LWL-Industriemuseum

Westfälisches Landesmuseum für Industriekultur

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Karl-Heinz Glocke

  • Geburtstag: 18.4.1931
  • Alter: 88
  • Wohnort: Bochum
  • Beruf: Maschinenschlosser, Personaler, Spion
  • Mitglied seit: 26.6.2019

Wissen klauen für eine größere Sache. Mein Leben lang war ich überzeugt von der sozialistischen Idee und habe mich im Ruhrgebiet für den Erfolg der DDR über die BRD eingesetzt. Am Ende musste ich feststellen, dass ich für einen Staat spioniert habe, der nicht meine Ideale vertritt.

Meine Kindheit war geprägt vom Krieg und von der Armut. Es gab nicht viel in meinem Viertel. Aber eins war klar: Wenn einer meiner Freunde oder ich unter welchen Umständen auch immer etwas in die Finger bekamen, wurde es mit allen geteilt. Am Ende saßen wir ja doch alle im selben Boot mit der Einsicht, dass wir gemeinsam stärker waren. Dieses Gemeinschaftsgefühl und diese Solidarität unter uns Arbeiterkindern haben mich mein Leben lang geprägt.

1949 trat ich meine Ausbildung zum Maschinenschlosser in Herne an. Gleichzeitig beteiligte ich mich aktiv in der Gewerkschaftsarbeit und trat für die Arbeiter und ihre Interessen ein. Ich wurde Mitglied in der IG Metall, die im gleichen Jahr neugegründet wurde. Auch an Veranstaltungen der Freien Deutschen Jugend nahm ich teil, die es sich zum Ziel gesetzt hatte, ein neues demokratisches Deutschland auf den Trümmern des Faschismus aufzubauen. Offensichtlich führte das im Westen zu schlotternden Knien, denn am 26. Juni 1951 verbot die Bundesregierung die FDJ in Deutschland. Nach dieser Erfahrung von staatlicher Unterdrückung war ich noch entschlossener, mich für die sozialistische Idee einzusetzen. Aber offensichtlich musste ich dafür einen subtileren Ansatz verfolgen.

Mitte der 1950er Jahre trat ich in die SED ein und spionierte ab da in der Bundesrepublik für die Deutsche Demokratische Republik – die bessere Republik. Damit war ich einer von rund 12.000 „inoffiziellen Mitarbeitern“ der Stasi, die sich in der Bundesrepublik tummelten. Mein Operationsgebiet war das Ruhrgebiet unter dem Decknamen „IM Bronze“. Ein Teilgebiet meiner Aufgabe war es, die Genossen mit Informationen über die Parteipolitik der nordrheinwestfälischen CDU zu versorgen. Um dieser Aufgabe besser nachkommen zu können, bin ich der CDU schnellstens beigetreten.

Der zweite Aufgabenbereich umfasste den Bereich Großkraftwerke. Mein Schwerpunkt lag insbesondere auf den Sicherheitsstandards und dem Werkschutz. Dafür war ich genau der richtige Mann. Bei RWE bin ich die Karriereleiter ein paar Sprossen hochgeklettert und war leitender Angestellter in der Personalabteilung. Auch sonst führte ich nach außen hin mit meiner Frau und meinen beiden Töchtern ein unscheinbares Leben.

Die meiste Zeit baute ich persönliche Kontakte zu Personen auf, die mir dann im blinden Vertrauen vertrauliche Unterlagen zugänglich machten. Mit diesen Unterlagen machte ich mich dann einfach auf den Weg nach Ostberlin, oder ich verschickte sie mit der Post. Das Porto und die Spritkosten hat mir die Stasi erstattet, genau wie alle anderen Auslagen auch. Aber darüber hinaus erhielt ich kein Geld für meine Mühen. Aber das war mir auch nicht wichtig. Die Sache stand im Vordergrund, nicht mein persönliches Vorankommen.

Mein vorgesetzter Offizier in Ostberlin hieß Werner Stiller. Wir arbeiteten viele Jahre zusammen. Bis er im Januar 1979 mit einem Aktenkoffer unter dem Arm den Sozialismus den Rücken kehrte und sich in den Westen aufmachte. Mit dem Koffer übergab er den bundesrepublikanischen Behörden unzählige Klarnamen von Stasi-Spionen. Darunter auch den echten Namen von IM Bronze. Noch im Januar klopften Polizeibeamte an einem Sonntagmorgen an meiner Haustür. Ein Jahr später wurde ich wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit zu zwei Jahren und neun Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Bis zu meinem Lebensende glaubte ich an die sozialistische Idee. Aber ich musste erkennen, dass ich mit der diktatorischen DDR nicht die richtige Umsetzung unterstützt habe.

Gisbert hat einen Kommentar hinterlassen

Gisbert Hasenjaeger schrieb am 29.6.2019 um 17:31 Uhr:

Wissen gilt es zu schützen, anstatt es über Grenzen zu tragen!

Samuel hat einen Kommentar hinterlassen

Samuel Stöltzel schrieb am 4.7.2019 um 6:12 Uhr:

Tja, außer Spesen nichts gewesen, wie? Wenn man schon persönliche Risiken eingeht, dann müssen die sich auch auszahlen. Höhere Ziele... pah!

Erika hat einen Kommentar hinterlassen

Erika Fuchs schrieb am 28.8.2019 um 14:56 Uhr:

Ich bin nicht Ihrer Ansicht. Ich denke, man kann sich auch für Dinge engagieren, die man nicht zu 100% unterstützt, und trotzdem Gutes wirken.