Der deutsche Historiker Hagen Schulze hat nach
Ernest Renan Nationen definiert als „geistige Wesen, Gemeinschaften, die existieren, solange sie in den Köpfen und Herzen der Menschen sind, und die erlöschen, wenn sie nicht mehr gedacht und gewollt werden; Nationen beruhen auf Nationalbewusstsein. Nationen kennen sich in einer gemeinsamen Geschichte, in gemeinsamen Ruhm und gemeinsamen Opfern wieder.“
Die Nation und die damit verbundenen Bilder sind in diesem Sinne das Produkt eines Prozesses der sozialen Konstruktion, an dem sich die verschiedenen Gruppen der Gesellschaft beteiligen. Einen solchen konstruktivistischen Ansatz hat auch Benedict Anderson in den 1980er Jahren vertreten: er hob die gemeinsamen Wahrnehmungsweisen einer Nation hervor, die durch
Zeitungsmedien, Verwaltungsvorschriften, Bildungssysteme bestimmt würden.
Nationale Denkmäler,
Festrituale, Symbole und
Mythen mit ihrer Sakralität sind demnach kein Selbstzeck, sie dienen vielmehr dazu, die Nation als eine konkrete Gemeinschaft entstehen zu lassen. Ein Mythos – gleich ob eine Armee, gefallene Soldaten, ein Präsident, ein „großer Mann“ – wird zur Inkarnation der Nation erhoben. Andererseits geschieht aber auch eine emotionale Identifikation der Menschen mit dieser Inkarnation: die Menschenmenge wird zu einem wesentlichen Bestandteil des Rituals.