Die niedere Gerichtsbarkeit hatte in den meisten westfälischen Territorien vor 1802 eine komplizierte Struktur. Neben dem normalen Netz niederer landesherrlicher Gerichtsbezirke („Gogerichte“ im Hochstift Münster) gab es nicht wenige Sonderrechtsbezirke, in denen z.B. der Stadtrat in einer Stadt, ein Abt oder eine Äbtissin in einem Klosterbezirk (oder etwa der Domdechant zu Münster in der „Domimmunität“, dem Domplatz) oder eben ein adeliger Gutsbesitzer die Rechtsprechung ausübte.
Solche größeren adeligen Gerichtsbezirke („Herrlichkeiten“) mit Blutsgerichtsbarkeit waren im Fürstbistum Münster z.B. die Herrlichkeiten Lembeck und Dinklage und das domkapitularische Amt Lüdinghausen; faktisch bedeutete das aber nur, daß die Adeligen die Richter benennen durften. Die niedere Gerichtsbarkeit übten adelige Gutsherren oft auch im engeren Bereich der Hovesaat ihrer Adelsgüter, d.h. der Hofstelle mit den direkt zugehörigen Ländereien, aus, u.a. die Herrschaft über das Gesinde.
Weiter verbreitet waren solche Patrimonialgerichte, d.h. an eine Gutsherrschaft geknüpfte Gerichtsrechte mit Polizeigewalt für größere Bezirke außerhalb des eigentlichen Gutshofes, im Fürstbistum Paderborn. Im ehemals kurkölnischen Herzogtum Westfalen, dem heutigen Sauerland, hatte es bis 1803 14 Patrimonialgerichte gegeben, die 1807 aufgehoben und auf geringe Reste, u.a. die Polizeigewalt aufgehoben wurden.
Im Vest Recklinghausen gab es zwei landesherrliche Untergerichte, zwei adelige Patrimonialgerichte und zahlreiche Hofgerichte der geistlichen und weltlichen Grundherren für Angelegenheiten der Höfe und für die freiwillige Gerichtsbarkeit.
An die Stelle der komplizierten Gerichtsstruktur trat um 1808/10 in Westfalen ein den Gemeindegrenzen entprechendes Netz von Gerichten, an denen nach
einheitlichen Gesetzen geurteilt werden sollte. Die Justiz wurde so zu einem unabhängigen, hierarchisch geordneten Zweig der Verwaltung und strikt auf die Durchsetzung der gesetzlichen Vorschriften verpflichtet.