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Auszug aus Christian Wilhelm Dohm, Über die bürgerliche Verbesserung der Juden, 1781:


„[...] In einigen (deutschen Staaten) hat man ihnen (den Juden) den Aufenthalt ganz versagt, und erlaubt nur für einen gewissen Preis den Reisenden, des landesherrlichen Schutzes für eine kurze Zeit [...] zu genießen. In den meisten [...] hat man die Juden nur unter den lästigsten Bedingungen [...] aufgenommen. Nur einer gewissen Anzahl jüdischer Familien ist es meistens erlaubt, sich [...] niederzulassen, und diese Erlaubnis ist gewöhnlich nur auf gewisse Orte eingeschränkt und muß allemal mit einer ansehnlichen Summe Geldes erkauft werden [...] Hat ein jüdischer Vater mehrere Söhne, so kann er gewöhnlich die Begünstigung des Daseins in dem Lande seiner Geburt [...] nur auf einen [...] fortpflanzen, die übrigen muß er [...] in fremde Gegenden ausschicken, wo sie mit gleichen Hindernissen zu kämpfen haben. Bei seinen Töchtern kommt es darauf an, ob er glücklich genug ist, sie in einer der wenigen Familien seines Ortes einzuführen [...]. Hat man dem Juden die Erlaubnis, sich in einem Staate aufzuhalten, bewilligt, so muß er dieselbe jährlich durch eine starke Abgabe wieder erkaufen, er darf sich nicht ohne besondere Erlaubnis [...] und nicht ohne neue Kosten verheirathen; jedes Kind vermehrt die Größe seiner Abgaben, und fast alle seine Handlungen sind damit belegt [...]. Bey diesen so mannigfaltigen Abgaben ist der Erwerb des Juden auf das äußerste beschränkt [...]. Der Ackerbau ist ihm allenthalben untersagt, und fast nirgends kann er liegende Gründe [...] eigenthümlich besitzen. Jede Zunft würde sich entehrt glauben, wenn sie einen Beschnittenen zu ihrem Genossen aufnähme [...]. Nur seltenen Genies [...] bleibt bey so vielen niederdrückenden Umständen noch Muth und Heiterkeit, sich zu den schönen Künsten oder den Wissenschaften zu erheben [...] Und auch diese seltenen Menschen, die in den Wissenschaften und Künsten eine hohe Stuft erreichen, sowie die, welche durch die untadelhafteste Rechtschaffenheit der Menschheit Ehre machen, können nur die Achtung weniger Edlen erwerben; bey dem großen Haufen machen auch die ausgezeichnetsten Verdienste des Geistes und Herzens den Fehler nie verzeihlich – ein Jude zu seyn. Diesen Unglücklichen [...] bleibt kein anderer Weg sich zu nähren, als der Handel. Aber auch dieser ist durch viele Abgaben und Einschränkungen erschwert [...] Sie sind also meistens auf einen sehr kleinen Detailhandel eingeschränkt [...] oder sie werden gezwungen, ihr Geld [...] an andere zu verleihen.“

 
Zitiert nach: Juden in Kassel 1808-1933. Eine Dokumentation anläßlich
des 100. Geburtstages von Franz Rosenzweig, Kassel 1986, S. 133.

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