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Interview mit Peter Gössel

Peter Gössel, Geschäftsführer der Bremer Agentur „Gössel und Partner“, konzipiert und plant seit 18 Jahren Ausstellungen für viele verschiedene Themen und Bereiche. Seine Spezialität sind atmosphärisch überzeugende Darstellungen, die in historische Räumlichkeiten eingebunden werden.

Herr Gössel, wie wird ein historisches Thema dreidimensional?

Ich würde sagen, es ist immer bereits dreidimensional, denn die Dinge, die aufbewahrt wurden, sei es privat oder in Museen, sind die Zeugnisse von Geschichte, mit denen wir in Ausstellungen arbeiten. Der Text, die Erläuterung, das sind nur Beigaben zum besseren Verständnis. Und im weiteren Sinne ist der Ausstellungsraum ja auch immer dreidimensional, denn wir bewegen uns durch ihn hindurch, selbst wenn die Ausstellung nur ein Buch ist, das auf Wände gebracht wurde. Das Entscheidende ist nun, dass man nicht durch die Ausstellung und dabei an den Objekten vorbei geht, sondern dass sich Perspektiven eröffnen, die zu den Objekten hinführen, und damit auch zu den Menschen, um die es letztendlich ja geht.

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Technische Zeichnung eines Ausstellungsmoduls. Foto: Westfälisches Industriemuseum.
Sie lassen die Ausstellung nicht im kriegszerstörten Westen beginnen, warum?

Nun, zum einen, weil ich schon mehrere Ausstellungen gemacht habe, die vom kriegszerstörten Westen handelten, und da fragt man sich, ist das wirklich ein Bild, das so am Anfang stehen sollte. Wenn wir über Schicksale von Menschen, die fliehen und vertrieben werden, nachdenken, fragen wir uns doch eher, wo kommen die her? Oder: Was geschah bei der Vertreibung selbst? Erst danach kommen die Flüchtlinge im Westen an und ich wollte, dass der Besucher diesen Weg ein modellhaftes Stück mit vollzieht.

Wie haben Sie es geschafft, dass der einzelne Mensch dabei nicht zu sehr in den Hintergrund tritt?

Im Zentrum der Ausstellung steht eine Abteilung, in der es um die Einbindung der Flüchtlinge in den Produktionsablauf in der Industrie geht. Das bedeutet, dass es hier auch große Exponate gibt, die sich gewissermaßen in den Vordergrund drängen. Daher war es für mich wichtig, die Darstellung einzelner Lebensgeschichten aus diesem Bildzusammenhang zu befreien, ihnen einen eigenen Ort und damit einen eigenen Stellenwert zu geben und das waren dann diese kleinen, roten Häuser, in denen es um Biographien geht. Sie stehen im Raum nicht im rechten Winkel, nicht aufmarschierend, sondern locker gruppiert, fast ein wenig unschlüssig, der Dinge harrend, die auf sie noch zukommen.

Diese Häuschen waren rot, die Ausstellung nutzt aber insgesamt auch andere Farben. Welche Rolle spielten Farben, Materialien und Beleuchtung?

Jede Abteilung hat eine Hintergrundfarbe, damit sie sich deutlich als ein weiterer Schritt im Konzept zeigt, und diese Farbe wird immer kräftiger. Wir beginnen mit Grau, dann kommt ein helles, gedecktes Gelb, von dem sich die kräftigen Häuser mit den Lebensgeschichten abheben und am Ende, wenn es um Heimatfilme und Erinnerungskultur geht, kommt ein kräftiges Grün, fast ein wenig kitschig. Diese Farben sind nicht einfach gestrichen, sondern meist durch Lasieren von durchgefärbtem Material entstanden, so dass sie alle nicht wie aus dem Farbfächer wirken, denn eine Farbe, die wirklich Leben hat, ist nie nur ein einziger Ton, sondern besteht bei näherem Hinsehen aus vielen kleinen unterschiedlichen Fleckchen mit verschiedenen Nuancen. An Kanten, etwa an den Kanten von Vitrinen, haben wir Naturholz wegen der Haltbarkeit verwendet.

Was das Licht betrifft, so spielt es absichtlich keine entscheidende inszenatorische Rolle, weil diese Wanderausstellung immer wieder mit anderem Licht aufgebaut werden muss. Wichtig ist, dass der Fußboden im Raum immer relativ dunkel ist, damit die Wände heller wirken, und die Vitrinen wiederum sollten auch etwas heller erscheinen, sodass in die Tiefe des Blicks hin das Licht zu- und nicht abnimmt. Daraus folgt, dass die Ausstellung in der Fläche, in der sich Besucher bewegen, relativ dunkel sein sollte.

Wenn ich von diesen Dingen so spreche, dann will ich damit auch sagen, dass ich Zweifel habe, gegenüber der allzu spektakulär sich gerierenden Szenografie, die sich oft wichtiger nimmt als das Thema, das sie vermeintlich in Szene setzt. Zuerst einmal müssen die grundlegenden physiologischen Rahmenbedingungen erfüllt werden und dann natürlich auch die museologischen, wie der Schutz der Objekte, was nicht nur bei Leihgaben wichtig ist.

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Außenansicht eines biografischen Häuschens. Beschriftungen finden sich nur auf der Innenseite. Foto: Westfälisches Industriemuseum.
Haben die besonderen physiologischen Rahmenbedingungen der Zeche Zollern II/IV die Gestaltung der Ausstellung beeinflusst?

Zollern II/IV ist ja ein idealer Ort, nicht nur weil die Ausstellungshalle sehr geeignet ist für so ein Projekt, sondern weil die Zeche auch thematisch sehr gut zum Thema passte. Die Gestaltung der Ausstellung hingegen bleibt demgegenüber neutral, deutliche Bezüge zum Ausstellungsort Zollern II/IV würden vielleicht an anderen Aufbauorten unverständlich werden.

Warum benutzen Sie in der Ausstellungsarchitektur so große, massive Elemente?

Die Elemente sind groß, aber natürlich hohl und nicht massiv. Sie wirken massiv, weil ich es nicht mag, wenn Ausstellungssysteme zu viele technische Details zeigen, die im Gesamteindruck leicht stören. Die Größe ergab sich aus benötigtem Vitrinenraum und dem Umstand, dass wir viele kleine thematische Einheiten haben, die auf Wandstücken zusammenbleiben sollten.

Würde man diese Wände zum Beispiel noch einmal halbieren in der Breite, hätten wir lauter neue Fugen, auf die wir in der Bestückung wieder Rücksicht nehmen müssen. Im Grunde sind es also praktische Überlegungen, die die Dimensionierung bestimmt haben.

Vor welche besonderen Herausforderungen stellte Sie das Projekt?

Bei dem Thema der Ausstellung kommt man schon an mehreren Stellen an den Punkt, wo man sich etwas, was geschehen ist, nicht wirklich vorstellen kann oder wo es um gesellschaftliche Gruppen geht, die einem eher fremd sind. Da hilft dann nur ein umfangreicherer Diskussionsprozess mit den beteiligten Historikern, um gemeinsam den Kurs der Ausstellung festzulegen, denn am heimischen Zeichentisch lässt sich so ein Projekt nicht gestalten.

Danke für das Gespräch.

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Ausstellungsabteilung 3: Die Wände beinhalten die Industrien, die roten Häuschen die Lebensgeschichten der Zeitzeugen. Foto: Westfälisches Industriemuseum.