Während in Preußen östlich der Elbe, wo das Gewerbesteueredikt von 1810 galt, die alten Zünfte fortbestanden, auch wenn sie keine Zwangsrechte mehr ausüben durften, blieb in der 1816 gegründeten preußischen Provinz Westfalen das Verbot der Zünfte bestehen. Allerdings wurde ihr Vermögen und Eigentum, die Zunftladen, das Zunftgeschirr, Fahnen usw., den früheren Zunftmitgliedern wieder ausgehändigt.
Mit der Aufgabe der Zünfte fehlte für die Gewerbetreibenden eine Organisation zur Interessenwahrung. In Münster, der 1815 neugeschaffenen Provinzialhauptstadt Westfalens, gründete sich deshalb – als Nachfolgeorganisation des 1810 aufgehobenen
Krameramtes – 1835, nach einer vierzehnjährigen Anlaufphase der
Verein der Kaufmannschaft. Die Satzung gibt als Vereinszweck „die Beförderung des Interesses des Handels im allgemeinen und der Kaufmannschaft der Stadt Münster insbesondere“ an.
Das Prinzip der Freiwilligkeit, der Verzicht auf die Übernahme öffentlicher Aufgaben, wie Lehrlingsprüfungen und die Konzentration auf die Interessenvertretung der Kaufleute, unterschied sie ebenso vom früheren Krameramt wie der Verzicht auf gesellschaftliche und soziale Aufgaben im engeren Sinne. Lediglich das Recht auf eine außergerichtliche Schiedsbarkeit und die Ausstellung von Führungszeugnissen für Gehilfen und Lehrlinge knüpfte an frühere Gildebräuche an.
Die Gründung einer „Handelskammer“ schließlich (1853), die für das ganze Münsterland zuständig war und dank der Zwangsmitgliedschaft von Großkaufleuten als öffentlich-rechtliche Korporation für die Vertretung des Gewerbes gegenüber der Regierung fungierte, beschränkte die Tätigkeit des Vereins auf die Stadt Münster.