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Auszüge aus Johann Gottfried Krünitz, Oeconomische Encyclopädie oder Allgemeines System der Land-, Haus- und Staats-Wirthschaft, Bd. 101, Berlin 1806, S. 393f, 403, 414f.


Nation, aus dem Lat. Natio, die eingebornen Einwohner eines Landes, so fern sie einen gemeinschaftlichen Ursprung haben, eine gemeinschaftliche Sprache reden, und in etwas engerem Sinne auch durch eine ausgezeichnete Denk- und Handlungsweise oder den Nationalgeist sich von andern Völkerschaften unterscheiden, sie mögen übrigens einen einigen Staat ausmachen, oder in mehrere vertheilet seyn. Die deutsche Nation, die französische, die spanische, die italienische, die russische Nation. Auch besondere Zweige einer solchen Nation, d.i. einerley Mundart redende Einwohner einer Provinz, werden zuweilen Nationen genannt, in welchem Verstande es auf den alten Universitäten, wo die Glieder nach Nationen vertheilt waren, gebraucht wurde. Ehe dieses Wort aus dem Lateinischen entlehnt wurde, brauchte man Volk für Nation, in welchem Verstande es auch noch von alten Nationen üblich ist. Wegen der Vieldeutigkeit dieses Wortes aber hat man es in dieser Bedeutung großentheils verlassen, und Völkerschaft für Nation einzuführen gesucht, welches Wort auch bereits Beyfall gefunden hat.
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Hat das Klima, oder die Regierungsform einen größeren Einfluß in den verschiedenen Charakter der Völker: - Ueber diese wichtige und interessante Frage muß ich hier noch nachstehende Untersuchungen hinzufügen, um die oben nur kurz berührten Hauptpuncte noch von einigen anderen Seiten zu beleuchten.
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VI. Endresultat.
Lufttemperatur, geographische Länge und Breite, Höhe, innere Beschaffenheit, Fruchtbarkeit und Kultur des Bodens, Nachbarschaft des Meeres, oder der Berge, oder des flachen Landes, Wälder, Winde, Seen, Bevölkerung des Landes, physisch nothwendige Lebensart seiner Bewohner, und deren Konflikt mit andern Völkern – also das Klima und andere physische, immer wieder vom Klima abhängige Ursachen geben unvertilgbare Grundzüge; die moralischen Ursachen, Erziehung, Religion und Regierung, vertilgbare Richtung des Nationalcharakters. – Noch existirt die Grundlage des unüberwindlichen Römercharakters, aber unter Schwäche verborgen; noch die Grundlage des alten griechischen und ägyptischen Nationalcharakters, nur in veränderter Richtung.

Die Regierungsform kann ein Volk blühend und berühmt machen; die Gesetze den Muth zu edlen Thaten wecken; Religion das Band der Gesellschaft fester knüpfen, und der Tugend Stetigkeit geben, so wie zum gränzenlosen Enthusiasmus führen, und den Geist in Armuth und Duldsamkeit schlagen; Erziehung den ersten Keim der Tugenden legen, die Sitten sanfter und zum Umgange gefällig machen; Kultur endlich den Boden verbessern, das Land verschönern, die Einwohner bereichern, und zum Fleiße ermuntern. Alles dieses können moralische Ursachen. – Aber keine Gesetze werden je die Kaltblütigkeit des Holländers, die Lebhaftigkeit des Franzosen, den Kaltsinn des Nordländers, und das Feuer des Morgenländers aufheben können; - nie wird die Regierung die Stärke und Tapferkeit der Abendländer, oder die Schwäche und Ohnmacht der Mittagsländer unterdrücken; - nie wird die Erziehung den geistreichen Kopf eines Griechen einem Bewohner Nova Zembla's aufsetzen; und nie der aufgeklärte Geist der Religion bis zu den Lappen dringen.

Von den Verschiedenheiten des Körperbaues bey verschiedenen Nationen, und anderen zufälligen Leibesbeschaffenheiten, oder der National-Bildung überhaupt, sehe man den Artikel Leibesgröße, Th. 72, S. 91ff. so wie den Art. Mensch, Th. 88, S. 453ff.“
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