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Text des Kanton-Reglements 1792, publiziert in Münster 1804
Die Kriegs- und Domänenkammer Münster veröffentlichte als leitende preußische Verwaltungsbehörde in den 1803 säkularisierten westfälischen Gebieten – dem östlichen Münsterland und dem Paderborner Land – bei Einführung des Kanton-Reglements folgendes Edikt:
 
"Auszug aus dem Canton-Reglement am 12ten Feb. 1792, und den nachher erfolgten nähern Deklarationen und Bestimmungen.

Zur Verlesung von den Kanzeln.

Seine Königl. Majestät von Preußen etc. Unser allergnädigster Herr,
haben in dem von Allerhöchstdemselben vollzogenen Canton-Reglement vom 12ten Februar [1792] und nachherigen nähern Bestimmungen die Grundsätze festsetzen lassen, nach welchen bey Ausfertigung der Canton-Rollen, Aushebung der Cantonisten, deren Dienstzeit und Verabschiedung verfahren werden soll. ... und wollen .., daß dieser Auzug jährlich wenigstens einmal und zwar den ersten Sontag nach Michelis [30. Sept.] von den Kanzeln verlesen werden soll.

§. 1.
Alle Feuerstellen sind kantonpflichtig, wenn nicht solche selbst oder deren Besitzer persönlich eximirt sind.

§. 2.
Die kleinen Fabrikanten, z.B. Damastweber, Seidenwürker, Weber in Wollenen oder Baumwollenen Waaren, Bleicher, Schönfärber, Drucker, Appreteurs, imgleichen Waid-Asch-Fabrikanten und Schmelzer, Zuckersieder-Meister etc. nicht weniger die Leinweber, in sofern sie dieses Metier kunstmäßig betreiben, und allein davon leben, sind nicht nur für ihre Person von der Einziehung zum Militairdienst befreyet, sondern auch befugt, eine gleiche Befreyung für einen ihrer Söhne zu fordern.

§. 3.
Schiffer, die Ströhme und Flüsse befahren, und ein eigenthümliches Schiff von der Grösse besitzen, daß sie darin 20 Winspel Roggen laden können, sind für ihre Person von der Einziehung befreyt. ...

§. 4.
Die Schaafmeister, worunter jedoch weder bloße Dorfschäfer noch Kosteknechte verstanden werden sind, wenn sie einer Heerde von 500 Stück ordinairen, oder von 250 Stück veredelten Schafen und darüber vorstehen, nicht 7 Zoll messen, von der Einstellung so lange frey, als sie den ihnen anvertrauten Heerden mit Treue, Fleiß und Rechtschaffenheit vorstehen, ...

§. 5. Postillons und Postknechte werden zum Militairdienst nicht eingezogen, solange sie beym Post-Fuhrwesen wirklich in Diensten stehen. ...

§. 6.
Auf größere Äcker oder andere Land- und städtische Nahrungen soll dem dazu [z.B. durch Erbschaft] gelangenden Cantonisten der Abschied ertheilt werden, darunter sind zu verstehen:
a) diejenigen, welche 5 Scheffel im Winterfelde, und eben so viel im Sommerfelde Aussaat haben; ...
c) alle Gärtnereyen, die von dem Umfange sind, daß die beständige Gegenwart des Wirths schlechterdings erforderlich ist.

§. 7.
Fällt eine solche Acker-Nahrung
a) durch das Absterben des bisherigen Inhabers einem oder mehreren Cantonisten zu, so soll derjenige von selbigen verabschiedet werden, der nach der Verfassung der Provinz das Erbrecht hat, er sey groß oder klein.
b) Sollte ein solches Gut, welches eine Witwe oder Tochter besitzt, durch Heirath einem Cantonisten zufallen, so hat das Regiment die Verbindlichkeit, denselben zu verabschieden, wenn er nicht eine Größe von 5 Zoll und darüber hat.

§. 8.
Eben wie mit den vorgedachten Ackergütern auf dem Lande, soll es auch mit der Verabschiedung der Ackerbürger in den Städten und in Ansehung anderer großen städtischen Nahrungen, worunter verzüglich die Brauereien, Brandweinbrennereien, Gastwirthschaften und Apotheken zu rechnen sind, gehalten werden, wenn der zu Verabschiedende die damit verbundene Nahrung selbst treibt. ...

§. 10.
In allen vorbestimmten Fällen, wo dem Vater die Wahl eines Sohnes zu der Fortsetzung seiner Nahrung gestattet ist, dürfen die Eltern unter mehreren Söhnen dazu nicht den Größten wählen, wenn derselbe das zu der Einstellung erforderliche Maas hat. Sie müssen daher einen von ihren kleineren Söhnen, der die erforderliche Geschicklichkeit und Tüchtigkeit hat, zu der Fortsetzung ihres Gewerbes bestimmen, indem nur unter dieser Einschränkung der vorhin versprochene Abschied ertheilt werden soll.

§. 11.
Es darf sich niemand willkührlich der Dienstverbindlichkeit entziehen: zu dem Ende:
a) soll niemand vom platten Lande bäuerlicher Herkunft ein Handwerk erlernen, und solches nur den Söhnen der auf dem Lande geduldeten Handwerker und denjenigen Bauernsöhnen, die wegen ihrer Schwächlichkeit oder Leibesgebrechen zur Landarbeit oder zum Militairdienst untüchtig sind, gestattet werden, wenn sie in solchen Fällen dazu eine ausdrückliche schriftliche Erlaubniß ihrer Obrigkeit beibringen.
b) Kein Cantonpflichtiger soll ohne Erlaubniß der Canton-Revisions-Commission zu einem von der Cantonpflicht eximirenden Gewerbe zugelassen werden.
c) Die Cantonpflichtigen sollen sich in cantonfreien Städten und Bezirken nur alsdann ansetzen dürfen, wenn sie dazu die Erlaubniß der Canton-Revisions-Commission beygebracht und ein für allemahl 100 Rthlr. zur General-Invaliden-Casse bezahlt haben: ihre vorhin etwa bereits erzeugte Söhne aber bleiben dem Canton verpflichtet.
d) Dürfen die Söhne der Bauern, Handwerker und derjenigen Bürger, deren Stand die Ausnahme nicht begründet, ohne Erlaubnißschein der Canton-Revisions-Commission nicht studieren.

§. 12.
Alle Cantonpflichtige von 16 bis 45 Jahren sind schuldig, jährlich bey den Canton-Revisionen sich zu gestellen, oder durch Atteste der Gerichts-Obrigkeiten gültige Entschudigungs-Ursachen der Nichterscheinung darzuthun ...

§. 16.
Die Cantonpflichtigen, die mit Leibesschäden behaftet sind, sollen sich auf Verlangen in die Garnison gestellen, um daselbst durch den Regiments-Chirurgus untersucht zu werden; diejenigen, die zum Militairdienst untüchtig befunden werden, brauchen sich bey den Canton-Revisionen nicht weiter zu gestellen.

§. 18.
Die Dienstzeit der Cantonisten, sie mögen in den Stamm-Rollen als wirkliche Einländer aufgeführt stehen, oder aber zu Ausländern declarirt seyn, soll auf so viel Jahre eingeschränkt werden, als die Ergänzung der Regimenter, nach Verhältnis der Cantons derselben sie unumgänglich nothwendig macht. Unter den Verabschiedungsursachen soll daher eine zwanzigjährige Dienstzeit, wobey ein Kriegesjahr für zwey Friedensjahre gerechnet wird, eine der vorzüglichsten seyn, wenn der Cantonist nachweisen kann, daß er nach Vollendung derselben, ohne den öffentlichen Invaliden-Versorgungs-Anstalten zur Last zu fallen, und ohne etwas mehr, als das freye Bürger- und Meister-Recht zu verlangen, sich zu ernähren im Stande ist.

§. 20.
Es ist keinem Cantonpflichtigen erlaubt, statt seiner einen Ausländer zu gestellen, sondern er soll selbst dem Vaterlande dienen. Ist seine Verabschiedung aber nothwendig, so soll sie ohnehin statt finden.

§. 21.
Diejenigen, die sich in boshafter Weise zu Kriegsdiensten untauglich machen, sollen beym Regiment 20mal Spiesruthen laufen, und demnächst, wenn sie dazu tauglich, an die Artillerie nach Berlin abgegeben werden, die sie als Ausländer aufführen kann.

§. 22.
Wer eine Krankheit oder ein Gebrechen vorschützt, um sich dadurch dem Militairdienst zu entziehen, soll mit körperlicher und dem Befinden nach mit Spiesruthen-Strafe belegt werden.

§. 28.
Dagegen sollen diejenigen Soldaten, die in Sr. Königlichen Majestät Militardienst Invalide geworden, entweder durch solche Civil-Bedienungen, die ihren Fähigkeiten angemessen sind, oder durch Unterbringung in einer Invaliden-Versorgungs-Anstalt, Anstellung bey einer Invaliden-Compagnie, oder den Gnadenthaler versorgt werden.

§. 29.
Die Cantonpflichtigen bleiben bis zu ihrer wirklichen Einziehung der Civil-Jurisdiktion unterworfen, welche ihnen denn auch die Erlaubniß zum Heirathen ertheilt. Sobald dieselben aber zur Fahne geschworen, stehen sie unter dem Regiments-Gerichte, und treten alsdenn erst in ihre vorige Civil-Verhältnisse zurück, wenn sie vom Regimente verabschiedet sind.


Seine Königliche Majestät von Preussen etc. Unser allergnädigster Herr, halten sich von Ihren getreuen Unterthanen überzeugt, daß sie die im neuen Canton-Reglement enthaltene, auf die Wohlfahrt des Landes, Aufrechterhaltung der Nahrungen und Gewerbe und die Sicherstellung ihrer eigenen Habe und Güter gerichtete Vorschriften und die ihnen darnach obliegende Verbindlichkeiten, wovon die hauptsächlichsten, in soweit sie zu jedermanns Wissenschaft zu bringen, nöthig erachtet worden, in diesen Auszuge enthalten sind, willig befolgen und demselben in keinem Stück zuwider handeln werden. Wogegen sie Höchstgedachter Seiner Königlichen Majestät kräftigen Schutz wider alle etwaige Beeinträchtigungen der ihnen zugesicherten Rechte und Freyheiten mit Zuversicht erwarten, so wie überhaupt Seiner Königlichen Majestät landesväterliche Huld und Gnade sich versichert halten können.


Gegeben Münster in der Kriegs- und Domainen-Kammer den 17ten Januar 1804.
Anstatt und von wegen Sr. Königl. Majestät von Preussen,
Freiherr vom Stein, Müller, Druffel, Ribbentrop, von Wolframsdorf, von Schlechtendal, von Reimann, Forckenbeck, Graf von Bocholtz, Lehmann, Scheffer, Schmedding.
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