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Ansprache König Jérômes von Westphalen anläßlich der Huldigungsfeier der Deputierten in Kassel am 1. Januar 1808, abgedruckt in: Westphälischer Moniteur vom 3.1.1808:


„Meine Herrn Deputirte der Provinzen meines Königreichs!

Der erste meiner Wünsche bey Besteigung des Throns war, mich von meinen Unterthanen umringt zu sehen. Ich wollte nicht erst abwarten, bis Westphalen nach hergebrachten Formen gewählte Deputirte an mich absenden würde, sondern vielmehr in dem Augenblick selbst, wo ich mit der Organisation meiner Staaten mich beschäftige, Ihnen meine Absichten und Gesinnungen eröffnen, weil ich den Wunsch hege, daß sie den Ihrigen zur Richtschnur dienen mögen.

Groß ist das Werk, dessen Vollführung mir obliegt, und mit Aufmerksamkeit betrachtet Deutschland die ersten unserer Schritte. Unter mehrere Regenten getheilt, nach verworrenen und vervielfältigten Gesetzen regiert, und bey dem Lehnssystem, das hier Dienstbarkeit, dort Vorurtheile erzeugte, mußten diese Länder bisher Europens blühenden Staaten nachstehen. Der Augenblick ist endlich erschienen, wo es Ihnen vergönnt ist, einen Platz unter denselben einzunehmen.

Die Grundsäule des Heils eines jeden Staats ist der feierliche Vertrag, welcher die Rechte festsetzt, die Pflichten bestimmt und zwischen Regent und Unterthanen Verhältnisse begründet, wobey jener, wenn gleich mit voller Macht ausgestattet, Gutes zu wirken; doch sein Interesse hat, Uebel zu stiften.

An diesen Merkmahlen erkennen Sie die Constitution, der Sie jetzt Treue geschworen haben, bey der Einführung derselben werden Sie die Weisheit des Genies schätzen lernen, das sie dictirte.

Ich habe die Verpflichtung übernommen, diese Constitution in Ausübung zu bringen, und werde sie in ihrem ganzen Umfang erfüllen.

Von dem Tage an, da ich den Thron bestieg, habe ich mir ein großes Vorbild erwählt, und zwey Dinge vor allen andern zu erreichen gestrebt: die Liebe meiner Unterthanen und die Achtung der Nachwelt; kein Opfer soll mir so theuer, keine Anstrengung so groß seyn, diese zu verdienen.

Eine vernünftige Politik hatte bis in die Mitte des letztverflossenen Jahrhunderts meine Staaten mit Frankreich verbündet, und die Bande, welche mich gegenwärtig mit dieser großen Macht vereinigen, bringen nur ein System wieder auf die Bahn, wonach das nördliche Deutschland stets sich zurücksehnte. Ich werde diesem System beständig treu bleiben, und so meine theuersten Gefühle mit meinen heiligsten Pflichten vereinbaren.

Von Ihrer Seite, meine Herrn! bin ich nun berechtigt, ein Gleiches zu erwarten, und ich zähle darauf. Sie werden, Ich zweifle keinen Augenblick daran, der neuen Ordnung der Dinge, die der wahren Wohlthaten so viele mit sich führt, einige Vortheile aufopfern, die mit ihr unverträglich sind.

Privilegien, Befreiungen, persönliche Dienstbarkeiten passen nicht zum Geist unsers Jahrhunderts. Westphalen muß endlich einmal Bürger erhalten, und wie in andern Ländern muß auch hier der Mensch in seinem Nebenmenschen sich selbst achten und ehren.

Die Gesinnungen, welche Sie mir bereits kund gethan haben, sind mir Bürge, daß ich bey der Erfüllung meiner Wünsche für das Heil aller meiner Unterthanen keinen Widerspruch zu erwarten habe.

Auf dem Wege zu diesem Zweck aber, meine Herrn! dies muß ich Ihnen noch zu erkennen gaben, werden keine Hindernisse meine Schritte aufhalten, und nimmer wird man mich Privat-Vortheile gegen das Wohl meiner Unterthanen abwägen sehen.

Im Felde unter politischen Stürmen erzogen, habe ich, wenn gleich noch jung, zu erkennen Gelegenheit gehabt, daß Gleichheit vor dem Gesetz, Tapferkeit und Treue die wahre Stärke einer Nation ausmachen und ihre Würde begründen. Diese beiden Tugenden sind Ihnen in hohem Grade eigen, und auf sie setze ich die erste meiner Hoffnungen.“

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