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„Rasche und wohlfeile Transportmittel bilden die Lebensadern der Staaten; durch ihre Herstellung hat das aufblühende Amerika in fünf Decennien größere Fortschritte gemacht, als das mit Kasten begabte Europa – trotz Machiavell und Montesquieu im Laufe vergeudeter Jahrhunderte!
Bereits 1000 Seeleute zählt Nord-Amerika auf seinen Dampfbooten; seine Kanäle übertreffen die der alten Welt; 350 Meilen lang ist der Erie-Kanal, welcher eine Höhe von 800 Fuß überschreitet; 230 Meilen jener, welcher den Erie-See mit dem Ohio verbindet. 300 Meilen läuft die Baltimore- und Ohio-Eisenbahn.
Neu-York hat allein im verflossenen Jahre 24 Freibriefe für Eisenbahnen zum Belaufe von 36 Millionen Thaler ertheilt.
Solche Früchte trägt der Gemeingeist in jenem Staate, der ohne Beispiel in der Geschichte mehr Schüler wie schulfähige Kinder zählt, wo der Geringste des Volkes sich nicht zum Bettler erniedrigt!
Näher liegt uns England, die hohe Schule des europäischen Gewerbfleißes.
Der Werth seiner Kanäle ist (laut Beilage 1.) um das Fünffache des ursprünglichen Anlage-Kapitals gestiegen. Die Eisenbahn von Liverpool nach Manchester hat, einem Wunder gleich, die bisherigen Begriffe von Zeit und Raum mit einander in anscheinenden Widerspruch gebracht; auch in ökonomischer Hinsicht steht (laut Beilage 2.) das Unternehmen glänzend da. – 180 Proc. gelten die Actien dieser Bahn; 315 Proc. die der Bahn von Stockton nach Darlington.
Die London-Birmingham-Eisenbahn beförderte in einem Jahr 480.000 Reisende und 138.000 Tonnen Güter, welche eine Einnahme von 1.644.000 Pfund Sterling ergaben.
Nicht genug kann demnach die Wahrheit des Satzes hervorgehoben werden: daß Anlagen der Art einen stets mit der Bevölkerung sicher steigenden directen Nutzen bringen!
Rheinland-Westphalen ist zu einem kräftigen Staatskörper vereint; fromme Wünsche früherer stiefmütterlicher Zeiten können jetzt verwirklicht werden.
Laut hat sich nach aussen die öffentliche Stimme gegen die beschränkenden Anmaßungen Holland's und gegen die ewig wiederkehrenden fränkischen Händel erhoben; Deutschland's Handel darf weder den Launen einzelner Staaten, noch dem Zufall unterwürfig seyn.
Deßhalb erkannte man das dringende Bedürfniß einer großen Verbindung mit Bremen. Sichernd für auswärtige Beziehungen, erhöhten Wohlstand im Innern gewährend, hat der Plan einer Eisenbahn von Minden nach Cöln allgemeine Theilnahme erweckt.
Schon Napoleon trug im Jahr 1811 den Gedanken: Lübeck, Hamburg und Bremen vermittelst eines Kanals durch Westphalen mit dem Rheine zu verbinden. Vielleicht hätte des Gewaltigen Hand, welche durch Alpen, Felsen und Eis nach Italien die Heerbahn brach und das Bassin von Antwerpen grub, den Riesenplan verwirklicht, wenn nicht den großen Helden das größere Jahr 1813 rächend ereilte!
Weniger Hindernisse und größern Erfolg bietet eine Eisenbahn, deren Anwendung der Imperator nicht kannte.
Die Regierungs-Bezirke, Minden, Münster, Arnsberg, Düsseldorf und Cöln zählen 2.300.000 Einwohner, welche eine durchschnittliche Bevölkerung von 4300 Seelen auf eine Quadratmeile ergeben; weder in dieser Hinsicht, noch an Wohlstand und Gewerbfleiß hat Preußen jenseits der Weser ähnliches aufzuweisen.
Diese fünf Regierungs-Bezirke werden, wie die General-Karte ergiebt, von der Bahnenlinie durchschnitten, und die Anlage muß auf ihren Verkehr einen unermeßlichen Einfluß äußern. Ersparten doch die Manufacturbesitzer in der Nähe von Manchester durch die dortige Bahn in einem Jahr 140.000 Thaler an Frachten!
Zwei Hauptfragen hätten wir zu erledigen; die erste:
Ob eine zweckmäßige Baulinie aufzufinden sey?
ist durch die beigefügte Karte und Nivellements vorläufig beantwortet.
Die zweite:
Ob der Verkehr dem Kostenaufwande entspreche?
ist der Gegenstand folgender Abhandlung.
...“

 
Quelle: Friedrich Harkort, Die Eisenbahn von Cöln nach Minden, Hagen 1833, Kap. 1 (Auszug).

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