"Alles Kopfsache" heißt die neue Ausstellung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) im LWL-Industriemuseum Henrichshütte in Hattingen. Hut, Helm, Tuch & Co. - was der Mensch sich auf den Kopf setzt, erzählt uns, was er denkt, wie er lebt, wo er arbeitet, welche Stellung er in der Gesellschaft hat. Gemeinsam mit dem Landschaftsverband Rheinland (LVR) und dem Stadtmuseum Hattingen zeigt das LWL-Industriemuseum, wie Hüte gemacht werden, wo Hüte gehandelt werden und warum sich Menschen Hüte auf den Kopf setzen
Das "Warum" ist Thema im Foyer des LWL-Museums. Der erste Blick fällt auf eine Jakobiner-Mütze von 1792. Daneben ist "Marianne", Symbol der französischen Revolution - natürlich an eben jener roten Kopfbedeckung zu erkennen. Vor ihr steht ein Gartenzwerg, ebenfalls rot bemützt. Tatsächlich haben beide Kopfbedeckungen gleiche Wurzeln. "Vom Aufruhr zur Beschaulichkeit - das Gleiche ist eben nicht Dasselbe.
Solche Perspektivwechsel begegnen dem Gast auch an den folgenden Stationen", erklärt Projektleiterin Theresa Viehoff-Heithorn: "Das Kopftuch ist keineswegs den Frauen vorbehalten und kommt in allen Kulturen zum Einsatz." Jopi Heesters und Marlene Dietrich machen den Auftakt in der Abteilung "Zylinder". Einst war der Zylinder Symbol des aufbegehrenden Bürgertums, ein "revolutionärer" Zylinder von 1848 belegt das. "Auch beim Erzkapitalist Dagobert Duck funktioniert der 'hohe Hut' als Symbol", weiß Viehoff-Heithorn, "wenn auch mit ganz anderem Inhalt." Die Themen Politik und Militär folgen, auch Ritual, Theater und Sport.
Beuys und Bonaparte
Kurator Dr. Olaf Schmidt-Rutsch mag die Abteilungen "Norm" und "Identität" besonders gerne: "Hier wartet die Erkenntnis, dass wir beim Dresscode eher nicht mit dem Kopf durch die Wand der Verhaltensnormen gehen. Aber wehe, wenn sie losgelassen werden: Im Karneval wird das Jecke zur Norm", lächelt Schmidt-Rutsch und wendet sich zum "walk of fame". Auf rotem Teppich mit respektvollem Abstand präsentieren sich dort behütete Größen aus Politik und Show-Business. Beuys, Delay und Cicero stehen für die Kunst, Dietrich, Monroe und Meysel für den Film, Adenauer, Schröder und Genscher für die Politik. Und da stehen sie dann, die Pickelhaube von Wilhelm I. und der Zweispitz von Napoleon. "Dass wir diese phantastischen Exponate zeigen können, macht uns schon ein bisschen stolz", räumt Schmidt-Rutsch ein.
Adelig geht es weiter bei Berufswelt und Arbeitsschutz. "Bilder von behelmter Prominenz sollten zeigen, dass Arbeitsschutzvorschriften für alle gelten", erläutert Viehoff-Heithorn. Handfeste Belege liefern die Helme von Queen Elisabeth und Erich Honecker. "Es ist schon erstaunlich, dass ein echter Kopfschutz erst seit den 1960er Jahren bestand." Interviews mit ehemaligen Arbeitsschutzbeauftragten belegen das. Reise-Hüte und das Wetter schließen den Reigen der Motive und Themen ab.
Schienenbus und Stahlwerk
Durch den Windfang (Thema: Wetter) geht es hinaus zum Schienenbus. Hier werden Geschichten der Zuwanderung erzählt, die mitunter auch Hutgeschichten sind. So wie jene von Emin Özel aus Paderborn, der dort zum ersten muslimischen Schützenkönig Deutschlands gekürt wurde- natürlich mit Schützenmütze gekleidet.
Kind mit Hut
Im Bessemer-Stahlwerk steht jetzt eine halbe Hutfabrik. Am Beispiel der Firma Mayser, dem "Mercedes unter den Hüten", wird der Weg von Stroh und Haar zum fertigen Hut gezeigt. Auch Mayser spürt dem internationalen Preisdruck und den modischen Mainstream, der zu Stilllegungen in der Branche und weltweit zum Verlust traditioneller Produkte und Produktionen geführt hat. Das Unternehmen produziert deshalb Hüte für das gehobene Qualitätssegment. Und es hat andere Anwendungsbereiche für die Dampfformtechnik der Hutproduktion gefunden, unter anderem die Herstellung von Rammschutz für Bulldozer und von BH-Cups. Vor Ort beginnt dann die Suche, wie der Mensch zum Hut kommt. Hattingen verfügt noch über ein Fachgeschäft. Doch der Blick führt schnell weit hinaus. Denn andernorts ist man auf Kaufhaus, Katalog und Internet angewiesen. Was macht das mit den Menschen und ihren Hüten? Ist der Basecap-Einheitslook Kulturverlust oder ermutigendes Zeichen einer Welt, die zusammenrückt? Und wem gilt unsere Achtung? Den Millionen Kindern in der indischen Textilindustrie? Den Menschen in Ecuador, die wochenlang mit ihren Händen im Wasser an einem Panamahut flechten? Den Facharbeitern im Allgäu, die hochpreisigen Schick produzieren? Oder doch der "demokratischen Krone" Basecap, die alle "unter einem Hut" bringt? Auch hier zeigt sich, dass alles, was der Mensch sich auf den Kopf setzt, etwas mit dem Kopf zu schaffen hat, auf dem er sitzt. Oder um Heinz Erhard zu bemühen: "Es lohnt sich nicht n' Hut zu tragen, endet der Mensch bereits am Kragen."
Hütchen-Spiele
Hut, Helm, Tuch & Co. kann man in der Ausstellung auf vielen Wegen erleben. Unter dem Motto "Hütchenspiele" bietet das LWL-Industriemuseum Führungen, Workshops und vieles mehr.
So steht jeden Sonntag um 15 Uhr eine offene Führung auf dem Programm. Neben der Führung "Alles Kopfsache" bietet das LWL-Industriemuseum noch ein Quiz und mehrere altersspezifische Schulführungen an. Museumspädagogin Anke Troschke freut sich über eine Premiere: "Mit der Hutschachtel können die Gäste selbst durch die Ausstellung gehen. Da sind Dinge drin, die den Hut-Besuch zu einem besonderen Erlebnis für die ganze Familie machen." Schulen können eine Schulschachtel für die Unterrichtsvorbereitung ausleihen. Mit dem "Wanderhut" gehen die LWL-Mitarbeiter auch in Seniorenheime. In Workshops können Hüte gebastelt und Helme aus Metall geformt werden.
"‘AllesKopfsache‘ ist ein wirklich dankbares Thema. Die Kooperation der beiden Landschaftsverbände mit der Stadt hat Lust auf mehr gemacht. Wir hatten bis heute viel Freude am Projekt und konnten eine Schau mit spektakulären Objekten und vielen Denkanstößen schaffen", freut sich LWL-Museumsleiter Robert Laube. "Mit Vorträgen, Filmnächten und Erzählcafés gibt es wirklich viele Gelegenheiten, sich 'AllesKopfsache ' in den Kopf zu setzen."
Katalog:
Alles Kopfsache. Hut, Helm, Tuch & Co. Katalog zur Austellung im LWL-Industriemuseum Henrichshütte Hattingen, 8.7.-30.10.2011, Hg. Landschaftsverband Westfalen-Lippe, Theresa Viehoff-Heithorn, Klartext-Verlag Essen 2011, 16,95 €, ISBN 9783837506129
Begleitprogramm
Filmabende
Beginn jeweils 19 Uhr
9.12.2015
Clara Immerwahr (DT/AT 2014, 89 Min.)
Erzählt wird die Lebensgeschichte der ersten promovierten deutschen Chemikerin (1870–1915) – und die Geschichte einer unglücklichen Liebe. Nach Umwegen finden Clara und der Chemiker Fritz Haber zusammen. Er will das Ernährungsproblem lösen und arbeitet an der Stickstoff-Fixierung – gleichermaßen Grundlage für Kunstdünger und Sprengstoff ...
6.1.2016 (Doppelfilmabend)
Der verrückte Professor (USA 1963, 103 Min.)
Der exzentrische, ungeschickte und ziemlich unansehnliche Chemieprofessor Julius Kelp wird weder von seinen Studenten noch von seinen Kollegen ernst genommen ...
Das Labor des Grauens (GB 1974, 92 Min.) FSK 16
Der Biologe Dr. Nolter ist am College Pflanzenspezialist und widmet sich Forschungen, bei denen er einigen seiner Studenten Operationen unterzieht, um Kreuzungen der DNA zwischen pflanzlichem und menschlichem Leben zu erzeugen ...
10.2.2016 (Doppelfilmabend)
Chemie und Liebe (DT 1948, 98 Min.)
Die Ernährung der Menschen ist nach dem Krieg ein unmittelbar drängendes Problem. Der Chemiker Dr. Alland hat eine sensationelle Erfindung gemacht hat: Er kann das pflanzliche Ausgangsmaterial – Gras oder Moos – auf direktem Wege in Butter verwandeln, ohne dabei Kühe zu benötigen ...
Das blaue Palais, Teil 5 – Der Gigant (DT 1976, 90 Min.)
Der Chemiker Enrico Polazzo will einen neuen Werkstoff, einen synthetischen Stahl, entwickeln. Um seine Forschungen fortsetzen zu können, lässt er sich von einem multinationalen Konzern engagieren, der jedoch zwielichtige Ziele verfolgt...
9.3.2016 (Doppelfilmabend)
Medicine Man – Die letzten Tage von Eden (USA 1992, 102 Min.)
Sechs Jahre lang schon lebt der Wissenschaftler Dr. Robert Campbell (Sean Connery) bei einem Indianerstamm im tropischen Regenwald. Dort hat er eine Pflanze entdeckt, mit deren Extrakt man krebskranke Menschen heilen kann. Die genaue Formel hat er jedoch verloren.
The Fountain (USA 2006, 93 Min.)
In spektakulären Bildern erzählt D. Aronofsky eine epische, sich über tausend Jahre erstreckende Geschichte. Entstanden ist dabei eine ehrgeizige Mischung aus Science Fiction, Historienfilm und Drama
23.3.2016 (Doppelfilmabend)
Hauptsache die Chemie stimmt (USA 2014, 91 Min.)
Vorstadt-Apotheker Sam Rockwell lernt durch eine gefährliche Liaison mit Femme Fatale Olivia Wilde so manche Drogen-induzierte Lektion in Sachen aufregendes Leben.
The Substance – Albert Hoffmanns LSD (CH 2011, 89 Min.)
Martin Wirz porträtiert in dieser Dokumentation den Weg der Psychodroge LSD (Lysergsäurediethylamid) von der Entdeckung durch den Chemiker Albert Hofmann bis zu seiner populären Beliebtheit als Partydroge.
3.4.2016 11 und 15 Uhr
Finissage mit dem Kindertheater „Das geheime Labor“ der Umweltbühne Chemnitz. Eintritt frei