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Aus: Stefan Haas, Die Ordnung des Alltags im Wandel von der ständischen zur modernen Gesellschaft, in: "Zerbrochen ..., S. 323f:


„Die Einführung der Ziviluniformen war Teil eines umfassenden Vollzugsprozesses, mit dem seit dem frühen 19. Jahrhundert die im Anschluß an die Französische Revolution in Staat und Gesellschaft notwendig gewordenen Reformen in Preußen eingeführt wurden. Durch ein zunehmend komplexeres Versorgungssystem wurden die Beamten stärker abgesichert. Zusammen mit der kompletten Reorganisation der Verwaltungsorganisation war von den zentralen Herrschaftsinstanzen eine stärkere Durchdringung des gesamten Territoriums intendiert. So scheinen die Uniformen das äußere Instrument gewesen zu sein, mit dem der Zentralstaat seine Präsenz und Machtkompetenz im Alltag demonstrierte und eine Trennung von Amt und Person symbolisch definierte. Dennoch war man lange Zeit an den Höfen und besonders im Hochadel im Zweifel, ob die gesamte Beamtenschaft uniformiert werden sollte. Man befürchtete die Ablehnung in der Bevölkerung angesichts der massiven Präsenz von Beamten in den Residenzstädten und den Argwohn der Offiziere, die das Tragen ihrer Uniform in der Öffentlichkeit als Privileg ansahen.

Vorausgegangen war ein langwieriger Prozeß, der zunächst die Militäruniformen hoffähig gemacht hatte. Kleiderordnungen und Montierungsvorschriften des 18. Jahrhunderts hatten einerseits aus der Eindämmung der exorbitanten Ausgaben der Privathaushalte resultiert und andererseits der Förderung einer merkantilistischen Wirtschaftspolitik gedient. Erstmals 1751 wurden im Deutschen Reich, am Wiener Hof, Militäruniformen als Auszeichnung für Offiziere zugelassen. Der Hofstaat selbst trug noch spanische Kleidung, doch in der Zeit des Reformabsolutismus begann die traditionelle höfische Mode weitgehend zu verschwinden. Erlaubt waren nun Uniformen – soweit ein adeliger Hofbeamter einen Militärrang innehatte – oder ein im Stil des Rokoko ausgeführter Staatsfrack. Sie signalisierten ein bestimmtes Selbstverständnis als Diener des Staates und wurden in diesem Sinn auch von den aufgeklärten, reformabsolutistischen Herrschern Friedrich II. und Joseph II. getragen. Die lokalen Beamten bedienten sich dagegen der weitgehend unreglementierten Standeskleidung.
Dies änderte sich um 1800. Aufgrund der Kriege gegen das revolutionäre Frankreich gehörte die Uniform mittlerweile zur alltäglichen Wahrnehmung. Kleidung war teuer, und Uniformstoffe waren strapazierfähig. Die in den zivilen Dienst zurückkehrenden Beamten sollten schon aus ökonomischen Gründen ihre Uniform weiterhin tragen. Als sich nach den Befreiungskriegen ehemalige Soldaten häufiger auf den Posten des Kreisboten bewarben, schlugen einige westfälische Landräte vor, ihnen zu gestatten, ihre Militäruniform im Dienst zu tragen. Der Vorschlag war nicht abwegig, denn formal waren sich Ziviluniform und Herrenmode relativ ähnlich: sie waren schlicht, zu einer dunklen Jacke wurde eine helle Hose getragen, als Hut trug man Zwei- oder Dreispitz und auf Zierrat wurde verzichtet.

Angefangen hatte die Uniformierung bei den in den Provinzen tätigen technischen Beamten. Man könnte annehmen, dies sei darin begründet, daß die meist ortsfremden Offizianten sich ausweisen sollten und ihre Tätigkeit einer speziellen Kleidung bedurfte. Doch spielte bei dieser Entscheidung weniger die autoritäre Außenwirkung eine Rolle als die Wirkung nach innen. So wurde die Einführung einer Bergwerksbeamtenuniform 1777 folgendermaßen begründet: ‚Da seine Königl. Majestät von Preußen pp. Unser allergnädigster Herr Höchstselbst die Einführung einer Berg- und Hüttenuniform, nach Gewohnheit anderer Staaten, allergnädigst genehmigt haben, um theils die so nöthigen Esprit de Corps zu etabliren, und solchergestalt unserer Aufmunterung und Verbindung der Berg- und Hüttenofficianten unter sich zu bewürken, theils den angestellten Dienern Gelegenheit zu mehrerer Oeconomie zu geben, dass sie desto eher mit ihren Gehalten zu Erhaltung und Erziehung ihrer Familien auskommen, und nicht mehr nöthig haben mögen, Geld auf distinguirende Kleidung zu verwenden.‘

Mithin dienten die Uniformen nicht der Wirkung nach außen, der symbolischen Kommunikation von Autorität, sondern sie sollten nach innen wirken und die Verwaltungsbeamten zu einer, dem Staatszweck verpflichteten Einheit zusammenbinden. Noch im 18. Jahrhundert war es dem Staat nur selten gelungen, bis in die kleinsten Verästelungen seines Territoriums vorzudringen. Lokale Beamte behielten einen hohen eigenen Gestaltungsraum. Ihre Unabhängigkeit von der zentralen Regierung wurde dadurch unterstrichen, daß sie nur selten über ein staatliches Einkommen verfügten, sondern sich von Sporteln ernährten, mithin jenen Gebühren, die die Untertanen entrichteten, wenn sie Dienstleistungen in Anspruch nahmen. Um diese einheitliche Durchdringung des Territoriums zu erreichen, wurden nicht nur die Sporteln abgeschafft und ein Versorgungssystem für die Beamten eingerichtet, zu dem auch die Hinterbliebenenversorgung gehörte, auch kulturelle Zeichen wie die Uniformen wurden verwendet, um diese Veränderungen auszudrücken. Bezeichnenderweise erhielten zunächst nur höhere Beamten das Recht, eine Uniform zu tragen. Denn zunächst war es Ziel, diese stärker an den Staat zu binden und ein sich über alle Territorien erstreckendes, trotz der unterschiedlichen lokalen Traditionen einheitliches Administrationsinstrument in der Beamtenschaft zu schaffen. Die Gruppe von Offizianten, zu denen mit den Schreibern, Registratoren oder Boten die niederen Bediensteten zählten, blieben ausgeschlossen. Nach ihrer Meinung sollten diese Subalternen zwar nicht gefragt werden, in Petitionen oder Anfragen äußerten sie sich aber auf eigene Initiative und vertraten dabei unterschiedliche Positionen. Einige baten um Uniformierung, andere lehnten sie ab – ein heterogenes Meinungsbild, daß sich auch noch in den 1840er Jahren findet, als die Uniformen verpflichtend eingeführt wurden.“

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