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Denkschrift des Oberpräsidenten Westfalens, Ludwig Freiherr von Vincke, über die Integration der jüdischen Bevölkerung, vom 6. Februar 1827:


„Nach dieser Erörterung der ständischen Vorschläge darf ich jedoch die Aeusserung einer innigsten Ueberzeugung nicht zurückhalten, daß deren und ähnlicher Realisirung im glücklichsten Falle nur dahin führen würde, den gräulichen Druck des Judenthums da, wo derselbe in solchem Umfange und Uebermaß wie einzelne Theile dieser Provinz überlastet, einigermaßen zu mildern und etwas weniger unschädlich zu machen, daß jedoch die philantropische Hofnung gänzlich aufgegeben werden muß, dadurch das Judenthum in dem Juden zu vertilgen und die Assimilirung desselben mit der christlichen Gesellschaft herbeizuführen.

Seit Dohm in seiner Schrift über die bürgerliche Verbesserung der Juden vor fünfzig Jahren den Reihen eröfnete, hat es an mannigfachen wohlgemeinten sehr gründlich motivirten, als ganz unfehlbar sich darstellenden Vorschlägen für diesen Zweck nicht gefehlt. Diese sind auch beherzigt, in einem ausgedehnten Umfange ins Leben getreten, es ist im kleinen wie im großen in Oestreich, Frankreich, Preußen, Bayern, Darmstadt und vielen kleinen Ländern der Versuch angestellet worden, die Juden in den vollesten Genuß der Menschen- und Bürger-Rechte zu setzen und dadurch die angeblich erlittene Unbill einer barbarischen Vorzeit auszugleichen. Allein wenn man den Resultaten nachfrägt, war hirdurch wirklich bewirkt? so ist leider überall und nirgends eine Veränderung in dem Zustande der Juden nicht wahrzunehmen; sie sind wesentlich dieselben, unter den größesten Begünstigungen, wie unter dem härtesten Druck, Juden geblieben vor wie nach, eine schon im 5ten Jahrhundert (Claudius Rutilius Itinerarium I, Vers 395 folgende) wie im 19ten, unerwünschte Pest der bürgerlichen Gesellschaft geblieben, mit dem alleinigen Unterschiede, daß sie, wo jene ihnen geworden, solche sehr industriös zur Ansammlung großen Reichthums auf Kosten der christlichen Unterthanen genutzt haben und wenn denselben nicht bald Schranken gesetzt würden und werden, diese mit gänzlicher Ueberwältigung bedrohen.

Solche große unwiderlegliche Erfahrungen müssen billig vor neuen Experimenten in der bürgerlichen Verbesserung der Juden nach denselben Weisen warnend zurück schrecken, denn es bleibt hier in der That nichts weiter durchzuprobiren, wenn der Erfolg noch zweifelhaft scheinen könnte, es muß gerechten Unwillen erregen, wenn noch ferner auf alleinige Kosten der Christen das Wagstück fortgetrieben werden soll, wo nach so vielen Jahren auch nicht der mindeste Anfang der Juden-Besserung sich herausgethan hat. Sie sind Grundbesitzer geworden, aber sie haben den Pflug nicht angefaßt; aller Betrieb von Handwerk und Künsten hat ihnen offen gestanden, sie haben das kaum bemerkbar genutzt. Die öffentlichen Bildungsanstalten bieten sich ihren Kindern dar, sie haben nur in wenigen einzelnen Fällen davon Gebrauch gemacht; dagegen haben sie die erlangten Bürgerrechte benutzt, ihren Schachergeist über alles, was irgend schacherfähig ist, auszubreiten; sie sind reicher geworden auf Kosten ihrer verarmten Umgebung, sie sind eiteler, frecher, um sich greifender aber in nichts besser, vielleicht schlimmer, jedenfalls verderblicher worden. Solche auffallende Erscheinung wird die Frage rechtfertigen, welches denn die Ursache sey, daß alle die pomphaften Pläne gescheitert und keiner zum Ziele auch nur zum Anfang einer Veredlung geführt? Nach meinen Dafürhalten ist der Grund lediglich darin zu suchen, daß die Juden eine politisch religiöse Sekte, eine eigne, einem andern Welttheile gehörige Nazion sind, die seit ihrer Begründung durch Mosis, schon durch dessen Gesetz vor jeder Vermengung gewahrt, sich durch alle Wechsel der Zeiten und Schicksale erhalten, ihre Eigenthümlichkeit bewahrt haben, so daß wir sie noch nach 2000 Jahren in derselben Gestalt unter uns erblicken, als hätten sie eben das gelobte Land erst verlassen, welche zerstreut über die ganze Welt immer in karakteristischer Uniformität gesondert von allen Völkern, unter allen Zonen dieselben sich wiederfinden.

[...]

Wenn aber auch dann jedes fernere Bemühen um die bürgerliche Verbesserung und Verschmelzung der Juden, so lange sie Juden bleiben, thöricht und fruchtlos aufgegeben werden muß, wenn auf der anderen Seite die Verderblichkeit dieser unglücklichen Nazion, das Unheil, welches ihr Schmarotzerleben über die christlichen Einwohner bringt, die Gefahr, welche das mit dem Geldreichthum wachsende Uebergewicht nicht weniger Judengenossen dem Staate drohet, unleugbar bestehen und deshalb ein anderer Zustand nothwendig herbeizuführen, nachdem die bisherigen Mittel verbraucht nun durchgreifendere angewendet werden müssen, so kann auch darüber kein Zweifel bleiben, daß diese Mittel einzig in der Zerstöhrung ihrer Nazionalität, in ihrer Ueberführung zum Christenthum zu finden seyn werden.
Denn von Vertilgungsmaasregeln der Juden kann keine Rede ferner seyn, auch die in frühern Jahrhunderten mit kanibalischer Grausamkeit versuchten haben sie überlebt, die Lichtesche Zurückpflanzung in das gelobte Land ist unausführbar, zur Auswanderung in den neuen Judenstaat des Hauptmanns Noak am Erie-See ist sich keine Geneigtheit bemerklich worden; schwierig und erfolglos würde auch die Anlegung eigner Judenstädte nach des alten D.H. Böhmer Dissertatio de cauta Judeorum tolerantia Vorschläge, somit zu einer völligen Ausscheidung der jüdischen Bevölkerung unter unschädlicher Erhaltung ihrer Nazionalität keine Hofnung bleiben.

Ich mögte auch solche nicht wünschenswerth, vielmehr die Aufnahme und Verschmelzung der Juden für recht ersprieslich, ihr Angebohrener Scharfsinn, ihre Schnelligkeit, Mäßigkeit, Nüchternheit, Sparsamkeit, Beharrlichkeit sind, wenn nur auf gute Zwecke gerichtet, höchst achtungswerthe Eigenschaften, auch ihre Moralität, mit Ausnahme aller Fälle wobei irgendein Gewinn zu machen stehet, ist lobenswerth. Von ihrer Vermischung mit den christlichen Einwohnern aber der Gegenden, welche in dieser Provinz jetzt vorzugsweise dem jüdischen Einfluße unterliegen, ließen sich die ersprieslichsten Folgen erwarten.

Es ergibt indessen die Erfahrung, daß der freiwillige Uebertritt der Juden zum Christenthum nur sehr sparsam und einzeln erfolgt, selbst durch die Thätigkeit der für diesen preiswürdigen Zweck bestehenden Sozietäten nur sehr langsam und außer allen Verhältnis zu der in ungewöhnlicher Progression sich überall vermehrenden, den Abgang einiger Proselyten reichlich ersetzenden jüdischen Bevölkerung bewirkt werden kann, und es muß alle Hoffnung verschwinden, bloß durch die Anwendung innerer Beweggründe das Ziel je zu erreichen. Daher würde es mir ganz unbedenklich erscheinen, weil durchgreifende Maasregeln doch nun mahl Noth thun, eine Wahl anderer Mittel von zuverläßigem Erfolge aber nicht bleibt, den sämmtlichen Juden in der preußischen Monarchie die Wahl zu stellen, innerhalb einer 10jährigen Frist entweder sich taufen zu lassen oder aber das Reich unerläslich zu räumen.“


 
Denkschrift des Oberpräsidenten Ludwig Freiherr von Vincke, gesandt an den Minister des Innern,
Friedrich Freiherrn von Schuckmann, Münster, 6.2.1827, Staatsarchiv Münster, Oberpräsidium 2627, Bd. 2, Bl. 18-25,
zitiert nach: Hans-Joachim Behr / Jürgen Kloosterhuis (Hg.), Ludwig Freiherr Vincke.
Ein westfälisches Profil zwischen Reform und Restauration in Preußen, Münster 1994, S. 680-683.

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