12.11.2008 bis 30.6.2009
Vor 100 Jahren ereignete sich eines der schwersten Grubenunglücke in der Geschichte des Ruhrbergbaus. Bei einer Schlagwetterexplosion auf der Zeche Radbod in Hamm am 12. November 1908 kamen 350 Bergleute ums Leben. Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) erinnert mit einer Publikation an das Unglück und seine Opfer. Am Sonntag, 16. November 2008, wird im LWL-Industriemuseum Zeche Nachtigall das Buch mit den Aufzeichnungen des Wittener Bergmanns Moritz Wilhelm der Öffentlichkeit präsentiert.
Wilhelm hatte als „Königlicher Einfahrer“ die Aufgabe, die Schäden unter Tage zu sichten und zu dokumentieren. Seine Beobachtungen hielt er mit Worten und Skizzen fest - heute einzigartige Dokumente, die sehr nahe an das damalige Geschehen heranführen und zugleich erschütternde Zeugnisse des Bergmannstodes. Begleitend dazu zeigt das Museum in einer kleinen Ausstellung Exponate wie eine geborgene Wetterlampe, zeitgenössische Postkarten und die Original-Einfahrerurkunde von Moritz Wilhelm.
12. November 1908
Die Ereignisse des 12. November 1908 waren dramatisch: Nachdem verschiedene Versuche, in das brennende Grubengebäude vorzudringen, gescheitert waren, wurde am Nachmittag desselben Tages der Entschluss gefasst, die Grube zu fluten. Zu diesem Zeitpunkt noch Überlebende bergen zu können, schien hoffnungslos. Alle drei Sohlen der Zeche Radbod wurden unter Wasser gesetzt, um die Brände zu löschen. Die Leichen der verunglückten Bergleute blieben unter Tage.
Nachdem das Bergwerk ausgepumpt war, begannen im Februar 1909 die Bergungs- und Aufräumarbeiten. Um die Ursache des Unglücks aufzuklären, wurden dem Bergrevier Hamm drei „Königliche Einfahrer“ zugeordnet. Sie beaufsichtigten und dokumentierten die Arbeiten bis zum Ende im Dezember 1910. Ihre Berichte waren Grundlage der Ermittlungen der Bergbehörde zu Ursache und Verlauf der Katastrophe und dienten der Identifizierung der Toten.
Zwei der Berichtshefte, die den Zeitraum von September 1909 bis Dezember 1910 umfassen, blieben in Privatbesitz erhalten. Die Aufzeichnungen des Einfahrers Moritz Wilhelm gestatten heutigen Lesern einen unverklärten Blick in ein durch Schlagwetterexplosion verwüstetes Grubengebäude. Detailgenau, mit fachlich geschultem Blick beschreibt er Explosions- und Brandspuren und dokumentiert mit Worten und Skizzen, in welcher Arbeitssituation die Bergleute vom Tod heimgesucht und in welchem Zustand sie aufgefunden wurden. Wichtige Hinweise für die Identifizierung der Leichen lieferten dabei ihre Kleidung und weitere Gegenstände wie Lampen und Werkzeuge.
Ebenso bedeutsam ist die zweite von der Familie Wilhelm zur Verfügung gestellte Quelle: Die persönlichen Erinnerungen von Moritz Wilhelm an seinen Radbod-Einsatz, die er um 1930 für seine Familie niederschrieb. Bemerkenswert darin: Moritz Wilhelm hielt in seiner Ursachenanalyse Sprengarbeiten für den Auslöser der Explosion, während im offiziellen Bericht der Bergbehörde die Entzündung von Grubengasen durch eine defekte Wetterlampe für wahrscheinlich gehalten wird.
Beide Quellen sind nicht nur für die Fachwelt eine außergewöhnliche Entdeckung. Die Texte und Zeichnungen zeigen die Arbeitswelt Untertage nach einer großen Katastrophe und damit einen bisher auf diese Weise nicht dargestellten Aspekt der Bergbau- und Sozialgeschichte des Ruhrgebiets.
Das Buch beinhaltet beide Quellen und liefert die Hintergrundinformationen. Zahlreiche zeitgenössische Abbildungen ergänzen diese Darstellungen. Die beiliegende CD erschließt das vollständig wiedergegebene Dokument interaktiv und macht es für weitere Forschungen verfügbar. Durch das digitale Glossar wird die Quelle auch für Bergbau-Laien gut lesbar, Übersichtskarten des Bergwerks und eine neu recherchierte Opferliste aller 350 Opfer sind außerdem enthalten.
Informationen zum Begleitprogramm zur Ausstellung finden Sie hier.
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