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Vereinsstatuten für die Handwerkerlehrlinge vom Dezember 1825:


„§ 1. Jeder Knabe jüdischer Eltern innerhalb des Regierungsbezirks kann sich, wenn er ein Handwerk erlernen will, an den Verein wenden, und dessen Rath und Hülfe in Anspruch nehmen.

§ 2. Kindern Bemittelter, die Kost und Lehrgeld selbst zahlen, und die die Verwendung des Vereins in Anspruch nehmen, wird derselbe geschickte Meister zur Erlernung des selbst erwählten Handwerks ausmitteln, die Aufsicht über den Lehrling führen und den Eltern Nachricht darüber geben.

§ 3. Sind die Eltern Mitglieder des Vereins, so geschieht dies unentgeltlich. Sind sie aber nicht Mitglieder, so zahlen sie jährlich 5 Rt. in die Kasse des Vereins, als Remuneration für Porto und sonstige Auslage.

§ 4. Knaben unbemittelter Eltern, die das Kost= und Lehrgeld nur zum Theil, oder gar nicht zahlen können, erhalten die nöthige Unterstützung, und bestimmt sodann der erste Assistent mit Zustimmung des Directors das ihren Kräften und Anlagen passendste Handwerk. Auch sie bleiben fortwährend unter der besondern Aufsicht des Vereins.

§ 5. So viel es jedoch in den Kräften des Vereins steht, wird er auf persönliche Neigung des Individuums Rücksicht nehmen, nicht minder auf örtliche und Familien=Verhältnisse.

§ 6. Jeder aufzunehmende Lehrling muß wenigstens das Alter von vierzehn Jahren erreicht haben.

§ 7. Er muß einen untadelhaften Wandel geführt haben, und darüber die Zeugnisse seiner Lehrer und des Ortsvorstehers aufweisen.

§ 8. Unbemittelte bringen zugleich das Zeugniß ihres Unvermögens vom Vorsteher oder Landrath dabei.

§ 9. Jeder Lehrling muß, so viel dem Handwerker nöthig ist, Deutsch schreiben, lesen und rechnen können. Hierin unterwirft er sich einer Prüfung.

§ 10. Die Anmeldung zur Aufnahme geschieht bei dem Geschäftsführer des Orts oder Kreises schriftlich, mit Einsendung der oben erwähnten Zeugnisse, der Handschrift und der schriftlichen Einwilligung der Eltern. Die Geschäftsführer werden den sich Meldenden alsdann den Zeitpunkt bestimmen, wo er sich in Münster zu stellen habe, wo er die fernere Bestimmung zu erwarten hat.

§ 11. Die Zeit der Anmeldung und der Aufnahme, die Namen der Geschäftsführer an den einzelnen Orten sollen öffentlich bekannt gemacht werden.

§ 12. Jeder Lehrling leistet dem Vereine und seinen bevollmächtigten Geschäftsführern Gehorsam.

§ 13. Fleiß und tadelfreier Lebenswandel sind für jeden Lehrling unerläßliche Bedingungen, und macht der Mangel derselben der Wohlthaten des Vereins auf immer verlustig.

§ 14. Besonders wird der Verein möglichst darüber wachen, daß die Lehrlinge in der wahren Ausübung ihrer Religionspflicht nicht gestört werden, und deshalb die nöthigen Vorkehrungen treffen.

§ 15. Klagen von Zöglingen und über dieselben sind den Geschäftsführern vorzutragen; diese entscheiden in eiligen Fällen sofort nach bester Einsicht, in minder dringenden Fällen holen sie die Entscheidung des Vereins ein.

§ 16. Die Art der Unterstützung der Unbemittelten, Belohnungen für fleißige und sich auszeichnende Lehrlinge, Forthelfen zu Reisen und zum Etablissement behält sich der Verein näher zu bestimmen vor.“

 
Quelle: Landesarchiv NRW - Staatsarchiv Münster, Regierung Münster Nr. 9356.

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