Seit Mitte des 18. Jahrhunderts geriet die traditionelle Frömmigkeitspraxis zunehmend in die Kritik aufklärerischer Theologen und Staatswissenschaftler. Wesentlich schien nicht mehr allein das Seelenheil der Menschen, sondern ebenso ihr diesseitiges Wohlergehen: Man fragte nach der Funktion der Religion für das Leben der Menschen, nach dem Nutzen für die Gesellschaft.
Die aufklärerische Forderung, der Mensch müsse selbst denken und nach eigenen Erkenntnissen handeln, fand gegen Ende des 18. Jahrhunderts auch Eingang in den
Gebetbüchern. Mit der Betonung der moralischen Aspekte erhielt die Religion ein stärker pädagogisches Moment: die Erziehung zu guten Menschen war die religiös-aufklärerische Wurzel der viel gerühmten Bildungspolitik im katholischen Westfalen, für die nicht zuletzt der münsterische Schulreformer Bernard
Overberg (1754-1826) und der Generalvikar Franz von
Fürstenberg verantwortlich zeichnen.
Auch in der evangelischen Kirche gab es starke Tendenzen, den Pfarrer als Volkserzieher und Lehrer zu verstehen. Beispielhaft sei auf Johann Moritz
Schwager (1738-1804) verwiesen, den Pfarrer in Jöllenbeck bei Bielefeld.