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Bericht über die Huldigungsfeier in Kassel am 1. Januar 1808, abgedruckt im Westphälischen Moniteur am 3.1.1808, S. 11-14:


„Heute um 10 Uhr Morgens erhub glänzend die Sonne sich am Firmament, um die erhabene Feier der Darbringung des Huldigungs-Eides von Westphalens Deputirten in die Hände ihres Königs zu verkündigen.
Schon um 11 Uhr hatten sich die Bevollmächtigten, 275 an der Zahl, im Versammlungssaal eingefunden. Man sah da auf den nämlichen Stufen ohne Unterschied sitzen: Männer, die alte und von jeher ehrwürdige Namen führen, Gelehrte, auf welche die Wissenschaften stolz sind, geschickte Kaufleute, arbeitsame Landbauer, und Abgeordnete des Harzes, Nachkommen der alten Vandalen, die Jahrhunderte hindurch Einfachheit, Sitten und selbst das Kostume ihrer Väter bis auf diese Zeiten herübergebracht haben.
Die leer gebliebenen Sitze nahm das Publikum ein, das sich von allen Seiten herandrängte, um Theil zu nehmen an der Feier des Tages und im Innern des Herzens den Eid nachzusprechen, den die Deputirten abzulegen im Begriff waren.
Der Saal war geschmackvoll verziert. Die Westphälischen Nationalfarben schmückten den für den König am Ende des Sallons aufgerichteten Thron. Die Tribune der Königin stand dem Throne gerade gegenüber. Der Thronhimmel war von weißem Atlas, mit breiten goldenen Frangen besetzt, und über ihm prangte das Königliche Wappen. Unter demselben und in des Thrones Hintergrunde erhub sich des Kaisers Napoleon mit Lorbeeren gekrönte Büste. Länger schon Gegenstand von Europens Bewunderung schien der Kaiser gleichsam hier seinen Bruder und Zögling ihr beygesellen zu wollen. Diese stumme Annäherung, Symbol einer ewigen Verpflichtung zum Ruhm und zur Größe, ergriff stark die Bemüther aller Deputirten, und verlieh dem Eid, zu dessen Leistung sie versammelt waren, einen noch höhern Grad von Wichtigkeit.
Gegen halb zwölf Uhr verkündigten Artilleriesalven die Ankunft der jungen Königin, des Gegenstandes der Liebe zweier Königreiche. Ihre Majestät wurden am äußern Thor durch eine Deputation empfangen, die Sie in den Saal führte. Im Gefolge der Königin befanden sich Ihre Durchl. die Frau Gräfin Truchses, Ihre Oberhofmeisterin, Ihre Pallastdamen und die Vornehmsten Ihres Hofstaats. Beim Eintritt Ihrer Majestät erschallte der Saal von lauten Beifallszeichen, und die Königin beantwortete diese dadurch, daß Sie mehrmals die Versammlung mit der Würde und Anmuth begrüßte, die weniger in Ihrem hohen Rang und in Ihrer Jugend, als vielmehr in den natürlichen Schätzen Ihres Geistes und in Ihrer Schönheit begründet sind.
Eine Viertelstunde nacher zeigte der Donner von 21 Kanonenschüssen die Annäherung des Königs an. Beim Austritt aus dem Wagen wurden Sr. Majestät durch eine Deputation empfangen, welche die Ehre hatte, Dieselbe vom Eingangsthor bis zum Thron zu begleiten. Nachdem sich der König einen Augenblick in dem Orangerie-Pavillon ausgeruhet hatte, begab Er sich in die Versammlung, unter dem Vortritt der Großbeamten der Krone und der Officiere Seines Hauses. Nachher folgten die Ministers und die Deputirten, die Ihn vorher empfangen hatten. Der König setzte sich auf den Thron nieder. Unmittelbar hinter ihm hatten der Generaladjutant, Generalkapitain der Garde, und ein wenig weiter zurück zur Rechten der Groß-Marschall des Pallastes, zur Linken der Groß-Stallmeister ihre Stellen. Der erste Kammerherr, der die Funktion des Oberkammerherrn verrichtete, hatte seinen Platz vor dem Throne, und auf beiden Seiten befanden sich die Minister. Die Haus-Offiziere Sr. Majestät füllten rechts und links die Stufen an, welche zum Thron führten, und die letzten waren von den Pagen eingenommen.
Sobald der König sich niedergelassen hatte, empfing der erste Kammerherr, der nun die Funktionen des Groß-Ceremonienmeisters verrichtete, die Befehle Sr. Majestät, und überbrachte sie dem Minister der Justiz und des Innern. Dieser begab sich nun in das Parquet des Versammlungssaales herab, und hielt folgende Rede:
‚Sire!
Ihre Majestät sehen hier um Ihren Thron die Repräsentanten der Länder und Provinzen versammelt, die Ihr Königreich ausmachen. Unter welchen glücklichern Ausspicien hätte dies neue Jahr beginnen können? Der stillschweigende Vertrag, der sich so natürlich zwischen dem Monarchen und seinen Unterthanen bildet, erhält durch diese ehrwürdige Zeremonie eine öffentliche und feierliche Sanktion.
Aus jedem Lande und Ländchen sind Bürger aller Klassen herbeigeeilt, um Ihrer Majestät zu huldigen. Alle hätten kommen mögen. Man ist genöthigt gewesen, den Empfindungen einer sich hinzudrängenden Menge Gränzen zu setzen, welche im entgegengesetzten Falle diese Hauptstadt überfüllt haben würde, und die in diesem Augenblick in ihrer Heimath, wo man sie hat zurückhalten müssen, diejenigen beneidet, die das Glück hatten, eingeladen zu werden.
Sire! Der Vortheil, den wir, meine Collegen und ich, gehabt haben, vor der Ankunft Ihrer Majestät in Ihre Staaten sie zu betreten, authorisirt uns, Ihnen die ehrenvollsten Zeugnisse von den Völkern abzulegen, über die Sie regieren werden.
Tausendmal haben wir sie sagen hören mit einer lobenswürdigen Freimüthigkeit, sie würden für den König, den der Sieg, der große Napoleon und der Himmel ihnen gegeben haben, die nämliche Treue im Busen tragen, die sie stets gegen ihre ehemalige Souverains hegten. Sie erkennen, als brave und gerechte Richter in der Waffenkunst, daß die Trophäen Ihrer Majestät in Schlesien Sie würdig gemacht haben, die Ufer der Elbe zu beschützen zur vollendetern Sicherheit der Rheinufer, und in die erste Linie jenes Staatenbundesgesetzt zu werden, der die Rechte so vieler Souverains, die Sicherheit so vieler Völker und den Frieden des festen Landes garantiren soll.
Doppelt aufgeklärt sowohl durch die Erfahrung als durch die Wissenschaft des Staats-Rechts, die sie stets mit Erfolg betrieben, wünschen sie sich Glück, daß verschiedene Provinzen, die seit einigen Jahren stets die Herrschaft verwechseln mußten, und dabey immer in der Ungewißheit schwankten, welchem Herrn sie endlich noch zu Theil werden würden, nun im Schatten des Scepters Ihrer Majestät eine glückliche Dauer ihres Zustands finden werden. Sie wünschen sich Glück, daß alle in den Vortheilen einer großen Vereinigung eine unermeßliche Entschädigung für die Verluste finden werden, die mit jeder neuen Organisation unzertrennlich sind.
Kenner des bürgerlichen Rechts haben sie gehörig den Codex Napoleon zu würdigen verstanden, das schönste Geschenk, das Billigkeit und Einsicht den Menschen verliehen, die deutlichste Norm für alle ihre Familienverhältnisse,die sicherste Garantie ihres Eigenthums, der beste Wegweiser ihrer Verträge.
Gut und dankbar werden sie bald einen Fürsten anbeten, der mit der Empfänglichkeit und den Reizen der Jugend die Reife und Erfahrung verbindet, die in der Schule und im vertraulichsten Umgang des geschicktesten Feldherrn und größten Gesetzgebers der Welt erlangt wurden.
Sire, so lange Ihre Majestät wie Napoleon regieren werden, so lange wird eine erlauchte Gefährtin aus einem Blute entsprossen, das man in diesen Gefilden zu achten und zu lieben gewohnt ist, mit Ihrer Majestät die Herrschaft der Herzen theilen. Sie wird mit Ihren Reizen den Thron schmücken, den Ihre Majestät mit Ihren Tugenden zieren werden, und Ihre Sprößlinge werden, von einem Zeitalter zum andern, die Namen fortführen, die von nun an, von dem ersten Könige Westphalens und dem ersten Kaiser der Franzosen unzertrennlich sind.
Dies, Sire! sind die Wünsche und Hoffnungen der Volks-Repräsentanten, welche ich die Ehre habe, Ihrer Majestät heute vorzustellen, und deren zwar schwacher aber treuer Dollmetscher ich in diesem Augenblick bin.
Ich bitte Ihre Majestät, sie zum Eid des Gehorsams für Ihre Befehle und der Treue für die Constitution zuzulassen.‘

Nachdem der Minister seine Rede geendigt hatte, begab sich der Groß-Ceremonienmeister wiederum zum König, um von neuem Seine Befehle zu empfangen. Er übergab sie hierauf dem Minister, der nun durch einen Herold die namentliche Aufrufung der Deputirten nach der Ordnung der Provinzen vollstrecken ließ, und sie darauf, einen nach dem andern, dem Könige vorstellte. Jedes Mitglied der Deputation näherte sich den Stufen des Thrones, und wenn alle voneiner Provinz beysammen waren, sprach der jedesmalige Chef der Deputation den folgenden Eid in deutscher und französischer Sprache:

‚Wir schwören für uns und das Land, das wir repräsentiren, Gehorsam dem Könige und Treue der Constitution.‘

Mit Würde und Ernst ward der Eid geleistet. Da war kein einziger der Deputirten, dessen Gemüth nicht erschüttert schien von der Heiligkeit der Verpflichtung, die er vor den Augen des Höchsten und an den Stufen des Throns über sich nahm.
Als der Eid der Deputirten beendigt war, sprach der König also:
‚Meine Herrn Deputirte der Provinzen meines Königreichs!
Der erste meiner Wünsche bey Besteigung des Throns war, mich von meinen Unterthanen umringt zu sehen. Ich wollte nicht erst abwarten, bis Westphalen nach hergebrachten Formen gewählte Deputirte an mich absenden würde, sondern vielmehr in dem Augenblick selbst, wo ich mit der Organisation meiner Staaten mich beschäftige, Ihnen meine Absichten und Gesinnungen eröffnen, weil ich den Wunsch hege, daß sie den Ihrigen zur Richtschnur dienen mögen.
Groß ist das Werk, dessen Vollführung mir obliegt, und mit Aufmerksamkeit betrachtet Deutschland die ersten unserer Schritte. Unter mehrere Regenten getheilt, nach verworrenen und vervielfältigten Gesetzen regiert, und bey dem Lehnssystem, das hier Dienstbarkeit, dort Vorurtheile erzeugte, mußten diese Länder bisher Europens blühenden Staaten nachstehen. Der Augenblick ist endlich erschienen, wo es Ihnen vergönnt ist, einen Platz unter denselben einzunehmen.
Die Grundsäule des Heils eines jeden Staats ist der feierliche Vertrag, welcher die Rechte festsetzt, die Pflichten bestimmt und zwischen Regent und Unterthanen Verhältnisse begründet, wobey jener, wenn gleich mit voller Macht ausgestattet, Gutes zu wirken; doch sein Interesse hat, Uebel zu stiften.
An diesen Merkmahlen erkennen Sie die Constitution, der Sie jetzt Treue geschworen haben, bey der Einführung derselben werden Sie die Weisheit des Genies schätzen lernen, das sie dictirte.
Ich habe die Verpflichtung übernommen, diese Constitution in Ausübung zu bringen, und werde sie in ihrem ganzen Umfang erfüllen.
Von dem Tage an, da ich den Thron bestieg, habe ich mir ein großes Vorbild erwählt, und zwey Dinge vor allen andern zu erreichen gestrebt: die Liebe meiner Unterthanen und die Achtung der Nachwelt; kein Opfer soll mir so theuer, keine Anstrengung so groß seyn, diese zu verdienen.
Eine vernünftige Politik hatte bis in die Mitte des letztverflossenen Jahrhunderts meine Staaten mit Frankreich verbündet, und die Bande, welche mich gegenwärtig mit dieser großen Macht vereinigen, bringen nur ein System wieder auf die Bahn, wonach das nördliche Deutschland stets sich zurücksehnte. Ich werde diesem System beständig treu bleiben, und so meine theuersten Gefühle mit meinen heiligsten Pflichten vereinbaren.
Von Ihrer Seite, meine Herrn! bin ich nun berechtigt, ein Gleiches zu erwarten, und ich zähle darauf. Sie werden, Ich zweifle keinen Augenblick daran, der neuen Ordnung der Dinge, die der wahren Wohlthaten so viele mit sich führt, einige Vortheile aufopfern, die mit ihr unverträglich sind.
Privilegien, Befreiungen, persönliche Dienstbarkeiten passen nicht zum Geist unsers Jahrhunderts. Westphalen muß endlich einmal Bürger erhalten, und wie in andern Ländern muß auch hier der Mensch in seinem Nebenmenschen sich selbst achten und ehren.
Die Gesinnungen, welche Sie mir bereits kund gethan haben, sind mir Bürge, daß ich bey der Erfüllung meiner Wünsche für das Heil aller meiner Unterthanen keinen Widerspruch zu erwarten habe.
Auf dem Wege zu diesem Zweck aber, meine Herrn! dies muß ich Ihnen noch zu erkennen gaben, werden keine Hindernisse meine Schritte aufhalten, und nimmer wird man mich Privat-Vortheile gegen das Wohl meiner Unterthanen abwägen sehen.
Im Felde unter politischen Stürmen erzogen, habe ich, wenn gleich noch jung, zu erkennen Gelegenheit gehabt, daß Gleichheit vor dem Gesetz, Tapferkeit und Treue die wahre Stärke einer Nation ausmachen und ihre Würde begründen. Diese beiden Tugenden sind Ihnen in hohem Grade eigen, und auf sie setze ich die erste meiner Hoffnungen.‘

Die Rede des Königs ward mit der lebendigsten Bewegung und mit allgemeinem Beifall aufgenommen. Nach ihrer Vollendung begaben sich Se. Majestät in der nämlichen Ordnung, worin Sie gekommen waren, auf den Rückweg. Den Saal durchschreitend hatten Allerhöchstdieselben Gelegenheit, die tiefen Eindrücke von Ehrfurcht und Liebe zu gewahren, womit Sie die Gemüther Ihrer Unterthanen erfüllt hatten.
Die Königin folgte Ihrem erhabenen Gemahl, und beim Abschied gab Sie der Versammlung neue Merkmahle Ihres Wohlwollens. Dagegen empfing Sie auch unzweideutige Beweise aller der Gefühle, die Sie einflößt.
So endigte unter lauten Beifallsbezeugungen diese rührende Feierlichkeit, auf welche die Wahl des Tags, das Alter des Königs, sein schon so hoher Ruhm, der Name, den er führt, die ihm vorschwebende herrliche Zukunft, so viel Hoffnung und schon so viel Wirklichkeit, einen Reiz und Glanz verbreitet haben, dessen Schilderung schwer seyn würde.“

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