[ Start | Politik | Nation | Wehrpflicht | Landwehr-Ordnung 1815 ]
   
  zurück
Auszüge aus der Landwehr-Ordnung vom 21.11.1815, in: Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten, Nr. 4, Berlin 1816, S. 77f, 87-91:


㤠1.
Die Landwehr bildet einen Theil der bewaffneten Macht, sie tritt indeß nur bei ausbrechendem Kriege und bei den jährlichen Uebungen zusammen. Mit Ausnahme des Staabes bei jedem Bataillon, sind sämmtliche Mitglieder im Frieden in ihre Heimath und zu ihren Gewerben entlassen.

[...]

§ 53.
In jedem Regierungs-Departement wird ein General oder Staabs-Offizier als Inspekteur der beiden Aufgebote angestellt, der die Uebungen derselben nach den darüber noch zu gebenden Vorschriften, so wie alle Militair-Ergänzungs- und Mobilmachungs-Angelegenheiten in dem Regierungs-Departement, in Vereinigung mit den Civilbehörden und unter dem Ober-Befehl des kommandirenden Generals der Provinz leitet.

§ 54.
Das 1ste Aufgebot wird jährlich Zwei, das 2te Aufgebot jährlich eine große Friedens-Uebung haben. Die erste Uebung des 1sten Aufgebots soll 3 Wochen dauern.

§ 55.
Die zweite Uebung soll acht Tage dauern und ein Bataillon des 1sten Aufgebots mit seinem Bataillon des 2ten Aufgebots in der Mitte seines Ergänzungs-Bezirks an einem schicklichen Orte zusammenrücken.

§ 56.
Wie und zu welcher Zeit diese Uebungen statt finden, soll noch durch besondere Vorschriften mit Rücksicht auf die Lokal-Verhältnisse bestimmt werden.

§ 57.
Auf welche Art ohne Beeinträchtigung der Gewerbe nach den Lokal-Verhältnissen es möglich seyn dürfte, einen Theil der Sonntags-Nachmittage zu kleinern Uebungen in den Ergänzungsbezirken zu gebrauchen, dies bleibt dem Ermessen der Lokal-Behörden überlassen.

§ 58.
Wie die Landwehr bei einem entstehenden Kriege ins Feld rücken und mit den Linien-Regimentern in Brigaden formirt werden soll, darüber werden noch besondere Anweisungen erfolgen.

§ 59.
Das 2te Aufgebot der Landwehr ist in Kriegszeiten nach dem Gesetz vom 3ten September 1814 hauptsächlich zu Besatzungen und zur besondern Sicherheit der Provinzen bestimmt.

§ 60.
Die bei einer jeden Landwehr-Compagnie befindliche Artillerie formirt bei dem Zusammenrücken, sowohl beim ersten als zweiten Aufgebot per Bataillon eine Artillerie-Compagnie von
1 Offizier,
8 Unteroffizieren,
100 Gemeinen.

Die Landwehr-Artillerie des 1sten Aufgebots wird bei eintretender Mobilmachung, nach einer dazu noch näher zu gebenden Bestimmung, mit der Artillerie des stehenden Heeres vereinigt; die Artillerie des 2ten Aufgebots rückt beim Ausbruch des Krieges in die nächsten Festungen.

§ 61.
Außer vorgedachten Uebungen kann die Landwehr nur auf Unsern Befehl und bei einem unerwarteten feindlichen Anfall durch den kommandirenden General der Provinz nach Unsern, ihm deshalb ertheilten Instruktionen, zusammengerufen werden. In wie fern einzelne Theile der Landwehr des 2ten Aufgebots zur Erhaltung der innern Sicherheit und zur Unterstützung des Landsturms auch im Frieden in einzelnen Fällen mitwirken sollen, darüber werden noch besondere Vorschriften erfolgen.

§ 62.
Sobald die Landwehr auf Unserm Befehl zusammen gerufen wird, tritt sie nach den deshalb ausgefertigten Etats, in den vollen Sold.

§ 63.
Im Frieden werden außer den Uebungen nur die vorhin angeführten bei der Landwehr zur Dienstleistung angestellten Personen besoldet, und werden die Regimenter hierüber so wie über die Gewehr-Reparaturgelder und Kompagnie-Unkosten etc. noch die besondern Etats erhalten.

[...]

§ 74.
Die Landwehr steht, wenn sie versammelt ist, unter den Kriegsgesetzen. In ihrer Heimath steht sie unter den Ortsgerichten, welche in etwaigen Straferkenntnissen die Landwehrmänner indeß nur mit solchen Strafen belegen können, die in den Kriegsgesetzen vorgeschrieben sind. Werden härtere Strafen nothwendig, so zieht dies zugleich die Ausstoßung aus der Landwehr nach sich.

§ 75.
Die Landwehroffiziere haben, wenn sie in ihrer Heimath sind, als Offiziere den Gerichtsstand der Erimirten.

§ 76.
Bei bedeutenden oder wiederholten Dienstvergehen, die sich einzelne Offiziere wider Erwarten zu Schulden kommen lassen, muß kriegesrechtlich erkannt werden und können die Kriegesrechte auch auf Entlassung aus dem Dienste, welches allemal den Verlust der Offizier-Prärogativen nach sich zieht, erkennen.

§ 77.
Bei den jährlichen Uebungen, die das 1ste und 2te Aufgebot nach § 55. zusammen hat, wird bei jedem der 2 Bataillone ein Ehrengericht von dem gesammten Offizier-Korps erwählt, welches aus einem Kapitain und zwei Lieutenants besteht. Der Zweck desselben ist, alle die im Laufe des Jahres vorgefallenen noch nicht ausgeglichenen Angelegenheiten des Offizier-Korps beizulegen, und die etwa vorfallenden Verstoße in der Führung einzelner Individuen zu rügen. Da wo ein ganzes Offizier-Korps auf die Entfernung einzelner Mitglieder antragen müßte, oder wo dies die Staabs-Offiziere und das Ehrengericht für nöthig halten sollten, wird nach § 76. über ein solches Individuum kriegesrechtlich erkannt.

§ 78.
Offiziere, sowohl als Landwehrmänner die im Dienst invalide wurden, werden eben so wie die Invaliden des stehenden Heeres behandelt.

§ 79.
Diejenigen Offiziere, die nach erfüllter Dienstpflicht ihren Abschied nachsuchen, können die Uniform forttragen.

§ 80.
Offiziere, die 20 Jahre bei der Landwehr gedient haben, treten in Hinsicht der Versorgung in die Rechte der Offiziere des stehenden Heeres.

§ 81.
Diejenigen Landwehrmänner, die in beiden Aufgeboten ihre Zeit ausdienten, erhalten das Vorrecht, bei feierlichen Gelegenheiten die Uniform tragen zu können.

§ 82.
Bei einem jeden Landwehrregiment, wird eine Anzahl Gnadenthaler für diejenigen Landwehrmänner bestimmt, die in beiden Aufgeboten vorwurfsfrei gedient, und in ihrem Alter der Unterstützung bedürfen. Sie gelangen übrigens zur Erhebung eines Gnadenthalers, wenn einer erledigt wird, nach ihrer Dienstzeit.
Wir befehlen Allen Unsern Behörden und Unterthanen, sich nach diesen Vorschriften zu achten.

Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Königlichen Insiegel. Gegeben Berlin, den 21sten November 1815.

(L.S.) Friedrich Wilhelm.
E. Fürst v. Hardenberg. v. Schuckmann. v. Boyen.


(No. 327)
Bekanntmachung vom 16ten Januar 1816., betreffend die Anstellung der aus dem Kriegsdienst zurückkehrenden Civilbeamten.

In der Bekanntmachung, die ich mit Bezug auf die Allerhöchsten Befehle Seiner Majestät wegen des Eintritts der Civilbeamten in den Kriegsdienst am 6ten Mai v.J. erlassen habe, ist No. 10. die Versicherung ertheilt worden, daß für die fixirte oder gegen Diäten zu bewirkende Anstellung solcher Civilbeamten, welche nur gegen Diäten oder unentgeldlich beschäftiget gewesen oder ihr Gehalt nicht aus öffentlichen Kassen bezogen, bei ihrer Rückkehr nach vollendetem Kriegsdienste unverzüglich Sorge getragen werden soll.
Da die Freiwilligen nunmehr in ihre Heimath entlassen worden, auch mit der Auflösung der Landwehr vorgeschritten wird, so werden diejenigen aus dem aktiven Kriegsdienst zurückkehrenden Civilbeamten, auf welche die Zusicherung No. 10. der Bekanntmachung vom 6ten Mai v.J. Anwendung findet, hierdurch aufgefordert, sich unter Beifügung des Zeugnisses über ihr militairisches Wohlverhalten an die Provinzialbehörde zu wenden, bei welcher oder in deren Bezirk sie früherhin beschäftiget gewesen sind.
Die Provinzialbehörden werden angewiesen, diese Meldungen solcher Beamten mit Beifügung ihrer Bemerkung über deren Qualifikation den Organisations-Kommissarien unverzüglich einzusenden, inzwischen aber provisorisch entweder unmittelbar oder mittelst Antrages an die vorgesetzte Behörde dafür zu sorgen, daß die Beamten, welche in die frühere Stellung nicht wieder zurückkehren können, und nach No. 14. der Bekanntmachung vom 6ten Mai v.J. fortlaufend Diäten beziehen, angemessen beschäftiget werden.
Den Beamten, die sich noch auf dem Marsch befinden, wird überlassen, sich unmittelbar unter Beifügung des Zeugnisses über ihr militairisches Wohlverhalten und mit ausführlicher Anzeige ihrer frühern Civilverhältnisse an die nächste Provinzialbehörde oder auch unmittelbar an die Organisations-Kommission, deren Würksamkeit in ihrer Nähe sie in Erfahrung bringen, mit ihren Anträgen zu wenden.
Berlin, den 16ten Januar 1816.
Der Staatskanzler
E. Fürst von Hardenberg“

Zum Seitenanfang 
 
Der LWL -  Freiherr-vom-Stein-Platz 1 -  48133 Münster -  Kontakt -  Impressum