Ort: Weberei
Glatte Wäsche
Trotz bügelfreier Textilien ist das Bügeleisen im heutigen Alltag kaum wegzudenken. Doch wie lässt sich Wäsche auch ohne Hitze von Falten befreien? Mit starkem Druck. Beim Kaltmangeln bzw. Rollen wird der Stoff faltenfrei, indem auf rollende Holzwalzen enormer Druck ausgeübt wird und dieser die Textilfasern zusammenpresst. Zum Mangeln sind Rolltücher unentbehrlich. Mit Hilfe dieser zwei bis drei Meter langen und 75 bis 85 Zentimeter breiten Stoffbahnen aus Leinen, Halbleinen oder Baumwolle wird die Wäsche um sogenannte Rollhölzer gewickelt, dadurch fixiert und vor Schmutz geschützt.
Rolltücher
Rolltücher kannte man bereits seit langem, doch ihre Blütezeit erlebten sie erst in der Gründerzeit Ende des 19. Jahrhunderts. Die Weiterentwicklung der Lochkartensteuerung für aufwendige Muster durch Joseph-Marie Jacquard (1752 – 1834) um 1805 erlaubte es, Stoffe mit Bildmotiven als industrielle Massenware preiswert zu produzieren. Das Jacquard-Rolltuch war jedoch weniger zweckmäßig als ein entsprechendes Exemplar in Leinwandbindung, weil es wegen seiner Bindung nicht dessen Festigkeit erreichte. Hier wird die repräsentative Funktion der dekorativen Rolltücher deutlich. In Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gehörten sie zum festen Bestandteil der Aussteuer und waren somit Statussymbol.
Symbolik
Ab dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts trugen die bislang nur mit einem farbigen Randstreifen versehenen Tücher aufwendige Motive im Stil der Zeit. Die meisten kennzeichnet ein breiter, farbig gemusterter Rand sowie der Schriftzug „Rolltuch“. Die Mitte zeigt oft idealisierte Waschszenen oder Frauen beim Bügeln und Bleichen. Auch „moralische“ Sprüche zieren die Tücher: „Wie die Wäsche klar und rein, soll auch Herz und Sinne sein“. Parallelen zur heutigen Wasch- und Putzmittelwerbung sind unverkennbar.
Mangeln
Mangeln benutzten bereits die Tuchmacher und Färber des Mittelalters. Unter einem steinbeschwerten Kasten wurden dabei walzenförmige Rollhölzer, um die man die betreffenden Textilien legte, hin- und herbewegt. Dabei half ein Pferdegöpel, oder aber man rollte mit eigener Kraft und zuletzt mit Hilfe eines Elektromotors. Seit Anfang des 19 Jahrhunderts vereinfachten große Mangeln mit Handkurbeln und Schwungrad die Arbeit. Da sich in der Stadt kleine Haushalte diese Ungetüme nicht leisten konnten, mietete man sie stundenweise. Fast jedes Seifengeschäft verdiente daran, dass es im Keller für seine Kunden eine Mangel bereit stellte. In Wohnsiedlungen standen den Mietern häufig Waschküchen mit Rolle zur Verfügung. Aber auch Kolonialwarenläden und Wäschereien boten oft Möglichkeiten zum Mangeln an.
Die Ausstellung zeigt mit einer Auswahl der interessantesten Rolltücher aus der umfangreichen Privatsammlung von Gisela Meyer aus Berlin ein Stück deutscher Alltagskultur. Ihre Leidenschaft begleitet Sie nunmehr über 20 Jahre und ließ ihre Sammlung auf 530 unterschiedliche Rolltücher anwachsen.
Neben den langen, schmalen Stofftüchern werden auch Fotos und Emailschilder rund ums Rollen präsentiert. Mit zahlreichen Typen von Wäschemangeln, die zum Mitmachen einladen, kommt auch die technische Seite nicht zu kurz. Ein kurzer Film veranschaulicht das Verfahren des Kaltmangelns.
In die Mangel genommen oder die Kunst des kalten Wäscheglättens
11.12.2011-25.3.2012
LWL-Industriemuseum TextilWerk Bocholt
Weberei
Uhlandstraße 50
46397 Bocholt
Geöffnet Di-So, 10-18 Uhr
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