kam der Vogel lebend in Stockholm
an. [9]
Gleichzeitig ist es wichtig
festzuhalten, daß Wrangel mitten im Krieg Kunsthandwerk und anderes, was
für seine Hofhaltung gebraucht wurde, kaufte. Rechnungen aus dem
Sommer 1647 belegen beispielsweise, daß Wrangel und seine Frau für
5.813 Reichstaler große Mengen Tafelsilber kauften. Es wurde über
Nürnberg gekauft, war jedoch von Hans Georg Lang und Martin Riedel in
Augsburg hergestellt worden. Auch Musik war ein selbstverständlicher
Bestandteil seines Feldherrnhofes. Bereits 1644 bestellte Wrangel bei dem
dänischen Orgelbauer Peter Karstens in Viborg eine
Orgel. [10]
Ein großartiges
diplomatisches Geschenk nahm Wrangel 1647 entgegen, als Herzog August von
Braunschweig-Lüneburg ihm den letzten von Philip Hainhofers vier
berühmten großen Kunstschränken schenkte. Der Herzog hatte den
Schrank kurz vor Hainhofers Tod im selben Jahr gekauft. Das Geschäft wurde
durch Georg Forstenheuser in Nürnberg vermittelt. Leider sind die
reichhaltigen Sammlungen in diesem Miniaturmuseum seit langem verstreut; nur das
Möbelstück selbst ist in veränderter Form im Kunsthistorischen
Museum in Wien erhalten. Wrangel erkundigte sich schnell nach dem finanziellen
Wert des Geschenks, 6.000 Reichstaler, was, da es sich um ein diplomatisches
Geschenk handelte, nur natürlich war. Vielleicht war er sich auch über
den künstlerischen Wert nicht im klaren, denn lange Zeit, 1634-1646, hatte
Hainhofer ohne Erfolg versucht, den Schrank zu verkaufen. Wrangel mußte
also den Eindruck bekommen, daß ein solches Möbel nicht mehr
à la mode war. Hainhofers ausführliche Beschreibung des
Schrankes und seiner Besonderheiten aber befindet sich im Wrangelschen Archiv.
Wrangel hatte also die Möglichkeit, sich über die Intentionen dieses
bemerkenswerten Museums en miniature zu informieren. Aus diesem Versuch,
in einem Kunstschrank die Welt zusammenzufassen, mag er Anregungen zur
späteren Gestaltung Skoklosters gewonnen haben, das man auch als einen
großartigen, vergrößerten Kunstschrank interpretieren
kann. [11]
III. Schwedisches
Heldenbuch
Im Winter 1647/48 nahm Wrangel den
Portraitmaler Matthäus Merian d.J. in seine Dienste. Merian, der u.a. bei
Joachim von Sandrart in Amsterdam und bei Anthonis van Dyck in London gut
ausgebildet worden war, klagte später in seiner Autobiographie über
die Kälte und das beschwerliche Soldatenleben, aber ein Hofmaler
erhöhte das Prestige des beweglichen Feldherrnhofes: Alexander der
Große hatte seinen Apelles gehabt, und Wrangel hatte nun seinen Merian.
Als der Vater des Malers, Matthäus Merian d.Ä., starb, übernahm
der Sohn - zusammen mit seinem Bruder Caspar - im Sommer 1650 die Leitung des
Verlags- und Handelshauses in Frankfurt am Main. Aber auch nach 1650 arbeitete
er zeitweise für Wrangel und fertigte für ihn rund sechzig Portraits
an. Außerdem war er für Wrangel als Handelsagent in Frankfurt
tätig, u.a. wickelte er die vielen Weinbestellungen des Feldherrn
ab.
Merian malte Bildnisse der Familienmitglieder
Wrangels. Seine Hauptaufgabe bestand aber darin, Portraits von Generälen
und Obersten in schwedischen Diensten zu malen. Stiche nach diesen
Kriegerportraits sollten ein großes Buchprojekt illustrieren, das
"Schwedische
Heldenbuch".
Wurden während der Verhandlungen zum Westfälischen Frieden die
schwedischen Diplomaten dargestellt, wurden nun in Kupferstich und Biographie
die schwedischen Kriegshelden verherrlicht. [12] Wrangel wollte so eine
Entsprechung zu den deutschen Heldenkatalogen schaffen, die in der ersten
Hälfte des Jahrhunderts veröffentlicht worden waren. In dem
frühesten bekannten Verzeichnis seiner Bibliothek, das am 29. Mai 1655 in
Stockholm erstellt wurde, sind solche Bücher zahlreich vertreten. Unter
anderem findet sich die Signatur von Nicolaus
Bellus'
[Michael Caspar Lundorp]
"Heldenbuch"
(Frankfurt a.M. 1629), in dem vierzig Kriegshelden aus den ersten zehn Jahren
des
"deutschen
Krieges"
mit Text und Portraitgravuren geehrt
werden. [13]
Später zierten Merians
Kriegerportraits die Wände in Wrangels Schloß, und der Künstler
verwandte sie in vielen Teilen des
"Theatrum
Europaeum"
als Vorlagen. Die Herausgabe des
"Schwedischen
Heldenbuchs"
aber ließ auf sich warten. Ein Vierteljahrhundert arbeitete Matthäus
Merian d.J. an diesem großen Verlagsprojekt. Es gab zahlreiche
Schwierigkeiten; 1654 beklagte er sich beispielsweise darüber, daß
schwedische Generäle nicht auf Briefe antworteten. Aber im darauffolgenden
Jahr konnte er Königin Christina, die sich nach ihrer Abdankung auf dem Weg
nach Rom befand, in Frankfurt achtzig Stiche zeigen. Die Königin
unterstützte das Projekt und empfahl eine Ausgabe sowohl in deutscher als
auch in lateinischer Sprache. Hierüber berichtet Merian in einem Brief an
Wrangel aus dem Oktober 1655. Dort schreibt er, daß er nun ein
dreibändiges Werk plane, das die Zeit Gustavs II. Adolf, Christinas und
Karls X. Gustav umfasse. [14] Denkbar ist, daß auch das
berühmte Portrait von
"Gustav
Adolf in polnischem
Rock", das
aus guten Gründen Merian zugeschrieben wird, als Vorlage für den
ersten Teil des Heldenbuches gedacht
war. [15]
Im Frühjahr 1674 schrieb
Merian an Wrangel, daß er noch am
"Heldenbuch"
arbeite. Im Dezember desselben Jahres führte Wrangel einen glücklosen
Feldzug gegen Brandenburg, dessen Kurfürst Friedrich Wilhelm ein wichtiger
Kunde Merians war. Auch wenn Merians Ganzfigurenportrait Wrangels gerade in die
Feldherrngalerie des Großen Kurfürsten in Potsdam aufgenommen worden
war, erschien die Herausgabe eines schwedischen Heldenkatalogs zu diesem
Zeitpunkt als unpassend. Das schwedische Heldenbuch über den
"Obsiegenden"
und seine Kameraden wurde nie
vollendet. [16]
IV. Der
Nürnberger Exekutionstag
1649/50
"Gestern
besuchte mich Wrangel, und er sprach und trat auf wie ein Mann von
Welt",
schrieb Ottavio Piccolomini im Mai 1649 zu Beginn des Exekutionstags an Kaiser
Ferdinand III. [17] Piccolomini, Herzog von Amalfi, kaiserlicher
Oberbefehlshaber und Chefdelegierter in Nürnberg, war ein Mann, dem Wrangel
mehrere Male auf den Schlachtfeldern begegnet war. Im selben Jahr bat Wrangel
seinen Hofmaler Merian, Piccolomini mit dem Orden des Goldenen Vlies auf der
Rüstung zu portraitieren. [18] Wahrscheinlich war Piccolomini eines
der Vorbilder, an denen sich Wrangel nach dem Kongreß mit immer
prunkvollerer Hofhaltung und seinen Schloß- und Palastbauten in
Norddeutschland und Schweden
orientierte.
Pfalzgraf Karl Gustav, Schwedens
Generalissimus und ab 1649 schwedischer Thronfolger, leitete mit Hilfe von
Alexander Erskein und Bengt Oxenstierna die schwedische Delegation in
Nürnberg. Als militärischer Berater und persönlicher Freund des
Pfalzgrafen aber hatte Wrangel eine starke Stellung und konnte seine
persönlichen Interessen erfolgreich vertreten - so erhielt er einen
großen Teil der Entschädigungsgelder an den schwedischen Generalstab
(60.000 Reichstaler). [19]
Im
Frühjahr 1650 besuchte Wrangel Schwedisch-Pommern, wo er seit 1648
schwedischer Generalgouverneur war. Sein Hauptinteresse galt jedoch dem
Nürnberger Kongreß. Enthusiastisch und aktiv nahm er an den
großen Banketten - barocken Gesamtkunstwerken mit Feuerwerken, Theater und
Gauklerspielen - teil. Seine Begeisterung für Feuerwerke ist von der
Forschung bereits gewürdigt worden. [20] Im Zusammenhang mit diesen
Festen kam er auch mit Nürnberger Dichtern und Musikern in Kontakt: Georg
Philipp Harsdörffer, Johann Klaj, Johann Erasmus Kindermann, Sigmund
Theophil Staden und Valentin Dretzel. Letzteren hörte Wrangel jeden Sonntag
als Organisten, wenn er in der St. Sebalduskirche am Gottesdienst
teilnahm. [21]
Wrangel war es auch, der
für das Septemberbankett Pfalzgraf Karl Gustavs das abschließende
wilde Schießen und das zweistündige Feuerwerk des folgenden Abends
organisierte. Ein eigenes Bankett richtete er eine Woche später aus, mit
Schauspielen, Tanzvorführungen, Feuerwerk und Ringreiten. Da es jedoch
nicht den Charakter einer Staatsaktion hatte, widmeten die Chronisten diesem
Bankett nur wenig Aufmerksamkeit. Für die Hofhaltung kauften Wrangel und
seine Frau Tafelgerät und anderes Prachtsilber bei den Silberschmieden Lang
und Riedel und dem Silberhändler Michael Spengler. Die geheime Konkurrenz
zwischen den schwedischen Großen führte dazu, daß nach dem
Kongreß große Mengen süddeutschen Kunsthandwerks nach Schweden
gelangten. Am bedeutendsten sind hier sicherlich die Aufträge des Magnus
Gabriel de la Gardie. Dieser schenkte unter anderem Königin Christina einen
silbernen Thronsessel, der noch heute im Reichssaal des Stockholmer Schlosses
steht. [22]
Zu den Schriftstellern, denen
Wrangel in Nürnberg begegnete, gehörte auch Christoph Arnold. Dieser
widmete Wrangel und dessen Freund Lorens von der Linde seine Lobschrift auf die
deutsche Sprache,
"Kunst-spiegel"
(Nürnberg 1649). Der Verfasser huldigt darin auf konventionelle Weise dem
Kunstinteresse der beiden schwedischen Krieger. Später - Weihnachten 1650 -
widmete Johann Klaj Wrangel seine
"Geburt
Christi",
wobei er den schwedischen Feldmarschall mit dem Erzengel
"Feldmarschall
Michael"
gleichsetzte. Der Theologe Johann Michael Dilherr, dessen Predigten Wrangel in
der St. Sebalduskirche hörte, schickte ihm 1660 eine gedruckte und mit
Stichen von Georg Strauch illustrierte Ausgabe dieser Predigten. [23] Zu
den Schriftstellern kann vielleicht auch der produktive Astrologe Andreas
Goldmayer gerechnet werden, der eigenen Angaben zufolge 1632 Gustav II. Adolf
vor Lützen gewarnt hatte. Neben einer Untersuchung des Schicksals von
Wrangels Tochter Margareta Juliana ist eine große, 539 Seiten umfassende
astrologische Analyse von Wrangels Leben erhalten, datiert Nürnberg, den
24. August 1649. Sie enthält Auslegungen für die Jahre 1648-1665. Ob
sich Wrangel von diesen Auslegungen beeinflussen ließ, ist schwer zu
sagen, in anderen Zusammenhängen aber zeigte er Interesse für
astrologische Vorhersagen, die seine Gesundheit und Krankheiten
betrafen. [24]
Als Anselm van Hulle, der
schon während der westfälischen Friedensverhandlungen als
Portraitmaler hevorgetreten war, im Winter 1649/50 in Nürnberg weilte,
erhielt er auch Aufträge von Wrangel. So entstand damals ein schönes
lebensgroßes Portrait von Wrangels Ehefrau Anna Margareta, in dessen
Hintergrund das Nürnberger Rathaus zu sehen ist. Es befindet sich heute auf
Skokloster. Ein Portrait Wrangels wurde durch Pieter de Jode d.J. gestochen.
Anfang 1650 bezahlte Wrangel dem
"holländischen
Maler"
zweihundert Reichstaler. [25] Van Hulles Kupferstichserie der
"Pacificatores"
wurde 1655 als
"Bildtnüße
in Küpferstüche derer zu Oßnabrügk gewesene Legaten bey der
friedens
Tractaten"
in Wrangels Bibliotheksinventar verzeichnet. Für den Maler war der
Nürnbergaufenthalt eine gute Gelegenheit, seine schwedischen Kontakte zu
pflegen. So ist im Archiv des Pfalzgrafen Karl Gustav ein in Nürnberg
geschriebener Brief Hulles vom 8. Januar 1650 an Königin Christina
erhalten, in dem er fragt, ob sein Kupferstichwerk der Friedensgesandten, das er
vor acht Monaten geschickt habe, angekommen sei,
"wie ich
dann auch dergleichen bücher an alle Könige und Fürsten, welche
ihre Abgesanden daselbsten gehabt haben,
geschicket". [26]
Vor
allem war es aber, wie bereits gezeigt, Matthäus Merian d.J., der in
Nürnberg für Wrangel arbeitete. Dieser hatte in seinem früheren
Lehrer Joachim von Sandrart allerdings einen bedeutenden Konkurrenten. So schuf
Sandrart ein - heute verschollenes - Portrait von Wrangel als Kriegshelden.
Sandrarts Beschreibung des Portraits führt uns das Selbstbild des
schwedischen Feldherrn vor Augen: Wrangel war
"in ganzer
Statur und vollem Harnisch, neben dem blitz- und donnernden Geschütze
unerschrocken im Feld stehend und dem streitenden Gegentheil die Spitze
bietend" zu
sehen. In seiner
"Teutschen
Academie"
von 1675 berichtet Sandrart, daß Wrangel, als er 1648 Landshut einnahm, in
der Jesuitenkirche Sandrarts
"Die Pflege
des heiligen
Sebastian"
und
"Abschied
der
Apostel"
bewunderte:
"Er [hat]
sofort diese zwey Altarblätter besuchet, sich davor niedergesetzet, sie
lange beschauet und sowol den Künstler als die Kunst sehr
berühmt" [27]
- ein Bericht, den man jedoch mit der gebotenen Vorsicht lesen
sollte.
Sandrarts wichtigster schwedischer
Auftraggeber indes war der schwedische Thronfolger Karl Gustav. Unter anderem
bestellte er das große Reiterportrait, das sich heute auf Skokloster
befindet, damals jedoch nicht in Wrangels Besitz war. Karl Gustav gab auch den
Auftrag zu dem berühmten
"Friedensmahl
im Nürnberger
Rathaus". [28]
Wrangel nimmt an der Tafel einen ehrenvollen Platz ein, der ihm allerdings erst
nach heftigen Rangstreitigkeiten zugestanden wurde. Er hatte zwar keinen
diplomatischen Status, stellte aber bis zur Abdankung der schwedischen Truppen
einen wichtigen Machtfaktor dar. Bei dem großen Bankett Piccolominis am
24. Juni 1650, das den Nürnberger Kongreß abschloß, saß
Wrangel ebenfalls auf einem Ehrenplatz - wieder nach Rangstreitigkeiten, diesmal
sowohl mit schwedischen als auch mit kaiserlichen Delegierten.
Gemeinsam mit dem schwedischen Thronfolger reiste
Wrangel im Anschluß an den Kongreß in die neue schwedische Provinz
Bremen-Verden. In seiner dortigen Residenz Bremervörde arrangierte er,
angeregt durch die Nürnberger Monate, ein Ballett, in dem der Pfalzgraf als
Friedensfürst verherrlicht wurde: Junge Damen, in
"ägyptischem"
Stil gekleidet, repräsentierten die Buchstaben V.C.G.P.P.D.R.L.P. (Vive
Charles Gustave Prince Pal. du Rhyn, Le Pacifique). [29] Dies zeigt,
welche kulturellen Impulse der schwedische Feldherr und mit ihm viele andere
schwedischen Aristokraten in Nürnberg empfangen haben. Die den
Dreißigjährigen Krieg abschließende Konferenz trug entscheidend
zur Europäisierung der jungen schwedischen Großmacht
bei.
V. Ein kunstsammelnder
Landesvater
In Nürnberg hatte Carl Gustaf
Wrangel dreizehn prachtvolle Hellebarden bestellt. Diese Hellebarden wurden von
seinen Trabanten getragen, als er nach dem Kongreß zeremoniell in der
Rolle des Generalgouverneurs von Schwedisch-Pommern aufzutreten begann. Sie
waren mit Emblemen verziert, u.a. nach Vorlagen in Peter Isselburgs
"Emblemata
politica"
(Nürnberg 1617). [30] Wrangel wurde bereits 1648 zum
Generalgouverneur ernannt und behielt dieses Amt mit einer Unterbrechung
(1653-1656) bis zu seinem Tode. Schwedisch-Pommern gehörte der schwedischen
Krone und zugleich - als
"Reichsstand"
- dem Heiligen Römischen Reich an. Wrangel etablierte sich schnell als eine
Art norddeutscher Fürst.
Ein Grafentitel
brachte im Frühjahr 1651 weiteren Glanz über den Hof des
Generalgouverneurs. Zu diesem Zeitpunkt tätigte Wrangel einen seiner
berühmtesten Kunstkäufe. Der schwedische Diplomat Harald Appelboom
erwarb auf einer Auktion in Den Haag auf seine Rechnung zwölf Gemälde
von hoher künstlerischer Qualität. Unter diesen Gemälden, die
nach Pommern geschickt wurden, waren vier Arbeiten von Jan Steen
("Die fette
Küche",
"Die magere
Küche",
"Die
Geschichte
Hagars" und
eine Winterlandschaft; die Winterlandschaft befindet sich heute auf Skokloster).
Auf dieser Auktion wurden auch zwei Seestücke erworben; für diese
drückte Wrangel sowohl in der Korrespondenz von 1651 als auch später
eine besondere Begeisterung aus. Im Juli und September desselben Jahres - auf
dem Weg zum Kurort Spa und zurück - besuchte er Amsterdam und hatte
Gelegenheit, holländische Malerei und außerdem das sich im Bau
befindliche Stadthaus des Jacob von Campen zu
sehen. [31]
Nach der Rückkehr nach
Pommern entstand 1652 das weitbekannte Reiterportrait Wrangels von seinem
damaligen Hofmaler David Klöckner (später königlich-schwedischer
Hofmaler und geadelter Ehrenstrahl), der während der Verhandlungen zum
Westfälischen Frieden Schreiber in der schwedischen Kanzlei in
Osnabrück gewesen war. In diesem Portrait spiegelt sich vielleicht am
deutlichsten Wrangels Anspruch, zugleich Fürst und Kriegsheld zu sein.
Wrangels früherer Hofmaler Matthäus Merian d.J. hielt sich im Winter
1651/52 bei seinem ehemaligen Dienstherrn in Wolgast auf und war zu dieser Zeit
Lehrer des jungen Klöcker; möglicherweise ist das Gesicht des
Feldmarschalls mit dem Pinsel des erfahreneren Meisters gemalt
worden.
Nur ein weiteres Reiterbildnis einer
nicht-königlichen Person aus der schwedischen Großmachtszeit ist
bekannt. Daß dieses sich in der Wrangelschen Grabkapelle neben der
mittelalterlichen Kirche von Skokloster befindet, mag als Indiz für
Wrangels Ehrgeiz gelten. Die martialische Reiterstatue des Feldmarschalls Herman
Wrangel (gest. 1643), Wrangels Vater, entstand ungefähr zur gleichen Zeit,
als Ehrenstrahl das Portrait malte und wird dem deutschen Stukkateur Daniel
Anckermann zugeschrieben. [32]
Als
Generalgouverneur in Schwedisch-Pommern residierte Wrangel in den alten
Herzogschlössern in Stettin und Wolgast. Außerdem hatte er
große Besitzungen in Pommern, wo er eine reiche private Bautätigkeit
entfaltete. Es entstanden das luxuriöse Schloß Wrangelsburg und ein
Stadtpalais in Stralsund sowie ein Umbau des Schlosses Spycker auf Rügen.
Wrangel hatte bedeutenden Einfluß auf das Kulturleben in Pommern, u.a.
seit 1660 als Kanzler der Universität Greifswald. Sein Auftreten als
Generalgouverneur war fürstlich, und er wurde Pommerns
"Landesvater"
genannt. [33] Johann Joachim Zeuner nennt ihn in seinen mit lavierten
Bleistiftzeichnungen geschmückten "Emblematica arcis regiae Stettinensis"
von 1674 denn auch einen Landesvater, der Pommern mit der Kraft eines Herkules
lenkte - übrigens im selben Jahr, als in Versailles Ludwig XIV. als einem
unbesiegbaren Herkules gehuldigt
wurde. [34]
Der herkulische Landesvater
blieb aber vor allem Kriegsheld, verständlich angesichts seiner Teilnahme
an den schwedischen Kriegen nach 1648 (1655-1660 in Polen und Dänemark,
1666 die Belagerung von Bremen und von 1674 an der Krieg gegen Brandenburg). In
den Huldigungschor für den Kriegshelden stimmte auch ein portraitiertes
Wildschwein ein, das Wrangel 1664 bei Eldena in der Nähe von Greifswald
schoß. In der Bildinschrift drückt der Keiler seine Genugtuung
darüber aus, vom wohlgerichteten Schuß des gotischen Mars
getötet worden zu sein. [35] In einem von der schwedischen
Exkönigin Christina 1667 in Hamburg arrangierten Schauspiel trat Wrangel
als Gottfried von Bouillon auf. Im selben Jahr schrieb die Königin an ihren
Freund Kardinal Azzolino in Rom, daß Wrangel bereit sei, gegen die
Türken zu kämpfen, und daß er für sie bis ans Ende der Welt
Krieg und Ehre suchen werde. [36] Wahrscheinlich hat Christina die
Wrangelsche Beredsamkeit angemessen
wiedergegeben.
David Klöcker Ehrenstrahl
plante später eine weitere Verherrlichung des Feldherrn im Gemälde,
ein Projekt, das wahrscheinlich nicht ausgeführt wurde. Beabsichtigt war,
Wrangel in seinem Stockholmer Palais mit monumentalen Gemälden als
kriegerischen Triumphator und zugleich als Beschützer des Friedens und der
Musen darzustellen. [37] Damit wird unser Augenmerk nun auf das
eigentliche Schweden gelenkt, wo Wrangel ebenfalls hohe Ämter innehatte,
u.a. als Reichsadmiral und später Reichsfeldherr in der
Vormundschaftsregierung Karls XI. Auch in Schweden betrieb er bedeutende
Bauprojekte: Er baute einige kleinere Lust- und Jagdschlösser, Ekebyhov
westlich von Stockholm und Gripenberg östlich des Vättersees. Sein
Palais in Stockholm war prachtvoll. Am deutlichsten jedoch - jedenfalls für
die Nachwelt - wurden seine Macht und Ehre auf Schloß Skokloster
demonstriert.
VI. Skokloster - Stätte der
Erinnerung und Gedächtnispalast
Mit dem Bau
von Schloß Skokloster wurde 1654 begonnen. Der westliche Teil des
Schlosses wurde zuletzt gebaut, und als Wrangel 1676 starb, war ein
Großteil der Innenausstattung in diesem Teil des Gebäudes noch
unvollendet. Die Arbeiten an dem gewaltigen Festsaal wurden nie fortgesetzt, und
so ist er noch heute eine Baustelle - gleichsam ein Symbol für die
großen Ambitionen der schwedischen Großmacht, die nie verwirklicht
wurden.
In der bereits zur Zeit der Planung
altertümlichen Architektur Skoklosters - die vier Ecktürme und das
mächtige quadratische Gebäude um einen geschlossenen Hof mit
hineingebauten Arkadengängen - drückt sich Wrangels Wunsch aus, eine
mächtige
"Stammburg"
zu schaffen. Daß die Fassaden eine moderne Gestalt erhielten, zeigt
Wrangels typischen Zwiespalt zwischen Tradition und Moderne - dasselbe trifft
für die Planlösungen in den Wohngeschossen zu. Der Bauherr hatte sehr
genaue Vorstellungen von der Gestalt des Schlosses, mit der Realisierung waren
die Architekten Caspar Vogel aus Erfurt, Nicodemus Tessin d.Ä. und Jean de
la Vallée betraut, letzterer lieferte auch die Entwürfe für die
teilweise realisierte
Gartenanlage. [38]
Die Frage nach den
Vorbildern für Skokloster ist noch nicht beantwortet. Neben vielen anderen
Schlössern werden in der Diskussion immer wieder auch zwei deutsche
Schlösser genannt: Friedenstein in Gotha und Schloß Johannisburg in
Aschaffenburg. Wrangel sah beide im Jahre 1646, zu dessen Beginn er bereits
Anweisung gegeben hatte, in Skokloster Baumaterial zu sammeln. Im April hielt er
sich mit seiner Armee in der Nähe von Gotha und dem damals neuerbauten
Friedenstein auf. Im August nahm er zusammen mit Turenne Aschaffenburg ein. Eine
Äußerung des Johannes Loccenius, Jurist und Historiker an der
Universität in Uppsala, lenkt die Aufmerksamkeit auf das Aschaffenburger
Schloß. Dieser formulierte 1662, also noch zu Lebzeiten Wrangels, sehr
vorsichtig, das Äußere von Schloß Skokloster könne beinahe
mit dem Schloß in Aschaffenburg verglichen werden. [39] Trotz der
Unterschiede zwischen den beiden Schlössern ist
Loccenius'
Äußerung sehr interessant, da sie möglicherweise auf Wrangel
selbst zurückgeht.
Loccenius'
Text war für Erik Dahlbergs Tafelwerk
"Suecia
antiqua et
hodierna"
bestimmt, ein Projekt, das Wrangel mit Interesse verfolgte. So empfahl er - ohne
Erfolg -, das Werk im Verlag Merians in Frankfurt zu publizieren, wo schon das
Vorbild des Suecia-Werkes, die
"Topographia
Germaniae",
erschienen war.
Wrangel ließ große
Teile seiner Kunstsammlung nach Skokloster bringen, und ab 1665 beherbergte das
Schloß den Hauptteil seiner ständig wachsenden Bibliothek. Leider ist
nur ein Viertel dieser Sammlungen in Skokloster geblieben; durch Erbteilung
wurde der Besitz zerstreut: Von den ca. 770 im Nachlaßverzeichnis Wrangels
genannten Gemälden befinden sich heute nur noch ca. 150 auf
Skokloster. [40] Die Rüstkammer dagegen ist noch vollständig:
Wrangel hatte in seinem Testament festgelegt, die Rüstkammer solle als eine
ewige Stätte der Erinnerung auf Skokloster bewahrt bleiben. In dem
Testament spiegelt sich so die Auffassung des Bauherrn von Skokloster als einer
Stätte der Erinnerung an seine Verdienste als
Feldherr. [41]
Die Zahl der
Kriegsbeutestücke in Wrangelschem Besitz wird häufig übertrieben.
Seine umfangreichen Käufe von Kunst, Kunsthandwerk, Büchern,
Vermessungs- und Navigationsinstrumenten, Werkzeugen, Textilien u.a. in Hamburg,
Amsterdam und anderen europäischen Zentren sind sehr genau
dokumentiert. [42] Beutestücke bildeten aber zweifellos einen
bedeutenden Grundstock seiner Sammlungen. Das erste bekannte Verzeichnis seiner
Gemälde, das im September 1658 auf Spycker erstellt wurde, umfaßt ca.
140 Stück: Portraits (vorwiegend Fürsten), Landschaften, Stilleben und
biblische Motive. [43] Einige dieser Gemälde waren kurz zuvor in
Dänemark erbeutet worden und befinden sich noch heute auf Skokloster.
Weitere Stücke aus dänischen Sammlungen kamen bald hinzu: Aus Kronborg
stammen fünf Gemälde mit Szenen aus der dänischen Geschichte von
Claes Moeyaert, Isaac Isaacsz, Adriaen van Nieulandt und Salomon Koninck, aus
Fredriksborg fünf Portraits holländischer Seehelden von Karel van
Mander. [44]
Auf zwei dieser
holländischen Admirale (Opdam und Witte de Witt) traf Wrangel im Herbst
1658 in der Schlacht im Öresund, als er vergebens versuchte,
holländische Schiffe daran zu hindern, Kopenhagen zu Hilfe zu kommen. Eine
Beschreibung dieser Niederlage in Nicolaas Witsens
"Aeloude en
hegendaegsche scheeps-bouw en
bestier"
(Amsterdam 1671) brachte Wrangel derart in Rage, daß er den Verfasser
aufforderte, die Darstellung zu ändern. Daher findet sich in einem Teil der
Auflage eine geschönte Beschreibung, die mit Wrangels Selbstbild vom Helden
zu Wasser und zu Land eher
übereinstimmt. [45]
Skokloster mit
seinen Sammlungen kann sowohl als eine gewaltige Kunstkammer als auch als ein
Theater der Erinnerung beschrieben werden. Als Kunstkammer gesehen, sind
Sammlungen und Architektur Ausdruck des Strebens, die ganze Welt
zusammenzufassen und damit beherrschen zu können. [46] Als Theater
der Erinnerung aufgefaßt, erscheint die Architektur des Schlosses als
gewaltige mnemotechnische Hilfe für einen Mann, der die aus ganz Europa
eintreffenden Nachrichten strukturieren und verfügbar machen mußte.
Die Ecktürme des Schlosses waren von Armillarsphären gekrönt,
Modellen des Universums. In der wichtigsten Zimmerflucht, deren Bildprogramm
sich vor allem an das erste Buch von Ovids
"Metamorphosen"
anlehnt, befindet sich eine 1663/64 entstandene Stuckdecke von Hans Zauch mit
den vier Kontinenten um eine zentrale Szene mit Drachentöter (Apollo oder
womöglich der Seeheld Jason). Die außereuropäische Welt wurde
durch die exotischen Bäume und Gewächse des Gartens
repräsentiert, durch die vielen ethnographischen Gegenstände und durch
die vielen Reiseberichte und das reiche Kartenmaterial in der Bibliothek.
Über den Türen zu den Gästezimmern waren Ansichten der
bedeutendsten Städte Europas angebracht, die den Räumen ihren Namen
gaben - sie dienten sicherlich nicht nur der Orientierung in dem großen
Schloß, sondern zeugen von dem Streben, ganz Europa zusammenzufassen. So
erscheint das Schloß als Versuch, die verwirrende Vielfalt der Welt zu
strukturieren. [47]
Ein Gebäude und
seine Einrichtung als eine mikrokosmische Zusammenfassung der Welt zu gestalten,
ist natürlich kein für Skokloster originärer Gedanke. Besonders
interessant ist in diesem Zusammenhang Jacob van Campens Stadthaus in
Amsterdam [48], vor allem der große Saal, den man sich
möglicherweise als Vorbild für Skoklosters
"unvollendeten Saal"
vorstellen muß. Wrangel und Nicodemus Tessin d.Ä. begannen
wahrscheinlich 1666 mit der Detailplanung für die Einrichtung. [49]
Der Schloßherr war genau über das Stadthaus in Amsterdam informiert.
Die beiden Besuche in der Stadt im Jahr 1651 wurden bereits erwähnt.
Daneben finden sich verschiedene Bücher über die Stadt Amsterdam mit
Stichen des Rathauses in seiner Bibliothek, die er wahrscheinlich in der
Planungsphase bestellte. [50]
Im
Unterschied zum Stadthaus von Amsterdam war Skokloster jedoch kaum ein Tempel
des Friedens. Frieden bedeutete für Wrangel in erster Linie Waffenruhe. Im
Planungsjahr 1666 belagerte er die Freie Reichsstadt Bremen. Im selben Jahr
forderte er, daß Schweden sowohl Dänemark und Holland angreifen solle
("... mit
Zaudern und Stillsitzen gewinnt man weder Sicherheit noch
Ehre"). [51]
Er blieb jedoch der Kriegsheld vom Schlachtfeld des Dreißigjährigen
Krieges. Ein deutscher Reisender, der im August 1670 Skokloster besuchte, nannte
das Schloß
"das
schöne Schloß Schoogkloster des Obsiegenden
Stamhauß". [52]
Heute ist das Schloß ein Museum und ein Theater der Erinnerung, das den
Traum des kunst- und büchersammelnden Feldherrn von Macht und Ehre zeigt.
Aber vor allem spiegelt das Schloß einen wesentlichen Teil der Geschichte
Europas in den Jahren um den Westfälischen
Frieden.