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Interview mit Konstantin Zigmann

Konstantin Zigmann ist Diplom-Gestalter. Seine Bremer Agentur „Prima-Propaganda“ entwickelte in enger Zusammenarbeit mit dem Ausstellungsarchitekten Peter Gössel das grafische Konzept der Ausstellung und übernahm die Gestaltung des Ausstellungskatalogs.

Herr Zigmann, die Ausstellung zeigt beinahe eintausend Fotos, Dokumente und Objekte in zahlreichen Kapiteln. Wie helfen Texte und Beschilderung dem Besucher bei der Orientierung?

In dieser Ausstellung sind die Texte der Leitfaden. Jede Ausstellungseinheit wird durch einen ausführlichen Einleitungstext beschrieben, so dass der Besucher in der Lage ist sich in der Ausstellung zurecht zu finden und die Zusammenhänge zu verstehen. Für die unterschiedlichen Themen in den Ausstellungseinheiten erläutern Modultexttafeln die Inhalte. Zum Schluss geben Objekttexttafeln Erläuterungen zu den unterschiedlichen Exponaten. Aufgrund der Menge an Exponaten und den dazu gehörenden Geschichten wurden die Objekttexttafeln teilweise sehr lang. Um dem Besucher ein Höchstmaß an Orientierung zu bieten haben wir uns entschlossen, alle Objekttexte mit den jeweiligen Objekten zu bebildern. Dies war ein großer Aufwand, der sich jedoch gelohnt hat. Der Besucher war so in der Lage das Exponat und den dazu gehörenden Text schnell zu identifizieren, ohne durch langes Suchen zu ermüden. Zum anderen haben wir die Abbildungen auch im Katalog genutzt.

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Entwurf eines Ausstellungsmoduls. Foto: Westfälisches Industriemuseum.
Das Ausstellungsthema wird auch durch eine Fülle von Dokumenten und Fotos erzählt. Wie bringt man zweidimensionale Dokumente in einer dreidimensionalen Ausstellung unter?

In der Ausstellung „Aufbau West“ basiert das Ausstellungskonzept auf einer Darstellung in Ebenen. Die Modulwände stehen also als "Plakatwände" zur Verfügung und wurden auch so genutzt. Reproduktionen wurden hier wie Plakate auf die Wände gebracht. In den eingelassenen Vitrinen finden die dreidimensionalen Ausstellungsstücke Platz. Die Rückwand wiederum bietet wieder Platz für Abbildungen. Natürlich haben Peter Gössel und ich in den Biografischen Häuschen auch Bilder in ihren Originalrahmen integriert. Das erzeugt ein Gefühl der Authentizität.

Gerade die erste Abteilung der Ausstellung – das Thema Flucht und Vertreibung – wird hauptsächlich durch Fotos dargestellt. Wie schafft man allein mit Fotos Emotionen?

„Flucht und Vertreibung“ wurden im Außenbereich, also auf dem Gelände der Zeche Zollern dargestellt und dienten gleichzeitig als Leitsystem zum Ausstellungseingang. Man muss dazu wissen, dass in der Ausstellungskonzeption der eigentliche Haupteingang des Ausstellungsgebäudes zum Ausgang und der Hintereingang zum Eingang wurden, um eine geradlinige Abfolge der Ausstellungseinheiten zu gewährleisten. Für dieses Leitsystem haben wir eine Figur aus Holz entwickelt, die eine mit einem Karren flüchtende Familie darstellt. Diese auffällig in Rot dargestellten "Flüchtlinge" leiteten den Besucher aus dem Kassenraum zum ersten Ausstellungsthema "Flucht und Vertreibung". Wir haben auf dem Weg zum Hintereingang des Ausstellungsgebäudes den Besucher gezwungen durch eine Schneise, zwischen Backsteinwand und überdimensionierten Schwarz-Weiß-Darstellungen zu laufen, die Motive der Flüchtlinge auf ihrem beschwerlichen Weg in den Westen zeigen. Dazu gehören überfüllte Bahnhöfe, wie auch durch Bombenangriff getötete Pferde. Außerdem sind fast alle Aufnahmen Winterbilder, die schon für sich eine beklemmende Atmosphäre verbreiten, vor allem in der Größe. Zusätzlich haben wir die Bilder leicht bläulich gefärbt, unauffällig, gerade so, dass die beklemmende Atmosphäre noch verstärkt wird. Da die Ausstellung zum größten Teil im Winter stattfand, nutzten wir das Wetter und eine kalte direkte Neonbeleuchtung um den Effekt noch zu verstärken. Beim Eintritt in das Ausstellungsgebäude war man nun selbst froh im "Auffanglager" zu stehen, der zweiten Ausstellungseinheit: Endlich angekommen, warm und die schrecklichen Bilder der Flucht hinter sich.

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Entwurf einer Exponattexttafel aus einem biografischen Häuschen. Foto: Westfälisches Industriemuseum.
Welche Idee steckt hinter dem Farbkonzept?

Wir beginnen wie schon beschrieben die Ausstellung mit einem kalten Blau und thematisieren "Flucht und Vertreibung". Danach tritt der Besucher in den zerbombten Westen, es ist grau, die Menschen drängen sich in Auffanglagern, der Schwarzmarkt blüht. Trotz Hunger gibt es ein Fünkchen Hoffnung. Ein freundliches Grau schien uns hier angemessen. Dazu kommen Materialien wie grobe gebeizte Eiche und Netzgewebe zum Einsatz.

Die dritte Ausstellungseinheit, der „Aufbau West“ präsentierte sich in Creme-Gelb und Rot. Die biografischen Häuser in der Mitte des Raumes stellen Einzelschicksale dar, sind also wie richtige Häuser zu begreifen. Die Industrien im Aufschwung werden in cremegelben Modulen dargestellt. Diese sehr ungewohnte Farbgebung für die Industrie impliziert verputzte und gestrichene Wände, vermittelt so das Selbstbewusstsein einer prosperierenden Wirtschaft.

Die vierte Ausstellungseinheit zeigt den „Blick über den Gartenzaun". Sie zeigt die Verbundenheit der ehemaligen Flüchtlinge zu ihrer früheren Heimat und beschreibt das Miteinander und die Begegnung der Menschen aus Ost und West. Diesem Miteinander und der Lebenskraft, die in vielen Projekten und Freundschaften stecken, gaben wir mit der Farbe Grün die nötige Aussagekraft. Grün steht für Hoffnung und Leben und entlässt den Besucher mit einem positiven Gefühl.

Sie haben auch den Ausstellungskatalog gestaltet. Die Gefahr der Kleinteiligkeit, die bei der Ausstellungsgestaltung drohte, ergab sich auch für den Ausstellungskatalog. Wie wurde das Thema hier umgesetzt?

Neben einer detaillierten Einleitung zu jedem Kapitel vertiefen Aufsätze im Ausstellungskatalog das Thema "Aufbau West". Neben den Einleitungstexten finden sich auch die Modultexte und alle Objekttexte im Katalog wieder. Zusätzlich werden Kurzbeschreibungen der Ton- und Videoinstallationen dargestellt. Aufgrund der Farbcodierung der Ausstellung ist es sehr einfach sich als Leser im Katalog zurecht zu finden.

Wegen der begrenzten Seitenanzahl bestand die Schwierigkeit darin, alle abgebildeten Ausstellungsobjekte in einer ausreichenden Größe darzustellen. Dafür habe ich Objekt und Text räumlich voneinander getrennt. Die Objekte finden an der Seite des Kataloges Platz und können nach Bedarf und Textmenge arrangiert werden.

Bei der Menge der Exponate bestand auch die Gefahr, die Zuordnung von Text und Objekt durcheinander zu bringen und die Übersicht zu verlieren. Wir haben uns, um das zu verhindern, mit dem Ausstellungsteam am Anfang der Ausstellungsplanung dazu entschieden alle Objekte in einer Datenbank zu erfassen, auf die alle Teammitglieder Zugriff hatten. So konnten nicht nur Objekt und Leihgeber erfasst werden, sondern auch Texte und Bearbeitungsstand. Diese ständige Aktualität, die gute Redaktion bzw. Lektorat und eine tolle Zusammenarbeit haben es ermöglicht diesen aufwendigen Katalog in kürzester Zeit entstehen zu lassen.

Danke für das Gespräch.

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