Ursachen und Verlauf des Dreißigjährigen Krieges

Mit den Friedensschlüssen in Münster und Osnabrück im Jahre 1648 gingen 30 Jahre Krieg zu Ende, in denen die politische und kulturelle Landschaft durcheinandergewirbelt wurde und die Menschen Europas alle Greuel des Krieges erleben mußte. Wie konnte ein vergleichsweise unbedeutendes Ereignis wie der Fenstersturz in Prag zum Auslöser für einen europaweiten Krieg und Machtkampf werden, an dessen Ende eine vollkommene Neuordnung der Staatengemeinschaft sowie eine dauerhafte Entschärfung des konfessionellen Gegensatzes mit politischen Mitteln stand?

Bereits 1648 nannte man die zurückliegenden Jahre den Dreißigjährigen Krieg, sah also im Böhmischen Aufstand den Anfang allen Übels. Dort hatte sich seit der Reformation ein fragiles Gleichgewicht zwischen den religiösen Gruppen bzw. zwischen den calvinistisch oder katholisch dominierten Ständen ausgebildet. Das Königreich Böhmen gehörte traditionell zum Machtbereich der kaiserlichen Familie, den österreichischen Habsburgern. So wurde 1617 ein Vetter von Kaiser Matthias, Erzherzog Ferdinand, als König von Böhmen angenommen. Da der von Jesuiten erzogene Ferdinand sich aber bereits in seinem ursprünglichen Herrschaftsgebiet, der Steiermark, einen Ruf als dogmatischer Anhänger der Gegenreformation erworben hatte, sahen die Reformierten das konfessionelle und ständische Gleichgewicht in Gefahr.

Noch nicht zum König gekrönt, zog Ferdinand mit seinem Hofstaat nach Wien und hinterließ in Prag eine Gruppe von Statthaltern, deren antiprotestantische Maßnahmen von den Reformierten als Vorzeichen für kommende Repression gedeutet wurden. Im Mai 1618 inszenierten die Protestanten mit dem Prager Fenstersturz eine bewußte Provokation, darauf abzielend, die noch unentschiedenen Stände auf ihre Seite zu ziehen. Die Spannungen verschärften sich, und keine der beiden Parteien zeigte echtes Interesse daran, einen bewaffneten Konflikt zu vermeiden.

Allerdings standen die böhmischen Protestanten nicht allein. Bereits 1608 hatten einige protestantischen Reichsfürsten eine Union gegründet, um der Ausbreitung des gegenreformatorischen Katholizismus Einhalt zu gebieten. Da die Gegenreformation vor allem von den beiden Zweigen der Familie Habsburg in Österreich und Spanien vorangetrieben wurde, war dieses protestantische Bündnis zugleich ein politisches gegen die Übermacht einer Familie in Europa insofern, als es finanzielle Unterstützung auch aus Frankreich, England und den nordischen Staaten erhielt. Ferdinand dagegen konnte auf die Unterstützung der katholischen Liga, angeführt von Herzog Maximilian von Bayern, zählen.

Anstatt dem katholischen Ferdinand den ihm versprochenen Thron zu überlassen, krönten die Böhmen den jungen Friedrich von der Pfalz, Calvinist, Kurfürst des Heiligen Römischen Reiches und Schwiegersohn des englischen Königs. Da jedoch Ferdinand kurz zuvor zum Nachfolger des kinderlosen Matthias gewählt worden war, mußte Friedrichs Verhalten als Treuebruch gegenüber dem Kaiser verstanden werden.

Was wie eine lokale Krise aussah, bekam schnell internationale Bedeutung. Ein Gelingen des böhmischen Aufstandes hätte als Zeichen der Schwäche des Kaisers - der böhmische König hatte als Kurfürst direkten Einfluß auf die Reichspolitik und die Kaiserwahl - und der katholischen Sache insgesamt gegolten. Daher konnte der Kaiser nicht nur auf die Unterstützung der katholischen Liga, sondern auch auf die seines spanischen Cousins, König Philipp III., rechnen. In der Schlacht am Weißen Berg 1620 wurde die böhmische Partei besiegt, und Friedrich V. mußte aus Prag fliehen.

Das Strafgericht Ferdinands II. in Böhmen war streng: Einige der aufständischen Adeligen wurden hingerichtet, die calvinistische Geistlichkeit verbannt und der übrigen Bevölkerung der gegenreformatorische Katholizismus aufgezwungen. Von den protestantischen Fürsten wurde dieses Vorgehen kritisch beobachtet. Maximilian von Bayern erhielt 1623 vom Kaiser die pfälzische Kurwürde, so daß sich das konfessionelle Machtverhältnis im Gremium der Kurfürsten zuungunsten der Protestanten verschob.

Zudem kamen mit dem spanischen Feldzug durch die Rheinpfalz, den Stammlanden Friedrichs V., große Teile des Rheingrabens unter spanische Kontrolle. So wurde, zusammen mit weiteren Eroberungen in den Alpen, die sogenannte "Spanische Straße", ein spanisch kontrollierter Korridor vom Mittelmeer bis zur Nordsee, durch den spanische Truppen ungehindert in den Norden gelangen konnten, erweitert und gesichert. Dies bedeutete zusätzliche Gefahr für die protestantischen Länder Europas, denn der Waffenstillstand zwischen Spanien und den calvinistischen niederländischen Provinzen, der den seit 1568 andauernden Aufstand unterbrach, sollte 1621 auslaufen. Allerdings mußte man sich in Spanien fragen, wie die Verteidigung des Weltreiches angesichts des wiederaufflammenden Konfliktes in den Niederlanden und anderer Krisenherde überhaupt wirtschaftlich zu bewältigen sei.

Den bedrohten Protestanten kam der dänische König Christian IV. zu Hilfe, der als Protestant und Herzog von Holstein ein lebhaftes Interesse an den Entwicklungen in den deutschen Landen hatte. Dies bedeutete eine weitere Ausweitung des Konfliktes, denn Christian IV. wollte seinen Einfluß auf Norddeutschland ausbauen und so eine bessere Position gegenüber den Schweden im bereits etliche Jahre andauernden Kampf um die Vorherrschaft im Ostseeraum erlangen. Nach einigem Zögern marschierte er im Jahre 1625 als selbsternannter Anführer der protestantischen Sache in Norddeutschland ein. In der Zwischenzeit war es dem Kaiser aber gelungen, mit Hilfe des böhmischen Adeligen Albrecht von Wallenstein ein eigenes Heer aufzustellen. Gegen die vereinten Heere des Kaisers und der katholischen Liga unter General Tilly konnten die Truppen Christians IV. nicht bestehen und wurden im August 1626 in der Schlacht bei Lutter am Barenberge vernichtend geschlagen.

Dieser Erfolg war für die katholische Seite nur einer in einer ganzen Kette von glanzvollen Siegen an allen Fronten - in Spanien galt das Jahr 1625 sogar als annus mirabilis. Wallenstein war bis an die Ostsee vorgerückt und machte sich daran, in den Machtkampf im Ostseeraum einzugreifen. 1629 erließ der Kaiser das sogenannte Restitutionsedikt, das die Rückführung aller ehemals katholischen geistlichen Güter anordnete, die seit 1552 säkularisiert worden waren. Dies hätte einen enormen Machtzuwachs für den Kaiser bedeutet und provozierte daher die antihabsburgischen Kräfte im Reich und im Ausland.

Die Spanier konnten dem Kaiser nicht zur Hilfe kommen, da sie seit 1628 zunehmend in den Mantuaner Erbfolgekrieg verwickelt wurden, dessen Ausgang entscheiden sollte, ob Oberitalien spanisches oder französisches Einflußgebiet werden würde. Der französische König und sein Berater Kardinal Richelieu hatten die habsburgischen Erfolge schon lange argwöhnisch beobachtet, griffen hier jedoch erstmalig gegen den spanischen König zu den Waffen. Frankreich empfand die alte habsburgische Umklammerung zunehmend als Bedrohung und hatte daher schon früh begonnen, die Gegner Habsburgs zu unterstützen. So hatte die niederländische Seite im Achtzigjährigen Krieg schon früh Geld aus Frankreich erhalten. Auch an den Vorbereitungen für das Eingreifen des Schwedenkönigs Gustav Adolf in den Dreißigjährigen Krieg war Frankreich beteiligt.

Der Zeitpunkt der Landung Gustav Adolfs in Peenemünde Mitte 1630 war, wie sich herausstellen sollte, glücklich gewählt: Im August 1630 mußte der Kaiser auf Druck der deutschen Kurfürsten seinen erfolgreichen Feldherren Wallenstein entlassen und hatte einen Großteil seiner Truppen nach Oberitalien geschickt, um die spanische Sache dort zu unterstützen. Die Zerstörung Magdeburgs konnte Gustav Adolf nicht verhindern. Zusammen mit seinen protestantischen deutschen Verbündeten trat der Schwedenkönig jedoch einen beispiellosen Siegeszug durch die deutschen Gebiete an und zog im Mai 1632 im Triumph in München, der Residenzstadt Maximilians von Bayern, ein.

Angesichts dieses schwedischen Siegeszuges holte der Kaiser Wallenstein bereits im Dezember 1631 zurück, um mit einer neuen kaiserlichen Armee gegen Gustav Adolf anzutreten. Am 16. November 1632 kam es bei Lützen zur Schlacht, in der der Schwedenkönig den Tod fand. Das protestantische Europa hatte seinen Helden und seine Identifikationsfigur verloren. Schweden war weiterhin als starke Macht präsent, die Eroberungen aber hatten ein Ende.
Die Macht Wallensteins war mittlerweile so groß und seine Politik so undurchschaubar, daß der Kaiser an seiner Loyalität zu zweifeln begann und seine erneute Entlassung beschloß. Einen Monat später, am 25. Februar 1634, wurde Wallenstein in Eger ermordet. Den Oberbefehl der kaiserlichen Truppen erhielt der Sohn des Kaisers, der spätere Ferdinand III.

Vor der protestantischen Stadt Nördlingen vereinigte sich das kaiserliche Heer mit den spanischen Truppen unter dem Befehl des Kardinal-Infanten Ferdinand, Sohn Philipps IV. von Spanien und designierter Statthalter der spanischen Niederlande. Gemeinsam errangen die Heere 1634 einen überwältigenden Sieg gegen die vereinten Kräfte der protestantischen Partei. Ganz Süddeutschland war nun wieder in kaiserlicher Hand, und die gegnerischen Streitkräfte waren stark geschwächt.

Während die spanische Seite dazu neigte, die günstige Situation für den Kampf gegen die aufständischen Niederlande zu nutzen, drängte der Kaiser darauf, Frieden zu schließen. 1635 war das Jahr des Prager Friedens zwischen dem Kaiser und dem Kurfürsten von Sachsen, der nur möglich wurde, weil der Kaiser von seiner dogmatischen Haltung in Glaubensfragen abließ und Frieden trotz religiöser Uneinigkeit vereinbarte. Andere Reichsstände schlossen sich diesem Friedensschluß später an. Frankreich jedoch sah den Prager Frieden als einen weiteren Schritt zur Vorherrschaft der Habsburger in Europa und seine eigene Position im Mächtegleichgewicht bedroht. Daher trat Richelieu auf seiten Schwedens, der Niederlande und einiger oppositioneller Reichsfürsten nun offen in den Dreißigjährigen Krieg ein. Mit diesem Schritt verlor der Dreißigjährige Krieg endgültig den Charakter eines Religionskrieges und wurde zum Kampf um die Hegemonie in Europa. Obwohl beide habsburgische Armeen zunächst Siege errangen, begann sich das Blatt bald zu wenden. Durch den Sieg Bernhards von Sachsen-Weimar in Breisach Ende 1638 wurde der Landweg zwischen dem spanischen Hauptaktionsgebiet, den südlichen Niederlanden, und Madrid unterbrochen. Auch der Versuch, Nachschub für die Truppen auf dem Seeweg heranzuschaffen, scheiterte an der nordniederländischen Marine. Im eigenen Land breiteten sich bewaffnete Aufstände aus, und auch in den amerikanischen Kolonien mußten die Spanier herbe Verluste hinnehmen.

Krieg, Hungersnöte und Seuchen ließen ganze Landstriche entvölkert und verwüstet zurück. Die militärischen Ausgaben begannen zunehmend, die Möglichkeiten der verschiedenen Staaten zu übersteigen. Daher wurden schon Mitte der 1630er Jahre erste Friedensgespräche geführt. Erst 1641 allerdings waren die Parteien zu konkreten Verhandlungen bereit und einigten sich darauf, in zwei nah beieinander gelegenen Städten, einer katholischen und einer protestantischen, zusammenzutreten. Wichtiger Aspekt bei der Wahl der Verhandlungsorte war auch, daß die Städte und auch das Umland im Krieg halbwegs unversehrt geblieben waren. Aus den verschiedenen möglichen Städten wurden Osnabrück und Münster ausgewählt: Die Friedensverhandlungen mit Schweden fanden in Osnabrück statt, in Münster verhandelten die Bevollmächtigten des Kaisers mit Frankreich. Da zeitgleich der spanisch-niederländische Frieden ausgehandelt wurde, wohnten die Abgesandten Spaniens und der sieben nordniederländischen Provinzen ebenfalls in Münster.
Die große Zahl der Teilnehmer dieses Friedenskongresses kam allerdings deshalb zustande, weil jeder Reichsstand einen oder mehrere Vertreter entsandte und auch aus nur indirekt beteiligten Ländern Beobachter nach Münster bzw. Osnabrück kamen (insgesamt gab es gab 148 Delegationen mit z.T. über 100 Personen). Nach einigen Verzögerungen waren 1645 die meisten Abgesandten eingetroffen und nahmen ihre Arbeit auf. Zusammen mit ihrem jeweils standesgemäßen Gefolge bestimmten sie für die nächsten Jahre das Stadtbild in Münster und Osnabrück und brachten ein europäisches Flair in die Verhandlungsorte. Trotz der begonnenen Friedensverhandlungen wurde der Krieg fortgesetzt, noch im Juli 1648 plünderten die Schweden Prag, und die Schlacht bei Dachau am 5. Oktober 1648 zwischen schwedischen und kaiserlichen Truppen gilt als letzte Schlacht des Dreißigjährigen Krieges.

Der Friedensschluß setzte bei allen Verhandelnden große Kompromißbereitschaft voraus; territoriale Ansprüche waren ebenso zu klären wie die Frage des konfessionellen Zusammenlebens. Zu den Gewinnern gehörte Maximilian von Bayern, der Teile des ehemaligen Herrschaftsbereichs des glücklosen Friedrichs V. übertragen bekam. Lediglich die Stammlande, die Rheinpfalz, ging an den Sohn Friedrichs V., für den eine achte Kurwürde geschaffen wurde. Ein weiteres Problem waren die schwedischen Gebietsansprüche in Norddeutschland, auch hier fand man einen Kompromiß. In der Konfessionsfrage konnte man auf den Errungenschaften des Prager Friedens aufbauen, das kaiserliche Restitutionsedikt blieb ausgesetzt und der konfessionelle Besitzstand des Jahres 1624 wiederhergestellt. Anders als der Augsburger Religionsfrieden sollten die Regelungen des Westfälischen Friedens ausrücklich dauerhaften, zeitlich unbefristeten Bestand haben. Zugleich wurde die Parität, die rechtliche Gleichstellung der Konfessionen - der katholischen, der protestantischen und (neu) der reformierten - festgeschrieben.

Die Schweiz hatte auf dem Verhandlungswege ihre nationale Eigenständigkeit erreicht. Für die nördlichen Provinzen der Niederlande bedeutete der Friedensschluß mit Spanien ebenfalls die Unabhängigkeit. Die südlichen Provinzen der Niederlande blieben dagegen spanisches Territorium, und von hier aus setzte Spanien den Krieg mit Frankreich fort. Auch der Konflikt um die Vorherrschaft im Ostseeraum schwelte weiterhin. Dennoch gelang es den Delegierten in Münster und Osnabrück, eine neue Friedensordnung für Europa zu installieren. Der Kaiser, Frankreich und Schweden wachten als Garantiemächte über die Einhaltung des Friedens, und bis zum Teschener Frieden 1779 berief man sich in Friedensverträgen immer wieder auf den Westfälischen Frieden als den Status quo, auf dessen Grundlage man neuen Frieden stiftete. Erst der Wiener Kongreß im Jahre 1815 sollte den Westfälischen Frieden ablösen und eine neue Friedensordnung für Europa schaffen.

ENDE