"Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit“ hat Karl Valentin gesagt. Die Keramik-Künstlerin Young-Jae Lee kann das unterstreichen. In einem wahren Kraftakt hat sie in den vergangenen Monaten 108 große Schalen für ihre Installation „Vessels“ auf der Töpferscheibe in ihrem Essener Atelier angefertigt. Der englische Begriff ist in der Übersetzung doppeldeutig – er steht gleichermaßen für Gefäße wie für Schiffe und passt damit bestens zum Schiffshebewerk Henrichenburg.
Dieser gewaltige, 70 Meter lange „Raum“ aus Stahl hatte Young-Jae Lee schon bei ihrem ersten Besuch vor eineinhalb Jahren im Schiffshebewerk fasziniert, weil er Form, Rhythmus und Struktur hat, aber zugleich schlicht wirkt. Die Ingenieure, die das Schiffshebewerk vor über 110 Jahren entwarfen, hatten vor allem die Funktionalität der Anlage im Blick. In den kommenden Monaten verwandelt die Künstlerin diesen technischen Ort mit ihren „Vessels“ in eine poetische Landschaft.
Hintergrund
Das Atelier von Young-Jae Lee liegt auf dem Gelände der Zeche Zollverein in Essen. Dort leitet sie außerdem seit 1987 die Keramische Werkstatt Margarethenhöhe. Diese Manufaktur geht auf eine Stiftung von Margarethe Krupp aus dem Jahr 1924 zurück und wurde in ihrer Anfangszeit von Bauhauskünstlern geprägt. Young-Jae Lee fasst ihre meisterhaft gearbeiteten Schalen und Vasen zu großen Ensembles zusammen. Ihre Installationen waren unter anderem bereits in der Pinakothek der Moderne in München und im Museum für Asiatische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin zu sehen.
Die flachen Schalen ihrer neuen Werkgruppe haben einen Durchmesser von ca. 55 Zentimetern – gerade so groß, dass die Künstlerin die Objekte noch selbst auf der Töpferscheibe drehen konnte. Auf der Suche nach einem passenden Ort für ihre geplante Installation war Lee auf das Schiffshebewerk gestoßen.
Zeitgleich zur Installation im Trog war im Hafengebäude des Hebewerks eine Auswahl von Lees bisherigem Werk ausgestellt. Begleitet wurden die Objekte von Gemälden der koreanischen Malerin Sooyeon Hong.
Inspiriert wurde die Künstlerin bei ihrem Projekt auch durch Musik. Aus einer Aufführung des Stückes „Quatuor pour la fin du temps“ („Quartett für das Ende der Zeit“) von Olivier Messiaen schöpfte sie inhaltliche Bezugspunkte für ihre neue Werkgruppe. Der Franzose vollendete das Stück 1941 als Insasse eines deutschen Kriegsgefangenenlagers und greift in seiner Komposition das Motiv der sieben Schalen der Apokalypse aus dem Johannes-Evangelium auf.
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