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Schreiben des Innenministers im Großherzogtum Berg an den Beisitzer der bergischen reformierten Synode, den Pastor zu Wald, Herrn Engels, Düsseldorf, 24.4.1807:


„Nachdem Seine Kaiserliche Königliche Hoheit der Großherzog von Berg allergnädigst geruhet hatte, mir das Ministerium des Innern anzuvertrauen, sahe ich es als eine der ersten Pflichten meines Berufes an, die Straßenbetteley, welche noch in den meisten Aemtern des Großherzogthums Statt hat, mit einer guten Polizey aber ganz unverträglich ist, abzuschaffen, und dem Nothleidenden durch wohl eingerichtete Armenanstalten zu Hülfe zu kommen. Ich beschloß daher dergleichen Anstalten in allen Aemtern, nach dem Muster der Düsseldorfer und Elberfelder, zu errichten, und gab zur allgemeinen Befolgung bey Errichtung derselben folgende Vorschrift.

1. Die Eintheilung der Armen geschieht in den Aemtern nicht nach den Pfarreyen und Confessionen, sondern ohne Rücksicht auf die Verschiedenheit der Confessionen, bloß nach Bezirken.

2. Jede besondere Armenanstalt hat ihren besonderen Armenfond. Derselbe besteht aus dem wirklich vorhandenen Armenvermögen, in Grundstücken, Capitalien oder Renten, und so dann aus den freywilligen Beyträgen.

3. Wo bey den Kirchen der verschiedenen Confessionen besondere Armenfundations Grundstücke oder Capitalien bestehen, welche die Kirche bisher verwaltet hat, bleibt dieselbe in dieser Verwaltung ungestört; jedoch ist der Kirchenvorstand schuldig, die Einkünfte und Zunsen zu dem allgemeinen Armenfond gelangen zu lassen; und daher steht es auch der Hauptverwaltung der Armenanstalt frey, wegen besserer Verwaltung solcher Grundstücke und Capitalien jedesmal das Nöthige zu erinnern.

4. Nur die Hauptverwaltung der Armenanstalt bestimmt in ihren Sitzungen die Pflege eines jeden Armen von allen Confessionen. Da die Düsseldorfer Armenanstalt nach eben denselben Grundsätzen und mit der größten Übereinstimmung aller verschiedenen Confessions Genossen und ihrer Pfarrer bereits im Jahre 1800 glücklich zu Stande gekommen war, und noch bis jetzt den gedeihlichsten Fortgang hat, und da unter der jetzigen glorreichen Regierung in Hinsicht auf bürgerliche Verhältnisse aller Confessions Unterschied vollends verschwunden ist: so konnte dem Ministerium wohl der Gedanke nicht einkommen, daß irgend ein Vorsteher einer Christlichen Gemeine in dem Großherzogthum sich würde beygehen lassen, wider obige Vorschrift zu reclamiren, bis der Herr Provincialrath des hiesigen Bezirkes mir jene Vorstellung überreichte, welche Sie, Herr Pastor, in der Eigenschaft als Beysitzer der bergischen reformirten Synode bey demselben eingegeben haben.

Nicht wenig hat mich der Inhalt derselben befremdet indem Sie sagen, daß das Privat-Armenvermögen würde gefährdet werden, wenn nicht den reformirten Kirchen, so wie es bey den bisherigen Verpflegungs Anstalteten geschehen sey, die eigenmächtige Verwendung ihres Armenvermögens würde belassen werden. Mehr als befremdet hat es mich aber, daß Sie sogar unter der souverainen Regirung des Allerdurchlauchtigsten Großherzoges einer Ministerial-Verordnung, ältere Religions Rezesse, Concordaten und Armen Ordnungen entgegen zu setzen, sich nicht entblöden.

In mehrern Aemtern des Bergischen Landes waren die Mitglieder von allen Christlichen Confessionen mit ihren Pfarrern unter der Leitung der Beamten bereits beschäftigt nach den von mir festgesetzten Grundsätzen gemeinschaftliche Armenanstalten zu errichten, bis die reformirten Prediger, durch Ihren Einfluß verleitet, sich von den gemeinschaftlichen Versammlungen zurückgezogen, und dadurch die gemeinschaftliche gute Sache rückgängig gemacht haben. So hat z.B. der Prediger in Urdenbach, Herrr Kühler, Ihren schriftlichen Rath vorgezeigt, vermöge dessen er, weil Sie eine Vorstellung gegen die Errichtung gemeinschaftlicher Armenanstalten gegeben hatten, sich vor der Hand bey den Beamten auf nichts einlassen sollte; und er hat auf Ihren Rath weiter keinen Theil mehr an den gemeinschaftlichen Berathschlagungen nehmen wollen. So hat ferner der Prediger in dem Kirchspiele Hahn, Herr Ellingrath, sich erkühnet, den desfallsigen auf Ministerial Befehl erlassenen Weisungen des Herrn Provincialrathes, Grafen von Spee, auf eine für einen Vorsteher einer Christlichen Gemeinde höchst unanständige Weise den Gehorsam schlechterdings zu versagen, eben dieselben Gesinnungen dem Consistorium beyzubringen, und dadurch zwischen den dortigen verschiedenen Confessionen den Saamen der Zwietracht auszustreuen.

Zu Ihnen, Herr Pastor; habe ich das Zutrauen, daß Sie bey reiferm Nachdenken selbst einsehen werden, daß die protestantischen Gemeinen, eben so wie die Catholischen, als Großherzoglich bergische Unterthanen allen Befehlen der Minister des Souverains Gehorsam zu leisten schuldig sind, daß diejenigen Grundsätze, welche ich bey den Armenanstalten vorgeschrieben habe, in der Billigkeit gegründet sind, indem nach denselben in dem Großherzoglich-bergischen Armen nur die Arme, nicht der Catholische, nicht der Protestant, nicht der Jude berücksichtiget wird; daß es daher auch billig ist, daß alle bestehenden Armenmittel zu Einem Armenfond fließen, ohne Rücksicht, ob diese oder jene Kirche an einem Orte mehr Armenmittel habe; zumal da jede Kirche in der Verwaltung ihrer Armenfundationen bleibt, und eben dadurch die Versicherung erhält, daß, wenn je das gemeinschaftliche Armen Institut würde aufgelöset werden, sie ihre Armenmittel wieder nach Willkühr würde verwenden können.

Ich habe Ihnen demnach die gemessene Weisung: 1. den obigen Grundsätzen bey Errichtung der Armenanstalten in dem Bezirke der bergischen reformirten Synode weiter keine Hindernissen in den Weg zu lagen, noch dagegen ferner zu reclamiren. Vielmehr
2. den Predigern und Consistorien die Befolgung der Ministerialvorschrift mit Nachdruck einzuschärfen, und ihnen dabey insbesondere begreiflich zu machen, daß ihre Kirchen bey dem Eigenthum und der Verwaltung ihres fundirten Armenvermögens nicht gestöret werden, indem davon bloß, solange die gemeinschaftlichen Armenanstalten dauern werden, die Einkünfte und Zinsen zur Armen Casse abgegeben werden; ferner
3. die Prediger anzuweisen, ihre Gemeinen in Absicht auf die zu errichtenden Armen Anstalten mit den wohlthätigen Gesinnungen der Regierung bekannt zu machen, und denselben alle irrige Begriffe zu benehmen; damit alle Confessionen sich, nach dem Beyspiel der Hauptstadt, gemäß dem wahren Geiste des Christenthums, mit vereinten Kräften bestreben mögen, durch wohl eingerichtete Armenanstalten ihren Nothleidenden Mitmenschen zu Hülfe zu kommen, und den traurigen Folgen der Straßenbetteley für immer abzuhelfen.

Nesselrode

Schulten“
 
Quelle: LKA, Dü B I VI 1.

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