Wer und was ist eigentlich ein Held? Im Foyer der Gebläsehalle bietet ein Panorama verschiedener Heldenfiguren und ihrer herausragenden Eigenschaften Antworten und Denkanstöße. Lassen Sie sich von der interaktiven Installation auf Ihre Spurensuche durch die Ausstellung einstimmen!
Herkules, der Prototyp des Helden schlechthin, steht als überlebensgroße Statue am Beginn der Ausstellung. Auf wertvollen Amphoren und Münzen kämpft der Supermann der Antike gegen Löwen und Zentauren. Mut und Stärke, der Einsatz von Leib und Leben, der Triumph, aber auch das Scheitern sind Motive aus der Antike, die über Jahrhunderte in der Heldenverehrung eine Rolle spielen.
Wichtige Bereiche der Heldenverehrung wie Sport, Nation und Krieg werden an ausgewählten Beispielen aus der Antike gezeigt. Bei aller Ehrfurcht vor den 2.000 Jahre alten Stücken darf auch geschmunzelt werden, zum Beispiel beim Anblick des Superhelden Herkules auf einer antiken Nuckelflasche.
Aus der Welt der Antike gelangen Sie in einen stilisierten gotischen Kreuzgang. Gregorianische Gesänge unterstreichen die Atmosphäre. Ein Altarkreuz mit einer Jesusfigur aus dem 12. Jahrhundert und ein mittelalterlicher Hausaltar stehen für den „Superstar“ der christlichen Welt und ihr Wertesystem, das zwei neue Heldentypen hervorbringt: Heilige und Ritter. Beide spielen bis weit ins Industriezeitalter eine Rolle, gerade auch im Ruhrgebiet. Die Ausstellung zeigt Beispiele, die die Besucher durch die Ausstellung begleiten: St. Georg, Drachentöter und Universalheld des Mittelalters, wird 1.600 Jahre nach seinem Märtyrertod als Stadtpatron Hattingens in Bronze gegossen.
Auch die Heilige Barbara wird doppelt in Szene gesetzt: Als Heilige des Mittelalters und viel verehrte Schutzpatronin der Bergleute im Revier des 19. und 20. Jahrhunderts. Bringen Sie etwas Muße mit und hören Sie sich per Kopfhörer Heldengeschichten aus dem Nibelungenlied an. Dabei können Sie schon einmal einen Blick auf die Abenteuerfilme in der Abteilung Medienhelden erhaschen.
Im 19. Jahrhundert suchte man für die neu erstehende Nation nach Vorbildern zur Selbstvergewisserung und Traditionsbildung. Siegfried, der sagenhafte deutsche Drachentöter, und Arminius, der die Römer aus Germanien vertrieb, passten da gut ins Bild. Der Cheruskerführer wurde in Hermann umbenannt und im Teutoburger Wald auf den Sockel gehoben. Auch die Schmiede des Deutschen Reichs, Kaiser Wilhelm I. und sein Kanzler Bismarck, werden zu Helden stilisiert. Neben Denkmälern zeigen Schulwandbilder und Ansichtskarten als Propagandamittel der Zeit, wie die Untertanen auf die neue Nation eingeschworen werden. Ein Blick auf Frankreich und Polen öffnet die Perspektive auf die Nationalhelden der Nachbarstaaten und ihr spannungsreiches Verhältnis.
Auch Arbeiter und Unternehmer feiern an der Schwelle zum 20. Jahrhundert ihre Helden - oder stellen sich selbst als solche dar: Gustav Krupp von Bohlen und Halbach aus der Industriellendynastie des Ruhrgebiets, plante zum Firmenjubiläum im Jahr 1912 aufwändige Ritterspiele und setzte sich selbst in voller Rüstung als Protagonist in Szene. In den Jahren der großen Streiks und Arbeitskämpfe bediente sich auch die Arbeiterbewegung traditioneller Formen der Verehrung ihrer Anführer als Helden.
Kreuze, wo man hinsieht: Im Vordergrund Orden, dahinter ein Gräberfeld. Die Inszenierung zeigt die gefeierten und gefallenen Helden der beiden Weltkriege. Im Krieg treffen die Konstruktion des Helden und seine reale Zerstörung unmittelbar aufeinander. Auf der einen Seite: Ein großes Kriegerdenkmal mit den typischen Heldenattributen und eine Handpresse, mit der Orden im Schnellverfahren gefertigt werden konnten. Auf der anderen: Fotos verwundeter Soldaten und Prothesen als Versuche der Medizin, den zerstörten Heldenkörper wieder zusammenzusetzen.
Aus der anonymen Masse der Soldaten ragen Personen heraus, die für die damalige Heldenpropaganda stehen: Manfred von Richthofen zum Beispiel, der „rote Baron“ und gefeierte Flieger des Ersten Weltkrieges. Seine Maschine wurde über England von australischen Alliierten abgeschossen. Wrackteile sind jetzt aus dem fünften Kontinent nach Hattingen gekommen. Die Helden des Widerstandes stellt ein Beitrag aus einem der Schulprojekte in den Vordergrund, das an dieser Stelle die Präsentation ergänzt. Blicken Sie geradeaus und entdecken Sie den Blauhelm eines UN-Soldaten in der Abteilung „Helden heute“.
In der Welt des Sports gewinnen die Medien als Heldenmacher eine große Bedeutung, und auch das Revier kommt hier stärker ins Spiel - nicht nur auf dem Fußballfeld. Wer weiß schon, dass der erste Olympiasieger aus dem Ruhrgebiet seine Goldmedaille 1906 im Tauziehen gewann? Die Trophäen von Josef Krämer sind in der Ausstellung zu sehen.
Boxen, Autorennen und Fliegerei sind die Sportarten, die durch den Einsatz von Leib und Leben in den 1920er Jahren die bekanntesten Sporthelden hervorbrachten. Als herausragendes Beispiel gilt der erfolgreiche Rennfahrer Bernd Rosemeyer, der 1938 bei einem dramatischen Weltrekordversuch ums Leben kam. Eine Replik des „Silberpfeils“ Typ R der Auto Union ist Hingucker der Abteilung. Nicht minder zur Heldin stilisiert wurde das Flieger-Ass Elly Beinhorn, die zahlreiche Weltrekorde im Langstreckenflug aufstellte. Die Eheleute Rosemeyer und Beinhorn galten als d a s deutsche Heldenpaar der 1930er Jahre.
Der große Max Schmeling steht einerseits für die zeitlose Heldenfigur des Boxers, der schon in einer antike Statuen zu sehen war, andererseits für die Instrumentalisierung des Sports durch die NS-Propaganda. Ausschnitte aus Riefenstahl-Filmen von den Olympischen Spielen 1936 zeigen darüber hinaus die Vereinnahmung des Sports und des Athleten durch die Politik in ästhetischer Reinform.
Nach dem Trauma des Zweiten Weltkrieges findet die Nation in den „Helden von Bern“ erstmals wieder positive Identifikationsfiguren und neues Selbstbewusstsein. Begegnen Sie dem Essener Fußballer Helmut Rahn, der im Endspiel um die Fußballweltmeisterschaft 1954 den Siegtreffer erzielte, in Gestalt einer lebensgroßen Statue und in der berühmten Radioreportage von Herbert Zimmermann.
Der „Held der Arbeit“ wurde in der Sowjetunion geboren, kommt aber in Wirklichkeit aus Westfalen: Adolf Hennecke, gebürtig in Werl, wurde 1948 als erster DDR-Arbeiter zum Helden gekürt, weil er in einer Schicht als Hauer unter Tage 387 Prozent des Plansolls erfüllte. Ein Dokumentationsfilm mit nachgestellten Szenen zeigt den Bergmann beim Kohleabbau im Zwickauer Revier und preist seine vorbildlichen Leistungen für den sozialistischen Staat. Später wurden zunehmend auch Frauen mit dem Helden-Orden ausgezeichnet wie die Zittauer Weberin Frieda Hockauf.
Das kurioseste Exponat der Abteilung ist eine Kaninchenkiste, gefertigt aus einer „Plansolltafel“ für eine Plattenbausiedlung von 1989. Im Interview erzählt sein Besitzer von Heldenmythos und Wirklichkeit im sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaat.
Das Bild des sozialistischen Helden zeigt am eindrucksvollsten die Skulptur „Arbeiter und Kolchosebäuerin“, die die Künstlerin Vera Muchina 1937 für die Pariser Weltausstellung entwarf. Hoch über den beiden hängt Lenin am Kranhaken - ein Bild für den Fall sozialistischer Heldenbilder nach 1989.
Zwei Jahre vor dem Mauerfall kommt in Hattingen die Wende: Gegen erbitterten Widerstand wird am 18. Dezember 1987 auf der Henrichshütte, dem Ort der Ausstellung, der letzte Hochofen ausgeblasen. Ein Fernsehbericht erinnert an diesen „schwarzen Donnerstag“. In den Monaten zuvor hatten sich Zehntausende an Protesten und Mahnwachen beteiligt; Transparente, Plakate und Flugblätter zeugen davon. In Interviews erzählen vier Kämpfer von damals von ihren Hoffnungen, den Zielen und ihrer Selbstwahrnehmung als „Helden“, zu denen sie in den Medien stilisiert wurden. Im Mittelpunkt der Präsentation und mit Sichtverbindung zum Mittelalter steht die vier Tonnen schwere Plastik des Heiligen Georg vom Hattinger Rathausplatz, verankert auf einem Gießtrichter aus der stillgelegten Henrichshütte.
Bunt und bewegt geht es in der Abteilung "Medienhelden" zu. In historischen Comics geben sich Asterix, Spiderman, Superwoman und Co. ein Stelldichein. Auf drei Monitoren laufen Ausschnitte aus Western, Abenteuer- und Actionfilmen, flankiert von originalen Helden-Requisiten wie der Silberbüchse Winnetous, dem Helm des "Gladiators" und einem Laserschwert aus dem Science-Fiction-Epos „Star Wars“.
Lara Croft ist die erste Heldin eines Computerspiels, die es auch ins Kino geschafft hat. In der Ausstellung lenkt eine lebensgroße Figur der Abenteuerin den Blick auf eine interaktive Spielstation, die eine Begegnung mit Protagonisten aus Bildschirmspielen ermöglicht.
Die Helden aus Comic, Film und Cyberspace gelten heute mehr denn je als Ersatz für die realen Helden der Schlachtfelder und Kriegsschauplätze. Mit ihrem Auftreten, ihren Taten und ihrem Mut aber folgen sie den zwei Jahrtausende alten Helden-Mustern. Entsprechend steht die lebensgroße Superman-Figur in einer Linie mit der antiken Herkules-Statue vom Beginn des Rundgangs.
In der Mitte der Ausstellung stehen die aktuellen Helden. Sichtachsen und ausgewählte Arbeiten des Schülerprojektes „HELDEN-Werkstatt“ schaffen deutliche Verbindungen zu allen anderen Ausstellungsabteilungen. Hier begegnen Sie Rettern, Helfern und ausgezeichneten Helden des Alltags von den New Yorker Feuerwehrleuten des 11. Septembers über die Aktivisten von Greeenpeace und Robin Wood bis zu den ehrenamtlichen Helfern der Oderflutkatastrophe.
Auch die „Helden des Reviers“ haben in der Mitte der Schau ihren Platz: Ruhrgebietstypen wie Adolf Tegtmeier, Tatort-Kommissar Horst Schimanski oder Kultschauspielerin Tana Schanzara, aber auch verdiente Bürger des Ruhrgebiets als neue Helden des Reviers im Wandel sind hier versammelt. Das Revier als Schmelztiegel: Jeder vierte im Ruhrgebiet hat einen Migrationshintergrund und viele Einwanderer haben ihre Vorbilder mitgebracht. Exponate zu Atatürk, Papst Johannes Paul II. oder Juri Gagarin werfen Schlaglichter auf die „zugewanderten Helden“.
Seit einigen Jahren ist ein wachsender Trend zu beobachten, selbst in die Rolle eines Helden schlüpfen zu wollen. Gleichzeitig findet eine Kommerzialisierung des Heldenkults statt. Ob in Castingshows, am Computerbildschirm als Held eines Videospiels oder als Akteur auf Internetplattformen wie „Youtube“, überall gibt es Möglichkeiten, selbst zum Helden zu avancieren - auch in der Ausstellung. Am Ausgang können sich Besucher in der Videoinstallation „Standing Ovations“ bejubeln lassen: Je näher sie auf das Publikum zugehen, desto lauter wird der Applaus.
=> LWL-Film zur HELDEN-Ausstellung, 10.3.2010
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