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Ärmel hoch und zugepackt!

Museumspädagogik für „Aufbau West“

Annette Kritzler,
Anja Kuhn,
Anette Plümpe


Schülerinnen beschäftigen sich mit der Lebensgeschichte eines Webers aus Böhmen.
Schülerinnen beschäftigen sich mit der Lebensgeschichte eines Webers aus Böhmen. Foto: Westfälisches Industriemuseum

Generationen im Dialog

Flüchten und vertrieben werden, woanders neu beginnen, sich integrieren, aber auch neue Impulse geben – über 10 Millionen Flüchtlinge und Vertriebene kamen nach 1945 in die westlichen Besatzungszonen. Die Ausstellung „Aufbau West“ erzählt ihre Geschichte zwischen Kriegsende und Mauerbau. Sie zeigt, wie die Menschen aus Ost und West in Nordrhein-Westfalen gemeinsam die Industrien der Nachkriegszeit aufbauten. Sie berichtet über die Erfahrungen der Menschen, verdeutlicht Probleme, Chancen und zeigt ihre Leistungen. Und sie regt Fragen an: Was bedeutete nach dem Krieg der Verlust von Heimat? War der Neuanfang im Westen für die Menschen aus dem Osten schwerer als für die Einheimischen? Haben sich die „Neuen“ im Westen spurlos integriert oder neue, sichtbare Akzente gesetzt?

Diese Fragen beleuchten nicht einfach einen historisch relevanten Zeitabschnitt. Auch heute beschäftigt sich unsere Gesellschaft mit „Fremden“, beispielsweise Gastarbeitern, Spätaussiedlern oder Wirtschaftsflüchtlingen. Das historische Beispiel „Aufbau West“ zeigt Möglichkeiten im Umgang zwischen Einheimischen und „Neuen“ und versteht sich als Aufforderung zu Selbstreflektion und Toleranz im Hinblick auf die eigene Stellung in unserer Gesellschaft.

Generationen im Dialog
Rund 300 Objekte, 40 ausgewählte Lebensgeschichten von Zeitzeugen, zahlreiche historische Fotos, Film- und Tondokumente sowie Maschinen in Funktion bieten auf der Zeitreise von 1945 bis zur Gegenwart abwechslungsreiche Anknüpfungspunkte für fast jeden Museumsbesucher. Betroffene erkennen in der Ausstellung mit Sicherheit ein Stück ihres eigenen Weges wieder. Sie können sich so ihrer eigenen Vergangenheit und ihrer heutigen Stellung in der Gesellschaft bewusst werden. In den Lebensgeschichten der Zeitzeugen finden sich aber auch jüngere Museumsgäste wieder, die die Nachkriegs- und Wirtschaftswunderzeit nicht miterlebt haben, denn die Flüchtlinge und Vertriebenen kamen aus allen Altersstufen und aus allen sozialen Schichten. So begegnen Kinder beispielsweise einem Stoffaffen, wie er ähnlich in vielen Kinderzimmern auch heute zu finden ist. Dieser spezielle Stoffaffe aber begleitete die neunjährige Susanne Wiesner auf der Flucht von Schlesien bis ins Ruhrgebiet. Welche Dinge würden Kinder heute mitnehmen, wenn sie plötzlich ihr Zuhause verlassen müssten und nicht wiederkehren dürften? Jugendliche treffen in „Aufbau West“ auf „Altersgenossen“ wie den 15-jährigen Gernot Bauer1, den es nach der Flucht mit der Familie zunächst nach Schleswig-Holstein verschlug. Dort gab es kaum Ausbildungsplätze, eine Situation die vielen Schulabsolventen heute vertraut vorkommen wird. Gernot Bauer bewies damals Mut zur Mobilität und verließ – wie viele andere junge Männer – seine Familie, um im Ruhrbergbau eine Lehre zu beginnen. Die frisch verheiratete Unternehmerstochter Annemarie Spaleck zeigte ihrerseits bei der Flucht ihrer Familie großes Organisationstalent. Die junge Frau brachte alle für die Neugründung des Familienbetriebes wichtigen Dinge aus der Ostzone in den Westen. Die ein oder andere „Familien-Managerin“ wird ähnliches Organisationsgeschick auch an sich entdecken.

Im gemeinsamen Familienbesuch sollen Lebensgeschichten und Exponate zu einem generationsübergreifenden Dialog führen. Die unterschiedlichen Erfahrungswelten und Bedürfnisse von großen und kleinen, jungen und alten Museumsgästen laden zum Austausch über die Objekte ein. Ein Familienquiz hilft spielerisch auf der gemeinsamen Entdeckungsreise durch die Ausstellung als Kommunikationsbrücke und Orientierungsleitfaden. Der Weg durch die Ausstellung bringt so Menschen und im Idealfall auch ihre Gedankenwelt in Bewegung.

Menschen in Bewegung
Wer die Ausstellung nicht im Alleingang besichtigen oder zielgerichtet die Highlights in 90 Minuten erleben möchte, nimmt an einer Führung durch „Aufbau West“ teil. In der Führung „Menschen in Bewegung“ werden im Dialog mit dem Gästeführer anhand ausgewählter Exponate und Lebensgeschichten Integrationsmodelle der Nachkriegszeit fokussiert. Und auch ein Blick hinter die Kulissen ist per Führung möglich. Die Ausstellungsmacher erklären hier, wie eine Ausstellungsidee mehr und mehr Gestalt annimmt. Sie erläutern, wie aus einem gesellschaftspolitisch wichtigen und aktuellen Thema einprägsame Bilder werden, wie sie Dinge zum Sprechen bringen und wo sie solche Dinge finden.

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Der Stoffaffe spendete einem 9jährigen Mädchen Trost auf der Reise nach Westen, als sie 1946 mit ihren Eltern aus Bunzlau/Schlesien vertrieben wurde.
Der Stoffaffe spendete einem 9jährigen Mädchen Trost auf der Reise nach Westen, als sie 1946 mit ihren Eltern aus Bunzlau/Schlesien vertrieben wurde. Foto: Westfälisches Industriemuseum

Nachkriegsgeschichte am außerschulischen Lernort

Identität, Integration, Migration

Nachkriegsgeschichte am außerschulischen Lernort

Wie kann die Geschichte der Flüchtlinge und Vertriebenen den Schülerinnen und Schülern nahe gebracht werden? Ist es überhaupt möglich, diese – teilweise auch sehr traumatischen – Erlebnisse an eine Generation weiter zu geben, die in einer vermeintlichen Wohlstandsgesellschaft aufwächst? 2 Drei museumspädagogische Programme und variable Module für Projekttag(e) bereiten den Themenkanon Flucht bzw. Vertreibung, (Wieder)Aufbau, Integration und Spuren altersgerecht und handlungsorientiert in Anlehnung an die Schulcurricula für die Sekundarstufen I und II sowie für die 3. und 4. Klasse der Primarstufe auf. Der außerschulische Lernort Industriedenkmal und -museum verfügt dabei über besondere pädagogische wie auch didaktische Möglichkeiten der Vermittlung. Das Industriedenkmal Zeche Zollern II/IV und die Originale in der Ausstellung vermitteln – anders als in der Schule möglich – ein hohes Maß an Authentizität und Realität.

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Alle Schülerinnen und Schüler markieren ihren Heimatort auf der Landkarte.
Alle Schülerinnen und Schüler markieren ihren Heimatort auf der Landkarte. Foto: Westfälisches Industriemuseum

Sekundarstufe II

„Migration und Integration zwischen Kriegsende und Mauerbau“

Sekundarstufe II

Für Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II lässt sich ein Besuch der Ausstellung gut in Unterrichtseinheiten zu den Themen Migration und Nachkriegsgeschichte einbinden. Curriculare Anknüpfungspunkte liegen im Bereich der Fächer Geschichte, Politik, Erdkunde/Geografie und Sozialwissenschaften. Das museumspädagogische Programm für die Sekundarstufe II „Migration und Integration zwischen Kriegsende und Mauerbau“ zielt vor allem auf die Veranschaulichung der Leistung und des Erfolgs gemeinsamen Handelns von „Fremden“ und Einheimischen. Darüber hinaus soll das Bewusstsein für die eigene Herkunft und die eigene Identität gestärkt werden.

In enger Anlehnung an die Ausstellungseinheiten gestaltet sich das museumspädagogische Programm für die Jugendlichen zwischen 16 und 19 Jahren in vier Phasen. Der sprichwörtliche „Einstieg“ in das Thema erfolgt durch das Betreten eines Güterwaggons, der den Weg vieler Heimatvertriebene in den Westen symbolisiert. Hier beginnt ein kurzes Gruppenrollenspiel, in dem einfühlsam eine aktive Auseinandersetzung mit dem schwierigen Thema Flucht und Vertreibung angestoßen wird. Schülerinnen und Schüler „schlüpfen“ quasi in die Rolle einzelner Flüchtlinge und Vertriebener. Sie erhalten knappe Lebensläufe, die sich an historischen Vorbildern orientieren. Die Spannbreite der Lebensläufe reicht vom jungen arbeitssuchende Landarbeiter aus Ostpreußen über die Ehefrau aus der sowjetisch besetzten Zone, die zu ihrem Mann in den Westen will, bis hin zur vertriebenen neunköpfigen Familie. Ausgerüstet mit Fluchtgepäck und Requisiten machen sie sich zusammen auf den Weg in die Ausstellung.

Dem chronologischen Aufbau der Ausstellung folgend, beschäftigen sich die Schülerinnen und Schüler in der zweiten Phase mit einem kurzen Filmausschnitt aus dem 1949 gedrehten Film „Asylrecht“, der ihnen die Ankunft im Westen näher bringt. Auch hierbei dienen die Lebensläufe den Jugendlichen als Orientierungshilfe, um das „eigene“ Schicksal beispielhaft nachzuvollziehen. Andiskutiert werden anhand des Filmausschnitts die Fragen: Auf welchem Weg und auf welche Weise kamen die Menschen von Ost nach West? Wer durfte in den Westen und wem wurde die Einreise verweigert? Wie bewältigten die Neuankömmlinge den Alltag der Nachkriegszeit, der überwiegend von Mangel bestimmt war: Hunger, Durst, Krankheit, Kälte ...

Die dritte Phase des museumspädagogischen Programms rückt den Stellenwert von (Industrie)Arbeit, die Leistung des Einzelnen für den Aufbau und die Integrationsfaktoren für die Neuankömmlinge in den Mittelpunkt. Zum Aufbau und zur Sicherung einer Existenz war es wichtig, eine Arbeit bzw. Anstellung zu finden. Welche Schlüsselindustrien waren hierbei wichtig? Die Lebensläufe weisen die Jugendlichen verschiedenen Branchen zu: Der Bergbau „schluckte“ als wichtigster Energieversorger der Nachkriegszeit die meisten jungen Männer. Die Bau- und Baunebenindustrien warben als Motor des Wiederaufbaus ebenfalls intensiv um Arbeiter. Die Glasindustrie setzte mit ihren Produkten völlig neue Akzente in der Industrie des Westens. Die Bekleidungsindustrie bot speziell Frauen Arbeitsplätze. Um die Branchen und die Wechselwirkung von Industrie und Einzelnem – ob Arbeiter oder Unternehmer – zu erfassen, gehen die Jugendlichen in dieser Phase selbstständig mit Fragebögen auf Erkundung. Ihre Ergebnisse und Eindrücke werden am Ende in einer Gruppenbesprechung zusammengeführt und verglichen.

In der abschließenden Phase begeben sich die Schülerinnen und Schüler gemeinsam auf Spurensuche zur Migration der Nachkriegszeit, die vor allem den Blick für ihre Umgebung schärfen soll. Konsumgüter ehemaliger „Ostfirmen“ wie Odol-Mundwasser oder Kunert-Strümpfe sind heute versteckte Spuren, denn sie sind alltägliche Bestandteile unserer Gesellschaft geworden. Die museale Inszenierung von Hüten, Tüchern, Hauben und Kappen aus Siebenbürgen gibt den Jugendlichen kurz vor dem Ausgang eine letzte wichtige Botschaft mit auf den (Heim)Weg: Diese Kopfbedeckungen identifizierten einst ihre Träger in ihrer regionalen, sozialen und ethnischen Zugehörigkeit, gaben Auskunft über Beruf, Familienstand und sogar Alter. Sie sind Zeugnis einer multikulturellen Gesellschaft, die lange Zeit erfolgreich friedlich zusammenlebte und damit ein Plädoyer für einen toleranten Umgang miteinander.

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Sekundarstufe I

„Von Affe bis Ziegel – Neuanfang im Westen“
Sekundarstufe I
Das museumspädagogische Programm „Von Affe bis Ziegel – Neuanfang im Westen“ richtet sich an Schulklassen der Jahrgänge 5 bis 10 und knüpft an den Themenbereich „Eigene Identität und Integration“ des Lehrplanes für die Sekundarstufe I an. „Integration“ – das bedeutet laut Wörterbuch „Zusammenschluss, Vereinigung“. Doch wie „vereinigen“ sich einzelne Individuen zu einer Gemeinschaft? Die Ausstellung „Aufbau West“ zeigt dies am historischen Beispiel und bietet damit den Kindern zwischen 10 und 15 Jahren altersgerecht Anknüpfungspunkte für eine Orientierung in der heutigen Gesellschaft.

In der ersten Phase des Programms „verorten“ die Schülerinnen und Schüler sich zunächst anhand eines persönlichen Steckbriefs. Auf Stadt- und Landkarten erkunden sie, wo sie geboren wurden, woher eventuell ihre Eltern kommen und markieren mit ihrem Steckbrief ihren Wohnort auf einem Stadtplan. So werden sich die Kinder ihrer eigenen Herkunft bewusst. Sie lernen sich untereinander besser kennen und können Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Klassenverband erarbeiten.

In der Ausstellung beschäftigen sich die Kinder und Jugendlichen dann mit den persönlichen Steckbriefen der dort inszenierten Objekte. Diese müssen sie im Sinne einer handlungsorientierten Museumspädagogik anhand einer Fragekarte erarbeiten. In kleinen Gruppen sammeln die Kinder selbstständig Informationen zu ausgewählten Exponaten unter bestimmten Leitfragen: Wer war der Besitzer? Wo kam er her? Was konnte er besonders gut? Die Ergebnisse werden in der Gruppe zusammengetragen und einander vorgestellt. Sie zeigen, dass hinter den Objekten Geschichten verschiedener Menschen mit unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlichen Fähigkeiten stehen. Alle zusammen bauten nach ihren Möglichkeiten den Westen mit auf und fanden ihren Platz in der Gesellschaft.

Im weiteren Verlauf des Programms werden gemeinsam die Spuren der Flüchtlinge und Vertriebenen in der Gegenwart noch einmal aus einem anderen Blickwinkel beleuchtet. Die Inszenierung von Straßenschildern, deren Namen an ehemalige Städte in deutschen Ostgebieten erinnern, ist dabei „wegweisend“: Dresdener-, Danziger-, Memeler- oder Kronstädter-Straße – dies sind bewusst in der Öffentlichkeit gelegte Erinnerungsspuren, wie sie in jeder Stadt zu finden sind.

Der abschließende praktische Programmteil zur Vertiefung dieser Spuren-Thematik unterscheidet sich für die Klassen der Jahrgänge 5 bis 7 und die Klassen der Jahrgänge 8 bis 10. Die jüngeren Schülerinnen und Schüler knüpfen an die Inszenierung Siebenbürger Kopfbedeckungen an. In Anlehnung an ihren persönlichen Steckbrief aus der Orientierungsphase gestalten sie mit Fantasie und Kreativität eigene Kopfbedeckungen, die ihre Herkunft, ihr Alter, ihre Fähigkeiten – also ihre Identität – widerspiegeln. Die Schülerinnen und Schüler der Jahrgänge 8 bis 10 stellen sich dagegen einem Konsum-Quiz: Können sie aus einem Warenkorb mit Konsumgütern die Produkte identifizieren, die ehemals aus dem Osten kamen? Das Quiz zeigt sowohl, wie gut sich ehemals neue, „fremde“ Dinge integriert haben als auch, wie sie das tägliche Leben bereichern.

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Kopfbedeckung der Siebenbürger Sachsen.
Kopfbedeckung der Siebenbürger Sachsen. Foto: Westfälisches Industriemuseum

Primarstufe (Klassen 3–4)

„Was Hüte erzählen können“

Primarstufe (Klassen 3–4)

Für Schülerinnen und Schüler der Klassen 3 und 4 wurde das Programm „Was Hüte erzählen können“ entwickelt. Es knüpft ebenfalls an das Thema „Eigene Identität und Integration“ an, das in der Primarstufe behandelt wird.

Wie kann man die Themen von „Aufbau West“ mit ihren komplexen sozial- und kulturgeschichtlichen Bezügen Kindern im Alter von 8 bis 11 Jahren auf altersgerechte Weise vermitteln? Ähnlich strukturiert wie die Orientierungsphase für die Sekundarstufe I können die Kinder zunächst mit einem persönlichen Steckbrief die eigene Person bewusster wahrnehmen und diese anhand eines Stadtplans mit Hilfe der Museumspädagogin und des Lehrers/der Lehrerin konkret verorten.

Ausgehend von dieser geografischen Verortung werden die Schülerinnen und Schüler im Gespräch mit der Museumspädagogin in die Rolle eines Kindes versetzt, das plötzlich sein Zuhause für immer verlassen muss. Gemeinsam wird überlegt, gesammelt und strukturiert, was die Kinder mitnehmen oder zurücklassen müssten. Danach untersuchen die Kinder einen Rucksack, der Fundstücke enthält und Fluchtgepäck symbolisiert. Auf der Suche nach den Originalen geht die Schulklasse zusammen in der Ausstellung auf Entdeckungsreise. Die Fundstücke werden dabei in ihrer Bedeutung für die Besitzer und die Wichtigkeit für den Neuanfang im Westen erkundet, wobei nach Möglichkeit die Erfahrungswelt der Kinder mit einbezogen wird. Welches Spielzeug würden sie mitnehmen, wenn sie nur ein einziges auswählen dürften? Oder wie war es, die Eltern auf der Flucht zu verlieren und dann über Suchplakate des Deutschen Roten Kreuzes nach ihnen zu suchen? Jedes Kind kennt zumindest die Situation, wenn es beim Einkaufen die Eltern suchen muss.

Auch das Programm für die Primarstufe bedient sich abschließend der Inszenierung von Siebenbürger Kopfbedeckungen, um in einer aktiven Bastelaktion die Eindrücke aus der Ausstellung und die Wahrnehmung der eigenen Person zu verarbeiten.

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Schülerinnen und Schüler begeben sich auf die „Reise“ durch die Ausstellung.
Schülerinnen und Schüler begeben sich auf die „Reise“ durch die Ausstellung. Foto: Westfälisches Industriemuseum

Projekttag(e) für Kinder zwischen 9 und 13 Jahren

„Ärmel hoch und zugepackt“

Projekttag(e) für Kinder zwischen 9 und 13 Jahren

Wie machten Kinder nach dem Krieg Hausaufgaben, als es kein Papier gab? Womit spielten sie? Wo wohnten sie und wie ernährten Vater oder Mutter die Familie? Mit diesen Detail-Fragen können sich Schülerinnen und Schüler im Verlauf von Schul-Projekttagen intensiv befassen. In Ergänzung zu den museumspädagogischen Programmen wurden fünf Projektmodule rund um die Themen Identität, Integration und Migration als Vertiefungsangebot für die Jahrgangsstufen der 3. bis 7. Klasse entwickelt. Auch hier gilt die Devise, das historische Thema, das Kindern und Jugendlichen auch aus dem Unterricht wenig vertraut ist, auf attraktive, handlungsorientierte und nachhaltige Weise zu vermitteln. Die Struktur in einzelnen Themen-Modulen ermöglicht einen sowohl inhaltlichen als auch zeitlich flexiblen Angebotskanon, der ein bis drei Tage beansprucht. In Anlehnung an die museumspädagogischen Programme ist es in erster Linie Ziel, die eigene Identität, den Einfluss jedes Einzelnen auf die Entwicklung und das Zusammenwachsen der Gesellschaft bewusst zu machen. Die aktive Auseinandersetzung mit dem historischen Beispiel „Aufbau West“ hilft bei der eigenen Standortbestimmung der Gegenwart und stiftet vielleicht auch Ideen für die Zukunft.

Nach einer Orientierungsphase in der Ausstellung gestalten die Kinder und Jugendlichen in Anlehnung an das historische Beispiel „ihren“ Aufbau West.

Modul 1 setzt sich mit dem Thema Weggehen, Flucht, Vertreibung im weitesten Sinne auseinander. Was möchten und was könnten die Kinder und Jugendlichen mitnehmen, wenn sie noch am gleichen Tag ihr Zuhause verlassen müssten? Was ist wichtig und was unwichtig? Was ließe sich überhaupt tragen? Mit Hilfe von Requisiten können sie sich handlungsorientiert der Problematik nähern.

Modul 2 knüpft an das Ankommen in einer neuen Gesellschaft an. In der Nachkriegszeit setzten sich Schulklassen aus Einheimischen und Flüchtlingskindern zusammen. Wie war der Umgang miteinander? Auch heute gehören Schüler verschiedener ethnischer Zugehörigkeit zur Lebenswirklichkeit vieler Schulen. Das Modul vertieft das Bewusstsein für die eigene Identität und diskutiert Vorteile einer multikulturellen Gesellschaft. Um die eigene Herkunft zu verorten und die Multikulturalität zu visualisieren, entsteht zum Beispiel ein selbstgebauter Globus.

Modul 3 beleuchtet das Einrichten in einer neuen Gesellschaft. Wie wurden die Flüchtlinge und Vertriebenen im Westen empfangen? Wie haben sich Einheimische und Neuankömmlingen durchs Leben gebracht? Die Ausstellung „Aufbau West“ bietet hier eine Reihe von Aspekten zur Notkultur im Nachkriegsdeutschland, mit denen an die Erfahrungswelt der Kinder und Jugendlichen angeknüpft werden kann. In Bastelaktionen erhalten die Kinder einen Eindruck vom Einfallsreichtum der Notkultur im Hinblick auf Wohnen, Essen, Kleidung oder Spielzeug.

Modul 4 widmet sich intensiv dem Thema Wohnen und Bauen als Faktor für Integration. Wo kamen die Flüchtlinge und Vertriebenen im kriegszerstörten Deutschland unter? In der Ausstellung werden verschiedene Siedlungsmodelle der Nachkriegs- und Aufbauzeit untersucht. In Anlehnung an diese Vorbilder entwerfen die Kinder und Jugendlichen ihre eigene Stadt und bauen diese aus Lehm.

Modul 5 setzt sich mit der Arbeit als Integrationsfaktor auseinander. Gemeinsam erkunden die Schülerinnen und Schüler die zum großen Teil funktionstüchtigen Maschinen in der Ausstellung. Sie wurden vielfach von Ost-Unternehmern mit in den Westen gebracht und sorgten für Arbeitsplätze und neue Produkte. Eine Führung über das Zechengelände und Arbeiten mit Textilien stellen zwei Branchen vor, die in der Nachkriegszeit dringend junge Arbeitskräfte gesucht haben. Die Ergebnisse der Projekttage können in einer Ausstellung auf der „Galerie der Arbeit“ zusammengeführt und der Öffentlichkeit präsentiert werden.

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Medien- und Literaturtipps

Medien- und Literaturtipps

„Aufbau West“ – Neubeginn zwischen Vertreibung und Wirtschaftswunder, DVD. Westfälisches Landesmedienzentrum, Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), Münster 2005.

19,90 € inkl. Mwst., zzgl. Versandkosten 2,60 € ohne das Recht zum Verleih und zur öffentlichen Vorführung

45 ,- € inkl. Mwst. und Versandkosten mit dem Recht zum nichtgewerblichen Verleih und zur nichtgewerblichen Vorführung

Michael Braun, Annette Kritzler (u.a.): Planen – Sehen – Verstehen. Innovative Strategien zum Tagestourismus in Schule und Freizeit. Waltrop 2005.

Anja Kuhn: Bildung mit Spaß?! Museumspädagogik im Westfälischen Industriemuseum, in: Schätze der Arbeit: 25 Jahre Westfälisches Industriemuseum, Essen 2004, S.34–45.

Schülerwettbewerb Deutsche Geschichte um den Preis des Bundespräsidenten (Hg.): Weggehen – Ankommen. Migration in der Geschichte. Unterrichtsideen II, Hamburg 2002.

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Fußnoten

  1. Name geändert.
  2. Viele Schulklassen setzen sich allerdings heute aus Schülerinnen und Schülern verschiedener Nationalitäten zusammen. Bei der Durchführung der Programme berücksichtigen die Museumspädagoginnen daher, dass Kinder und Jugendliche teilnehmen, die selbst Erfahrung mit Ausreise und Flucht gemacht haben.

 

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