LWL-Industriemuseum

Westfälisches Landesmuseum für Industriekultur

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Johann Georg Krünitz

  • Geburtstag: 20. März 1728
  • Alter: 291 Jahre
  • Wohnort: Berlin
  • Beruf: Arzt, Enzyklopädist, Naturwissenschaftler, Übersetzer und vieles mehr
  • Mitglied seit: 18.3.2019

Eine Enzyklopädie, zwischen deren Buchdeckeln das gesamte Wissen der Welt steckt. Das zu schaffen, war mein Ziel. Damit jeder Mensch die Möglichkeit hat, alles nachzuschlagen. Leider habe ich dieses ambitionierte Projekt nicht selbst vollenden können.

Ich war schon immer ein vielseitig interessierter Mensch. Nachdem ich das Gymnasium verlassen hatte, zog es mich von Berlin nach Göttingen. Dort begann ich ein Studium der Medizin und Naturwissenschaften. Mein Stundenplan war dabei sehr divers: Ich hörte Vorlesungen zur Physiologie, zur Anatomie und zur Botanik. Ich wollte so viel Wissen wie möglich aufnehmen. Ein Jahr später wechselte ich dann von Göttingen nach Frankfurt an der Oder, wo ich 1749 meine Doktorwürde erlangte. In weniger als drei Jahren vom Erstsemester zum Doktor, und das in Medizin! Aber wer jetzt behauptet, dass ein Studium damals auch einfacher gewesen sei, unterschätzt meinen Willen und Fleiß.

Auch nach meinem Studium blieb ich im höchsten Maße umtriebig. Ich arbeitete zunächst als Arzt. Nebenbei hielt ich noch Vorlesungen zu Themen, die mir auch immer neben der Medizin am Herzen lagen, wie die Naturwissenschaften zum Beispiel. Außerdem war ich für verschiedene Zeitschriften als Mitarbeiter und Herausgeber tätig und schrieb Abhandlungen über ökonomische und physikalische Themen. In meiner Freizeit engagierte ich mich in der Gesellschaft der Freunde der schönen Wissenschaften.

Bald darauf verschlug es mich wieder nach Berlin, wo ich mich nun ausschließlich dem Schreiben über wissenschaftliche Themen widmete. Dabei entdeckte ich eine phantastische Möglichkeit, mein Französisch und Englisch geschmeidig zu halten: Ich begann damit, Texte aus allen möglichen Bereichen ins Deutsche zu Übersetzen. Oh, welch‘ Wonne, welch‘ Genuss, während der Arbeit an den Übersetzungen neue Dinge zu lernen! Technik, Philosophie, Naturkunde, Medizin – nichts, dem ich mich nicht gewidmet hätte. In einem gewissen Sinne war ich ein Universalgelehrter. Man könnte auch sagen, ein wandelndes Buch.

Eines Tages – es muss 1772 gewesen sein – stieß ich bei der Lektüre in einer Fachzeitschrift auf die Annonce einer französischen Enzyklopädie, die aus 16 Bänden bestand. Was für ein geballtes Wissen. Ich setzte es mir zum Ziel, jede einzelne Seite ins Deutsche zu übersetzen, so dass sie auch meinen Landsleuten verständlich seien. So denn bestellte ich mir das Gesamtwerk. Doch bevor ich mich an die Arbeit machen konnte, erwähnte ein Bekannter eine weitere französische Enzyklopädie und schlug mir vor, beide in der Übersetzung zusammenzuführen. Was für ein phantastischer Gedanke! 1773 begann ich mein Abenteuer.

Schnell fiel mir auf, dass einige der Artikel Verbesserungspotential besaßen. Darum erweiterte und überarbeitete ich die übersetzten Beiträge dort, wo es mir sinnvoll erschien. Ich selbst konnte schließlich auf meine eigene Privatbibliothek zurückgreifen, die stolze 15.000 Bücher umfasste. Vier übersetzte Bände veröffentlichte ich, bis mir das Übersetzen nicht mehr reichte. Ich wollte eine eigene Enzyklopädie mit eigenen Beiträgen. So schrieb ich in 26 Jahren 72 Bände. Ich arbeite Tag und Nacht wie ein Besessener.

Aber leider sollte es mir nicht vergönnt sein, dass gesammelte Wissen meiner Zeit von A bis Z für die Nachwelt festzuhalten. Noch während ich im Jahre 1796 am Band 73 schrieb, war die Zeit, die mir auf Erden gegeben war, verstrichen. Ich arbeitete gerade an dem Eintrag für „Leiche“. Welch‘ Ironie des Schicksals. Doch mein Werk wurde noch von Nachfolgern vollendet. 62 Jahre nach meinem Tod erschien mit Band 242 der letzte Teil der „Krünitz-Enzyklopädie“.

Prometheus hat einen Kommentar hinterlassen

Prometheus schrieb am 18.3.2019 um 10:03 Uhr:

Wie schön! Endlich mal wieder einen anderen Menschen treffen! Es freut mich, dass du so viel Spaß mit dem Wissen hast. Aber glaubst du nicht, dass im Nachhinein die ein oder andere Pause gut gewesen wäre? Du hast dich ja im wahrsten Sinne des Wortes totgearbeitet. So hatte ich mir das nicht gedacht.

Karl hat einen Kommentar hinterlassen

Karl von Drais schrieb am 9.5.2019 um 2:35 Uhr:

Ach, Sie können das anscheinend nicht verstehen, @prometheus. Wenn die Passion am Steuer sitzt, können Sie nicht anders, als ihr nachzugehen.

Gisbert hat einen Kommentar hinterlassen

Gisbert Hasenjaeger schrieb am 28.5.2019 um 10:03 Uhr:

Wissen Sie, wenn ich auf die zweite Hälfte meines Lebens blicke, denke ich, dass wir uns sehr ähnlich sind: Auch ich sehe meine Stärke eher darin, Wissen zu sammeln und weiterzudenken, als es zu schützen. Ach, diese verlorenen Jahre...