Winfried D. (stehend), seine Mutter und sein jüngerer Bruder Jürgen sowie ein Nachbarskind, um 1943 vor dem Sporthotel im Sudetenland, dem „Märchenschloss”, in dem die Evakuierten untergebracht waren. Foto: Privatbesitz.
Der Dortmunder Winfried D. teilt viele Erfahrungen der Flüchtlinge und Vertriebenen. Im Mai 1943 wurde er mit seiner Mutter und seinem kleinen Bruder ins Sudetenland evakuiert, nachdem ihre Wohnung im ersten großen Bombenangriff auf Dortmund zerstört worden war. Für die Familie war das schon der zweite Schicksalsschlag innerhalb weniger Monate: Im März hatte sie die Nachricht erhalten, dass der Vater bei Stalingrad vermisst wurde. Im Sudetenland lebte seine Familie mit 30 anderen evakuierten Familien aus dem Ruhrgebiet unter anderem in einem ehemaligen Sporthotel, das die Kinder „Märchenschloss” nannten.
Im Frühjahr 1945 brach die raue Wirklichkeit des Krieges in die Idylle ein: Mit den Sudetendeutschen wurden auch die Evakuierten vertrieben. Für Winfried D., seinen kleinen Bruder und ihre Mutter begann eine sechswöchige Odyssee zurück ins Ruhrgebiet – streckenweise zu Fuß, per Bus und auf Güterzügen.
Rechenheft aus der Volksschule, 1947/48. Dieses Notschulheft wurde aus Blättern und einer Pappe, die aussieht wie die Rückseite eines ehemaligen DIN A 4 Heftes, zusammengebunden. Papier war nach dem Krieg Mangelware und durfte nicht verschwendet werden. Da das Heft am Ende des siebten Schuljahres noch leere Blätter hatte, wurde es im achten Schuljahr gleich weiter verwendet. Quelle: Privatbesitz.
Die wohnungslose Familie kam zunächst in einem ehemaligen Gefangenenlager der Zeche Westhausen unter. In mühsamer Eigenleistung wurden Wände hochgezogen, Fenster repariert, Einrichtungsgegenstände organisiert. Die ersten Möbel waren ein geschenktes Bettgestell und ein gusseiserner Ofen. 1948 beendete Winfried D. die Volksschule und begann eine Berglehre. Er wurde Hauer und besuchte die Bergschule, um Steiger zu werden. Während er seinen Abschluss vorbereitete, setzte die erste Kohlenkrise ein. Als Steiger konnte Winfried D. zunächst nur in Bayern arbeiten und erst später in den Ruhrbergbau wechseln. Während der zweiten Kohlenkrise ließ er sich dann zum Sachbearbeiter im Arbeitsamt umschulen.
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