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Auszüge aus dem: „Revidirtes General-Privilegium und Reglement, vor die Judenschaft im Königreiche Preussen, der Chur- und Mark, Brandenburg, den Hertzogthümern und Fürstenthümern, Magdeburg, Cleve, Hinter-Pommern, Crossen, Halberstadt, Minden, Camin, und Mörs; ingleichen den Graf- und Herrschaften Mark, Ravensberg, Hohenstein, Teklenburg, Lingen, Lauenburg und Lütau vom 17ten April 1750“:


„Erklärung der Ursachen zu anderweitiger Regulirung des Juden-Wesens.

Wir Friderich, von Gottes Gnaden, König in Preussen, Marggraf zu Brandenburg, des Heil. Römischen Reichs Erz-Cämmerer und Churfürst Souverainer und Oberster Herzog von Schlesien etc. etc.
Thun kund und fügen hiermit zu wissen: Nachdem Wir in Unserm Königreiche, Preussen, Chur- und Mark, Brandenburg, Herzog- und Fürstentümern Magdeburg, Cleve, Hinter-Pommern, Crossen, Halberstadt, Minden, Camin, und Mörs, imgleichen denen Graf- und Herrschaften, Mark, Ravensberg, Hohenstein, Teklenburg, Lingen, Lauenburg und Büren besonders auch in hiesigen Residenzen, bey denen darinnen dergleichen und geduldeten Juden, verschiedene Mängel und Mißbräuche vermerket, insonderheit aber gar eigentlich beobachtet haben, daß derselben überhand nehmende Vermehrung nicht nur dem Publico, besonders aber denen Christlichen Kaufleuten und Einwohnern ungemein Schaden und Bedrückung zugefüget, sondern auch der Judenschaft selbst dadurch und durch Einschleichung unvergleiteter, Fremden und fast nirgends zu Hause gehörenden Juden, viele Beschwerden und Nachtheil erwachsen; Wir aber aus allergnädigster Landesväterlicher Vorsorge alle und jede in Unserm Schutze stehende getreue Unterthanen, sowohl Christen als Juden, in beständigem guten Wesen und Flor ihrer Nahrung und Gewerbe so viel immer möglich gesetzet und erhalten wissen wollen: Dannenhero nöthig gefunden, solche Vorkehrung zu machen, daß diese Unsere allergnädigste Absicht erreichet, zwischen der Christen- und Juden-Nahrung- und Gewerbe Proportion gestifftet, und insbesondere durch unzuläßig erweiterten Jüdischen Handel und Wandel keinem von denen zu nahe geschehe. Zu welchem Ende Wir den Zustand des ganzen Juden-Wesens in Unserm Königreiche und vorbenannten übrigen Reichs-Landen, dazu gehörigen Jüdischen Familien, derselben Nahrung, Handel und Wandel von neuem genau haben untersuchen und Uns gewisse Vorschläge thun lassen, welche zu Erhaltung Unsers Endzwecks und damit verknüpften Wohlfarth der sämtlichen vom Handel und Wandel lebenden Landes-Einwohner dienlich erachtet, zugleich aber auch die Gerechtigkeit, Billigkeit und gemeinsame Sicherheit zum Grunde haben, daraus sodann ein eigenes Reglement und Verfassung des ganzen Juden-Wesens verfertigen und zum Stande bringen lassen; Als setzen ornen und wollen Wir hiermit und Kraft dieses,

[...]

II.
Es sollen keine andre Juden geduldet werden, als welche in denen am Ende dieses Reglements begrndlichen Listen stehen.


[...]

V.
Grundsätze so bey Ansetzung der Juden beobachtet werden sollen.


Wegen Ansetzung der Juden sollen hinkünftig nachfolgende Grund-Sätze festgesetzet und beobachtet werden:

Eintheilung der itzo vergleiteten und geduldeten, in ordentliche und ausserordentliche Juden.

1. Wird ein Unterschied gemacht, unter denen ordentlichen Schutz-Juden und denjenigen, so ausser der Ordnung auf Lebens-Zeit geduldet werden. Zu letztern gehören die, so eines Schutz-Juden Witwe geheyrathet, oder sonst eine Concession erhalten haben, wie auch die Witwen und übrige Kinder von der Familie, worauf bereits ein Kind angesetzet, dergestalt, daß künftighin nur diejenige für ordentliche Schutz-Juden gehalten werden, welche das Recht

Was ordentliche Schutz-Juden seyn.

haben ein Kind anzusetzen, solchen Behufs anitzo in der bestimten Zahl der ordentlichen Schutz-Juden von neuem aufgenommen und der Liste A. mit einverleibet worden.

Was ausserordentliche Schutz-Juden seyn.

2. Die vorhin benannte ausserordentliche Juden sind nicht befugt, ein Kind anzusetzen, noch ihres Ortes auf ihr Recht zu verheyrathen.
[...]

13. Damit hinführe alle Unterrichtsleife, Erschleichungen, heimliche und unzulässige Vermehrung der Familien destomehr vermieden werden; So soll keinem Juden eine Heyrath verstattet, noch einigeErlaubniß, sich auf eine oder andere Art anzusetzen gegeben, noch derselbe eher getrauet werden, als bis von der Krieges- und Domainen-Cammern eine gründliche Untersuchung mit Zuziehung des Officii Fisci desfals geschehen, und darüber ein, allen diesen Grund-Sätzen und neuen General-Privilegio gemäßes Gutachten; woben zugleich die wahren Umstände des anzusetzenden Juden wegen seines erforderten Vermögens samt dessen Erweise in genaue Betrachtung zu ziehen, ertheilet, und darauf ein Privilegium oder Concession ausgefertiget werden, und sind zu dieser Untersuchung die jedesmahligen Juden-Äeltesten mit zu additiren, die das Vermögen und die Aufführung eines jeden Juden am besten kennen müssen, auch für beydes responsabel werden.

Ehe solche erfolget, sollen weder die Chargen-Jura noch Trau-Gelder angenommen, am wenigsten durch blosse Erlegung der sonst geordneten Chargen-Gelder jemand angesetzet, oder auf den erhaltenen Trau-Schein, ohne daß er sein Privilegium oder Concession vorgezeiget habe, von dem Rabbi, oder wem derselbe solches aufträget, bey der im Edicte vom 18ten Aug. 1722. verordneten 1000 Rthlr. Strafe; so der jedes Orts confirmirte Rabbi, als welcher dafür stehen und ohne denen Wissen und Willen Niemand, am wenigsten ein fremder Rabbi eine Trauung allhier verrichten muß, getrauet, auch derjenige, so sich allhier trauen lassen, seines Schutz-Rechts verlustig erklährer werden; massen durch Erlegung der Chargen-Gelder allein sich Niemand zur Heyrath legitimiren kann, und ist solcherhalb schon an die Chargen-Casse gehörige Verfügung geschehen; Wie denn im übrigen, es wegen der Trauung dabey verbleibet, daß solche nicht eher geschehen müsse, als bis der Gewohnheit und denen Jüdischen Gesetzen nach die .... oder Ehe-Stiftung mit Consens der Äeltesten und des Rabbi, wenn es hier geschiehet, zwischen der Verlobten zu Stande gebracht und würcklich abgefasset worden; und dieses bey ebenmäßiger Vermeidung der bereits im General-Privilegio vom 20ten März 1714. § 13. gesetzten Straffe der 1000 Rthlr.

Knechten, Mägden und anderen Domestiquen aber, wird zu heyrathen gar nicht gestattet, sondern sobald sie solches unternehmen, müssen sie nicht weiter geduldet werden. [...]

[...]

VIII.
Die Juden sollen ihre Praestationes quarataliter bezahlen und die ganze Judenschaft dafür in solidum haften.


Die jährlichen Schutz-Gelder sowohl als die Chargen-Servis-Calender und Montie Pietatis-Gelder, sollen Quartaliter richtig und unfehlbar, und zwar sogleich mit Ende jedes Quartals, zu Unseren Cassen bey Vermeidung würcklicher Erecution bezahlet werden, auch für solche Bezahlung die ganze Judenschaft der respective Provinzien in solidum haften, und die Krieges- und Domainen-Cammern darüber die Nachdrucke halten.


IX.
Wie es mit den verarmten undauf dem Banquerout stehenden Juden zu halten.


Zu Erreichung dieses Zwecks sollen die Juden-Aeltesten und Vorsteher jeder Provinz und Orts auf den Zustand derer sämtlichen Juden ein beständig wachsames Auge haben, und falls sie mercken sollten, daß einer dergleichen dergestalt in Verfall seiner Nahrung geriethe, daß desselben Verarmung oder gar Banquerout zu besorgen, einfolglich derselbe zum gemeinen Beytrage der öffentlichen Lasten und Gebühren bald untüchtig werden müste, anderweitige Veranstaltung bey denen Collecten machen, daß die Ausfälle verhütet und sein Abgang noch Reste bey den Jüdischen Abgaben, so weit es die Königlichen Cassen betrift, entstehen mögen.

[...]

XI.
Die Juden sollen keine bürgerlichen Handwerke treiben.


Auf daß nun aber diese in Unserm Schutze stehende Juden hiesiger Residenzien sowohl, als anderwärts auch in den Stand gesetzet und erhalten werden mögen, alle diese und andere ihnen obliegende Abgaben zu bestreiten, sich ehrlich zu ernähren und dem gemeinen Wesen nicht zur Last zu fallen, noch weniger denen Christlichen Kauf- und Handels-Leuten, Manufacturiers, Fabricanten und Handwerks-Leuten, gleich bishero zum Theile ganz unverantwortlich ohne Concession sich anmassen wollen, so grossen Eintrag unter Abbruch in ihrer Nahrung und Gewerbe zu thun, selbige dadurch herunter zu bringen, und zu Abtragung derer öffentlichen Abgaben untüchtig zu machen; So setzen ordnen und wollen Wir hiemit fernerweitig und ernstlich: Daß kein Jude ein bürgerlich Handwerk treiben, noch ausser dem Pettschierstechen, Mahlen, Optischen-Gäser-Diamant- und Stein-Schleiffen, Gold und Silber finden, weiße Waaren ausnehen und andern dergleichen Gewerbe, wovon sich keine Professions-Verwandte und privilegirte Zünffte finden, sich anmassen, [...]

[...]

XV.
Bier und Brandtewein unter sich zu verschenken ist ihnen ferner erlaubet.


[...]

XVI.
Noch auch mit rohen Rind- und Pferde-Häuten, rohem oder gefärbten Leder und fremden wollenen Waaren weiter als ihnen unten besonders nachgelassen ist.


[...]

XVII.
Specerey und Gewürz-Waaren können sie vor andere Juden auf gewisse Art verkaufen.


[...]

Die rohen Tobake zu handelen, solchen selbst zu fabricken und Höcker-Waaren zu führen, ist denen Juden verboten.

[...].“
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