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Auszüge aus einer Predigt zur Feier des Regierungsantritts von König Jérôme von Westphalen, gehalten in der Simultankirche zu Neuenkirchen bei Vörden im Fürstentum Osnabrück 1808:


„Text I. Kön. (oder Samuelis) IX. 17.
Siehe! das ist der Mann, - welcher über mein Volk herrschen soll.

Herrscher, Könige und Regenten, meine lieben Pfarrkinder! werden jene genannt, welche über ein gewisses Volk und Land die höchste Gewalt haben und darüber das Regiment führen. Wie nun überhaupt in dieser Welt nichts von Dauer und Beständigkeit ist; so sind auch selbst die Schicksale der Regenten und der Großen dieser Erde ihrem Wechsel unterworfen. Auch hier heißt es: das eine Geschlecht geht ab, und das andere kommt wieder an dessen Platz, Pred. Sal. 1, 4. Alles Regiment auf Erden, sagt Sirach 10, 4. steht in Gottes Hand – dieser gib t es, wem er will, und ändert solches nach seinem Wohlgefallen, Dan. 4, 14. Diese allgemeine Wahrheit bestätiget die Geschichte der Vorzeit und auch der Zeit. Wir Bewohner unsers lieben Osnabrückischen Vaterlandes, ja, wir selbst, können diese Wahrheit aus der Erfahrung bezeugen: denn auch wir haben seit einigen Jahren manchen Wechsel mit unsern Regenten erlebt; bald gehörten wir diesem, und dann bald wieder einem andern neuen Herrn an, so, daß wir zuletzt nicht wußten, wer unser einmal bestimmter und bleibender Regent seyn würde.

Nun aber, meine Lieben – nun ist unser Loos entschieden! Napoleon, Kayser der Franzosen und König von Italien, von dem ihr so viele große Thaten hört, dieser weise und mächtige Napoleon hat es entschieden, dieses Loos, das uns so lieblich gefallen ist. – In dem mit Rußland und Preußen zu Tilsit geschlossenen Frieden wurde im vorigen Sommer am 7. und 9. Julius von ihm ein neues Königreich errichtet, welches Westphalen heißt, und dieses neue Königreich hat er seinem Bruder Hieronymus Napoleon gegeben. Mit Wahrheit kann ich euch nun heute eben das verkündigen, was Gott damals, als Saul zum allerersten Regenten über Israel gesetzt wurde, zum Propheten Samuel mit den Worten unsers Textes sagte: ‚Siehe! das ist der Mann – welcher über mein Volk herrschen soll:‘ Hieronymus Napoleon, das ist der Mann, welcher uns Westphalen auch als der allererste König dieses neuen Reiches beherrschen soll! dieser ist wirklich unser regierender Landesherr!

Wegen dieser frohen Begebenheit des Regierungs-Antrittes unsers neuen König’s hat eine besondere bischöfliche Verfügung an diesem Sonntage in allen Pfarrkirchen ein allgemeines und feyerliches Dankfest angeordnet. Damit ihr nun nach der Absicht jener Verfügung an diesem angeordneten Dankfeste wahren, lebhaften und herzlichen Antheil nehmen möget, darum will ich denn auch in dieser feyerlichen Versammlung mit euch reden:

Ueber die Wichtigkeit des heutigen Tages.
Der heutige Tag ist für uns alle
I. ein Tag der Freude und des Dankes, er ist
II. ein Tag des Gebetes, er ist
III. ein Tag der Erinnerung großer und heiligen Pflichten.

Abhandlung.
Der heutige Tag ist für uns alle

I.
Ein Tag der Freude und des Dankes. – Am 10ten des letztverflossenen Monats December erfolgte der glückliche Einzug des Königs mit der Königin in die Haupt- und Residenzstadt von Westphalen, in Cassel. Der König hat uns kund thun lassen, daß er diese Ankunft bey seinen Unterthanen, über die er herrschen soll, unter die frohesten und glücklichsten Ereignisse seines ganzen Lebens zähle. Da nun der Vater sich freuet, daß er unter seine Kinder kommt; so müssen auch diese sich gegenseitig wieder freuen, und die sich nicht freueten, müßten kein zärtliches Kinderherz haben. Diese Freude muß bey uns desto lebhafter und herzlicher werden, wenn wir bedenken: Warum? und aus welchen guten Absichten der König zu uns gekommen sey? Er ist gekommen, um aus verschiedenen, sonst mehreren Herren zugehörenden Ländern und Provinzen, nur ein Land, nur ein Reich zu bilden, um alle Einwohner dieser sonst zertheilten Länder unter den Schutz seiner väterlichen Hand zu versammeln, gleichwie die ihre Jungen schützende Henne die Flügel über diese ausbreitet. – Um euch, als Landleuten, dieses desto besser zu erklären, will ich euch hier kurz erzählen, was ich in öffentlichen Nachrichten über das neue Königreich Westphalen und dessen schöne Einrichtung gelesen habe. Dieses neue Königreich, nach den verschiedenen Ländern und Provinzen, woraus es jetzt besteht, ist nach seinem Flächen-Inhalte, 695 deutsche Meilen groß, es sind darin 193 Städte – 4183 Flecken und Dörfer, und dann beynahe zwey Millionen Menschen. Es wird in 8 Haupttheile, die Departements heißen, eingetheilt. Alle diese verschiedenen Abtheilungen sollen doch nur ein ganzes Reich ausmachen und nach solchen guten Gesetzen regiert werden, welche allen den vielen Einwohnern angemessen sind, um sie alle – alle – glücklich zu machen. Nun denket nach! Wer, der solche schöne Absichten und Einrichtungen lieset, oder hört, wer sollte sich darüber nicht freuen? Wer nicht dem lieben Gott dafür danken?

Noch mehr, meine Lieben! ja noch mehr Erfreuliches kann ich euch sagen! Uns zwar dieses: wir Osnabrücker, die wir durch den verderblichen Krieg so sehr gedrücket sind, wir haben an diesem festlichen Tage ganz vorzüglich Ursache uns zu freuen und Gott zu danken. Warum? Weil der geliebteste König unsere Stadt zum ersten Orte des Weserdepartement erhoben hat; wegen dieser Gnade hat sie nicht nur allein die Ehre eine der ersten Städte im Königreiche zu seyn; sondern dadurch gewinnt sie, und mit ihr unser ganzes Land, an Lebhaftigkeit, an Geldumlauf, an Handel und Nahrung für jede Classe der Bürger. – In dieser glücklichen Lage können wir nun bald bessere Zeiten hoffen, die uns wegen der vielen schweren Abgaben und Kriegslasten so sehr gebeugt haben. Der König, dem unsere bisherige traurige Lage, unsere Schulden, unser Druck und alle Leiden schon bekannt sind, hat versprochen, er wolle uns helfen, er wolle sich unermüdet mit unserm Glücke und unserer Wohlfahrt beschäftigen. Wegen dieses tröstlichen Versprechens haben wir die besten, die gesegnetesten und frohesten Aussichten in die Zukunft, und damit dann auch an dem heutigen Tage, woran wir die Feyerlichkeit des glorwürdigsten Regierungs-Antrittes unsers neuen gütigsten Regenten begehn, die gerechteste Ursache zur Freude und zum Dank gegen Gott, der uns durch seine Gnade erhöhet und getröstet hat: lasset uns mit Danken vor sein Angesicht kommen, und mit Psalmen ihm jauchzen ... denn der Herr ist unser Gott, wir sind das Volk seiner Weide, und die Schaafe seiner Hand! Psalm 94, 2-7.

Aber nicht allein ein Tag der Freude und des Dankes ist der heutige; sondern zugleich

II.
Ein Tag des Gebetes. – Wir müssen auch für unsern König beten. Nicht ich bin es, der euch zuerst dazu ermahnt; Paulus schon gab dieser Ermahnung den Christen seiner Zeit. Vor allem ermahne ich, sagt er, daß Bitten, Gebete, Fürbitten und Danksagungen für alle Menschen geschehen, für die Regenten und alle andere obrigkeitlichen Personen, damit wir ein stilles und ruhiges Leben führen, in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit, 1 Timoth. II, 1,2.

[...]

Ja, meine Lieben! der gegenwärtige Tag ist auch zugleich für uns besonders

III.
Ein Tag der Erinnerung großer, heiliger Pflichten; und zwar dieser drey Hauptpflichten: wir sind dem Könige
1) Ehrfurcht,
2) Gehorsam,
3) Liebe schuldig.

Drey wichtige Pflichten! Pflichten, die uns von dem Christenthume selbst deutlich vorgeschrieben sind, welche ihr also nicht ansehen dürfet, als gehörten sie nicht auf diesen Lehrstuhl. O, liebe Pfarrkinder! wer das glauben wollte, dem könnte ich, ja, dem müßte ich sagen: er kenne die Verbindung der Religion, oder, was Eins ist, er kenne die Verbindung der Lehren Jesu, mit dem Staate nicht. Deutliche, dringende, oft wiederhohlte ehren der Apostel und Befehle unsers Religionsstifters selbst sind es, welche uns diese Pflichten an das Gewissen predigen. – Erneuert nur noch einige Zeit eure Aufmerksamkeit!

1) Ehrfurcht sind wir dem Könige schuldig. – Schon der Rang und die Herrschaft, das Amt und die Würde, welche der Regent, als der Erste im Staate, bekleidet, flößen uns Achtung und Ehrfurcht gegen seine Hoheit ein. Diese Achtung und Ehrfurcht geben wir nicht allein durch gewisse äusserliche Kennzeichen und Gebährden zu erkennen; sondern auch vorzüglich dadurch: daß wir das Beste von ihm denken, und vor Allem von seiner Person und seinen Verordnungen mit einer anständigen Bescheidenheit reden. Diese Pflicht beobachtet ein guter und gottesfürchtiger Unterthan zu allen Zeiten und bey jeder Gelegenheit. Erweiset jedem (die gebührende) Achtung, fürchtet Gott! Ehret den König! So lehret uns Petrus im 1. Br. II. 17. – Nebst der Ehrfurcht sind wir dem Könige und dem Gesetze

2) auch Gehorsam schuldig. – Ueber diese Pflicht guter, christlicher Unterthanen bitte ich euch die schönen, deutlichen, an das Herz dringenden Lehren der Apostel zu hören. Um euer Gedächtniß mit keinen andern zu beschweren, will ich hier nur jene, euch bekannten, Stellen anführen, die in unserer Schulverordnung zur Erklärung der Lehre: von dem Gehorsame gegen die Landesobrigkeit, und von den Pflichten der Unterthanen gegen diese, vorgeschrieben, und daher euch desto faßlicher sind. %sbquo;Jedermann, sagt Paulus Röm. XIII, 1-8, unterwerfe sich der obrigkeitlichen Gewalt! [...]‘

Die Apostel nicht allein sind es, welche willigen Gehorsam gegen Obrigkeiten, Regenten und ihre Gesetze lehren; sondern auch der vom Himmel gekommene allerhöchste Lehrer, Jesus, dieser selbst, predigte ihn mit dem merkwürdigen Ausdrucke: ‚gebet dem Kaiser, was dem Kaiser gebührt!‘ Matth. XXII, 21. Auch er selbst gab durch genaue Beobachtung der kaiserlichen Gesetze und Landesverordnungen das vollkommenste Beyspiel des Gehorsams: er ließ sich bey seinem Eintritte in die Welt gleich andern Menschen nach Augustus Befehle mit aufschreiben; leistete die vorgeschriebenen Abgaben, und weigerte sich nicht einmal vor dem Richterstuhle eines Heiden zu erscheinen. War nun Jesus, wie ihr hört, war dieser selbst, der redlichste und gehorsamste Unterthan im Lande; dann müssen wir es gewiß auch seyn; und der es nicht ist, der durch Murren, Weigerung, aufrührische Reden und unrichtige Darstellung obrigkeitlicher Gesetze den Saamen des Ungehorsams gegen König und Vaterland ausstreuet, der befolget nicht die Lehren, nicht das Beyspiel und die Werke Jesu: er ist vielmehr ein boshafter Verächter der Religion, ein schädliches Mitglied der menschlichen Gesellschaft, ein Aufrührer, der sich wider Gott, die ewige Majestät selbst, empört, und dessen Lehre, Befehle und Beyspiele mit Füßen tritt. ‚Wer sich gegen die Obrigkeit auflehnt, der lehnt sich gegen die göttliche Ordnung auf, und verdient gestraft zu werden,‘ sagt Paulus oben.

Hieraus sehet ihr, meine Lieben! daß wir Steuren, Abgaben, Dienste und alles, was Verordnung und Gesetz uns bestimmt, zu rechter Zeit, mit gutem Herzen und Gewissenhaftigkeit pünktlich leisten müssen; auch selbst dann mit Gewissenhaftigkeit leisten, wenn wir, ohne Gefahr entdeckt und bestraft zu werden, uns durch Unterschleife einen Vortheil verschaffen könnten; denn, nicht bloß aus Furcht vor der Strafe, wie Paulus sagt, sollen wir gehorchen; sondern aus Gewissenhaftigkeit. Diese Gewissenhaftigkeit dürfen wir destoweniger bezweifeln, weil wir dem Könige Gehorsam, und den Gesetzen Treue geschworen haben; er wollte nun wohl so niederträchtig seyn, einen Eid zu brechen? – Gehorsam ... und Treue ... geschworen? denkt ihr! – O, ja, meine Lieben! Gehorsam dem Könige, und Treue den Landesgesetzen haben alle Unterthanen in unserm Königreiche, also auch wir, geschworen. Dieses muß ich euch auch heute besonders erklären; höret, wie dieses geschehen und zugegangen sey! Als am 1sten Januarius der König den Thron bestieg und die Pflichten eines Regenten auf sich nahm, da waren aus jedem Lande und Ländchen, woraus das Königreich gebildet ist, aus allen Klassen von Bürgern Deputirte, Bevollmächtigte oder Abgeordnete, nach Cassel, der Hauptstadt; da mußten sie den Eid der Huldigung ablegen, mußten diese Worte sagen und damit schwören – ‚Wir schwören für uns und für das Land, das wir repräsentiren, Gehorsam dem Könige, und Treue der Constitution.‘ – Diese Worte waren nun der gegenseitige, der feyerliche und heilige Vertrag, welcher die Rechte und Verhältnisse zwischen dem Könige und allen seinen Unterthanen festsetzte; und ihr dürfet nicht meynen, daß nur jene, welche persönlich zu Cassel waren, an den Eid verbunden sind: denn ihr begreifet doch leicht, daß nicht alle Einwohner eines jeden Landes nach der Hauptstadt zur Huldigung kommen, und dabey zugelassen werden konnten; die Deputirten legten also nicht allein für sich, sondern auch für alle Abwesende – für alle Unterthanen im ganzen Lande – Einer für Alle, und Alle mit dem Einen – den Eid der Treue und des Gehorsams ab.

Wir sind endlich unserm Könige auch
3) Liebe schuldig. – Als Regent ist er ein Stellvertreter Gottes auf Erden; schon darum kann er Achtung und Liebe von seinen Unterthanen fordern. Was sage ich: fordern? Schon der bloße Name: Landesherr und Landesvater, dieser schon kann und muß jeden guten Unterthan zu einer zuvorkommenden Liebe anfeuern. Denn was heißt; was bedeutet wohl das zärtliche Wort: Landesvater? Es heißt und bedeutet einen allgemeinen Vater über ein Land, und über so viele Kinder, als dieses Einwohner hat; einen allgemeinen, um das Wohl seiner Kinder bekümmerten Vater, der mit Aufopferung seiner eigenen Ruhe und Bequemlichkeit, auch oft da, wo diese ohne Sorgen schlafen, sich alle erdenkliche Mühe giebt, für ihr Haab und Gut, für ihr Leben und Sicherheit zu wachen, zu sorgen und zu arbeiten – und Den – Den sollten seine Kinder nicht lieben? Dem nicht herzlich wohl wollen? Dem nicht alles Gute gönnen und wünschen? Für den nicht alles wieder thun – hingeben – und wagen? – Wie? – wir Osnabrücker unsern Hieronymus Napoleon nicht lieben? Der durch die Verlegung eines Departement in unsere liebe Hauptstadt dieser sowohl, als dem ganzen Lande, mit solchen Beweisen von Gnade und besonderer Zuneigung zuvorgekommen ist, die uns, die unsern Kindern und Kindeskindern, die der spätesten Nachkommenschaft immer unvergeßlich bleiben müssen, Diesen wollten wir nicht lieben? – Wenn wir Den nicht liebten, dann – wären wir nicht würdig seine Kinder und Unterthanen zu heißen!

Ja, Theuerster Landesvater und Monarch! in diesem Heiligthume, wo wir heute versammelt sind, um Gott, dem Könige aller Könige, unsern frohen Dank zu bringen, daß er Dich erwählt hat, um über uns, dein Volk zu herrschen; wo wir diesen auch zugleich demüthigst anflehen, daß er über Dich und die Königin – über Deinen Thron und dessen Stützen – über Dein ganzes Reich und alle seine Bewohner Heil und Wohlfahrt – Ruhe und Frieden, - Glück und Segen verbreiten wolle, in eben dieser heiligen und feyerlichen Versammlung huldigen wir Dir zugleich noch einmal und versprechen: daß Du an uns, deinen Osnabrückern – welche auch immer gewohnt gewesen sind, ihren vorigen Landesvätern mit aller Zuneigung anzuhangen, und von diesen wieder geliebet zu seyn – Ehrfurcht – Gehorsam – Treue – Liebe und alle Tugenden rechtschaffener Unterthanen finden sollst! Mit einer Stimme sagen Alle:
Dem König und der Königin
Geben wir unsr’e Herzen hin!

Amen.“

 
Quelle: Die Wichtigkeit des heutigen Tages. Eine Predigt, bey der Feyer des Regierungs-Antrittes unsers neuen Landesherrn, Seiner Majestät des Königs von Westphalen, Hieronymus Napoleon, und der am 1. Januar zu Cassel geschehenen Landeshuldigung, am dritten Sonntage nach H. drey Könige 1808. gehalten in der Simultaneums-Pfarrkirche zu Neuenkirchen bey Vörden, im Fürstenthume Osnabrück, vor der katholischen Gemeinde, von Arnold Joseph Gieseke, Pastor, Osnabrück o.J. [1808].

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