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Aus: Eckhard Bolenz, Johann Gottfried Brügelmann. Ein rheinischer Unternehmer zu Beginn der Industrialisierung und seine bürgerliche Lebenswelt, Köln 1993, S. 66-70:


„Familienleben fand zu Hause statt. Das bedeutendste uns überlieferte Zeugnis von Brügelmanns Aktivitäten ist zweifelsohne – und deshalb wurde darüber auch relativ viel geschrieben – das imposante Cromforder Herrenhaus. Der äußere Kontrast zum verschieferten bergischen Bürgerhaus, einer originären bürgerlichen Architektur, ist augenfällig. Der Rückgriff auf die Schloßarchitektur, einer Architektur der Aristokratie, ist nicht so erstaunlich, wie zunächst unterstellt werden könnte. Wenn Brügelmann seinen Erfolg in einem repräsentativen Bau dokumentieren und gleichzeitig unterstreichen wollte, wie weit er sich schon von vielen anderen bergischen Kaufleuten abgehoben hatte, dann lag es nahe, eben nicht unbedingt an deren bauliche Traditionen zu erinnern. Auch hatte das frühe Wirtschaftsbürgertum noch keine eigene repräsentative Formensprache ausgebildet. So bot sich die Übernahme der Formensprache der nächst höheren sozialen Gruppe an. Diese Übernahme war ein ganz normaler sozialer Vorgang, wie er sich immer wieder und unter anderen Konstellationen ereignet. Zwei Dinge sind dabei hervorzuheben: Zum einen war das 18. Jahrhundert eine Zeit, in der Symbole eine viel größere Bedeutung hatten als heute. Dadurch besaß die politische Botschaft, die mit diesem Bau transportiert wurde, einen ungleich höheren Stellenwert und die vor allem von den adeligen Zeitgenossen wahrgenommen wurde. Zum anderen verpflichtete Erfolg zur Repräsentation. Der zur Schau gestellte Erfolg barg finanziellen wie politischen Kredit, bedeutete also nicht notwendigerweise Verschwendung und insofern war Brügelmanns Bau konsequent. Vielleicht mag der Bau auch durch Brügelmanns Frau angeregt worden sein, in deren Familienbesitz sich die aufwendigsten bergischen Bürgerhäuser befanden.

Der Bau des Herrenhauses und besonders der Kauf großer Ländereien legen den Schluß auf ein ‚Buddenbrock-Syndrom‘, der Veraristokratisierung des erfolgreichen Wirtschaftsbürgers nahe. Doch ist die Maßnahme des Landkaufs eher unter dem wirtschaftlichen Gesichtspunkt des Erwerbs sicherer Renten und des mit dem Grundbesitz verbundener Rechte zu sehen. Die rheinische Bourgeoisie – besonders unter dem reaktionären Kurs Preußens – besaß starke Aversionen gegen den Adel. Das beeinflußte auch die Familienpolitik.

Interessanterweise besitzt das Herrenhaus Brügelmanns, sieht man von dem repräsentativ ausgemalten Gartensalon ab, im Inneren die bescheidenere Raumaufteilung des bergischen Bürgerhauses. Wahrscheinlich war auch die Rückfront des Hauses längere Zeit nicht ausgestaltet. Das Schloß Cracau bei Krefeld, wo die Seidenfabrikantenfamilien Heinrich und Gerhard von Beckerath (1782-1872, 1784-1840) lebten und das sich noch am ehesten mit Cromford vergleichen läßt, war ebenfalls einfach eingerichtet und wies bloß gekalkte Wände auf, die allerdings von den an der Malerei interessierten Brüdern mit guten Gemälden behängt waren.

Generell galt für die frühindustriellen Unternehmer im Rheinland ‚ein Lebensstil, der den Schein vermied und keine Ansprüche stellte, die nicht durch Leistung gerechtfertigt waren.‘ Wie das Wohnen, so war auch der übrige Lebensaufwand der frühindustriellen Unternehmer bescheiden, auch wenn der Lebensstil je nach Reichtum und erreichter sozialer Stellung unterschiedlich war. Wichtig war das ‚Maß‘, daß letztlich von den standesgleichen Mitbürgern beurteilt wurde. Hier lagen Lebensführung, ‚Ehre‘ und damit auch die Akzeptanz als Geschäftspartner äußerst nah beieinander. Dies hatte nicht allein ethische Gründe. Angesichts noch gering entwickelter finanzieller Absicherungsmöglichkeiten bildete eine erprobte Seriosität einen Posten, auf den man bauen konnte. Ein Bankrotteur konnte Mitmenschen und Geschäftspartner tief ins Elend stürzen, weshalb ein solches geschäftliches Versagen auch aus Gruppeninteresse stärker als heute stigmatisiert war und ‚zum Verlust der bürgerlichen Ehre‘ führen konnte.“

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