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Friedrich Möller, Fabrikant und Mitglied des Gründungskomitees der Ravensberger Spinnerei, schreibt an seinen Sohn Theodor:

„Kupferhammer, den 3. Febr. 1857

Mein lieber Theodor!
... Am vorigen Freitag weihte der Verwaltungsrath die Ravensberger Spinnerei ein, indem zum ersten Male 1100 Spindeln in den Gang gesetzt wurden.
Herr Commissionsrath Kaselowsky [Direktor der Ravensberger Spinnerei] führte uns durch alle Räume der Spinnerei, wo die musterhafteste Ordnung herrschte.
Wir durchwanderten das Flachsmagazin und lernten dort die vielerlei Sorten Flachs und Heede, nicht allein unserer Umgebung, sondern aus vielen anderen Ländern Deutschlands, aus Belgien, Holland, Rußland etc. kennen; dann besahen wir die Feuerungsräume, wobei die allerneuesten Erfindungen angebracht waren, vorzüglich bei den Vorwärmern und an dem Schornsteine, dessen Rauch wieder zurückgeführt wird, um nochmals verbrannt zu werden und trotz der ungeheuren Masse von verbrannten Kohlen fast unsichtbar aus dem Schornsteine steigt.
Hierauf besichtigten wir die Holz- und Eisendrechseleien nebst Bohrmaschinen, womit die noch fehlenden Maschinentheile, namentlich die Spindeln verfertigt werden, und diese Maschinen arbeiteten mit einer musterhaften Genauigkeit und Leichtigkeit.
Darauf besahen wir die verschiedenen Flachsvorbereitungsmaschinen, die Flachsschwingerei, Hechelei, Carderie, Schneiderei etc., alles durch die Dampfmaschine in Bewegung gehalten.
Darauf nahmen wir die allgemein bewunderte große Dampfmaschine von 250 Pferde Kraft in Augenschein, deren Gang ausgezeichnet ist und die ihresgleichen in Deutschland suchen wird.
Zuletzt begaben wir uns in die Spinn- und Haspelsäle selbst, wo schon ca. 5000 Spindeln aufgestellt und bereits 1100 in Gang gesetzt waren; wir konnten uns davon lange nicht trennen, um die verschiedenen Manipulationen näher kennen zu lernen.
Die 3 Stunden, welche wir bei dieser Besichtigung zugebracht hatten, waren uns so kurz vorgekommen, daß wir uns wunderten, als es 4 schlug, während das Festessen bei Bückardt [Gastwirtschaft auf dem Gelände der Ravensberger Spinnerei] um 3 ½ Uhr bestellt war.
Bei letzterem wurden recht schöne Toaste auf das Aufblühen der ravensberger und deutschen Industrie ausgebracht, wobei die Jugend angefeuert wurde, dem Fortschritte zu huldigen und das nachzuholen, worin uns die Engländer bisher so weit voraus waren.
Abends war uns zu Ehren die Spinnerei aufs Brillanteste mit Gas erleuchtet, so daß es auf dem Bielefelder Wall ganz hell wurde.

Ein herzliches Lebwohl von
Deinem treuen Vater Möller”
 
Zitiert nach: Jahresbericht des Historischen Vereins
für die Grafschaft Ravensberg 65 (1966/67), S. 149f.

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