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Aus: Arno Herzig, Judentum und Emanzipation in Westfalen, Münster 1973, S. 33-35:


„Im Oktober 1826 diskutierte der Landtag die ‚bürgerliche Verbesserung der Juden‘.
Der 12. Landtagsausschuß, in dem sieben Abgeordnete vertreten waren, hatte die Vorlage vorbereitet. Zur Verhandlung und Abstimmung kamen u.a. folgende wichtige Themen:

1. Die Entfernung der Hindernisse der Ehen zwischen Juden und Christen.
Bis auf wenige Ausnahmen waren die Abgeordneten der Meinung, ‚daß die Zulässigkeit derselben nicht in betragen zu bringen sei, obschon sich die Wirksamkeit derselben als Assimilationsmittel nicht verkennen lasse‘.

2. Die Empfehlung der vollen Bürgerschaft.
Die Abgeordneten lehnten diese mit 42 gegen 21 Stimmen ab, da die Mehrheit der Meinung war: ‚daß eine gänzliche Aufhebung derselben (gemeint ist die Einschränkung der Rechte) einen nicht zu ratenden Rückschritt mit vorstellen werde‘.

Mit einer Mehrheit von 42 zu 21 Stimmen beantragten die Stände, den Juden auf die nächsten 10 Jahre den Erwerb von Grundstücken gänzlich zu verbieten. Das Gutachten des zwölften Ausschusses, in dem die Ergebnisse protokollarisch festgehalten wurden, und die Eingaben der Abgeordneten Seydel (Minden) und Gödde (Büren) wiederholen die schon bekannten Vorwürfe gegen die Juden und zeigen die gleichen Vorurteile wie die Gutachten der Landräte und Regierungspräsidien. Auch dem Ausschuß scheint es natürlich, ‚daß entweder dieser fremdartige Bestandteil aus der europäischen Bevölkerung gänzlich ausgeschieden oder von derselben assimiliert werde. Aus den Juden müssen entweder Europäer werden oder vertrieben und vertilgt werden‘. Für die Abgeordneten des Ausschusses sind die Juden Ausländer, die nicht in die europäischen Staaten hineinpassen. Wenn man auch der Ansicht ist, daß eine &ssquo;Vertilgung‘ nicht durchführbar sei, so bedeutet ‚Assimilierung‘ hier jedoch nichts anderes als Unterdrückung. Erst wenn alle jüdischen Eigenarten beseitigt seien, erfahre dieses Volk Anschluß an die allgemeine Zivilisation und verspüre dann das Bedürfnis der Selbstveredelung. Auf dieser Stufe schließlich sei eine politische Verbesserung möglich. Damit rückt die politische Emanzipation in weite Ferne, denn die dafür geforderten Voraussetzungen sind alles andere als konkret. Ähnlich wie die Ausführungen dieses Protokolls sind auch die Eingaben der Abgeordneten Seydel und Gödde gehalten. Auch sie verwechseln, soweit sie das Problem überhaupt differenzierter betrachten, Ursache und Wirkung. Es kann angenommen werden, daß die Mehrzahl der anderen Abgeordneten ähnlich dachte, gleichgültig aus welchem Stande sie kamen.

Das Ergebnis der Beratung wurde in einem Brief zusammengefaßt, den die Landstände am 26.12.1826 dem König übersandten. Die hierin enthaltenen ‚Verbesserungsvorschläge" verleugnen alles, was es in Preußen seit Dohms Emanzipationsbestrebungen gegeben hatte. Ja, man ist darauf aus, daß die ‚ihnen (den Juden) unter der Fremdherrschaft so voreilig erteilte(n) Staatsbürgerrechte wieder genommen und sie vorläufig nur als Schutzverwandte betrachtet werden‘. Vinckes antijüdische Einstellung und seine ‚Darstellung vom beklagenswerten Bild der moralischen Verderbtheit der Juden‘ hatten ihren Eindruck auf die Abgeordneten nicht verfehlt. Und so findet sich auch in dem Brief an den König die Behauptung, daß der weitaus größte Teil der Untertanen Gefahr laufe, durch die Juden ‚auf die elendeste Weise zu verarmen und harter Fron zu erliegen‘. Lediglich für das jüdische Schulwesen brachten die Verbesserungsvorschläge einige Vorteile. So wurden alle Gemeinden, die eine bestimmte Einwohnerzahl besaßen und auch Vermögen hatten, zur Errichtung von Judenschulen verpflichtet.

In einem Pro-Memoria nahm Vincke zu dem Gesuch an den König Stellung und legte bei dieser Gelegenheit seine Ansicht zu dem Problem umfassend dar.“



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